Protokoll der Sitzung vom 14.07.2010

Herr Kollege Huber, wir haben noch eine Zwischenbemerkung des Herrn Kollegen Dr. Fahn. Bitte schön.

Herr Huber, Sie greifen die SPD wegen des Gesetzentwurfs an. Warum tun Sie das? - In Wirklichkeit unterstützen Sie doch das Vorhaben. Nur weil es von der politisch anderen Seite kommt, wenden Sie sich dagegen. Nachdem die Abgeordneten Thomas Kreuzer und Christian Meißner jetzt da sind, möchte ich noch einmal zitieren, was die

beiden Abgeordneten in einer Pressemitteilung geschrieben haben:

Die CSU-Fraktion bleibt beim Thema Komasaufen und Alkoholmissbrauch am Ball, solange die Probleme weiter bestehen. Spätestens im Herbst werden wir, wie im Koalitionsausschuss vereinbart, wenn der Bericht aus Baden-Württemberg vorliegt, den Koalitionspartner wieder vor die Entscheidung stellen.

Das heißt, die CSU ist mit dem, wie es ist, nicht zufrieden. Nur weil der Gesetzentwurf von der SPD kommt, sind Sie dagegen. Viele CSU-Abgeordnete sind der gleichen Meinung.

(Unruhe bei der CSU)

Herr Kollege Huber, Sie haben noch zwei Minuten.

Herr Kollege, ich möchte für mich in Anspruch nehmen, die Position der CSU besser zu interpretieren als Sie. Auf Ihre Hilfe sind wir in dieser Frage nicht angewiesen.

Sie haben vorhin gefragt, wie das in Baden-Württemberg ist. Wenn Sie unseren gestern beschlossenen Dringlichkeitsantrag gelesen hätten, dann hätten Sie gesehen, dass bereits der Auftrag gegeben worden ist, über die Erfahrungen in Baden-Württemberg zu berichten. Wenn der Bericht vorliegt, werden wir ihn bewerten. Dann sind wir auch klüger. Schließlich muss nicht jedes Land den gleichen Weg gehen. Im Herbst wissen wir mehr.

Ich wollte noch etwas zur Verantwortung des Staates sagen. Wir bekennen uns zur Verantwortung des Staates, aber diese Verantwortung läuft dann ins Leere, meine Damen und Herren, wenn Erziehungsberechtigte und Erziehungsbefugte ihrer Verantwortung in keiner Weise nachkommen, ja sogar staatliche Vollzugsstellen beschimpfen, wenn diese ihre Kinder stockbetrunken nach Hause bringen. So kann das nicht bleiben.

(Beifall bei der CSU)

Ich sage deshalb auch hier: Wenn die Eltern nicht mitwirken, werden wir das Problem nicht lösen können.

(Prof. Dr. Georg Barfuß (FDP): So ist es!)

Wir sind ein Land mit vielen Vereinen. Ich bekenne mich dazu. Wir haben in den Vereinen eine großartige Anzahl von Ehrenamtlichen. Aber mancher Alkoholmissbrauch findet auch bei großen Vereinsfesten

statt. Auch da muss die Verantwortung selbstverständlich wahrgenommen werden.

Deshalb sage ich: Wir werden nur dann erfolgreich sein, wenn das Bewusstsein geschaffen ist, wenn Prävention erfolgt, wenn ein gesellschaftlicher Konsens herbeigeführt wird, wenn der Staat seine Vollzugsaufgaben erfüllt, wenn wir möglicherweise auch weitere Gesetze verschärfen. Darüber werden wir reden und nachdenken. Aber jetzt isoliert nur ein Verkaufsverbot auszusprechen und zu meinen, damit hätten wir unsere Schuldigkeit getan, wäre eine Selbsttäuschung und löst das Problem nicht.

Deshalb lassen Sie uns gemeinsam ein großes Konzept machen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Nun hören wir uns Herrn Staatsminister Zeil an.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Debatte ist deutlich geworden, dass wir alle das gesellschaftliche Phänomen des Alkoholismus sehr ernst nehmen. Das gesellschaftliche Problem ist, wie die Untersuchungen ergeben haben, keineswegs auf die Jugendlichen beschränkt.

Ich frage diejenigen, die uns jetzt mit zwei Gesetzentwürfen kommen, wie sie dem Problem eines zunehmenden Altersalkoholismus, den wir auch feststellen müssen, beikommen wollen. Da gehen uns nämlich langsam die Regulierungsmechanismen dieser Art und dieses Gewichts, wie Sie sie uns vorlegen, aus.

Ich glaube, es war Herr Kollege Glauber - er ist leider nicht mehr da -, der dies in die schönen Worte gekleidet hat: Wir müssen doch irgendetwas tun. Ja, es geht aber nicht darum, "irgendetwas" zu tun, sondern darum, den Phänomenen gezielt beizukommen.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Insofern geht der Antrag der Koalitionsfraktionen vom 21. April 2010 weit über diese kleinlichen Scharmützel, die wir heute wieder um irgendwelche Tageszeiten führen, hinaus. Denn dieser Antrag greift das Thema Prävention auf, auch das Thema einer Vorbildfunktion, die es hier in der Gesellschaft geben muss.

Ich bin Herrn Kollegen Huber, Herrn Kollegen Stöttner und Herrn Kollegen Hartmann sehr dankbar, dass sie genau diese Dimension des Themas in die Debatte eingebracht haben.

Übrigens, Herr Kollege Wörner, Vorbildfunktion hat auch etwas mit dem Niveau von Zwischenrufen zu tun. Was Sie vorhin während der Rede von Frau Kollegin Sandt dazwischengerufen haben, entsprach nicht dem Niveau dieses Hauses.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Ich will aus der Diskussion einiges aufgreifen. Wesentliche Argumente wurden schon ausgetauscht. Herr Kollege Güller, Sie haben vorhin Herrn Hartmann zurechtweisen wollen, indem Sie gesagt haben: Mit der Steuer treffen Sie jetzt alle! Aber Sie als SPD zögern keine Sekunde, mit Ihrem heutigen Gesetzentwurf alle zu treffen, weit über die Jugendlichen hinaus. Hier kehrt sich Ihre Argumentation meines Erachtens gegen Sie selbst.

Sie heben immer wieder Baden-Württemberg hervor. Wir haben gesagt: Wir wollen die Erfahrungen auswerten. Aber eine Erfahrung kann ich Ihnen schon mitteilen: Bei den Tankstellen gibt es selbstverständlich, wie es Kollege Huber schon angedeutet hat, eine Antragsflut zur Gaststättenerlaubnis. Daher ist es wohl richtig, dass wir bedenken müssen, welches das richtige Maß und die richtige Maßnahme ist.

Ich will der SPD-Fraktion etwas sagen. Sie ringt heute um diese gesetzlichen Maßnahmen und um ein paar Stunden. Wir haben auch schon mit den großen Städten gesprochen. Ich kann Ihnen sagen, dass uns zum Beispiel die Landeshauptstadt München erklärt hat, dass sie keinen gesetzlichen Handlungsbedarf sieht, gerade was auch den Tankstellenbereich und den Alkoholverkauf betrifft. Die Stadt ist mit ihren Behörden, auch mit der Jugendschutzbehörde, näher am Ort des Geschehens. Die Behörden sagen uns, ein etwaiges Vorglühen erfolge nach ihren Erkenntnissen zu Hause. Auch für die Sperrzeit werde kein Handlungsbedarf gesehen.

Uns ist immerhin von einer Stadt, die wirklich Brennpunkte hat, gesagt worden, das bestehende gesetzliche Instrumentarium sei ausreichend.

Also sollten wir jetzt die Zeit nutzen, auf der Basis des Antrags der Koalitionsfraktionen genau ein umfassendes Konzept unter Hereinnahme der Erkenntnisse der Praktiker, gerade auch der Behörden, zu verwirklichen, statt vorschnell irgendeine Maßnahme zu beschließen.

Zum Gaststättenrecht sage ich - es wurde schon oft gesagt, ich wiederhole es aber gern -, dass bereits nach geltender Rechtslage die Flatrate-Partys und Billigalkoholveranstaltungen unzulässig sind und unterbunden werden können. Es sind auch schon Gaststättenerlaubnisse zurückgenommen worden.

Man darf also nicht so tun, als müsse man mit diesem Gesetzentwurf, der in dieser Hinsicht überhaupt nichts Neues bringt, dem Problem beikommen. Ein solcher Gedanke geht an der Wirklichkeit vorbei.

In unserem Entwurf für das Gaststättengesetz haben wir eine Verdoppelung der Bußgeldobergrenze bei Verstößen gegen die Verbote im Zusammenhang mit Alkohol und Prävention vorgesehen. All das wird kommen.

Deswegen sage ich Ihnen: Die Gesetzentwürfe, die Sie heute vorlegen, lehnen wir mit Fug und Recht ab, weil sie viel zu kurz springen und dieses Phänomen einer sehr viel umfassenderen Strategie bedarf.

Ich lade Sie ein, sich dann, wie es Kollege Huber gesagt hat, in aller Sachlichkeit an den Dingen zu beteiligen, statt jetzt hier so zu tun, als würden wir gerade mit diesen zwei Gesetzen dem gesellschaftlichen Problem, dessen Weite niemand negiert, beikommen.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Gerne.

Herr Staatsminister, Ihnen dürfte nicht entgangen sein, dass die SPD genau das, was Sie fordern, getan hat. Wir haben ein Antragspaket vorgelegt, bestehend aus sieben Anträgen mit konstruktiven Vorschlägen genau zu diesem Themenbereich. Ist Ihnen bekannt, dass Ihre Parteifreundinnen und -freunde in diesem Hause und die Ihres Koalitionspartners all diese Anträge abgelehnt haben? Wenn nicht, sage ich es Ihnen hiermit.

Ich schiebe noch die Frage nach, was wir Ihrer Meinung nach tun sollten, damit Sie endlich in die Gänge kommen und handeln, statt hier nur große Reden zu schwingen.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin Sonnenholzner, heute entscheiden wir nicht über Ihre Anträge, sondern über die zwei Gesetzentwürfe. Das ist das eine.

Zum anderen darf ich sagen: Es ist gut, wenn sich die SPD diesem Problem widmet. Interessant ist es aber, wenn man damit Ihr Regierungshandeln in anderen Bundesländern vergleicht. Aber das lasse ich bleiben.

Wir brauchen, wie auch der Antrag zeigt, den die Koalitionsfraktionen vorgelegt haben, gewiss nicht Ihre

Anstöße, um uns diesem ernsten Problem zu widmen. Sie können sich natürlich beteiligen; das ist völlig in Ordnung. Aber so zu tun, als bräuchten wir gerade Ihre Anstöße, damit wir bei der Diskussion in Gang kommen, wird der Debatte nicht gerecht.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist damit geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Tagesordnungspunkte wieder getrennt.

Wir führen zunächst die Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 22 durch. Der Abstimmung liegt der Initiativgesetzentwurf der SPD-Fraktion auf Drucksache 16/4335 zugrunde. Der federführende Ausschuss für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie empfiehlt auf Drucksache 16/5404 Ablehnung des Gesetzentwurfs. Wer dagegen dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Fraktionen der Freien Wähler und der SPD sowie Kollegin Pauli. Gegenstimmen? - Das sind die CSU, die FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? - Keine. Der Gesetzentwurf ist damit abgelehnt.