Wir müssen der Hauptschule endlich nach 40 Jahren einmal ein neues Berufsbild geben. Wir müssen doch dafür sorgen, dass die Schülerinnen und Schüler, die mehr praktische Fähigkeiten haben, auch eine Schulform haben, in der sie konkret auf praxisbezogene Berufe hin ausgebildet werden.
Eine reformierte Hauptschule, meine Damen und Herren, ist dafür die beste Lösung. Von daher sollten wir Hauptschule, Realschule und Gymnasium beibehalten,
die Privatschulen natürlich beibehalten. Wir wollen aber nicht zu der Schärfe von vorhin zurückkehren.
Aschenputtel spielen? Ich weiß nicht, Frau Jansen, warum Sie jetzt hier mit Gut und Schlecht arbeiten. Frau Jansen, gehen Sie doch bitte etwas in sich, überlegen Sie, was Sie da sagen, es gibt keine guten und schlechten Schüler!
Ich habe das nicht erzählt! Man muss für die Schülerinnen und Schüler je nachdem, was sie auch leisten können, ein entsprechendes Angebot vorhalten können. Ich weiß wirklich nicht, was Sie da immer haben.
Ich möchte noch ganz kurz zum Antrag der Grünen sagen: Wir sind für die Überweisung, hatten das auch schon im Vorfeld betont, weil wir das dann in der Bildungsdeputation in Ruhe debattieren wollen. Wir haben das auch bei anderen Themen im letzten Jahr gemacht. Die Erfahrung hat gezeigt, hier haben wir nur wenige Bildungsdeputierte im Raum, dort können wir das Thema dann in aller Ruhe auch mit den Fachleuten so beraten, dass wir der Bürgerschaft dann anschließend abschließend eine Lösung vorschlagen können. Ich bedanke mich ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit und hoffe, dass wir im Sinne der Schülerinnen und Schüler etwas Gutes zustande bringen! — Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! War ich doch vorhin etwas erschrocken über den kontroversen Verlauf der Debatte, so bin ich jetzt sehr angetan von der großen Übereinstimmung bei diesem Debattenverlauf und möchte beginnen mit einer Erinnerung an eine Diskussion, die ich bei der Expo geführt habe.
Ich war dort bei einem Global Dialogue mit afrikanischen und asiatischen Kollegen in einer Diskussion über Erziehung, Bildung und berufliche Ausbildung. Wenn ich mir überlege, vor welchen Schwierigkeiten sie standen oder de facto heute noch stehen und wie sehr sie sich vielleicht schulische und universitäre Ausbildungssituationen wünschen wie hier, dann ist mir jetzt das Wortspiel in den Sinn gekommen, nicht von Schulpflicht zu reden, sondern vom Schulrecht unserer Kinder, denen wir das Recht geben,
eine möglichst optimale Ausbildung zu bekommen. Das ist eigentlich eine viel bessere Kennzeichnung der Situation, denn wenn wir von einer Schulpflicht reden, vergessen wir, dass wir ihnen ein Recht geben, das wir als Steuerzahler übrigens alle recht kräftig bezahlen. Wie wir wissen, kostet so ein Schüler den Steuerzahler im Jahr je nach Schulform um die 10 000 bis 13 000 DM.
Ich halte übrigens die Statistik nicht für ganz überzeugend und halte die tatsächliche Zahl von Schulverweigerungen für größer als in dieser Statistik angegeben. Das ist meine ganz subjektive Erfahrung, wenn ich durch die Schulen gehe und in einer Hauptschulklasse 13 Schüler zähle. Ich habe dort manchmal das Gefühl, dass die Lehrer da nicht so hartnäckig, wie wir das hier heute gefordert haben, hinterhergehen, weil sie sagen, Gott sei Dank, 13 ruhi
ge und ehrgeizige Schüler sind mir doch lieber als 17 oder 22 Schüler, die Randale machen. Hier wünsche ich mir etwas mehr Ehrlichkeit auch bei den Lehrerinnen und Lehrern.
Gerade der Anfang ist so wichtig. Das Hinschauen, das Sicheinmischen und das Mit-den-Eltern-Reden halte ich für sehr wichtig. Es ist schlecht, wenn der Schüler erst einmal die Erfahrung gemacht hat, dass es gar nicht so schlimm ist, dass keiner reagiert, wenn er sich dann morgens in irgendeinem Kaufhaus aufhält und dann so zu der Schulschlusszeit nach Hause kommt, es fragt ja keiner, Mutter fragt nicht, Vater fragt nicht, von der Schule kommt kein Anruf, es ist ja gar nicht so schlimm. Wenn sich das dann einläuft und aus der geschwänzten Schulstunde ein Tag oder eine Woche wird, und nach sechs Wochen fällt denen in der Schule erst auf, dass der Schüler die ganze Zeit schwänzt, finde ich, dann müssen wir erst einmal bei den Lehrkräften anfangen.
Gestatten Sie mir, noch einen Schritt zurückzugehen! Ich habe es jetzt zwar schon öfter an dieser Stelle gesagt, aber ich höre nicht auf, auch wenn es wehtut, die Erziehungsfunktion fängt nicht erst in der Schule an, meine Damen und Herren, sondern im Elternhaus. Mutter und Vater haben an erster Stelle auch die Verpflichtung zu überprüfen, ob das Kind auch regelmäßig in die Schule geht.
Herr Senator Lemke, sind Sie bereit einzuräumen — muss ich dann schon sagen —, dass es, wenn das so ist, was Sie gerade über die Lehrer in der Hauptschule gesagt haben, auch einer der Gründe sein kann, dass in den letzten Jahren regelmäßig die Klassenfrequenzen erhöht worden sind und die Chancen auf Förderunterricht für die Kinder abgebaut worden sind?
Nein, Herr Mützelburg, ich würde Ihnen gern Recht geben, aber das ist nicht richtig. Die Klassenfrequenzen gerade in den Hauptschulen in unserer Stadt liegen, glaube ich, bei 17,9, wenn meine Erinnerung richtig ist. Vergleichen Sie das mit anderen Schulstufen und anderen Bundesländern, dann liegen wir sehr gut. Meine Erfahrung, wenn ich dann Hauptschulklassen besucht habe, war, dass sie dann eher noch bei den Besuchen darunter lagen, möglicherweise aus den von mir genannten Gründen.
Ich denke, es liegt an der Attraktivität des Unterrichts. Da bin ich wahrscheinlich wieder sehr schnell an Ihrer Seite, Herr Mützelburg, aber auch an der Seite der anderen bildungspolitisch Verantwortlichen hier im Haus. Wir müssen unbedingt dafür sorgen, dass die Kollegien so schnell wie möglich verjüngt werden. Schule ist nicht mehr so attraktiv, dass die Schüler sich danach drängen. Wahrscheinlich war es noch nie so, denn immer, wenn wir in den vergangenen Jahrhunderten über Schule und schulische Leistungen diskutiert haben, ist von Lehrherren beklagt worden, wie dumm unsere Schülerinnen und Schüler sind, das nehme ich also nicht ganz so wichtig.
Es ist ja auch in den Debattenbeiträgen deutlich geworden, wir müssen kämpfen um jeden einzelnen Schüler, weil er uns verloren geht, er geht der Gesellschaft verloren. Die Kosten, die die Gesellschaft anschließend aufbringen muss, sind so hoch, dass wir es uns überhaupt nicht erlauben können, die Kinder aus dem Ruder laufen zu lassen.
Ich habe aber eben vor Ihrer Frage, Herr Mützelburg, gesagt, es fängt im Elternhaus an. Es ist das Allerwichtigste, dass wir die Mütter und die Väter auffordern, selbst auch dazu beizutragen, darauf hinzuweisen, zu kontrollieren, den Kindern Grenzen zu setzen und nicht alles durchgehen zu lassen, sondern immer den Kindern auch Grenzen aufzuzeigen. Ich meine, dass sich das bei den Lehrerinnen und Lehrern fortpflanzen muss, die bitte auch ihre Privattelefonnummer herausgeben und den Eltern einen direkten Dialog auch über die vormittägliche Zeit hinaus ermöglichen.
Wir müssen noch mehr Lehrerinnen und Lehrer, deren Arbeit ich nicht schlecht machen will, dafür gewinnen, sich verstärkt mit ihren Schülerinnen und Schülern zu identifizieren und nicht wegzuschauen zum Beispiel bei Gewalt, bei Drogen an unseren Schulen, wie ich es immer wieder jetzt gelernt und gesehen habe. Ich möchte Lehrerinnen und Lehrer verstärken und sie motivieren, sich einzumischen, Zivilcourage zu zeigen, sonst brauchen wir uns nicht zu wundern, dass uns in der Gesellschaft einige Dinge aus dem Ruder laufen wie hier.
Das sage ich auch im Hinblick auf die Tatsache, dass wir, Gott sei Dank sind in unserer Stadt Rechtsradikale nicht so auffällig wie in anderen Bundesländern, im Kampf gegen den Rechtsradikalismus in unserem Land zusammenstehen müssen, und das betrifft auch die Schule.
Ich bin mit Frau Hövelmann und Herrn Rohmeyer der Auffassung, dass wir das Personal wieder verstärken müssen. Wenn wir von acht auf zwei Stellen
abgebaut haben, ist das natürlich angesichts der Zahlen nicht zu rechtfertigen. Ich bin der Meinung, auch nach einiger Erfahrung jetzt in meiner Behörde, dass wir, ohne dass wir nach mehr Geld fragen, das intern leicht so umsetzen können, dass wir die vorhandenen personellen Ressourcen im Hause nutzen, aus dem Verwaltungsbereich heraus hin an den „Kunden“, erlauben Sie mir, dass ich das so sage. Für den Schüler ist es wichtiger, die Verwaltung kann, glaube ich, das durchaus einsparen. Wir brauchen also nicht zusätzliches Geld an der Stelle, sondern wir müssen hier umstrukturieren, um den ehemaligen Schulermittlungsdienst, also die Beratung, für die Schulen zu verbessern.
Meine Damen und Herren, ich muss auch noch einmal ganz deutlich sagen — ich habe zwar heute schon den Senator für Inneres einmal gelobt, aber ich muss ihn hier wieder loben —, wir haben eine exzellente Zusammenarbeit, auch wenn wir das nicht jeden Tag nach draußen verkünden. Wir arbeiten sehr gut mit den örtlichen Polizeirevieren zusammen, sehr diskret, ohne den Einzelnen in seinen Persönlichkeitsrechten zu verletzen, aber es gibt, Gott sei Dank, auch in dieser Frage einen sehr guten Dialog zum Wohle der Schüler.
Ich kann Ihnen sagen, wenn ein Schüler auffällt, und er wird polizeilich in dem Sinne auffällig, und es gibt einen Austausch mit der Schule, dann ist es in der Regel der Fälle so, so ist jedenfalls die Auskunft des Schulpsychologischen Dienstes, der ja auch hier mitarbeitet, dass dieses Aufmerksammachen der Polizei bei uns zum großen Teil dazu führt, dass sich die Schüler zurücknehmen. Das ist ja eine vernünftige, eine gute und sicherlich von uns allen befürwortete Maßnahme.
Ich möchte Sie recht herzlich bitten, wie es ja von Ihnen jetzt auch beschlossen wird, uns in der Deputation die Möglichkeit zu geben, auch eine Ursachenforschung vorzunehmen. Es gibt ein vergleichbares Modell, an der Universität Rostock wird genau über dieses Thema momentan geforscht, vielleicht können wir uns dann an die Universität anschließen und dort eine entsprechende Untersuchung begleiten. Ich bin herzlich gern bereit, hier präventive Maßnahmen zu unterstützen. Das ist der Hauptpunkt. Wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, ist es sehr schwer, das zu reparieren. Die Hilfestellung dann zu geben ist viel schwieriger, als präventiv zu werden.
Dazu brauche ich übrigens in den nächsten Jahren Ihrer aller Hilfe, wenn es darum geht, weitere Mittel für unsere Schulen freizugeben. Die Kinder müssen sich in unseren Schulen wohl fühlen, sie müssen vor verjüngten Kollegien stehen, die einen so attraktiven Unterricht mit den neuen Medien machen, dass sie Spaß daran haben, ihr Recht auf Schule wahrzunehmen. — Danke sehr!
Der Kollege Mützelburg hat beantragt, den Antrag vom Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 15/454 an die staatliche Deputation für Bildung zu überwiesen. Ich habe wahrgenommen, dass die anderen beiden Fraktionen sich diesem angeschlossen haben.