Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Im Rahmen der Fortschreibung des EU-Road Package sollen zwei wesentliche Punkte verbessert bzw. sichergestellt werden, zum einen die Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen und zum anderen die Schaffung der Möglichkeit eines gerechteren Mechanismus zur Erhebung von Infrastrukturabgaben. Um diese Ziele zu verwirklichen, sind in der Wegekostenrichtlinie ab dem Jahr 2020 entsprechende Erweiterungen vorgesehen. Diese Erweiterungen betreffen
die Ausdehnung der streckenbezogenen Lkw-Maut, und zwar in zwei Tranchen: Die erste Tranche betrifft die Fahrzeuge bis 7,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht und die zweite Tranche die Fahrzeuge unter 3,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht.
In der Konsequenz bedeutet das, dass künftig alle Klein- und Lieferfahrzeuge bemautet werden. Diese Regelung trifft, wie wir vorhin schon gehört haben, in erster Linie den Mittelstand und unsere Handwerksbetriebe. Diese Politik der EU ist absolut mittelstandsfeindlich. Wir haben Anfang dieses Jahres über die EU-Dienstleistungsrichtlinie gesprochen. Die darin vorgesehene Liberalisierung bei der Ausbildung geht ebenfalls zulasten des Mittelstandes. Das kann so nicht sein. Ich bin deshalb sehr dankbar, dass wir in diesem Hause einen großen Konsens zugunsten des Handwerks gefunden haben.
Hier geht es nicht nur um die Handwerksbetriebe, die mit ihren Lkw in die Städte hineinfahren und dort die räumliche Versorgung sicherstellen müssen. Hier geht es auch um den Verbraucherschutz und um die Abwendung einer Kostenexplosion, die aus dieser Regelung resultieren würde. Die Handwerksbetriebe können diese Kosten nämlich nur auf die Endverbraucher abwälzen.
Die Klein- und Lieferbetriebe werden zum Beispiel für die Zustellung der Post eingesetzt. Sie erbringen Handwerkerleistungen, Dienstleistungen und Reparaturleistungen. Ich möchte dazu einige Zahlen nennen. Von der ersten Stufe, die ab dem Jahr 2020 eingeführt werden soll, wären in Bayern rund 15.000 Fahrzeuge betroffen, die pro Jahr neu zugelassen werden. Herr Kollege Roos hat dies noch differenzierter dargestellt. Ich möchte diese Verbürokratisierung nicht. Wir sprechen außerdem über 1.000 Omnibusse, die in die Gewichtskategorie ab 16 Tonnen fallen. Unsere regionalen Busunternehmer sind im Wesentlichen kleine und mittelständische Betriebe. Wir sollten diesen Betrieben nicht die Luft und das Wasser abgreifen.
Die Hinweise darauf, warum das notwendig ist, sind richtig. So wurde festgestellt, dass die staatlichen Ausgaben für die Straßenbausanierung von 2006 bis 2013 um 30 % zurückgegangen sind. Sie machen nur noch rund 0,5 % des Bruttoinlandsproduktes aus. 1975 waren es noch 1,5 % des Bruttoinlandsproduktes. An dieser Zahl sieht man, welchen Rückstau wir haben. Diesen Rückstau haben wir im Bund und in Bayern. Außerdem wurde auf die enormen Effizienzverluste durch den Stau hingewiesen, die 1 % des Bruttosozialproduktes ausmachen.
antwortung für diese Entwicklung tragen, zumindest nicht im erkennbaren Umfang. Deshalb werden wir dem vorliegenden Dringlichkeitsantrag zustimmen. Wir wollen auch künftig eine nationale Wahloption haben, und wir lehnen den strikten, absoluten und europaweiten Durchgriff konsequent ab.
Danke schön, Herr Kollege Häusler. – Der nächste Redner ist Herr Kollege Ganserer. Bitte schön, Herr Ganserer.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sowohl die Bodewig-Kommission als auch die Fratzscher-Kommission haben eindeutig festgestellt, dass wir bei der Straßenverkehrsinfrastruktur über alle Straßenbaulastträger hinweg und insbesondere beim Unterhalt einen gewaltigen Investitionsstau vor uns herschieben. Die Kommission hat bemängelt, dass wir bei der Finanzierung ein strukturelles Problem haben; denn die Finanzierung ist von den Beschlüssen der Haushaltsgesetzgeber abhängig und unterliegt oftmals erheblichen jährlichen Schwankungen.
Die Bodewig-Kommission empfiehlt deshalb für die Aufgaben des Regelerhalts und des Betriebs eine Finanzierungsstruktur, die sich genau an den Kosten des Lebenszyklus der Infrastruktur orientiert, was durch eine kostenbasierte Nutzerfinanzierung und eine Zweckbindung der Mittel vollständig erreicht werden könnte.
Bei der Debatte um die Finanzierung der Bundesfernstraßen hat die CSU-Fraktion immer wieder eine Stärkung der Nutzerfinanzierung angemahnt. Ihr CSU-Parteikollege, von dem manche behaupten, er sei in den letzten vier Jahren Bundesverkehrsminister gewesen, war von der Nutzerfinanzierung so begeistert, dass er gleich das Kind mit dem Bade ausgeschüttet hat. Er hat mit der Pkw-Maut ein bürokratisches Monster geschaffen. Unabhängig davon, ob diese Pkw-Maut vor dem Europäischen Gerichtshof Bestand haben wird, ist zu bezweifeln, dass von dieser "Ausländermaut" überhaupt nennenswerte Mehreinnahmen zu erwarten sind, weil der Verwaltungsaufwand mit Sicherheit einen Großteil der Kosten auffressen wird. Manche Experten gehen sogar davon aus, dass die Ausländermaut langfristig für den Staat ein "Draufzahlgeschäft" werden wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist "wenig realistisch, dass nach der Einführung einer Pkw-Maut am Ende die Busse die einzigen Kraftfahrzeuge wären, die keine Maut bezahlen. Wir müssen deshalb mit der Einführung der Pkw-Maut einen geeigneten Weg fin
Moment, langsam. Hier müssten eigentlich alle mitklatschen; denn das sind nicht meine Worte. Mit diesen Worten wurde nämlich der CSU-Verkehrsminister Joachim Herrmann im "Bayernkurier" am 10. August 2015 zitiert.
Ja, im "Bayernkurier". Wo bleibt Ihr Applaus für die Forderung? – Wenn ich richtig unterrichtet bin, gab es im heutigen Verkehrsausschuss des Bundesrates eine Mehrheit der Länder für die Einbeziehung der Fernbusse in dieses Mautsystem. Unsere Straßen und Brücken leiden nämlich unter der Last moderner Fernbusse zum Teil erheblicher als unter der Last eines Sattelzugs mit 40 Tonnen, weil sich die Achslast anders aufteilt. Während zukünftig Lkws ab 7,5 Tonnen bemautet werden und somit aufgrund der Ursachen daran beteiligt werden, die Kosten zu decken, gilt momentan für den Fernbus diese Kostenbeteiligung nicht. Das ist mit fachlichen Argumenten nicht zu begründen. Es ist weder verursachergerecht noch fair. Man muss sagen: Was für den Fernbus gilt, das gilt auch für leichte Lkws zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen.
Nach der Einführung der Maut zunächst für Lkws ab 12 Tonnen konnte man nämlich deutlich feststellen, dass sich die Fahrzeughersteller etwas einfallen ließen und vermehrt Fahrzeuge mit weniger als 12 Tonnen produzierten, dass also mehr leichte Lkws zum Einsatz kamen; denn die Logistikbranche hat versucht, diese Lkw-Maut mit leichteren Fahrzeugen zu umgehen. Die gleiche Gefahr besteht jetzt mit der Reduzierung der Tonnage ab 7,5 Tonnen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen uns da nichts vorzumachen; denn wer auf den Straßen unterwegs ist, erlebt bereits jetzt eine Versprinterung des Transportwesens der Logistikbranche. Eine Verteilung des Fahrguts auf kleinere, aber dafür wesentlich mehr Fahrzeuge ist ökologisch kontraproduktiv. Diejenigen, die Schäden an unserer Infrastruktur verursachen, sollten für die Finanzierung, den Erhalt und den Neubau der Infrastruktur in die Pflicht genommen werden. Aus Gründen der Verursachergerechtigkeit, vor allem aber auch aus ökologischen Gründen, halten wir die Einführung einer Lkw-Maut ab 3,5 Tonnen für absolut notwendig.
Danke schön, Herr Kollege Ganserer. – Für die Staatsregierung hat sich Staatsminister Herrmann zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Staatsminister.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin der CSU-Fraktion sehr dankbar, dass sie dieses Begehren aufgegriffen und zum Thema der heutigen Plenarsitzung gemacht hat, weil – ich will nur dieses eine Stichwort besonders aufgreifen – viele mittelständische Betriebe erhebliche Belastungen auf sich zukommen sehen, wenn das, was die EU in ihren Entwürfen vorsieht, jetzt umgesetzt würde. Das hat auch vorgestern wieder ein Gespräch mit allen Handwerkskammern Deutschlands deutlich gemacht.
Dass man über manche Dinge, wie von Ihnen angesprochen, noch differenziert und im Detail reden kann, ist sicherlich richtig. Aber die Grundsatzfrage, ob wir hier gerade den mittelständischen Bereich mit diesen typischen Fahrzeugen zusätzlich extrem belasten wollen, muss man schon sehr, sehr ernst nehmen. Dazu kommt die Belastung insgesamt im ländlichen Raum.
Ich will aber auch darauf hinweisen, dass wir sicherlich sofort mit gigantischen Diskussionen über den Datenschutz befasst sein werden, wenn wir wirklich in Richtung einer streckenabhängigen Maut gehen und diese am Lkw-System orientieren. Darüber ist noch nicht weiter gesprochen worden.
Im Moment wird das alles beim Thema Lkw-Maut erfasst. Lkws sind rein gewerbliche Fahrzeuge, jedenfalls zu 99 %. Niemand hat ein Problem damit, dass der Lkw, wann, wo, wie usw. er auch fährt, entsprechend erfasst wird. Es ist offenkundig, welche Diskussionen es auslösen würde, wenn wir bei der streckenbezogenen Maut zu einem ähnlichen System kämen, also jeder rein privat genutzte Pkw in ähnlicher Weise erfasst würde. Insofern ist das mit einem solchen Entwurf der EU, sozusagen mit ein paar Sätzen, sehr schnell hingeschrieben. Da stehen wir vor gigantischen Herausforderungen.
Wir haben heute einen entsprechenden Antrag, der in wesentlichen Teilen mit dem übereinstimmt, was die CSU-Fraktion heute beantragt hat, in den Verkehrsausschuss des Bundesrats eingebracht. Leider haben wir dort keine Mehrheit gefunden. Wir werden aber dieses Thema seitens der Staatsregierung weiter verfolgen, weil es mit Blick auf die weitere verkehrliche Entwicklung und die Situation des Mittelstands in unserem Land in der Tat sehr bedeutsam ist.
Ich freue mich, dass sich hier für diesen Antrag zunächst einmal ein breiter Konsens abzeichnet. Wir müssen an diesem Thema gemeinsam arbeiten, weil es gerade im Flächenland Bayern um spezifische Interessen unseres Landes geht. Ich bitte Sie herzlich, dem Dringlichkeitsantrag der CSU-Fraktion zuzustimmen. – Vielen Dank.
Danke schön, Herr Staatsminister. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/19235 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die CSU-Fraktion, die SPD-Fraktion und die Fraktion der FREIEN WÄHLER. Gegenstimmen! – Das ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Enthaltungen? – Keine. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag angenommen.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Horst Arnold, Florian von Brunn u. a. und Fraktion (SPD) Die Glyphosatalleingänge der CSU beenden - Anwendungsverbot in Deutschland schnellstmöglich erlassen! (Drs. 17/19236)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Gisela Sengl u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Nationaler Ausstieg aus der GlyphosatAnwendung - damit Böden, Wasser und Gesellschaft nicht länger vergiftet werden (Drs. 17/19238)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Prof. (Univ. Lima) Dr. Peter Bauer u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Glyphosatverbot zeitnah umsetzen und fachlich begleiten (Drs. 17/19254)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Thomas Kreuzer, Gudrun Brendel-Fischer, Dr. Otto Hünnerkopf u. a. und Fraktion (CSU) Umweltschonender Einsatz von Glyphosat (Drs. 17/19255)
Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Der erste Redner ist Herr Kollege Arnold. Bitte schön, Herr Arnold.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vollkommen überraschend befindet sich die Bundesrepublik seit vorgestern durch das Votum von Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt im Lager der europäischen Glyphosat-Befürworter. Nur durch dieses Votum wurde die knappe Mehrheit von 65,7 % erreicht. Somit kann auch in Zukunft ungehemmt und flächendeckend Glyphosat ausgebracht werden. Dadurch wird der Verbraucherschutz mit Füßen getreten.
Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt begründete sein Votum mit der fachlichen Orientierung. Glyphosat, was ist das? – Es ist ein Totalherbizid, das dafür sorgt, dass das Artensterben zunimmt. Seine krebserregende Wirkung ist umstritten. Aber insoweit ist klar, dass es für den menschlichen Organismus nicht gut ist. Übereinstimmend steht fest, dass Glyphosat genetisch effizient ist, das heißt, auch auf das Erbgut wirkt.
Eine breite Mehrheit der Bevölkerung lehnt den Einsatz von Glyphosat ab. Aber auch in der Landwirtschaft selbst mehren sich die Stimmen und die Erkenntnis, dass Glyphosat nicht zukunftsfähig ist.
Molkereien schreiben die Glyphosat-Freiheit in ihre Lieferbedingungen hinein. Sie werden sehen, dass der Lebensmitteleinzelhandel folgt. Die von Schmidt angeblich hinein verhandelten Verbesserungen sind Allgemeinplätze, unverbindlich und eigentlich das Papier nicht wert. Artenschutz und Tierwohl sind längst in Nationalrecht umsetzbar. Stattdessen hätte sich der Bundeslandwirtschaftsminister um die Umsetzung der nationalen Minimierungsstrategie kümmern sollen und müssen. Aber das blieb ebenso wie vieles andere im Argen.
Die fachliche Orientierung ist also wohl kein stichhaltiges Argument. Ist es dann die Orientierung an Recht und Gesetz vor dem Hintergrund des Amtseides eines Bundesministers? – Die Geschäftsordnung der Bundesregierung besagt hierzu, dass man sich bei ge
gensätzlichen Voten von Ministerien zu enthalten hat. Das Bundesministerium für Umwelt hat seine Ablehnung im Vorfeld klar und deutlich bekundet. Aber der Bundeslandwirtschaftsminister hat dennoch zugestimmt.