Welche Möglichkeiten sieht der Senat, dass die Staatsanwaltschaften auf Grundlage des geltenden Strafprozessrechts die Haftgründe stringenter auslegen und dann entsprechende Haftbefehle beantragen?
Die Staatsanwaltschaft hat die Voraussetzungen für einen Haftbefehl in eigener Zuständigkeit geprüft. Sie hat in den ersten beiden Fällen die Tatbestände der Körperverletzung, der sexuellen Beleidigung und der Nötigung als erfüllt angesehen, die Tatbestände der sexuellen Nötigung und der versuchten Vergewaltigung dagegen verneint. Bei dieser rechtlichen Bewertung kam der Haftgrund der Wiederholungsgefahr nicht in Betracht. Es fehlte insoweit eine der im Gesetz abschließend aufgezählten Taten. Die Haftgründe der Flucht- und der Verdunklungsgefahr waren aus tatsächlichen Gründen auszuschließen.
Im dritten Fall hat die Staatsanwaltschaft den dringenden Verdacht eines sexuellen Missbrauchs von Kindern bejaht und einen Haftbefehl wegen Wiederholungsgefahr beantragt.
Die Gesetzesanwendung durch die Staatsanwaltschaft ist nicht zu beanstanden. Die geltenden Haftgründe sind an sehr enge gesetzliche Voraussetzungen geknüpft, an die sich die Staatsanwaltschaft selbstverständlich hält.
Herr Staatsrat, sind Sie mit mir der Meinung, dass man diesen Grenzfall auch hätte anders auslegen können und somit weitere Opfer hätte schützen können?
Ich kann mich nicht in die Rolle der Staatsanwaltschaft und in die Rolle des Richters versetzen. Ihnen ist diese Entscheidung auferlegt, und sie haben nach bestem Wissen entschieden. Rechtlich gesehen ist diese Entscheidung vertretbar. Von daher besteht für eine Kritik keine Veranlassung.
Ich glaube, dass bei der Polizei die Rechtsfragen ähnlich gesehen werden. Diese Antwort ist auch mit dem Senator für Inneres abgestimmt. Es kommt auf den ganz konkreten Einzelfall an. Lassen Sie mich an dieser Stelle noch einmal sehr deutlich sagen, der Schutz der Bevölkerung vor Sexualtätern ist eine Sache von erheblicher Bedeutung, und Polizei, Inneres und Justiz sind sehr engagiert! Wir haben ja insbesondere seit Jahren dieses Dezernat für Gewalt gegen Frauen, und es sind sehr engagierte Staatsanwältinnen, die diese Arbeit erledigen. Sie können sicher sein, dass sie nicht leichtfertig über Anzeigen hinweggehen, sondern dann, wenn die rechtlichen Voraussetzungen gegeben sind, auch einen Haftbefehl beantragen. Hier war es aber so gewesen, dass sowohl die Staatsanwältin als auch der zuständige Haftrichter die rechtlichen Voraussetzungen verneint haben.
(Abg. Frau S a u e r [CDU]: Nein, aber ich bin der Meinung, das ist unbefriedigend für die Bevölkerung! Vielen Dank!)
Herr Staatsrat, stimmen Sie mir zu, dass das Gesetz den Haftgrund der Motivation der Polizei und der öffentlichen Empörung nicht kennt?
Herr Staatsrat, inwieweit hat die Staatsanwältin oder die Staatsanwaltschaft berücksichtigt, dass dieser Täter ja bereits eine Haftstrafe von zweieinhalb Jahren abgesessen hat, und zwar aus den gleichen Gründen, das heißt, es lagen die gleichen Tatbestände zugrunde, und welche Schlüsse wurden daraus gezogen?
Zwischen diesen beiden Tatkomplexen liegt immerhin ein Zeitraum von sieben Jahren. Das ist von der Staatsanwaltschaft berücksichtigt worden.
Herr Staatsrat, ist es richtig, dass die zuständige Staatsanwältin, bevor sie von einer Beantragung eines Haftbefehls abgesehen hat, einen Richter befragt hat, ob er diesen Antrag bestätigen würde?
Es ist richtig, dass die zuständige Staatsanwältin mit dem Haftrichter die Rechtsfragen erörtert hat, und beide sind übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen, dass aufgrund der konkreten Vorgänge ein Haftbefehl nicht erlassen werden kann.
Ist es üblich, dass solche Rückfragen gehalten werden, bevor die Staatsanwaltschaft solche Anträge stellt?
Es ist natürlich leichter für die Staatsanwaltschaft, Haftbefehle zu beantragen, die dann abgelehnt werden, aber ich denke, für eine konstruktive Zusammenarbeit dieser Organe ist es wichtig, dass man auch diese Fragen gemeinsam erörtert und beurteilt.
Ist es vielleicht aber auch denkbar, dass, weil ja mehrere Juristen immer mehrere Meinungen haben oder es häufig so ist, möglicherweise die Staatsanwaltschaft zu einem anderen Erkenntnisstand kommt und sich von daher schon veranlasst fühlt, einen solchen Haftbefehl zu beantragen?
Nein, gehen Sie einmal davon aus, dass diese engagierten Staatsanwältinnen sich das wirklich nicht leicht machen und, wenn die Kripo sich an sie wendet, einmal so locker darüber hinweggehen, sondern das ist eine sehr bewährte Praxis, und wenn ein Haftbefehl nicht beantragt wird, müssen dafür auch massive Gründe vorliegen.
Herr Staatsrat, würden Sie mir zustimmen, wenn ich sagen würde, dass das keine Einzelfälle sind? Würden Sie mir zustimmen, dass die Gesellschaft verantwortlich sein muss, dass zuerst die Opfer geschützt werden müssen und nicht die Täter und dass es in diesem Fall in keinem Fall zutrifft, dass Opferschutz vor Täterschutz gegangen ist? Würden Sie mir zustimmen, dass, wie ich das gestern hier schon erwähnt habe, es keine Einzelfälle sind und dass es eigentlich unhaltbare Zustände in unserer Gesellschaft sind, dass so etwas möglich ist?
Auf diese Frage eine kurze Antwort: Es sind in der Tat extreme Ausnahmefälle, und was unsere Linie angeht, empfehle ich Ihnen einen Blick in die Koalitionsvereinbarung. Da steht sehr deutlich zu lesen, dass der Schutz der Bevölkerung für uns oberste Priorität hat.
(Beifall bei der SPD — Abg. T i t t m a n n [DVU]: Es wäre ganz nett, wenn man mir die zur Verfügung stellen würde!)
Die sechste Anfrage trägt die Überschrift „Verpflichtung auf Koalitionsvereinbarung in Arbeitsverträgen“. Die Anfrage ist unterschrieben von den Abgeordneten Mützelburg, Frau Linnert und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Erstens: In wie vielen Fällen wurden seit 1995 Arbeitsverträge des Landes oder der Stadtgemeinde Bremen, ihrer Eigenbetriebe oder Gesellschaften mit Beschäftigten abgeschlossen, die einen Hinweis auf die Koalitionsvereinbarung enthalten?
Zweitens: Welche Einschätzung über die Funktion von Koalitionsverträgen liegt diesen Vertragsgestaltungen zugrunde?
Drittens: Welche arbeitsrechtlichen Konsequenzen können aus einem Verstoß gegen die Verpflichtung auf die Koalitionsvereinbarung erfolgen?
Zu eins: Mit einem Beschäftigten eines Eigenbetriebes wurde ein Arbeitsvertrag abgeschlossen, der einen Hinweis auf den Koalitionsvertrag 1999 bis 2003 enthält.