Protokoll der Sitzung vom 04.06.2014

Vielen Dank, Herr Kollege. Jetzt darf ich Herrn Kollegen Güll das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der SPD: Bravo!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Hier bekommt man schon vorher Applaus. – Können Sie mir erklären, warum eine Schule mit 26 Kindern nicht geschlossen wird, aber eine Schule mit 72 Kindern geschlossen wird? Das eine ist ganz einfach. Der Grund liegt hier darin, dass der Ministerpräsident bestimmt hat, die rechtlich selbstständige Schule darf bis zu einer Größe von 26 Kindern bestehen bleiben, und eine rechtlich nicht selbstständige Schule wird dann geschlossen, wenn keine Lehrerstunden mehr da sind. – Die eine Variante wird deshalb erhalten, weil der Herr Ministerpräsident beschlossen hat, diesen Schulen mehr Lehrerstunden zu geben. Das finde ich lobenswert und in Ordnung. Den anderen Schulen gibt er keine Lehrerstunden. Glauben Sie, dass Sie das den Menschen erklären können? – Vielleicht können Sie es erklären, Herr Ministerpräsident; ich kann es nicht erklären.

Der Fall, den ich schildere, ist ganz einfach. Die Schule mit den 72 Kindern gehört als rechtlich nicht selbstständige Schule zu einem Schulverband. Das ist eine Schule, die zwei oder drei Schulhäuser hat. Sie kann jedoch genauso wie eine rechtlich selbstständige Schule in einer ganz normalen politischen Gemeinde stehen. In der Gemeinde A wird eine Schule mit 26 Kindern erhalten. Das sind 2 mal 13 Kinder in der Kombiklasse. Man kann darüber streiten, ob das gut oder schlecht ist. Sagen wir mal, das ist gut. In dem anderen Schulhaus findet jedoch kein Unterricht mehr statt, weil die Schulleitung sagt: Wir haben insgesamt zu wenig Lehrerstunden, um die kleine Schule im Außenbereich aufrechtzuerhalten. Genau darum geht es jetzt. Wenn man der einen Schule die paar Lehrerstunden gibt – es geht nicht um viele Schulen, sondern um maximal 300 –, sollte man fairerweise zu den anderen Schulen sagen: Jawohl, für diesen Schulverband, in dem es mehrhäusige Schulen gibt, wird dieselbe Zahl an zusätzlichen Lehrerstunden zur Verfügung gestellt.

(Beifall bei der SPD)

Dann brauchen diese Schulen nicht geschlossen werden. So einfach wäre die Lösung. Das würde schätzungsweise keine 50 oder 70 Lehrerstellen kosten.

(Ministerpräsident Horst Seehofer: Das hört sich logisch an!)

- Das hört sich logisch an. Darüber sollte man nachdenken, oder? Wir könnten uns einmal zusammensetzen und überlegen, was das bedeutet.

Den zweiten Fall – Miltenberg usw. –, den ich geschildert habe, kennen die Unterfranken. Die Unterfranken kennen diese Fälle. Dort gibt es die mehrhäusigen Schulen im Schulverband. Die Eltern der Schülerinnen und Schüler sind mit einem ganzen Omnibus angereist und haben im Bildungsausschuss gesagt: Es kann nicht sein, dass die Schule in der Nachbarortschaft bleibt und unsere nicht. Das konnten wir den Eltern im Bildungsausschuss auch nicht erklären. Wir hätten es schon versucht, aber Ihre Kolleginnen und Kollegen haben es nicht geschafft.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Es gibt einen Bildungsminister!)

Herr Dr. Spaenle, schauen wir mal, dass wir diesen Spagat auflösen. Deshalb kommen die drei Anträge zustande. Mit diesen fordern wir, dass die rechtlich selbstständigen Schulen und die rechtlich nichtselbstständigen Schulen in den Schulverbänden gleich behandelt werden. Wir sagen nicht blauäugig, dass man das ohne Weiteres, ohne Konzepte schafft. Deshalb wird in allen drei Anträgen gefordert, pädagogische Konzepte aufzulegen oder Modelle zu entwickeln, um mit dem wachsenden demografischen Wandel besser fertig zu werden. Das ist eine vernünftige und lösungsorientierte Politik. Ich weiß nicht, warum man dagegen sein sollte. Vielleicht können Sie über Ihren Schatten springen. Das haben Sie im Bildungsausschuss nicht gekonnt. Vielleicht geht es heute. Bitte stimmen Sie den drei Anträgen zu.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt hat Herr Kollege Gehring das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Präsident der Bayerischen Akademie Ländlicher Raum hat kürzlich in einem Gespräch gesagt: Wenn die Schule geht, verschwindet auch das Dorf. Diesen Satz müssen wir im Zeichen des demografischen Wandels sehr ernst nehmen.

Zu diesem Thema hat unser Ministerpräsident die Garantie abgegeben, dass alle selbstständigen Grundschulen erhalten bleiben. Wenn man Garantien ausspricht, muss man auch immer sagen, wie es geht. Was bedeutet diese Garantie? Auf wessen Kosten geht diese Garantie? Gibt es eine selbstständige Schule ohne Schüler? Wie soll das aussehen? Eine Schriftliche Anfrage von uns hat ergeben, dass die Angabe von Zahlen sehr schwierig ist. Wir haben ge

fragt, um wie viele Schulen es sich handelt, was das kosten würde und mit welchen Größenordnungen man rechnen muss. Die Schriftliche Anfrage konnte noch nicht beantwortet werden. Es wurde eine Fristverlängerung beantragt. Sie haben noch keinen Plan, wie das wirklich gehen soll.

Heute erleben wir, dass kleine Schulen nach und nach ausgehungert werden. Das Schulamt, dem die Lehrer zugewiesen werden, verteilt diese an die Schulen. Für die Aufrechterhaltung kleinerer Schulen müssen auf Kosten der größeren Schulen Lehrerinnen und Lehrer abgezweigt werden. Das geht auf Kosten derjenigen Schulen, die einen hohen Migrationsanteil, Praxisklassen und Übergangsklassen haben. Das heißt, die Spaltung wird in jedem Schulamtsbezirk immer größer. Das wird nicht gutgehen. Es wird nicht zu verstehen sein, dass kleine Schulen erhalten bleiben, während die großen Schulen darunter leiden.

Es geht weiter: Wenn eine Schule immer kleiner wird, verliert sie irgendwann ihre Schulsekretärin. Die Schulleiterin oder der Schulleiter verfügt kaum über Anrechnungsstunden. Es ist vollkommen unklar, wie diese kleinen Schulen gemanagt werden sollen und welche Kosten entstehen.

Ich war Berichterstatter für den Fall der Schule in Unterjoch. Ich habe mich intensiv damit beschäftigt. Ich finde es nicht gut, dass die Kollegen von der CSU versucht haben, vor der Wahl Zeit zu gewinnen, indem signalisiert wurde, dass die Schule erhalten bleibt. Nach der Wahl war es damit vorbei. Sie haben sich hinter den formalen Kriterien einer nichtselbstständigen Schule versteckt. Bei der Grundschule in Unterjoch handelt es sich jedoch um einen Sonderfall. Das war die einzige mehrzügige einklassige Grundschule in Bayern. Der Fall der Grundschule hätte sich gut dazu geeignet, anhand eines Modells zu überlegen, wie wir zukünftig kleine Grundschulen erhalten können.

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenbemerkung?

Gerne.

Bitte schön, Frau Kollegin Schreyer-Stäblein.

Herr Kollege, in der letzten Legislaturperiode habe ich den Fall Unterjoch mit vertreten. Ich glaube, wir könnten uns schnell darauf einigen, dass es gut war, nicht sofort zu entscheiden, sondern zu sagen: Wir fahren raus. Deswegen wundert mich Ihre Einlassung. Wenn wir uns einer Sache nicht sicher sind, ist es doch logisch,

alles zu versuchen, um den Fall zumindest zu prüfen. Deswegen haben wir das vertagt. Ich glaube, wir sind beide damit zufrieden, uns zuerst eine Schule anzuschauen, bevor wir entscheiden.

Wir haben uns die Schule angeschaut. Sie waren nicht dabei.

Sie haben uns angegriffen, weil wir den Termin verschoben haben!

Frau Kollegin, der Besichtigungstermin vor Ort hat sehr deutlich gezeigt, dass ein ganzes Dorf hinter dieser Schule steht. Wir haben uns über den Bedarf und die geografische Lage informiert. Die Kolleginnen und Kollegen aus Ihrer Fraktion, die dabei waren, haben sich von dem, was sie dort erlebt haben, nicht rühren lassen.

(Kerstin Schreyer-Stäblein (CSU): Sie haben es sich angeschaut!)

In den nächsten Jahren werden wir weitere Unterjochs haben. Wir werden Unterjochs in Unterfranken, in der Oberpfalz und in Niederbayern haben. Wir müssen uns überlegen, wie wir die pädagogische Qualität einer kleinen Schule erhalten können. Welche Möglichkeiten haben wir? Wie kann man das Know-how, das in Unterjoch vorhanden war, für den jahrgangsübergreifenden vierklassigen Unterricht anderer Schulen nutzen? Diese Chancen sind verpasst worden und werden weiterhin verpasst.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Kollege Felbinger hat schon angesprochen, dass der Blick in unser Nachbarland Österreich zeigt, dass es geht. Dort wird mit kleinen Grundschulen gearbeitet. Dort ist man sich über die Rolle der Schulen im ländlichen Raum sehr klar. Diese werden auch finanziert. In diesem Fall bedeutet es ein Weiterkommen, wenn wir von Österreich lernen. Die Unterjocher Eltern werden ihre Kinder in Österreich an einer Zwergschule in Jungholz anmelden. Ich finde, dies sollte uns nicht ruhen lassen, damit wir irgendwann einmal besser werden als die Österreicher und nicht schlechter.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Jetzt hat Frau Kollegin Trautner das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die demografische Entwicklung mit den in der Folge abnehmenden Schülerzahlen stellt uns vor große Herausforderungen. Eine der wichtigsten Zukunftsaufgaben liegt darin, gleichwertige und nachhaltige Bildungsbedingungen für un

sere Kinder in Stadt und Land sicherzustellen und weiterzuentwickeln. Ein wichtiger Baustein ist dabei die Bestandsgarantie für selbstständige Grundschulen mit insgesamt 26 Schülerinnen und Schülern, die die Bayerische Staatsregierung für die gesamte Legislaturperiode gegeben hat. Betonen wir das doch einmal. Wo gibt es das sonst noch in Deutschland? Wir gehen voran.

(Beifall bei der CSU)

Der Grundsatz "Kurze Beine – kurze Wege" ist der CSU wichtig. Deswegen haben wir diese Garantie, die es doch sonst nirgends gibt. Das müsste man an dieser Stelle viel häufiger betonen. Im laufenden Schuljahr werden in Bayern flächendeckend in über 2.250 rechtlich selbstständigen staatlichen Grundschulen Kinder unterrichtet. Wir haben damit ein ganz dichtes Netz an Grundschulen und stellen wohnortnahe Beschulung sicher. Wir müssen aber unserer Verantwortung für alle bayerischen Schülerinnen und Schüler gerecht werden, das heißt denen, die in den Ballungsräumen in den Städten wohnen, und denen, die im ländlichen Raum zur Schule gehen.

Im Fall der Außenstelle Unterjoch, die schon mehrfach erwähnt wurde – es ist ja hinlänglich bekannt -, wurden für das nächste Schuljahr lediglich fünf Schüler gemeldet, und zwar für alle Jahrgangsstufen 1 bis 4. Damit ist die geforderte Mindestklassenstärke von 13 deutlich unterschritten, selbst wenn alle vier Jahrgangsstufen als Jahrgangskombination gesehen werden, was schulrechtlich gar nicht vorgesehen ist. Eine gravierende Unterschreitung dieser Mindestklassenstärken ist aus fachlichen, organisatorischen, aber auch pädagogischen Gründen gar nicht wünschenswert und in manchen Fällen sogar problematisch.

(Zuruf von den FREIEN WÄHLERN)

Da kann es zu ungewollten Bevorzugungen auch kleinerer Standorte kommen. Im Sinne der Gleichbehandlung wären geringere Klassenstärken kaum zu rechtfertigen, wenn in Bayern eine Höchstschülerzahl von 28 Schülern pro Klasse gilt. Oftmals schließen auch die Schulaufwandsträger kleinere Schulen, weil sie den hohen Sachaufwand und die damit verbundenen Kosten zu tragen haben.

Das ist übrigens kein rein bayerisches Problem. Auch in Österreich, auch in Tirol, werden die Klein- und Kleinstschulen immer wieder überprüft. Allein in Tirol sollen wohl im kommenden Schuljahr zwei Schulen geschlossen werden. Hier findet also auch schon eine Kehrtwende statt, weil, wie sich Dr. Gappmaier, der Leiter der Abteilung Bildung im Amt der Landesregierung von Tirol, äußert, die Politik des unbedingten Erhaltens die Ressourcen auffrisst. In Zukunft können

wir kommunenübergreifende, aber auch grenzübergreifende Lösungen finden. Ich habe gestern mit dem Oberallgäuer Landrat Klotz telefoniert, und er hat mir gesagt – es ist von Kollegen schon gesagt worden -, dass die Schüler aus Unterjoch jetzt nach Jungholz gehen werden. Auch diese Schule ist wegen der demografischen Entwicklung so klein geworden, dass sie von der Schließung bedroht war.

(Dr. Paul Wengert (SPD): Das ist doch nicht wahr! – Zuruf der Abgeordneten Ulrike Müller (FREIE WÄHLER) – Unruhe bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

- Doch, das hat mir der Landrat so gesagt. Die Kinder haben jetzt einen Schulweg von zwei Kilometern mit einem eigenen Kleinbus zurückzulegen. Die Schulwegkosten werden bezahlt. Das müssen auch nicht die Eltern übernehmen, wie anfangs immer gesagt worden ist. Der Austausch findet im Anschluss auch in umgekehrter Reihenfolge statt, das heißt die Jungholzer Schüler gehen bei uns in die Realschule, ins Gymnasium und in die Mittelschule. An diesem Beispiel zeigt sich, dass vor Ort hervorragende Lösungen gefunden werden können. Bei diesen Kooperationen steigen auch die Chancen für bessere Ganztagsangebote und ein vielfältigeres und attraktiveres Angebot an Arbeitsgemeinschaften. Unterjoch ist, wie gesagt, keine rechtlich eigenständige Grundschule, sondern eine Außenstelle.

Der Antrag, Modellprojekte für den Erhalt von nichtselbstständigen Kleinstschulen zu schaffen, ist nicht zielführend. Modellprojekte machen in meinen Augen nur Sinn, wenn sie erfolgversprechend sein können. Aber die Schülerzahlen werden weiter abnehmen.

(Dr. Paul Wengert (SPD): Das stimmt auch nicht!)

Wo soll denn die Grenze sein? Bei einem Schüler pro Klasse? Bei zwei Schülern pro Schule? Außenstellen haben in der Regel nicht weit entfernte Stammschulen. Eine sinnvolle Zusammenlegung oder eine Kooperation mit einer Nachbarschule wird zukünftig bei sehr geringen Schülerzahlen realistischerweise die einzig machbare Lösung sein. Das Beispiel Unterjoch zeigt uns, dass dies sogar grenzüberschreitend möglich ist.

(Zuruf von der SPD)

Ich meine, dass hier ganz sicher eine sehr gute Qualität gewährleistet wird. Ich betone noch einmal: Wir stellen als CSU mit der Grundschulgarantie von 26 Schülern pro selbstständiger Grundschule wirklich sicher, dass dem demografischen Wandel entgegengetreten wird. Bei unselbstständigen Grundschulen muss in jedem Einzelfall idealerweise mit den Verant

wortlichen vor Ort die passende Lösung gefunden werden.

(Beifall bei der CSU)

Frau Kollegin Trautner, würden Sie bitte noch einmal ans Mikrofon kommen? - Danke schön. Herr Kollege Felbinger möchte eine Zwischenbemerkung vorbringen.