Protokoll der Sitzung vom 18.10.2016

Herr Kollege Kreuzer, Sie sagen, vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand. Das mag sein, schlechter hätte das Urteil des Bundesverfassungsgerichts allerdings definitiv nicht ausfallen können.

(Markus Rinderspacher (SPD): Oh doch! – Unruhe bei der CSU und der SPD)

Bis 2019 zahlen wir nämlich genau das, was in der damaligen Verhandlung festgesetzt wurde. Jetzt stellt sich die Frage, wo da bayerische Interessen vertreten sind. Verstehen Sie uns nicht falsch: Wir sehen selbstverständlich auch die notwendige Solidarität der

Bundesländer. Es ist richtig, als Bundesstaat müssen wir innerhalb der Länder Solidarität üben. Wenn Sie aber die neuen Bundesländer hervorheben, dann möchte ich schon einmal sagen, wer in den letzten 20 Jahren wie viel Geld bekommen hat: Brandenburg 10 Milliarden Euro, Mecklenburg-Vorpommern 8 Milliarden Euro, Sachsen 19 Milliarden Euro, SachsenAnhalt 11 Milliarden Euro, Thüringen 11 Milliarden Euro und Berlin 52 Milliarden Euro. Setzen Sie nun bitte nicht Berlin mit Mecklenburg-Vorpommern oder der Lausitz gleich. Sonst wird es da tatsächlich schräg. Bremen hat in diesem Zeitraum übrigens 9 Milliarden Euro bekommen und Hamburg 5 Milliarden Euro gezahlt. So viel zum Thema Stadtstaaten. Es geht also auch anders, als es Berlin gemacht hat. Ich unterstreiche deshalb durchaus Ihre Kritik daran, dass Berlin seine Haushalte nicht in Ordnung gebracht hat und über seine Verhältnisse lebt.

(Markus Rinderspacher (SPD): Das hat damit nichts zu tun!)

Ist das aber durch den jetzigen Länderfinanzausgleich konterkariert? Ist jetzt ein anderer Weg vorgegeben? – Herr Kollege Rinderspacher zitierte zu Recht: Bayern 106 Euro pro Einwohner, Berlin 142 Euro pro Einwohner und Mecklenburg-Vorpommern 229 Euro pro Kopf. Für Mecklenburg-Vorpommern zahlen wir gerne, weil dieses Land klar strukturell benachteiligt ist und Schwierigkeiten hat. Wir können auch in die Lausitz gehen, in viele Teile der neuen Bundesländer, aber ausgerechnet Berlin? – Das können wir so nicht akzeptieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, stellen Sie sich vor, in Bayern würde ein Ausgleich so funktionieren, dass die Regionen, die Regierungsbezirke, die Landeshauptstadt München alimentieren.

(Markus Rinderspacher (SPD): In Bayern ist es umgekehrt, wie Sie wissen, Herr Kollege!)

Jeder von uns würde dann zu Recht den Kopf schütteln und sagen: Nein, so geht es nicht. Eine Metropole wie Berlin muss aus eigener Kraft selbstständig lebensfähig sein. Eine Metropole wie Berlin muss auf die anderen Regionen ausstrahlen. Eigentlich müsste man sogar erwarten, dass Berlin so stark ist, dass es benachteiligte Regionen mitnimmt und nicht umgekehrt. Wir sagen deshalb auch an diesem Punkt: Was hier als Verhandlungsergebnis auf dem Tisch liegt, ist unbefriedigend.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Solidarität ist wichtig, auch im eigenen Interesse. Wir müssen aber auch darauf achten, dass bayerische Interessen vertreten werden und dass die Stärke Bayerns angemessen abgebildet wird. Ich bin gespannt, wie lange es dau

ert, bis neue Tränen über den Länderfinanzausgleich vergossen werden, und zwar insbesondere vonseiten der CSU. Sie haben eine hervorragende PR-Abteilung, das habe ich neulich schon gesagt. Sie lassen sich für ein Ergebnis feiern, das Sie Jahre später in Bausch und Bogen verdammen. Ich bin gespannt, wie lange es diesmal dauert, bis die ersten Klagen über den ungerechten und rechtswidrigen Länderfinanzausgleich kommen. Ich bin gespannt, ob Sie, Herr Ministerpräsident, oder ein Nachfolger dann eine weitere Klage beim Bundesverfassungsgericht einreichen. Wenn man davon ausgeht, dass das nur alle 15 Jahre passiert, dann werden Sie das wahrscheinlich nicht mehr sein.

(Jürgen W. Heike (CSU): Sie auch nicht! – Heiterkeit bei der SPD)

So weit meine Prognose.

(Ministerpräsident Horst Seehofer: Täuschen Sie sich nicht!)

Doch selbst da heben Sie den Finger. Der Finanzminister wendet sich gerade mit Grausen ab, wenn ich diese Geste richtig deute.

(Heiterkeit bei den FREIEN WÄHLERN und der SPD)

Ein Länderfinanzausgleich ist aber etwas, was wir für einen langen Zeitraum verhandeln, nicht nur für ein paar Jahre. Da muss für Bayern einfach mehr herauskommen. Wie sagte Edmund Stoiber? – "Der 23. Juni 2001 wird sicherlich ein bestimmendes Datum in der Geschichte des deutschen Föderalismus sein."

(Lachen bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, er hat noch etwas gesagt, was in die heutige Debatte passt.

(Volkmar Halbleib (SPD): Das war echter Patriotismus, damals!)

Er sagte in Richtung von Finanzminister Eichel: Ab 2006 sollte der Soli abgebaut werden. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, kommt Ihnen das nicht bekannt vor?

(Markus Rinderspacher (SPD): Doch!)

Alle Jahre wieder: The same procedure as every year.

Dann aber kommt noch klammheimlich in den Länderfinanzausgleich etwas hinein, was da eigentlich gar nicht hineingehört. Da kommt nämlich plötzlich die Vorbereitung der Autobahnprivatisierung, die Verlagerung der Kompetenzen für den Fernstraßenbau auf

den Bund. Da sagt man nun, das ist die Kröte, die man nun einmal schlucken muss, weil gewisse Bundesländer nicht in der Lage sind, den Autobahnbau vernünftig zu regeln. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir hier in Bayern haben gut davon profitiert, dass andere ihre Mittel nicht abgerufen haben. Über 100 Millionen Euro haben wir jedes Jahr zusätzlich bekommen. Im Haushaltsausschuss haben wir sogar beschlossen, dass wir das vorfinanzieren, damit wir auf jeden Fall mehr verbauen können, als uns eigentlich zusteht. Das wird der Vergangenheit angehören. Das heißt, was unsere Infrastruktur anbelangt, fahren wir künftig schlechter. Das ist eine bittere Kröte, die wir hier schlucken sollen. Ich kann nicht verstehen, warum wir uns auch das noch aufgelastet haben. Ich bin der Meinung, gerade der Freistaat Bayern als ein Flächenland muss darauf achten, dass die Verkehrsinfrastruktur als ein wesentlicher Faktor der wirtschaftlichen Entwicklung in bestem Zustand ist. Deshalb müssen wir möglichst viel Geld vom Bund abgreifen, um es hier verbauen zu können. Das haben wir jetzt, durch diesen Kompromiss, leider aus der Hand gegeben. Auch das ist absolut unbefriedigend und kein schönes Ergebnis für den Freistaat Bayern.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, das Ergebnis bleibt deutlich hinter dem zurück, was Ihre Staatsregierung, was die CSUFraktion, was die Mehrheit in diesem Hause erwartet hat. Es ist deshalb kein Tag der Freude und auch kein Anlass, sich auf die Schulter zu klopfen. Das hat nichts mit Nörgeln zu tun. Wir hätten die Klage gerne gemeinsam mit Ihnen bis zum Ende weiterverfolgt. Mehr als nichts kann hier nicht herauskommen.

(Volkmar Halbleib (SPD): Enttäuschte Liebe, Herr Pohl!)

Um Liebe geht es hier nicht, Kollege Halbleib. Es geht um die Interessen des Freistaats Bayern,

(Volkmar Halbleib (SPD): Da sind wir beieinander!)

und diese haben die Bayerische Staatsregierung und die CSU-Fraktion nicht optimal vertreten. Die FREIEN WÄHLER sind mit dem Ergebnis unzufrieden.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Vielen Dank. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN darf ich jetzt Herrn Kollegen Hartmann das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Seehofer! Was für eine Schauveranstaltung war denn das gerade, was war das gerade für eine Selbstbeweihräucherung? – Sie haben sich hier hingestellt und haben sich selbst für die Neuordnung des Länderfinanzausgleichs gelobt, die Sie seit Jahren blockiert haben. Sie sind nicht der Motor der Reform. Sie sind nicht der Motor, Sie sind der Blockierer.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Statt sich mit den Kolleginnen und Kollegen zusammenzusetzen, sich an einen Tisch zu setzen, zu verhandeln und nach einer Lösung zu suchen, haben Sie gepoltert, geklagt und geschimpft. Das war Ihr Beitrag.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, ich bin froh über die Lösung, die man gefunden hat und die übrigens von unserer Fraktion bereits vor Jahren in die Debatte eingebracht worden ist. Dass Sie sich jetzt hier hinstellen und das als Heldengeschichte verkaufen, schlägt nun wirklich dem Fass den Boden aus.

(Beifall bei den GRÜNEN – Volkmar Halbleib (SPD): Gute CSU-Tradition!)

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, mehr ist dazu wirklich nicht zu sagen. Bei Ihrer Blenderei hier im Hohen Haus fehlen mir echt die Worte.

(Anhaltender Beifall bei den GRÜNEN)

Für die SPD-Fraktion darf ich jetzt Herrn Kollegen Güller das Wort erteilen. – Er ist aber nicht da, wie ich sehe. Er hat damit wohl nicht gerechnet. Aber es tut mir leid, ich muss die Wortmeldung für erledigt erklären, es sei denn, jemand von der SPD-Fraktion übernimmt.

Im letzten Moment noch, Herr Kollege. Bitte schön.

Man muss die Zeit ja ausnützen.

(Markus Rinderspacher (SPD): Vielen Dank für die Nachsicht zum 40-jährigen Jubiläum!)

Frau Präsidentin, Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Was wir oder vielleicht unsere Nachfolger in 10 oder 15 Jahren in diesem Haus debattieren, ist eine Frage der Zukunft, und da sind objektive Prognosen schwierig. Allerdings sprechen eine gewisse Tradition und der Verlauf der Debatte in den letzten 15 Jahren schon dafür, dass das Risiko, dass

die Geschichte ähnlich ausgeht wie dieses Mal, ziemlich hoch ist, würde ich sagen.

Herr Kreuzer hat nichts anderes getan, als zu versuchen, auf unserer Seite fehlenden Patriotismus zu beklagen. Ich habe schon mehrmals deutlich gemacht, dass wir die Ersten waren, die den Finanzausgleich, den Sie mit beschlossen, unterschrieben und mit Verve vertreten haben, hier im Hause kritisiert haben. Wir waren auch die Ersten hier im Bayerischen Landtag, die Anträge mit konkreten Forderungen eingereicht haben, den Länderfinanzausgleich zu reformieren. Damals war es die CSU-Fraktion, die die Anträge abgelehnt hat. Wenn Herr Kreuzer heute mit seiner Polemik versucht, das Gegenteil zu behaupten,

(Zurufe von der CSU)

hört man und staunt man. Ich finde, zu einer solchen Stunde gehört auch die politische Redlichkeit. Faltlhauser hat wie viele andere den Länderfinanzausgleich ausgehandelt und hier im Haus bejubelt und verteidigt. Später haben Sie gegen ihn polemisiert, als das in die politische Konzeption passte. Wir haben rechtzeitig erkannt, dass der Länderfinanzausgleich reformiert werden muss. Deswegen besteht heute Anlass, das anzuerkennen, was wir bisher dazu gesagt haben. In der Geschichte war es eben so, dass Sie den Länderfinanzausgleich bejubelt und dann als verfassungswidrig bezeichnet haben. Das ist die Wahrheit über den Länderfinanzausgleich, der noch bis 2019 Gültigkeit hat.

(Beifall bei der SPD)