Protokoll der Sitzung vom 09.06.2016

Sie sagen, der Vorschlag zu den negativen Einkünften sei nicht umsetzbar. Sagen Sie, warum das nicht geht! Warum ist dies dem System des Einkommensteuerrechts fremd? – Es ist ihm nämlich nicht fremd. Es gibt diese negativen Einkünfte. Selbstverständlich könnte man das machen. Wenn Sie einen anderen Weg kennen, herzlich gern, damit hätten wir kein Problem. Aber pauschal zu sagen, es geht nicht und deswegen machen wir es nicht, ist mir ein bisschen zu wenig.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Sehen Sie, Kollege Pohl, deswegen habe ich vorher gesagt, Sie sollen sich nicht immer mit Dazwischenschreien aufhalten, sondern zuhören. Hätten Sie zugehört, wüssten Sie, dass ich nicht gesagt habe, es gehe nicht. Ich habe von drei Möglichkeiten gesprochen. Zunächst müssen wir uns einigen, wie wir Negativzinsen bewerten. Wenn wir das entschieden haben, erarbeiten wir dafür eine Lösung. Ich habe diese drei Punkte aufgezeigt. Sie können es nachher im Protokoll nachlesen, falls Sie vorhin Ihre Ohren nicht aufgesperrt haben. Deswegen bleibt es bei der Enthaltung.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der CSU)

Danke schön. – Nächster Redner: Kollege Mütze.

(Vom Redner nicht autori- siert) Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss zugeben, ich fand die Rede des Kollegen Güller bisher noch am inhaltsreichsten. Er zieht allerdings die falsche Konsequenz. Man kann über die Überschrift stolpern. Als wir den Antrag gestern in der Fraktion besprochen haben, hieß es: Oh, müssen wir dem zustimmen? Zum Glück ist der Antrag besser als die Überschrift. Sagen wir es einmal so.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN)

Der Antrag macht nämlich auf ein Problem aufmerksam, das uns jetzt begegnet. Die Frage ist, ob es den Sparerinnen und Sparern schon begegnet ist. Ich spreche vom Problem der Negativzinsen, die im Steuerrecht bisher nicht vorkommen. Das BMF sieht es eher als Verwahrgebühr, wie in der Begründung des Antrags formuliert wird. Dadurch wird es schwierig; denn diese Verwahrgebühr kann nicht mit positiven Zinsen verrechnet werden, um sie später bei der Steuererklärung als Aufwand geltend zu machen. Ich weiß nicht, ob das der richtige Weg ist.

Wir sehen das anders. Wir betrachten diese negativen Zinsen als Zinsverlust. Dieser muss unserer Meinung nach verrechnet werden können. Daher ist der Antrag richtig. Aber eine Anmerkung darf sein, liebe Kolleginnen und Kollegen: Die Sparerinnen und Sparer – der Kollege Güller hat schon darauf hingewiesen – sind bisher nicht betroffen. Es gibt meines Wissens keine Bank, die ihren Sparerinnen und Sparern negative Zinsen auferlegt hat. Allerdings sind Banken und Anleger in großem Stil betroffen, die ihr Geld bei der EZB parken. Sparerinnen und Sparer könnten auf Bargeld ausweichen. Das wäre für diese die Rettung. Für Großanleger und Banken gilt das nicht.

Wir haben vom Sparkassenverband gehört, dass sie jetzt schon Negativzinsen dafür zahlen müssen, wenn sie dort Geld aufbewahren lassen. Auch für sie ist Bargeld keine Lösung; denn Aufbewahrung und Schutz kosten wiederum Geld. Ob das gut sein kann, weiß ich nicht; darüber muss man nachdenken.

Fazit dieses Antrags – ich lese es vor; es hört sich eigentlich ganz vernünftig an – ist, dass eventuell erhobene Negativzinsen als negative Einkünfte anerkannt werden. Dann gibt es die Möglichkeit, sie entweder mit Gewinnen aus Spareinlagen zu verrechnen oder als Verlust vorzutragen. Dafür brauchen wir eine Lösung. Diese wird beantragt. Wir stimmen dem Antrag zu.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. – Nächster Redner ist Herr Staatsminister Dr. Söder.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei diesem Thema ergeben sich interessante Koalitionen. Damit rechnet man normalerweise nicht.

Herr Pohl, zunächst einmal vielen Dank für das Lob an mich. Das war natürlich richtig.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN und den FREIEN WÄHLERN)

Es war deswegen richtig, weil das Grundanliegen völlig richtig ist. Ich möchte etwas zum Grundanliegen und dann etwas zur Konsequenz sagen, wo wir nicht beieinander sein können. Ich sage auch, warum ich dagegen bin.

Meine Damen und Herren, zunächst einmal ist ganz klar: Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank ist auf einem völlig falschen Pfad. Das, was ursprünglich einmal als Zwischenschritt gedacht war, um den Staaten zu helfen, Reformen anzugehen und diese mit einer Niedrigzinspolitik zu begleiten, und was am Anfang gewirkt hat, hat sich jetzt völlig ins Negative verkehrt. Am Anfang war die Zinspolitik als eine Art Medikament gedacht, um vorübergehend den Schmerz zu lindern. Mittlerweile ist daraus eine fundamentale Abhängigkeit von diesem Medikament entstanden; denn zu was führt die Niedrigzinspolitik? – Erstens einmal führt sie dazu, dass die Staaten in immer stärkerem Umfang auf Reformen verzichten, weil sie Geld so gut wie nie umsonst bekommen können.

Zweitens wird billiges Geld in den Markt geschwemmt. Dies führt nicht dazu, dass etwa Wirtschaftsreformen durchgeführt werden oder die Realwirtschaft gestärkt wird, weil dafür kein Bedarf besteht, sondern dies führt nur dazu, dass die Finanzmärkte weiter aufgepumpt werden. Sind wir einmal ganz ehrlich: Das Zocken mit dem billigen Geld findet wieder statt, weil bei billigem Geld die schnelle Rendite das ganz Entscheidende ist.

Drittens führen Null-Zinsen dazu, dass die Geschäftsmodelle der Banken ins Nichts gehen und umgekehrt damit die Sparer de facto enteignet werden. Wenn dies noch mit Lebensversicherungen kombiniert wird, die an Wert verlieren, obwohl man doch ganzen Generationen von Menschen dazu geraten hat, auf dieses Modell zu setzen, das aber quasi keine Chance mehr hat, stellt man die Aussichten für die Menschen auf null. Das Absurde ist: Schulden zu machen, lohnt sich mehr, als zu sparen. Für unser Land – das sage ich einmal so – ist Sparen auch ein Teil unserer Geldidentität. Es ist einer der Pfeiler der Stabilität Deutschlands. Darum kann der Weg, den Herr Draghi geht, einfach nicht richtig sein. Er sagt: Sucht euch andere Anlageformen. Er ruft quasi zum Wetten auf den Finanzmärkten auf.

Das ist nicht das Modell, das wir wollten. Wir wollten immer eine Zentralbank auf europäischer Ebene, also eine Europäische Zentralbank nach deutschem Geist. Wir wollten an dieser Stelle keine – ich sage es so – Filiale von Goldman Sachs in Europa. Deshalb muss die erste Reaktion sein, nicht nur die Folgen auszugleichen – dazu komme ich gleich –, sondern auch die Geldpolitik zu ändern. Aus meiner Sicht ist es

wichtig, dass die Bundesrepublik Deutschland dem nicht einfach wehr- und sprachlos gegenübersteht. Die EZB ist unabhängig, aber nicht allmächtig. Die Handlungen, mit denen Tatsachen und Fakten geschaffen werden, sind nicht durch den Auftrag der EZB gedeckt. Natürlich muss Deutschland – das ist meine feste persönliche Überzeugung – bei der Geldpolitik mehr machen, als diese achselzuckend hinzunehmen und allein auf die rechtliche Unabhängigkeit der EZB zu verweisen.

Deswegen ist der erste Schritt eine grundlegende Debatte in Deutschland über die Geldpolitik und die daraus folgende Konsequenz eine Änderung der Geldpolitik. Wir sind diejenigen, die am meisten einzahlen. Wir haften am meisten, und zwar für alles. Ich kann nicht auf Dauer akzeptieren, dass man einer schleichenden Enteignung der Sparer zugunsten eines Finanztransfers in andere Teile der Europäischen Union einfach sprachlos zusieht. Das ist in jeder Beziehung der falsche Weg, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU und des Abgeordneten Bern- hard Pohl (FREIE WÄHLER))

Die zweite Konsequenz wird sicherlich eine umfassende Steuerdebatte sein. Da sind wir beieinander. Diese brauchen wir. Allerdings würde ich sie in einem größeren Rahmen führen. Ich sage Ihnen, warum uns Ihr Vorschlag an dieser Stelle noch nicht reicht. Übrigens stimmt das Argument, dass wir nur Spielräume aus Steuermehreinnahmen haben, nicht. Der Bund finanziert sich nämlich im Moment aus zweierlei Quellen so gut: aus den Steuermehreinnahmen und aus den Zinseinsparungen, die über 20 Milliarden Euro betragen. Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, hatten andere Finanzminister früher quantitativ weniger Schulden als heute, mussten für die geringeren Schulden aber deutlich mehr Zinsen bezahlen. Deswegen müssen wir dem Sparer etwas zurückgeben.

Herr Pohl, ich glaube, wir müssen anders ansetzen. Wir glauben, dass wir das Negativzins-Phänomen heute so nicht angehen können. Warum? – Erstens könnte dies zu Verwerfungen bei der Besteuerung von Spekulationsgeschäften führen – das ist im Moment meine größere Sorge. Zweitens würden wir Großanleger begünstigen. Wir würden damit im Moment manchen Banken – das sage ich ganz offen – sogar ein Geschäftsmodell anbieten, nämlich Negativzinsen einzuführen, wovor bislang der eine oder andere aufgrund der öffentlichen Resonanz noch Angst hat. Wir brauchen eine grundlegende Steuerreform, die sowohl die Einkommensteuer als auch – das ist der Punkt, über den wir sprechen müssen, wenn es um Zinseinkünfte geht – die Abgeltungsteuer einbezieht.

Ich glaube, die Abgeltungsteuer in der jetzigen Form wird aus zwei Gründen auf Dauer nicht so bleiben können. Der erste Grund ist: Wenn einmal der Datenaustausch zwischen den Ländern vollständig möglich ist, ist einer der Gründe für die Abgeltungsteuer entfallen – neben Vereinfachungsgründen ging es auch darum.

Der zweite Grund – davon bin ich fest überzeugt – ist: In unserem Land geht es zunehmend auch um mehr Balance zwischen Arbeit und Kapital, Arbeit und Aktien. Meine Damen und Herren, wenn es dauerhaft so ist, dass man in unserem Land mit harter Arbeit, mit unternehmerischem Engagement niemals mehr die Chance hat, annähernd die Erträge für sich und seine Familie zu erwirtschaften, wie dies mit Kapitalerträgen möglich ist, setzt man auf eine falsche Balance. Darum glaube ich – da sind wir wieder beieinander –, dass dieses Thema nicht nur ein Thema für Steuerberater, Finanzexperten und Banker, sondern ein gesellschaftspolitisches ist.

Wir stimmen Ihrem Antrag nicht zu, obwohl wir das Anliegen teilen. Ich habe den Prüfauftrag eigentlich als eine Brücke betrachtet für dieses gemeinsame Anliegen, Herr Pohl. Wir haben aber noch mehr als diesen einen Punkt zu lösen.

Meine Damen und Herren, wir wollen eines klarmachen: Wenn wir in Deutschland diesen Weg weitergehen, wird sich die Entfremdung vieler Bürger von der etablierten Politik fortsetzen. Es gab manche Experten, die sagen, dass diese Entfremdung gar nicht stattfindet. Für jeden von uns, der draußen ist, ist sie aber spürbar. Ein Teil der Entfremdung beruht auf der Debatte über die Flüchtlingspolitik – das ist der nächste Punkt, bei dem sich die Leute allein gelassen fühlen. Wir müssen deswegen einen weiten Ansatz wählen, der erstens die Fiskalpolitik und die Finanzpolitik in Europa und zweitens eine umfassende Steuerreform umfasst. Darunter wird sich dann ganz sicher Ihr Anliegen befinden. Deshalb wäre unser Wunsch, diese grundlegende Debatte zu führen. Sie sind dazu eingeladen, bei diesem Prozess dabei zu sein – das werden Sie ohnehin sein, auch wenn man Sie nicht einlädt; ich kenne Sie. Deswegen wünsche ich mir, dass wir uns darauf konzentrieren und klarmachen, dass wir mit Steuerpolitik und Zinspolitik nicht nur Banker treffen oder glücklich machen wollen, sondern dass wir diese Politik breiter anlegen. Es geht um keine reine Wirtschafts-, Steuer- oder Finanzdebatte, sondern um eine gesellschaftspolitische, und ich möchte, dass wir uns daran grundlegend beteiligen.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen jetzt zur Abstimmung.

Der federführende Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen empfiehlt die Ablehnung des Antrags. Wer entgegen dem Ausschussvotum dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der FREIEN WÄHLER und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen! – Das ist die CSU-Fraktion. Stimmenthaltungen? – Das ist die SPD-Fraktion. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 7 auf:

Antrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Ulrich Leiner u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Seilbahnförderung neu ausrichten - Keine weitere Förderung von Schneekanonen in Bayern (Drs. 17/10663)

Ich eröffne die Aussprache und weise darauf hin, dass die Gesamtredezeit 24 Minuten beträgt. Erster Redner ist Herr Kollege Leiner.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie sehen mich etwas außer Atem, weil ich gerade in einer Sitzung mit einer ukrainischen Delegation über die Landwirtschaft gesprochen habe. – Heute geht es um ein anderes Thema: um die Wirtschaftsförderung. Wirtschaftsförderung bedeutet für die Fraktion der GRÜNEN im Bayerischen Landtag eine Anschubfinanzierung für Projekte, die innovativ, zukunftsweisend, wirtschaftlich darstellbar und ökonomisch nachhaltig sind. Meine Damen und Herren, all dies trifft nicht für künstliche Beschneiungsanlagen zu. Allein schon deshalb muss deren Förderung dringend beendet werden.

In den letzten neun Jahren hat die Bayerische Staatsregierung über 23 Millionen Euro für die künstliche Beschneiung ausgegeben. Fast 1.000 Hektar beschneite Flächen gibt es in Bayern. Ich sage Ihnen: Das reicht.

Dagegen sind wir für eine maßvolle Weiterführung des Bergbahnförderprogramms. Dies muss allerdings von der künstlichen Beschneiung entkoppelt sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir wollen keine einzige Neuerschließung und keinen einzigen Neubau einer Aufstiegshilfe in den bayerischen Alpen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir wollen aber die Möglichkeit erhalten, bestehende Anlagen zu erneuern. Besonders wollen wir, dass Aufstiegshilfen gefördert werden, die unabhängig vom Skibetrieb nutzbar sind. Wir fordern, dass diese Anlagen sowohl im Sommer wie im Winter nutzbar sind. Wir fordern sie für Familien mit kleinen Kindern, für ältere Menschen, die nicht mehr so gut zu Fuß sind, und vor allem auch für Behinderte – Stichwort barrierefrei.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zwei Dinge sind dabei wichtig: zum Ersten die nachhaltige Wirtschaftlichkeit und zum Zweiten die unbedingte Umweltverträglichkeit. Wie dem Bericht des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz zu entnehmen ist, haben Beschneiungsanlagen weitgehende Umweltschäden verursacht. Beim Bau von Beschneiungsanlagen treten Schädigungen in der Grasnarbe und im geologischen Gefüge des Bodens auf, was zu erhöhtem Oberflächenabfluss sowie zu Erosionsschäden, Hangabbrüchen und Rutschungen führt. – Dies besagt eine Stellungnahme des Bayerischen Umweltministeriums. Meine sehr verehrten Damen und Herren, gerade angesichts des heute schon besprochenen Phänomens der regionalen, unglaublich hohen Niederschläge ist es nicht mehr verantwortbar, solche Baumaßnahmen zu fördern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bemerkenswerterweise maßt sich ein Vertreter der CSU-Fraktion, überdies der Vorsitzende des Tourismusverbandes Allgäu/Bayerisch-Schwaben, an, sein eigenes Ministerium zu kritisieren und sich fachlich besser darzustellen als diese spezialisierte Behörde.

(Klaus Holetschek (CSU): Ja was! Wahnsinn! Unglaublich!)

Mit dem Betrieb der künstlichen Beschneiungsanlagen beschleunigen wir zudem den Klimawandel.

(Klaus Holetschek (CSU): Jetzt wird es immer besser!)

Wir vergeuden Energie und Wasser, obwohl unser oberstes Ziel doch der sparsame Umgang mit diesen Ressourcen sein muss. Die zu erwartenden klimatischen Veränderungen lassen auch die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit dieser Förderung nicht mehr erkennen.