Protokoll der Sitzung vom 23.06.2010

Alle hier im Haus sprechen von der Wichtigkeit der Bildung, ob CSU, FDP, SPD oder GRÜNE, bei der Bildung dürfe nicht gespart werden. Aber das müssen wir dann auch einmal ganz konkret umsetzen.

(Beifall bei der SPD)

Lesen Sie den Bildungsbericht 2010 der Bundesregierung, der jetzt herausgekommen ist und den jeder Abgeordnete bekommen hat. Da steht es eben auch drin: 17 % der jungen Menschen unter 30 Jahren sind ohne Berufsabschluss; bei Migranten sind es 30 %.

Wir brauchen eine bessere finanzielle Ausstattung. Wir legen einen Gesetzentwurf vor, der auf dem Gesetz von 1974 aufbaut und eine Anpassung an die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts vornimmt. Wir haben in den vergangenen Wochen intensive Gespräche mit den Trägern der Erwachsenenbildung geführt. Deren Ergebnisse sind auch konkret in unserem Gesetzentwurf enthalten, meine Damen und Herren.

Zum Schluss ein Satz von John F. Kennedy: Es gibt eine Sache auf der Welt, die teurer ist als Bildung: Das ist keine Bildung. - Deshalb müssen wir hier anpacken.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Vielen Dank für die Antragsbegründung. - Ich eröffne die Aussprache. Die Redezeit beträgt fünf Minuten. Erster Redner ist Herr Kollege Rüth. Bitte sehr.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass Bayern nicht nur im Bereich der Wirtschaft spitze ist, sondern auch bei Wissenschaft und Forschung und insbesondere bei der Bildung, konnten wir heute eindrucksvoll erfahren, als uns die Ergebnisse des Bildungsberichts in die Hände kamen. Er zeigt, dass wir in der Koalition mit unserer Bildungspolitik auf dem richtigen Wege sind.

(Prof. Dr. Michael Piazolo (FW): Aber nicht in der Erwachsenenbildung!)

In allen geprüften Kategorien sind die bayerischen Kinder auf Platz 1, und ich denke, darauf können wir stolz sein.

(Beifall bei der CSU - Zurufe von den GRÜNEN)

Bildung, meine Damen und Herren, ist der Schlüssel zu Wettbewerbsfähigkeit und Teilhabegerechtigkeit. Sie sichert auch Demokratie, Wohlstand und Frieden. Bei der Bildung entscheiden sich die Zukunftschancen eines Landes, unseres Landes. Wir als Bayern in einem Land mit nur einem Rohstoff, dem Rohstoff Geist, legen ein großes Augenmerk auf den Bereich der Bildung. Das wird auch sehr deutlich an den Haushaltsmitteln, die für diesen Bereich immer wieder eingesetzt werden. Das Thema Bildung steht im Zentrum der Politik der CSU-Landtagsfraktion.

Wir wissen aber auch, meine Damen und Herren, dass die Menschen heute nicht nur einen Berufsabschluss machen müssen, sondern sie müssen lebenslang lernen - im Beruf, überall da, wo sie tätig sind. Diese Veränderung hat natürlich auch Auswirkungen auf unser Erwachsenenbildungsgesetz. Kollege Fahn hat gesagt, dass es aus dem Jahre 1974 stammt. Ich denke, es hat sich in den 36 Jahren seines Bestehens bewährt, aber es muss an neue Entwicklungen angepasst werden. Deshalb haben wir seitens des Landtags den Auftrag erteilt, dieses Gesetz in enger Abstimmung mit den Trägern der Erwachsenenbildung weiterzuentwickeln, und insofern ist der Initiativentwurf der Freien Wähler redundant.

Der vorliegende Gesetzentwurf sieht neben einigen redaktionellen Änderungen vor, dass der Landtag die Mittel für die Erwachsenenbildung auf Vorschlag des Landesbeirates für Erwachsenenbildung festlegt. In diesem Landesbeirat sitzen zum großen Teil die Träger der Erwachsenenbildung. Dass diese natürlich

alle gern mehr Geld hätten, ist auch klar. Ich denke, eine solche Veränderung würde die Sache verwässern und auch den Haushaltsgesetzgeber zu stark binden. Das ist in der heutigen Zeit eine sehr schwierige Sache. Die Vorschläge zur Finanzierung sind mir insgesamt etwas zu schwammig.

In einem weiteren Punkt ist vorgesehen, dass Bildungsanreize insbesondere in Form von Bildungsgutscheinen und Weiterbildungsdarlehen zum Einsatz kommen und weiterentwickelt werden sollen. Zu diesem Vorschlag ist anzumerken, dass bereits seit Inkrafttreten des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 1. Januar 2003 die Agenturen für Arbeit bei Vorliegen der Förderungsvoraussetzungen Bildungsgutscheine für zuvor individuell festgelegte Bildungsbedarfe aushändigen können. Im Gesetzentwurf bleibt unklar, in welchem Verhältnis die dort vorgesehenen Bildungsgutscheine zu den bereits eingeführten Bildungsgutscheinen stehen.

Ich will auch an eine Forderung des Obersten Rechnungshofes erinnern, der auf eine klare Trennung zwischen beruflicher Fort- und Weiterbildung sowie der allgemeinen Erwachsenenbildung dringt.

Die Forderung nach der weiteren Übernahme operativer Aufgaben durch den Erwachsenenbildungsbeirat ist mit der derzeitigen Struktur nicht leistbar, und ich denke, eine Aufblähung des Apparates ist auch nicht zeitgemäß und nicht leistbar.

Ja, meine Damen und Herren, ich freue mich auf die Diskussionen in den Ausschüssen, in die dieser Initiativentwurf jetzt weitergereicht werden wird. Dort werden wir den Gesetzentwurf eingehend prüfen und beraten.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Pranghofer.

Herr Präsident, liebe Kollegen und Kolleginnen! Herr Rüth, ich hätte es mir fast denken können, dass Sie in Ihrer Vorbemerkung den Bildungsvergleich der Bundesländer ansprechen. Ich glaube, Herr Rüth, Sie hätten die Schüler loben sollen, Sie hätten die Lehrer loben sollen, und vielleicht nicht so sehr die Staatsregierung.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Aber nun zu dem Thema, um das es heute geht, nämlich einmal wieder um die Erwachsenenbildung. Ich will nicht die Historiker oder Philosophen bemühen, sondern mich an den Deutschen Bildungsrat halten, der bereits 1970, Herr Fahn, eine Definition für die Er

wachsenenbildung bzw. für die Weiterbildung getroffen hat. Der Deutsche Bildungsrat definiert Weiterbildung als "Fortsetzung oder Wiederaufnahme organisierten Lernens nach Abschluss einer unterschiedlich ausgedehnten ersten Ausbildungsphase". Diese Definition macht deutlich, worum es geht. Ich glaube, dass es gar nicht so schwer wäre, diese Bildungsphase nach der Schule zu organisieren, wenn man es nur wollte. Darin liegt das Problem. Sie haben darauf hingewiesen, dass die Staatsregierung seit dem Jahr 2008 daran arbeitet. Wir sind gespannt, wann die Vorlage für die Weiterentwicklung der Erwachsenenbildung in Bayern endlich kommt. Vielleicht erlebe ich es auch noch. Hier besteht natürlich Änderungsbedarf. Ich würdige, dass Sie sich mit einem Gesetzentwurf - wir haben es damals mit einem Antrag probiert, die GRÜNEN hatten einen Gesetzentwurf - dieses Themas wieder annehmen.

Ich will auf die drei wesentlichen Punkte Ihres Gesetzentwurfes eingehen, die nach unserer Meinung von Bedeutung sind. Sie sagen zum einen, es gehe Ihnen um die Bedeutung der Erwachsenenbildung in Bayern. Sie versuchen, mit Nennung der anderen Bildungsbereiche das Gewicht der Erwachsenenbildung stärker herauszustellen. Mit Verlaub, das ist ein schwacher Versuch der Freien Wähler, denn ich hatte die Definition genannt, was Erwachsenenbildung ist, und wenn man will, dass sie weiter und gut ausgebaut wird, hat man auch diese Möglichkeiten.

Zum anderen sprechen Sie die Bildungsberatung an. Auch das ist richtig. Die Weiterbildungsberichte weisen uns immer wieder darauf hin, dass die Weiterbildungsbeteiligung rückläufig ist und dass sich vor allen Dingen die soziale Ungleichheit, die in anderen Bildungsgängen vorhanden ist, in der Weiterbildung fortsetzt. Diesbezüglich ist die Bildungsberatung wichtig für die Menschen; es ist wichtig, sie über Angebote, über Möglichkeiten ihrer Lernwege zu informieren. Das ist alles richtig. Ich glaube aber auch, dass wir hier nicht nur die Bildungsberatung in den Blick nehmen, sondern auch eine Gesamtstrategie haben müssen. Es gilt, Motivation zu schaffen und den Zugang zur Weiterbildung zu erleichtern; es gilt, finanzielle Anreizsysteme zu schaffen und die Angebote der Weiterbildung zu verändern.

Ich glaube, dass wir bestimmte Bevölkerungsschichten mehr durch aufsuchende Bildungsarbeit erreichen. Natürlich gilt es auch, die Durchlässigkeit und die Verzahnung der Weiterbildungsbereiche zu erhöhen. Klar ist auch: Nur wer den Überblick behält und nur wer weiß, auf welchen Lernweg er sich begeben soll, ist in der Lage, sich eigenverantwortlich zu entscheiden und seinen Bildungsweg zu bestimmen.

Wir plädieren nicht nur für die Bildungsberatung im Erwachsenenbildungsbereich, sondern wir plädieren für eine Bildungsberatung - ich sage immer: von der Geburt bis zur Bahre - in einem Komplex, damit die Möglichkeiten und Lernwege, die in unserem System sehr vielseitig geworden sind, von den Menschen erkannt und wahrgenommen werden.

(Dr. Hans Jürgen Fahn (FW): Wir auch!)

- Gut, dann sind wir beieinander. Sie haben es aber in Ihrem Gesetzentwurf nicht so beschrieben.

Ich komme zum Geld. Sie sagen - ich habe es im Gesetzentwurf so leider nicht gefunden -, Sie definieren die Grundversorgung und deshalb sei es unbestreitbar, was hier zu finanzieren ist. Das ist richtig. Wenn man eine Grundversorgung definiert, kann man auch sagen, wie viel das in etwa kosten wird. Allerdings konnte ich es in Ihrem Entwurf nicht finden - vielleicht helfen Sie mir im Ausschuss auf die Sprünge -, denn da steht nur: Das Angebot an Bildungseinrichtungen soll flächendeckend sein.

Sie beschreiben im Grunde, dass Sie Nachteile in strukturschwachen Gebieten und sozialen Brennpunkten durch mehr Förderung ausgleichen wollen. Das ist richtig, und das muss man auch. Allerdings stellt sich auch hier die Frage: Wie soll das finanziert werden? Diesbezüglich sind wir schon überrascht, wenn Sie diesen Vorschlag machen.

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Ich darf noch auf den Vorschlag verweisen, dass die Zuschüsse aus Europa-, Bundes- und Landesmitteln kommen. Das kann natürlich nicht sein, denn das würde der CSU und der FDP im Haushalt Tür und Tor öffnen, diese Mittel dafür zu verwenden und das auch noch zu finanzieren.

Ich denke, wir werden im Ausschuss noch Gelegenheit haben, das ausführlicher zu besprechen.

(Beifall bei der SPD)

Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Tolle. Ihr folgt Frau Meyer.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Fahn, ich freue mich, dass Sie mein Gesetzentwurf inspiriert hat.

(Beifall der Abgeordneten Ulrike Gote (GRÜNE))

Ich möchte vorausschicken, dass ich mich mit den Details a) im Ausschuss und b) bei der Ersten Lesung

heute beschäftigen möchte. Sie bekommen von mir eine Helikoptersicht, und diese beginnt damit, dass das alte Sprichwort "Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr" heute nicht mehr gilt. Das heißt, die Wahrnehmung von Lebenschancen wird nicht mehr nur durch den Grad der Schulbildung, sondern auch durch die spätere Qualifizierung bestimmt.

Hier müssen wir dem Jubel des Herrn Kollegen Rüth, den ich im Moment nicht sehe, über die ersten Plätze der bayerischen Schülerinnen und Schüler einen Wermutstropfen hinzufügen. Der Kultusminister hat in seiner Pressemitteilung sehr wohl festgestellt, dass es noch um Teilhabegerechtigkeit geht. Die soziale Selektivität, die sich durch das bayerische Schulsystem zieht, setzt sich - um wieder zur Erwachsenenbildung zu kommen - in der Erwachsenenbildung fort.

Es ist schön, wenn wir über erste Plätze von bayerischen Schülerinnen und Schülern jubeln, aber in der Erwachsenenbildung ist die Ungerechtigkeit in Bayern größer als in anderen Teilen Westdeutschlands. Den Sozialbericht will ich nicht zitieren, aber er hat sehr eindrucksvoll dargelegt, wer diskriminiert ist, wie von der Staatsregierung auch selbst festgestellt wird.

Bayern wendet im Übrigen sehr wenig Geld im Volkshochschulbereich pro Einwohner auf. Wir sind auf dem vorletzten Platz. Herr Staatssekretär Huber, ich stelle Ihnen hier eine entscheidende Frage: Wie viele Mitarbeiter im Kultusministerium beschäftigen sich mit Erwachsenenbildung? Auf die Antwort bin ich sehr gespannt, damit wir auch die Bedeutung anhand der Stellen erfahren. Das halte ich für eine entscheidende und diskutable Größe.

Wir haben eine schlechte Datenlage, um dieses wichtige strategische Feld steuern zu können. Der Handlungsbedarf besteht nicht nur bei den Ressorts, sondern auch bei den Strategien. Bayern hat kein Konzept, Bayern hat keine Strategie, Bayern hat wenig Geld und Bayern hat keinen politischen Willen, um die Erwachsenenbildung in diesem Land voranzubringen.

Wenn man einen Auftrag des Bayerischen Landtags über zwei Jahre hinausschiebt, dann ist es heute an der Zeit, Ihnen den klaren politischen Willen für dieses Feld abzusprechen. Die Staatsregierung hat immer noch nichts abgeliefert. Dabei, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Regierungskoalition, hätten Sie es einfach haben können: Die GRÜNEN haben vor einem Jahr einen Gesetzentwurf vorgelegt, der ein Gesamtkonzept beschrieben hat, die SPD hat ihre Vorstellungen in Anträgen formuliert und die Freien Wähler ziehen nach. Wenn Sie es einfach haben wol

len, Herr Huber, dann kann ich Ihnen unseren Gesetzentwurf noch einmal zumailen.

Die inhaltliche Auseinandersetzung werden wir im Ausschuss führen und in der Zweiten Lesung zusammenfassen. Ich will Ihnen, Herr Kollege Fahn, aber meine Messlatte nennen: Für mich ist die Frage, was Ihre Vision ist. Die zweite wichtige Erkenntnis ist: Erwachsenenbildung muss über die wirtschaftliche Verwertbarkeit hinausgehen. Sie muss sich mit der Rolle des Staatsbürgers beschäftigen, mit gesellschaftlicher und sozialer Teilhabe. Ich verlange einen roten Faden, der den Bogen spannt vom Kleinkind bis zum Rentenalter.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Hans Jürgen Fahn (FW))

Ich verlange einen roten Faden, der den Begriff "lebenslanges Lernen" umschreibt. Lebenslanges Lernen umfasst nämlich formales, nicht formales und informelles Lernen. Die Ziele lebenslangen Lernens sind die Förderung aktiver Bürgerschaft, persönlicher Entfaltung, sozialer Eingliederung und der Beschäftigungschancen. Lebenslanges Lernen basiert auf den Prinzipien der Lerner- und Lernerinnen-Zentriertheit, der Chancengleichheit und der Qualität bzw. der Relevanz von Lernmöglichkeiten.