Die Debatte über die Integration von ausländischen jugendlichen Mitbürgerinnen und Mitbürgern in Bezug auf das Mitspracherecht bei Bürgerversammlungen ist eine Scheindebatte, Frau Kollegin Zacharias. In diesem Punkt besteht kein Handlungsbedarf. Ich habe während einer Bürgerversammlung noch nie erlebt, dass ein Bürgermeister einem ausländischen Mitbürger oder einem Jugendlichen das Wort verweigert hat. Sie wissen genau, dass der Bürgermeister in diesem Fall kein schönes Leben mehr hätte, da er in den Zeitungen zerrissen würde. Für die Wählbarkeit zum Ersten Bürgermeister oder zum Landrat sollte aus Sicht der Freien Wähler der Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft vorausgesetzt werden. Nur dann ist ein klares Bekenntnis zur Bundesrepublik Deutschland vorhanden und eine Integration weitgehend vollzogen.
Dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Form können wir nicht zustimmen. Heute ist jedoch keine Zustimmung erforderlich. Nun kennen Sie aber unsere grundlegende Tendenz. Den von Herrn Kollegen Meißner angekündigten Bericht des Innenministers über das Wahlrecht und eventuelle Änderungen warten wir natürlich ab, damit wir unseren Beitrag leisten können.
Herr Felbinger, bitte bleiben Sie noch einen Moment am Rednerpult. Kurzfristig hat sich noch Herr Kollege Thalhammer zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Felbinger, ich möchte noch zwei Punkte in die Debatte einfügen. Es sollte keine Frage des Alters sein, ob jemand zum Bürgermeister oder zum Landrat gewählt werden kann. Ich traue den
Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes zu, dass sie eigenständig die Entscheidung treffen können, wen sie zum Bürgermeister wählen. Sie werfen ferner jungen Leuten vor, dass sie nicht verstünden, was in der Politik los sei. Vor diesem Hintergrund sollten wir uns darüber Gedanken machen, dass wir unserem Auftrag, die Politik so zu kommunizieren, dass sie jeder in diesem Land versteht, vielleicht nicht richtig nachkommen.
Herr Kollege Thalhammer, erstens habe ich den Jugendlichen nicht vorgeworfen, sie kapierten nicht, worum es in der Politik gehe. Ich gebe Ihnen aber recht, dass wir uns in der Politik manchmal vielleicht etwas deutlicher artikulieren müssen, damit wir bei den Jugendlichen ankommen.
Zweitens haben Sie gesagt, es komme nicht auf das Alter an. Das ist aber die Frage. Ich ziehe sehr in Zweifel, ob ein 18-Jähriger als Bürgermeister den erforderlichen Weitblick und das erforderliche Verantwortungsbewusstsein hat und weiß, was auf ihn als Bürgermeister zukommt, wenn er es vorher kaum mitbekommen hat.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube schon, Herr Felbinger, dass die Bürgerinnen und Bürger Bayerns diejenigen zu Bürgermeistern wählen, von denen sie annehmen, dass diese wissen, was auf sie zukommt. Ich habe da durchaus Vertrauen in die Wählerinnen und Wähler. Normalerweise zeigen Kommunalwahlen, dass die Bürgerinnen und Bürger einen sehr differenzierten Blick dafür haben, wer für welche Aufgaben geeignet ist.
Wir haben heute einen Gesetzentwurf vorgelegt bekommen, der in Teilen aufzeigt, wo die Mitwirkungsmöglichkeiten der Ausländerinnen und Ausländer wie auch der Jugendlichen verbessert werden können.
Ich möchte als Erstes sagen: Unsere Phantasie geht weiter. Es gibt weitere Möglichkeiten, die Mitwirkung zu verbessern. Ich finde, dass auf Bürgerversammlungen nicht nur auf Antrag, sondern quasi von Anfang an und selbstverständlich jeder, der in der Gemeinde wohnt, das Wort bekommen und Anträge stellen kann. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass auch einmal Jüngere
als 14-Jährige das Wort ergreifen und sich beispielsweise zur Spielplatzsituation in der Gemeinde äußern. So etwas wäre doch sicher interessant und sinnvoll.
Ich habe die Diskussion hier im Plenum bisher durchaus offen erlebt. Ich glaube, dass das Ansinnen, die Bürgerversammlungen zu Einwohnerversammlungen zu erweitern, im Ausschuss durchaus auf offene Ohren stoßen könnte.
Darüber hinaus wird beantragt, dass sich EU-Ausländer, die ja als Gemeinderat gewählt werden dürfen, sich in Zukunft auch als Landrat und Bürgermeister zur Wahl stellen dürfen und nach einer gewonnenen Wahl nicht nur Gemeinderat, sondern vielleicht auch stellvertretender Landrat oder stellvertretender Bürgermeister sein dürfen. Das müsste in einem Europa selbstverständlich sein, in welchem wir immer mehr zusammenwachsen und gut zusammenarbeiten müssen.
Hier geht es nicht nur um das Interesse der EU-Bürger, zu Wort zu kommen, sondern eigentlich muss es unser Interesse sein, dass wir einen guten Dialog und ein gutes Zusammenleben mit allen Bürgern haben, die in der Gemeinde wohnen, auch mit den Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürgern.
Wie wollen wir es eigentlich hinbekommen, dass in den Schulen und Kindergärten die Eltern gut mitwirken, wenn man ihnen sagt: Ihr seid auf einer Bürgerversammlung nicht zugelassen, ihr dürft euch auch nicht in den Gemeinderat wählen lassen oder an einer Wahl mitwirken.
Vor diesem Hintergrund befürworten wir außerordentlich, dass die AGABY eine Kampagne für die Einführung eines Kommunalwahlrechts auch für Nicht-EUStaatsbürger gestartet hat. Wir haben ja die Situation, dass in einer ganzen Reihe von Stadt- und Ortsteilen oft ein Drittel der Bürgerinnen und Bürger momentan nicht wahlberechtigt ist. Das ist für die Entwicklung in den betreffenden Stadt- oder Ortsteilen keine gute Basis. Wenn wir ein gutes Gemeinwesen haben wollen, müssen wir uns über die Notwendigkeit klar sein, dass sich die Bürger einbringen können. Sie können in den Vereinen und Beiräten mitwirken. Dann sollten wir sie auch kommunalpolitisch mit ins Boot nehmen. Aber so weit geht der Antrag der SPD leider nicht.
Der Gesetzesantrag zeigt zwar zwei Punkte auf, wie man etwas besser machen kann, aber die Forderung nach einem Kommunalwahlrecht für alle fehlt hier noch.
Es fehlt auch eine Absenkung des Mindestalters für das aktive Wahlrecht zugunsten der Jugendlichen. Der Bayerische Landtag hat immer wieder interessante Diskussionen in den von ihm veranstalteten Planspielen erlebt. Positiv ist, dass dabei die Absenkung des Min
destwahlalters ein Thema der Jugendlichen in diesen Planspielen war. Ich denke, wir sollten uns über die Absenkung des Wahlalters nicht nur in den Planspielen, sondern auch im Ausschuss ernsthaft auseinandersetzen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ihren Antrag, liebe Frau Kollegin Zacharias und liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, finden wir Liberalen durchaus interessant und spannend. Nach unserer Auffassung geben wir dem Staat Rechte. Es ist nicht so, dass uns der Staat Rechte gibt. Der Staat sollte nur so viele Rechte bekommen, wie er wirklich braucht. Danach handeln wir auch. Insofern müssen wir schauen, was hier zu machen ist.
Jeder Mensch in diesem Saal braucht Akzeptanz und Teilhabe. Sonst wären wir nicht hier. Wir sind nicht versehentlich gewählt worden. Wir wollten an dieser Republik, an diesem Staat teilhaben. Deshalb sind wir hier.
Umso mehr gilt das für jeden Jugendlichen, aber auch für jeden Jugendlichen mit ausländischen Wurzeln.
Ein Fünftel unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger in Deutschland hat ausländische Wurzeln. In Augsburg ist es ein Drittel. Da können wir nicht so tun, als hätte sich nichts geändert, als wären wir kein Einwanderungsland.
Es muss so weit kommen, dass sich das auch bei der Polizei, bei der Bundeswehr, bei den Behörden und in den Vereinen widerspiegelt. Da sollte es nicht um Teilhabe gehen, weil man sich dann mit dem Land nicht richtig identifiziert. Das wäre schlecht.
Der Staatssekretär, der jetzt weggegangen ist, Markus Sackmann, hat demnächst in Augsburg eine Veranstaltung mit der Handwerkskammer. Die heißt: "Ausbildung und Migration". Die Handwerker merken schon, dass wir auf kein Talent verzichten können und es wichtig ist, die betreffenden Menschen einzubinden und ihnen die Chance eines erfüllten Lebens zu geben.
Man staune: Der CDU-Ministerpräsident des Saarlandes fordert ein Migrationsministerium. Warum? Weil er
Die Wissenschaft ist durchaus der Meinung, dass das Thema reif ist. Sie spricht bereits vom Nachholen der Integration, das heißt, sie ist sich bewusst, dass viel versäumt wurde.
Nach unserer Meinung ist der Vortrag, der hier gehalten worden ist, sehr spannend. Wir werden ihn in den Ausschüssen diskutieren.
Wichtig ist auch, dass wir neue Bürgerinnen und Bürger für die freiheitlich-demokratische Grundordnung gewinnen. Das ist das Entscheidende. Es darf nicht so sein, dass wir eine Parallelgesellschaft züchten, deren Existenz wir hinterher beklagen müssen. Unter dem Gesichtspunkt der Religiosität der betreffenden Menschen könnten wir vielleicht ein Vorbild dafür sein, dass sich Islam und Demokratie durchaus kompatibel miteinander darstellen lassen.
Lassen Sie uns interfraktionell ausloten, ob wir gemeinsam etwas für unser Bayernland bewegen können. Ich setze hier ein bisschen auf die Sarajevo-Fraktion, das heißt auf die fünf Kolleginnen und Kollegen, die mit dabei waren.
Jetzt sagen Sie natürlich: So einfach geht das nicht. Dazu muss ich Ihnen sagen: Bethlehem ist muslimisch. Sein Bürgermeister ist aber ein Christ. Nun hören Sie einmal, was er gesagt hat. Er hat gesagt: Ich bin römisch-katholisch; ich gehe jeden Sonntag in die Kirche; Jesus Christus kam, um den Menschen zu helfen, damit sie in Frieden leben und sich gut zueinander verhalten. - Dies ist interessant, weil das zugrunde liegende Gesetz noch unter Jassir Arafat erlassen wurde.
Man stelle sich vor, in einer katholischen Gemeinde, z. B. Lauingen, wäre der Bürgermeister ein Muslim, der aufschreit, wenn jemand hereinkommt, während wir es ganz normal finden, dass ein Christ Bürgermeister in einer muslimischen Gemeinde ist. Freunde, manche sind uns da schon ein bisschen voraus. Wir müssen das nicht genau nachmachen, aber etwas in diese Richtung. Es gibt scheinbar Christen, die sich trauen, so etwas zu machen.
Wir Liberale vertreten die Auffassung, dass Probleme mit Migranten, die sie zum Teil selbst verursachen, zum Teil aber auch erleiden, auch durch Migranten gelöst werden können. Deswegen wird die Teilhabe zumindest auf kommunaler Basis zu legitimieren sein.
Die Mehrheit der Jugendlichen steht zu unserem Staat. Das erlaube ich mir zu sagen. Ergreifen wir die ausgestreckte Hand der jungen Menschen nach dem Motto: fördern und fordern. Helfen wir den engagierten Lehrerinnen und Lehrern, die wirklich Vieles tun, um das zu bewerkstelligen. Bayern und Deutschland insgesamt können von anderen Ländern, von NGOs, von den Kirchen, aber auch von klassischen Einwanderungsländern lernen. Ich meine, unsere Jugendlichen wären die Gewinner - und auch der soziale Frieden in unserem Land. - Ganz herzlichen Dank.