Herr Dr. Herrmann, es gibt einen Werkzeugkasten der Polarisierung. Darin findet sich möglicherweise auch feinmechanisches Werkzeug. Sie haben heute den Holzhammer ausgepackt und haben Bezug auf linksextreme Bewegungen in Lateinamerika genommen. Das hat hier nichts zu suchen.
Sie stellen die Dinge zu einfach dar und schaden damit unseren gemeinsamen Anstrengungen, klare Verhältnisse herzustellen. Ich möchte nicht, dass mein Sohn angesichts der Bilder in Hamburg meint, er könne zu keiner Demonstration mehr gehen, weil das zu gefährlich sei. Wir müssen das Gebot, friedlich zu demonstrieren, herausstellen. Wir müssen diejenigen identifizieren, die von vornherein zynisch und arglistig Rechte missbrauchen und unter dem Deckmantel, links zu sein, möglicherweise Straftaten begehen; denn bei einer genauen Analyse zeigt sich, dass der Schwarze Block weder links noch rechts ist, sondern ein grundkrimineller Haufen, eine kriminelle Vereinigung zur fortlaufenden Begehung von Straftaten.
In diesem Kontext stehen dem Rechtsstaat einige Mittel zur Verfügung, um die Identifizierung und die angemessene Bestrafung der Straftäter zu gewährleisten. Alle diese Straftaten, wie Sachbeschädigung oder
versuchter Totschlag, müssen durch strafprozessuale Maßnahmen geahndet werden. Diese Taten müssen nach Möglichkeit schon im Vorfeld verhindert werden; wenn sie aber geschehen sind, müssen sie mit härtesten Strafen belegt werden. Wir stehen dazu, dass alle rechtlichen Mittel ausgeschöpft werden, um die missbräuchliche Inanspruchnahme des Versammlungsrechts zu verhindern.
In diesem Zusammenhang lehnen wir auch die Unterscheidung von rechts und links ab und lassen uns nicht in semantische Diskussionen verwickeln. Wer in dieser Diskussion die Begriffe rechts und links verwendet, der betreibt doch das Geschäft derjenigen, die unser System insgesamt angreifen und perforieren wollen. Die machen sich darüber lustig, dass wir uns hier gegenseitig die Köpfe einschlagen und jeder den anderen beschuldigt, auf der falschen Seite zu stehen.
(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Thomas Kreuzer (CSU): Wie sieht es denn mit dem Vermummungsverbot aus? Sind Sie dafür, Kollege Arnold?)
Wir können es uns angesichts dieser Situation gar nicht leisten, nicht geschlossen aufzutreten. Es gibt im demokratischen System Unterschiede zwischen den Parteien. Toleranz bedeutet, dass man andere Meinungen erträgt und die Diskussion darüber mit Würde austrägt. Null-Toleranz-Politik – Sie haben das angesprochen – darf es nur in extremen Ausnahmefällen geben. Da haben Sie recht. Aber wir dürfen die einzelnen Erscheinungen nicht als Maßstab für die Entwicklung einer Grundrechtsausübung nehmen. Da bin ich ganz nah bei der Kollegin Schulze. Die friedlichen Demonstrantinnen und Demonstranten dürfen in unserer Gesellschaft nicht stigmatisiert werden. Zu demonstrieren ist ein Grundrecht. Wenn zukünftig Demonstrationen sofort in Verbindung mit den radikalen und nicht akzeptablen Aktionen des Schwarzen Blocks gebracht werden, dann ist die Sache schon zu weit fortgeschritten. Dann haben Sie Ihr Geschäft in die falsche Richtung entwickelt. Der Schwarze Block steht nicht für Demonstrationsfreiheit, sondern für einen Angriff auf die Grundrechtsordnung und insbesondere auf das Grundrecht zu demonstrieren.
Deswegen ist Besonnenheit angebracht. Diejenigen, die in diesem Land kritische Sachverhalte ansprechen, sollen weiter dazu ermutigt werden, dies nicht in Hinterzimmern zu tun, sondern in der Öffentlichkeit, wenn es angemessen und gewünscht ist. Demonstrationen sollen friedlich und ohne Waffen stattfinden.
Nur das nehmen wir hin. Dies zeugt auch von der Größe des Rechtsstaates. Jedes Verkleinern und jede reflexartige Zuweisung von Gewalttaten nach links oder rechts führen dazu, dass sich diese zynische Minderheit in ihrem Verhalten bestätigt sieht. Wer heutzutage behauptet, die gesellschaftlichen Verhältnisse progressiv durch Gewalt oder Schädigungshandlungen gegen die Polizei ändern zu können, der ist doch von vornherein neben der Spur. Ziehen Sie doch die demokratischen Parteien in diesem Land nicht in diese Spur. Das geht doch gar nicht. Grenzen Sie sich davon ab.
Sie sprechen von Beklommenheit bei den Polizeieinsätzen in Hamburg. Ja, es ist schlimm gelaufen. Die Polizei hat sich dort angemessen eingesetzt und viel Toleranz gezeigt. Im Einzelnen wird noch geprüft werden, ob diese Toleranz in jedem Fall angemessen war. Wir, die SPD, möchten uns ebenfalls bei allen Polizeibeamtinnen und -beamten, den Rettungsdiensten und der Bevölkerung für die Geduld und das Ertragen der Gefährdung bedanken. Wir finden die Maßnahmen der Staatsregierung in Bezug auf Sonderurlaub richtig. Wir bedanken uns ausdrücklich dafür.
Herr Dr. Herrmann, jedoch ist es nicht so, als wäre in Bayern noch nichts passiert. Anlässlich eines Fußballspiels von 1860 München randalierten Gewalttäter minutenlang im Stadion. Die Polizei stand damals auch vor einem großen Problem, und die Situation war ebenfalls beklemmend. Dieses Ereignis hat im Freistaat Bayern stattgefunden. Mein Sohn wird vermutlich nicht mehr zu solchen Spielen gehen. Natürlich ist eine solche Randale nicht die Regel. Fangen Sie aber nicht damit an, eins zu eins aufzurechnen. Das ist doch kleinkariert.
Alles in allem geht es auch um Prävention. Es ist wichtig, Kinder präventiv zu erziehen; ich denke dabei auch an meinen Sohn. In der Schule soll das hohe Gut der Grundrechte vermittelt werden. Das hat mit Sozialkunde, Achtung, Würde und Toleranz zu tun. Diese Dinge müssen den Menschen beigebracht werden. Achtung, Würde und Toleranz werden nicht durch eine Sitzung des Bayerischen Landtags vermittelt, in der man sich gegenseitig ausgrenzt, beschimpft und sich voneinander abgrenzt. Eine Lösung gegen eine andere kleinkariert auszuspielen, ist ebenfalls nicht förderlich. Das ist nicht im Sinne der Bayerischen Verfassung. Das ist nicht im Sinne von sozialen Grundrechten. Das ist nicht im Sinne eines Konsenses. Damit betreiben wir möglicherweise im
Ansatz das Geschäft derjenigen, die unsere Gemeinschaft zerstören wollen. Dieses Spiel lassen wir mit uns nicht treiben. Wir weisen darauf hin, dass wir dieses Spiel auch mit der SPD in der Bundesregierung nicht treiben lassen. Hier sind Schuldzuweisungen völlig fehl am Platze. Nach außen sollte das deutliche Zeichen gesetzt werden, dass wir diesen Staat mit seinen Grundrechten erhalten wollen und wir uns auch von Minderheiten nicht daran hindern lassen. Diese Minderheiten werden bekämpft, gestellt und identifiziert, egal, ob die Minderheiten von links, von rechts, aus der Mitte, von oben oder unten kommen. Entscheidend ist die Verfassungsfeindlichkeit dieser Menschen und nicht deren Orientierung. Wenn die Randalierer von Links kommen, dann sind sie eben von Links. Aber der Schwarze Block ist kriminell, und diese Leute haben mit Links oder Rechts nichts zu tun.
Herr Kollege, ich wollte den Beifall nicht unterbrechen. Danke, dass Sie wieder an das Rednerpult zurückgekehrt sind. Der Kollege Pohl hatte sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. – Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.
Vorwürfe an die SPD-Landtagsfraktion in Zusammenhang mit dem G-20-Gipfel wären auch absurd. Den Vergleich mit einem Fußballspiel von 1860 München sollten Sie etwas relativieren. Dieser Vergleich erscheint in der Tat der Sache nicht angemessen. Sie sagen, dass es egal ist, ob Gewalt von Links oder Rechts verübt wird – hier stimme ich Ihnen ausdrücklich zu –, Gewalttaten müssen grundsätzlich abgelehnt werden, und wir müssen Geschlossenheit dagegen demonstrieren. Genau das haben die Kollegin Gottstein und der Kollege Dr. Herrmann gesagt. Auch ich frage Sie nun: Warum verharmlosen Sie die Gewalt von Links, indem Sie von "sogenannten Linksextremisten" schreiben?
Ich greife nun einen Ausspruch der Kollegin Schulze auf, den sie erst kürzlich auf einem Plakat gezeigt hat: Klare Kante gegen Rechts! – Aber auch klare Kante gegen Links!
Herr Pohl, danke schön für die Gelegenheit, dies noch einmal zu erläutern. Es soll keine Verharmlosung stattfinden. Eine Verharmlosung findet dadurch statt, dass Gewalt irgendwelchen Seiten zugeordnet wird; es gibt keine gute oder schlechte Gewalt. Ihren Antrag lehnen wir ab, weil er zu pauschal gefasst ist. Der Antrag zieht die Angelegenheit auf eine Ebene, auf der Begrifflichkeiten und nicht das eigentliche Problem zum Thema gemacht werden.
Beim Antrag der CSU werden wir uns enthalten. Sie können sich nicht in die Angelegenheiten von Bremen oder Hamburg einmischen. Das ist nicht Ihre Sache.
(Karl Freller (CSU): Da war ja die bayerische Polizei oben! – Markus Blume (CSU): Zahlen müssen wir auch für die Länder!)
Im Freistaat gibt es genügend Themen und Baustellen, um die wir uns kümmern können. Deswegen werden wir uns enthalten.
Das Argument, dass die bayerische Polizei dort eingesetzt wurde, fällt unter Amtshilfe. Die Amtshilfe ist bundesrechtlich geregelt.
Eine Verharmlosung von Links kann man uns tatsächlich nicht vorwerfen. Wenn wir von der "sogenannten Linken" sprechen, dann sprechen wir doch vom Schwarzen Block. Sie machen sich die Analyse zu einfach.
Sie machen es sich zu einfach, wenn Sie den Schwarzen Block mit Links gleichsetzen. Das ist wirklich nicht angemessen. Wenn wir die Sache für die Zukunft analytisch bereinigen wollen, dann sollten wir – –
Dann lassen Sie die Rote Flora links oder rechts sein. Das Problem ist: Inwieweit bestehen rechtliche Möglichkeiten, derartige Institutionen als verfassungswidrig zu identifizieren und stillzulegen?
Da hilft es nicht, auf den Tisch zu hauen. Hier hilft, nachzudenken und zu analysieren und den Instrumentenkasten fein ziseliert auszubauen, und zwar im rechtsstaatlichen und nicht im polarisierenden Sinn.
Danke schön, Herr Kollege. – Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, möchte ich Ihnen mitteilen, dass die CSU-Fraktion zu ihrem Antrag namentliche Abstimmung beantragt hat. Jetzt hat der Herr Staatsminister Joachim Herrmann das Wort. Bitte schön, Herr Staatsminister.
Herr Präsident, Hohes Haus, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hoffe, dass wir uns auch nach dieser interessanten Debatte darin einig sind, dass die Situation am vorvergangenen Wochenende in Hamburg völlig unerträglich war und der Bayerische Landtag ein solches Verhalten grundsätzlich und in jeder Hinsicht verurteilt. Dort meinten Gewalttäter, dass sie das Demonstrationsrecht in Deutschland missbrauchen könnten. Dort fanden kriminelle Aktivitäten und brutale Gewaltakte gegen Bürger, Sicherheitskräfte und andere statt. Das Privateigentum vieler Bürgerinnen und Bürger Hamburgs wurde zerstört. Das hat keine guten Bilder von Deutschland in die Welt getragen.
In dieser Plenarsitzung haben wir nicht Einsatzkonzepte in anderen Bundesländern zum Thema; diese werden von der Polizeiführung aller Länder und des Bundes in den nächsten Wochen und Monaten nachbereitet werden. Es ist in der Tat Aufgabe der Hamburgischen Bürgerschaft, sich mit der Vorbereitung und der Durchführung zu befassen. Ich will aber ein paar wenige Anmerkungen, schon im Hinblick darauf machen, was das für unser Land, für den Freistaat Bayern bedeutet. Frau Kollegin Schulze hat das Thema der Deeskalation angesprochen. An dieser Stelle will ich schon einmal unterstreichen: In Bayern gilt seit vielen Jahren in einer solchen Situation der Grundsatz "Deeskalation durch Stärke". Das bedeutet, dass die Sicherheitskräfte, insbesondere unsere
Polizei, alles dafür tun, um die Sicherheit in unserem Land aufrechtzuerhalten. Wir schützen das Demonstrationsrecht. Ich darf daran erinnern: Während des G-7-Gipfels in Bayern haben an dem Donnerstag, am Fronleichnamstag, über 35.000 Menschen in München friedlich demonstriert. Wir schützen das Demonstrationsrecht. Damals konnten 35.000 Menschen ihre Haltung zum Weltklima und zu anderen Themen zum Ausdruck bringen, und zwar friedlich und ohne Gewalt.