Protokoll der Sitzung vom 30.11.2016

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

In der Sache geht es um den Ausgleich von Eingriffen in die Natur, von denen es in Bayern im Gegensatz zu den Ausführungen des Kollegen Reiß gerade genug gibt. Interessant und verdächtig zugleich sind der Eifer und die Eilfertigkeit, mit der Sie diese Änderung betreiben. Herr Flierl, Sie haben schon einige Motive angedeutet. Es geht eben nicht darum, Eingriffe in die Natur zu verhindern, sondern es geht darum, Kompromisse, vielleicht faule Kompromisse, zu ermöglichen.

Es ist jedenfalls schwer nachzuvollziehen, warum man, bevor der Bund eine eigene Kompensationsverordnung erlassen hat, schon ganz sicher weiß, dass die bayerische die bessere ist. Wir wissen allerdings eines: dass die Ausgleichsregelung des Bayerischen Naturschutzgesetzes von 1973 in ihrem Anliegen sowohl klarer als auch zielorientierter war. Es ging nämlich um den Schutz vor und den Ausgleich von Eingriffen in die Natur. Wir stellen die kritische Frage, ob die aktuelle Kompensationsverordnung die Prinzipien des Gesetzes von 1973, zumindest für die Anwendungspraxis im CSU-regierten Bayern, aufgegeben hat. Die früheren Prinzipien waren klar und überzeugend. Oberste Priorität hatte die Vermeidung von erheblichen Eingriffen in die Natur. Erst wenn solche erheblichen Eingriffe nicht zu vermeiden waren, kam mit zweiter Priorität die Minimierung von Eingriffen, und nur, wenn das Erste und das Zweite gar nicht möglich waren, galt das Prinzip des angemessenen Ausgleichs.

Mit Ihrer derzeitigen Kompensationsverordnung und den real existierenden Umsetzungsmöglichkeiten geben Sie das Prinzip der Realkompensation auf. Sie gleichen Naturzerstörung zu oft nicht mehr in angemessener Weise durch Unterschutzstellung anderer Bereiche, durch Aufwertung, durch Renaturierung aus, sondern Sie praktizieren einen modernen Ablasshandel mit Ersatzzahlungen und völlig intransparenten Ökokonten.

Wir sehen aber auch den Ausgleich als problematisch an, soweit dieser überhaupt ordentlich praktiziert wird. Sie haben zum Beispiel die windelweiche und sehr bequeme Möglichkeit des Ausgleichs in bereits bestehenden Schutzgebieten eröffnet. Ein konkretes Beispiel ist der geplante unnötige, aber von Ihnen schon fast zwanghaft betriebene Bau einer dritten Startbahn am Münchner Flughafen. Dabei soll der Ausgleich von mehreren Hundert Hektar zerstörter Natur im FFHund Naturschutzgebiet erfolgen. Das ist absurd und rechtlich höchst fragwürdig; denn dort sind Sie eigentlich von Gesetzes wegen verpflichtet, die Qualität der Naturgüter zu erhalten und zu befördern.

Aber auch die Praxis der Überprüfung und Ergebniskontrolle ist in Bayern höchst fragwürdig; denn die Umsetzung findet in Grauzonen statt, in – ich möchte schon sagen – bewusst erzeugten Nebelschwaden, und die Staatsregierung und insbesondere das Umweltministerium können und wollen ihrer Aufsichtsfunktion hier nicht nachkommen. Eine Erfolgskontrolle findet nicht statt. Von Transparenz und homogenem Verwaltungshandeln kann man hier sicherlich nicht reden. Stattdessen führen Sie eine merkwürdige Diskussion über den Ausgleich von Eingriffen, über den unglaublichen Umfang von Kompensationsflächen. Im Grunde soll das nur eines kaschieren: Ihr Dauerversagen bei der Eindämmung des viel zu hohen Flächenverbrauchs in Bayern.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie zünden jetzt mit der Lockerung des Anbindegebots sogar noch den Turbo für den Flächenverbrauch. An der Stelle möchte ich festhalten, dass Sie komplett versagen. Wir haben es in der letzten Aktuellen Stunde auch schon thematisiert: Fast 20 % mehr Flächenverbrauch im Jahr 2015 im Vergleich zu 2014 sprechen eine deutliche Sprache. Sie haben weder Ideen noch im Ansatz wirkungsvolle Instrumente, um diesen Flächenverbrauch einzudämmen.

Dementsprechend fällt die Bilanz Ihres Handelns auf dem Gebiet von Naturverbrauch und Ausgleich schlecht aus. Jetzt wären eigentlich eine nüchterne Analyse und eine ehrliche Bestandsaufnahme das Gebot der Stunde, aber dazu fehlt die Bereitschaft

und an der Spitze des Umweltministeriums wohl auch der Mut.

Wir tragen Ihre zweifelhafte Praxis jedenfalls nicht mit und werden die Änderungen ablehnen. Statt solch zweifelhafter Schnellschüsse wären eine transparente Diagnose, eine ehrliche Diskussion und eine fachlich fundierte neue Antwort darauf dringend geboten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat der Kollege Kraus von den FREIEN WÄHLERN das Wort. Bitte sehr, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren gerade über eine Gesetzesänderung, mit der inhaltlich eigentlich nichts geändert wird. Es ist bereits erwähnt worden: Artikel 8 Absatz 3 des Bayerischen Naturschutzgesetzes wird völlig unverändert neu erlassen. Damit wird sichergestellt, dass die Bayerische Kompensationsverordnung nicht irgendwann einmal durch eine Bundeskompensationsverordnung abgelöst wird.

Da es eigentlich nur um eine formale Änderung geht, hätte es wegen mir keiner Aussprache bedurft. Aber wenn wir schon einmal debattieren, kann ich mir eine Bemerkung zur Bayerischen Kompensationsverordnung nicht verkneifen: Ein bisschen mehr Bürgernähe wäre durchaus angebracht gewesen.

Wenn man sich einarbeitet und die Matrix liest, so findet man da Formeln wie: Quadratmeter durch den Eingriff beeinträchtigter Fläche mal Wertpunkte mal Beeinträchtigungsfaktor. Es ist klar, dass Juristen das verstehen, auch das Personal in den Ämtern und Behörden bzw. Leute, die hauptberuflich damit befasst sind. Aber bei uns gibt es auch den sogenannten Bestimmtheitsgrundsatz. Dieser besagt: Der Bürger muss klar erkennen können, welche Folgen ein Gesetz für ihn hat. Ich habe mich ein wenig umgehört und noch keinen getroffen, der von dieser neuen Kompensationsverordnung betroffen ist und sie komplett versteht.

Grundsätzlich ist es auch den FREIEN WÄHLERN ein wichtiges Anliegen, den Flächenverbrauch zu vermindern. Die Kompensationsverordnung würde, wenn sie anwenderfreundlicher wäre, sicherlich einen guten Beitrag hierzu leisten. Aber es gibt auch Fälle, in denen uns die Kompensation schon ein bisschen zu weit geht.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Wenn beispielsweise ein Wasserkraftwerksbetreiber eine ökologische Fischtreppe baut und hierdurch den Lebensraum aufwertet, Stichwort Durchgängigkeit, so muss er hierfür eine Ausgleichsfläche zur Verfügung stellen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Weitere Beispiele dafür sind Windkraftanlagen oder Photovoltaik-Freiflächenanlagen, das heißt, dezentrale, saubere Energielösungen. Wir haben wirklich kein Verständnis dafür, dass man dafür Ausgleichsflächen vorhalten muss.

Im Gesetzentwurf der Staatsregierung steht unter Abschnitt "A) Problem": Bayern habe die Regelung von Kompensationsmaßnahmen im Naturschutzrecht in Landeskompetenz überführt. Wie leider so oft der Fall, setzt das Land Bayern auf Bundesregelungen oder europäische Regelungen noch ein paar drauf und verschärft alles. Ich darf dazu ein Beispiel nennen: Nicht weit von hier wurde am Autobahnring A 99 eine neue Ausfahrt gebaut; einige von Ihnen werden sie kennen. Die reine Baumaßnahme umfasst mit dem "Kleeblatt" und den Einschleifungen fast 50 Hektar Fläche. Dafür wurde der Landwirtschaft viel Fläche weggenommen. Zusätzlich zu den fast 50 Hektar Fläche werden noch knapp 6 Hektar Ausgleichsfläche benötigt. Das ist nicht in unserem Sinne. Da besteht natürlich Nachbesserungsbedarf.

Nochmals zum Kern des Themas: Da sich fast nichts ändert und der Wortlaut eigentlich gleich bleibt, werden die FREIEN WÄHLER ebenso wie im Umweltausschuss der Gesetzesänderung zustimmen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat Herr Kollege Dr. Magerl vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Als Erstes eine Vorbemerkung, nachdem gerade im Beitrag des Herrn Kollegen Kraus, aber auch in der Rede des Herrn Kollegen Flierl die Begriffe "Ausgleich" und "Kompensation" ein bisserl arg verwässert worden sind.

Der Ausgleich von Eingriffen in den Naturhaushalt soll verhindern, dass diese Eingriffe zu einem Minus im Bereich der Natur und der Biodiversität führen. Das ist für den Ausgleich und die Kompensation bei Maßnahmen die Grundvoraussetzung. Herr Kollege Flierl, Sie sagen, es gehe hier bei Flächeninanspruchnahmen um einen gesellschaftlichen Ausgleich, um die Inte

ressen der Landwirtschaft und – Originalzitat – auch um die Belange des Naturschutzes. Es geht beim Ausgleich nicht "auch", sondern es geht originär um die Belange des Naturschutzes.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zur Aussage des Herrn Kollegen Kraus, bei den 50 Hektar Eingriff seien 6 Hektar Ausgleichsfläche noch zu viel, sage ich: Aus Sicht der Landwirtschaft mag das sein, aber aus Sicht der Natur ist das bei einem Eingriff auf 50 Hektar mit Sicherheit angemessen. Ich kenne diesen Tatzelwurm an der A 99. Das ist in meinen Augen eher zu wenig Ausgleich als zu viel. Es geht hier aber nicht um den Schutz der Landwirtschaft, sondern um den Schutz der Biodiversität in unserem Land.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dieses Gesetzesvorhaben entspringt wieder der typischen Hybris der CSU-Staatsregierung, dass alle Gesetze, die Sie machen, grundsätzlich besser sind als die des Bundes, obwohl man das Bundesgesetz überhaupt noch nicht kennt, weil es dieses noch gar nicht gibt. So kann es hier nicht laufen. Bereits in der Vergangenheit ist bei der Realkompensation manches nicht richtig gelaufen. Ich könnte hierzu viele Beispiele aufzählen. Das war nicht befriedigend, und mit der neuen Regelung wird die ganze Geschichte noch unbefriedigender.

Ich bin über den Bund Naturschutz in viele Planungsverfahren eingeschaltet. In der Realität gestatten Sie immer mehr Ausgleich in den Schutzgebieten. Das Musterbeispiel "Planung dritte Startbahn" hat der Kollege von Brunn schon angesprochen. Eine Realisierung dieses unsinnigen Teils würde dazu führen, dass das Schutzgebiet de facto deutlich kleiner würde. Aber das kann es nicht sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deshalb gibt es von uns zu diesem Gesetzentwurf nur ein klares Nein. Geben Sie ihn zum Altpapier, da gehört er hin!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Letzte hat nun Frau Staatsministerin Scharf das Wort. Bitte schön, Frau Staatsministerin.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir erlassen heute aus zwei guten Gründen Artikel 8 Absatz 3 des Bayerischen Naturschutzgesetzes neu.

Zum einen gilt grundsätzlich, dass wir Angelegenheiten bayerischer Regelungshoheit, die wir als Freistaat am besten regeln können, lieber selbst regeln.

Zum Zweiten: Ich halte unser bayerisches Kompensationsrecht für sehr gut. Ich bin davon überzeugt, dass es den Bedürfnissen unserer Natur zuallererst, aber auch den Bedürfnissen unserer Landwirtschaft gerecht wird. Damit sind wir übrigens Vorreiter in ganz Deutschland.

Die Bayrische Kompensationsverordnung ist seit 1. September 2014 in Kraft. Die Anwendung der Eingriffsvorhaben läuft bereits. Wir haben für die Praxis Vollzugshinweise erlassen. Ein einheitliches Verwaltungshandeln ist uns sehr wichtig. Wir schulen alle wichtigen Partner.

Herr Kollege von Brunn, ich würde Sie gerne einmal zu einer Schulung einladen; denn was Sie vorgetragen haben, zeugt eigentlich nur davon, dass Sie die Bayerische Kompensationsverordnung noch nicht verstanden haben.

(Beifall bei der CSU)

Die ersten Rückmeldungen sind sehr gut. Unsere Landwirte schätzen die Flexibilität, die mit der Bayerischen Kompensationsverordnung geschaffen wurde, nämlich erstens bei der Flächengröße. Wir haben den starren Ausgleichsgrundsatz "Quadratmeter für Quadratmeter" aufgegeben. Der neue Maßstab ist die Qualität der Ausgleichsfläche. Das ist aus meiner Sicht der wesentlich wichtigere Maßstab.

Zum Zweiten wird die räumliche Flexibilität geschätzt. Das heißt, die Ausgleichsmaßnahme muss nicht mehr in der Nähe zum Eingriff erfolgen, sondern es reicht, wenn es derselbe Naturraum ist.

Drittens wird zeitliche Flexibilität eröffnet. Ein Landwirt kann sich Maßnahmen auf seinem Ökokonto gutschreiben lassen und dadurch Umweltschutz auf Vorrat betreiben. Das Ökokonto kann also in Anspruch genommen werden.

Das alles sind sehr moderne und sinnvolle Lösungen, mit denen wir den Landwirten entgegenkommen und trotzdem den hohen Anspruch an die hohe Qualität beim ökologischen Ausgleich erhalten.

Bei der Abweichungsgesetzgebung gilt im Verhältnis von Landesrecht und Bundesrecht der Grundsatz der späten Geburt. Das heißt, das jeweils später erlassene Gesetz geht vor, also ein neu erlassener Paragraf aus dem Bundesnaturschutzgesetz hebelt den betreffenden Artikel im Bayerischen Naturschutzgesetz aus. Das bedeutet schließlich auch: Wenn der Artikel im

Bayerischen Naturschutzgesetz weiterhin gelten soll, dann muss er neu erlassen werden. Das ist reine Formsache.

Dieser Fall liegt hier vor. § 15 Absatz 7 des Bundesnaturschutzgesetzes wurde im August 2016 neu erlassen. Mit Inkrafttreten der neuen Bundesregelung ist Artikel 8 Absatz 3 des Bayerischen Naturschutzgesetzes nicht mehr anwendbar. Er ist aber die Grundlage der Bayerischen Kompensationsverordnung. Die Folge ist: Wir müssen den Artikel 8 des Bayerischen Naturschutzgesetzes inhaltsgleich neu erlassen, wenn wir die bayerische Rechtsgrundlage sichern und die Regelungshoheit bei unserem Kompensationsrecht behalten wollen. Das ist dringend notwendig, um unsere föderale Selbstbestimmung zu bewahren. Ich bitte Sie daher um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.

(Beifall bei der CSU)