Protokoll der Sitzung vom 13.09.2000

Ohne verlässliche, korrekte Kennzeichnung können Verbraucher nicht durch ihr Kaufverhalten, also über die Nachfrage steuernd, in das Marktgeschehen eingreifen. Verlässlichkeit der Kennzeichnungen ist in diesem Sinne ganz zentral für den Verbraucherschutz. Die Arbeit des Landesuntersuchungsamtes im Bereich des Täuschungsschutzes betrifft unter anderem, das Beispiel mit der Bulette sollten Sie nicht so ernst nehmen, die Kennzeichnung der gentechnisch veränderten Lebensmittel und die Kennzeichnung britischen Rindfleisches, also das Stichwort BSE. Das sind zwei sehr sensible Themen, die man hier auch entsprechend ernst behandeln sollte.

Die Bedeutung der regelmäßigen Kontrolle im Täuschungsschutz hat Frau Tuczek dankenswerterweise vorhin schon angedeutet mit ihrem Hinweis auf die Untersuchung der Stiftung Warentest im Sommer 2000, die nachgewiesen hat, dass eine Vielzahl von Lebensmitteln, insbesondere Backwaren, Fertiggerichte oder auch Diätartikel, gentechnisch veränderte Zutaten enthalten, ohne dass dies auf dem Etikett ausgewiesen wäre. Diese Ergebnisse sollten uns wirklich eine Mahnung sein, die staatliche Überwachung im Bereich des Täuschungsschutzes nicht zu reduzieren.

Das ist leider keine Selbstverständlichkeit, Frau Tuczek. Wenn wir die Situation in Bremen betrach––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

ten und schauen, welcher Spardruck auf dem Landesuntersuchungsamt liegt, wenn wir uns die Zahlen bis 2005 ansehen, müsste eigentlich der Stichprobenumfang von jährlich 4000 auf insgesamt etwa 3000 Untersuchungen heruntergefahren werden. Wenn man die Regelungsdichte im Bereich des gesundheitlichen Verbraucherschutzes kennt, dann muss eigentlich klar sein, dass damit eine überproportionale Reduzierung der Untersuchungen im Bereich des Täuschungsschutzes droht. Unser Anspruch als SPD-Fraktion ist: Wir wollen auch trotz Spardruck gestalten. Wir wollen Eckpunkte festlegen für die anstehende Neuordnung des Landesuntersuchungsamtes. Das neue Konzept für die Lebensmittelüberwachung muss unseres Erachtens gewährleisten, dass die Überprüfung der korrekten Kennzeichnung von Lebensmitteln auch in Zukunft sichergestellt sein wird. Das betrifft sowohl die Kennzeichnung bezüglich der Gentechnik als auch bezüglich des britischen Rindfleisches. Klar gesprochen: Bei der Neuordnung des Landesuntersuchungsamtes darf der Täuschungsschutz nicht hinten herunterfallen.

(Beifall bei der SPD)

Wir gehen dieses Problem an, indem wir zuerst Inhalte und Eckpunkte eines neuen Konzepts definieren wollen und dann die neue, Kosten sparende Struktur an diesen Anforderungen ausrichten. Dies hätten wir hier gern auch mit einem entsprechend formulierten Beschlussantrag deutlich gemacht. Dieses Vorgehen hat unser Koalitionspartner leider verhindert. Die CDU war nicht bereit, einen Antrag zum neuen Konzept der Lebensmittelüberwachung mitzumachen. Die Position der CDU scheint zu sein: Erst das Landesuntersuchungsamt privatisieren, und dann schauen wir einmal, wie in der neuen Struktur noch die Aufgabenerfüllung möglich ist.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir halten das für verantwortungslos. Ihre ideologisch motivierte Position, möglichst schnell das Amt zu privatisieren, scheint Ihnen den Blick für die Notwendigkeiten des Verbraucherschutzes vernebelt zu haben.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Meine Damen und Herren, zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Tuczek ja bereits die Position der Koalition dargestellt. Dem möchte ich hier nichts weiter hinzufügen.

(Abg. E c k h o f f [CDU]: Sie wissen aber schon, wie lange Ihre Partei an dieser Fra- ge Landesuntersuchungsamt herumgedok- tert hat, ohne dass Verbesserungen zustan- de gekommen sind!)

Ich bin mir sicher, dass diese Dokterei das Ziel hatte, die Qualitätsstandards des Landesuntersuchungsamtes aufrechtzuerhalten. In dem Sinne waren es bestimmt sinnvolle Doktereien, lieber Kollege Eckhoff!

(Beifall bei der SPD — Vizepräsident D r. K u h n übernimmt den Vorsitz.)

Ich möchte zu diesem Antrag vom Bündnis 90/Die Grünen nicht weiter sprechen. Frau Mathes, ein Trostpflaster dazu: Wenn Sie in die Antwort des Senats auf unsere Große Anfrage, also die der SPDFraktion, schauen: Der Senat hat deutlich gemacht, dass ihm die Sicherstellung des Verbraucherschutzes bei der Neuordnung des Landesuntersuchungsamtes ein wichtiges Anliegen ist. Lassen Sie uns gemeinsam den Senat beim Wort nehmen und dafür Sorge tragen, dass es nicht nur bei einer Willensbekundung bleibt. — Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Hoch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Lebensmittelsicherheit hat für die Bürgerinnen und Bürger einen hohen Stellenwert. Getrübt wird dieser hohe Stellenwert oftmals durch eine große Unsicherheit und das Gefühl, dass diese Sicherheit kaum gewährleistet werden kann. Die EU-Kommission hat vor dem Europäischen Parlament rasche Maßnahmen zur Lebensmittelsicherheit angekündigt. Diese Maßnahmen sind in dem so genannten Weißbuch, auf das Frau Tuczek ja auch schon hingewiesen hat, aufgeführt und mit dem Aktionsplan für die nächsten drei Jahre verbunden. Diese Maßnahmen werden auch für Bremen und Bremerhaven Folgen haben, die in die Umstrukturierung des Landesuntersuchungsamtes einfließen müssen, meine Damen und Herren!

Da die Futtermittelüberwachung jetzt in den Bereich der Lebensmittelsicherheit fällt, wird für beide Überwachungsbereiche ein erheblicher Kontrollaufwand nötig sein. Dies kann in Bremen und Bremerhaven nur gewährleistet werden, wenn eine personelle Verstärkung stattfindet. Ebenfalls ist eine systematische Importkontrolle für Lebensmittel pflanzlicher Herkunft vorgesehen. Diese Zukunftsaufgaben werden mit den vorhandenen Ressourcen nicht gewährleistet werden können, meine Damen und Herren!

Fakt dagegen ist nach meinen Recherchen, für die Lebensmittelüberwachungs-, für den Tierschutz und für die Veterinärdienste in Bremen und Bremerhaven ist bis zum Jahr 2005 eine Personaleinsparquote von sechs Stellen zu erfüllen. Ich denke, wir Grü

ne machen uns hier berechtigt Sorgen, dass die Lebensmittelüberwachung in der Zukunft nicht mehr in dem jetzt bestehenden Maße gewährleistet werden kann, geschweige denn, dass die vorgesehenen Änderungen der EU zur Verbesserung der Lebensmittelsicherheit überhaupt in ausreichendem Maße berücksichtigt werden können. Eine Ausweitung von Aufgaben kann nicht erfolgen, wenn das Budget für die planmäßigen Untersuchungen von derzeit 2,1 Millionen DM auf zirka 1,7 Millionen DM abgesenkt wird. Hier sollen personelle und finanzielle Verschlechterungen zu einer Qualitätsverbesserung führen. Wie geht das denn? Dann kann mir der Senat auch erzählen, dass er Stroh zu Gold spinnen kann!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Auch die Firma Roland Berger wird hier dieses Problem, denke ich, nicht lösen können.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir erwarten von der Umstrukturierung des Landesuntersuchungsamtes nicht nur eine Optimierung von Arbeitsabläufen, eine effektivere Zusammenarbeit mit anderen Behörden, auch erwarten wir durch die Umstrukturierung einen erhöhten Gesundheitsschutz für die Verbraucher.

Auf den Gesundheitsschutz möchte ich jetzt noch näher eingehen. Erst letzte Woche warnten Experten der Universität Köln vor gesundheitsgefährdenden Keimen in Geflügelfleisch. Auch heute konnten wir wieder im „Weser-Kurier“ lesen, dass Krebs erregende Stoffe in Pistazieneis nachgewiesen wurden. Wenn ich alle Vorkommnisse der letzten Zeit auflisten sollte, wäre die Redezeit jetzt schon zu Ende.

Lebensmittelsicherheit ist Gesundheitsschutz, meine Damen und Herren! Lebensmittelverunreinigung bedeutet für die Bürgerinnen und Bürger nicht nur einen Tag mit Durchfall beschäftigt zu sein, sondern es sind schwere Erkrankungen mit nicht selten sogar tödlichen Ausgängen. Deshalb ist die Lebensmittelsicherheit nicht nur zu gewährleisten, sondern es gilt, sie nach den aktuellsten Erkenntnissen ständig zu verbessern. Der Schutz von uns allen vor gesundheitlichen Schäden steht ganz vorn an.

Die Qualitätssicherung von Lebensmitteln, insbesondere die gesundheitliche, beginnt nicht erst beim fertigen Produkt. Nein, sie beginnt bereits auf dem Feld, im Stall, bei den Futtermitteln, bei der Lagerung, beim Handel sowie beim Transport. So steht es auch im Futtermittelgesetz. Hier ist es erforderlich, Leitlinien auszuarbeiten, die für die Zurückverfolgbarkeit bei der Futtermittelherstellung und bei den Zutaten gelten. Grundsätzlich, wie hier ja schon erwähnt wurde, ist die Futtermittelüberwachung Aufgabe der Länder.

Wir Grüne halten es auch für wichtig, bei dieser Überwachung den Schwerpunkt auf die Risikoüberwachung zu legen und nicht nur auf die Qualitätskontrolle allein. Es schädigt die Gesundheit des Konsumenten nicht, wenn zum Beispiel der Anteil des Rohfettes unterschritten wird, aber es hat für die Verbraucherinnen und Verbraucher gravierende Folgen, wenn die zulässige Menge der Leistungsförderer, wie insbesondere Antibiotika, im Futter überschritten wird. Experten des Robert-Koch-Institutes fordern schon lange, dass Antibiotika als Wachstumsförderer im Tierfutter verboten werden. Wir Grüne unterstützen diese Forderung.

Die ständige Zunahme von Antibiotikaresistenzen bis hin zur kompletten Resistenz einzelner Erregerstämme sind die unausweichliche Folge. Das ist eine ernsthafte Gesundheitsgefahr, die jetzt schon feststellbar ist.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Überwachung von Lebensmittelzusätzen, wie Vitaminen, Spurenelementen und anderen Zusatzstoffen. Auch hier wird die Kennzeichnung immer wichtiger und notwendiger. Wir haben eine stetige Zunahme von Allergikern — da sage ich Ihnen nichts Neues —, die gegen unterschiedliche Zusatzstoffe allergisch sind. Mit langen Listen von zu vermeidenden Stoffen kommen diese Menschen aus den Kliniken und Praxen. Der Einkauf im Lebensmittelgeschäft ist dann absolut kein Genuss mehr für sie. Unzureichende Kennzeichnungen auf den Produkten machen die Lebensmittelbeschaffungen zu einem wissenschaftlichen Exkurs mit hohem Zeitaufwand und finanzieller Mehrbelastung. Seit Mai 1997 ist gesetzlich geregelt, dass gentechnisch veränderte Produkte gekennzeichnet werden müssen, und das ist auch gut so.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Dieses lange geforderte Gesetz erfordert allerdings noch einen zweiten Schritt, wie wir meinen, oder besser gesagt, sogar noch einen Schritt davor. Denn, meine Damen und Herren, der Landwirt kauft für sein Vieh Sojaschrot und Maiskleber, ohne zu wissen, ob dieses Futter gentechnisch verändert wurde, also von gentechnisch veränderten Pflanzen kommt. Somit weiß auch der Verbraucher nicht, ob er im Endeffekt gentechnisch veränderte Nahrung isst. Auch hier ist eine entsprechende Kennzeichnungspflicht für Futtermittel absolut zu fordern. Wie wichtig die Futtermittelkontrolle ist, hat uns ja die Verbreitung von BSE gezeigt, die besonders diesen Weg gegangen ist.

Lassen Sie mich zum Schluss noch einen wichtigen Aspekt der Lebensmittelüberwachung ansprechen, meine Damen und Herren, nämlich die Verbraucherinformation! Wie soll eine wirksame, Sicherheit bietende Verbraucherinformation im Lande Bremen aussehen? Dazu macht der Senat leider keine

Aussage. Hier geht es auch darum, neue, effektive Wege zu betreten, zum Beispiel könnten über das Internet neben allgemeinen Informationen zu diesem Thema auch kurzfristige und aktuelle Meldungen zu Belastungen und Verunreinigungen veröffentlicht werden, natürlich auch zu positiven Erkenntnissen, Meldungen und Informationen mit regionalem Bezug zum Bundesland Bremen. Die Verbraucherinnen und Verbraucher brauchen keine Jahresberichte, sondern aktuelle Informationen, die für sie jederzeit abrufbar sind.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich denke, meine Damen und Herren, ich habe hier deutlich gemacht, dass Lebensmittelsicherheit unverzichtbar auch Gesundheitsschutz und Gesundheitsvorsorge bedeutet. Wenn ausreichende Lebensmittelsicherheit nicht gegeben ist, dann trifft es uns alle, zuerst aber die am meisten gefährdeten Gruppen, ältere Menschen, Kranke, Immungeschwächte und Kinder. Ich denke, wir haben hier die Pflicht, die inhaltlichen und finanziellen Rahmenbedingungen für eine verbesserte Lebensmittelsicherheit und für den Gesundheitsschutz zu bestimmen. — Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Tuczek.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Dr. Käse, ich komme noch einmal auf das zurück, was Sie vorhin gesagt haben, zu dem Spardruck und dass Sie einen Antrag machen wollten, dem wir nicht zugestimmt haben. Sie haben ja die Antwort des Senats vom Mai sicher gelesen, in der der Senat gesagt hat, dass, so lange noch nicht feststeht, wie das Landesuntersuchungsamt weiterentwickelt werden kann, wir eben noch keine Aussage machen können. Das haben Sie ganz genau gewusst. Deswegen haben wir gesagt, wir werden keinen Antrag mitmachen.

In Bezug auf den Spardruck, den Sie auch angesprochen haben: Die Senatorin hat ein Budget, sie hat das größte Budget hier in diesem Land, sie hat diesem Budget zugestimmt. Wir erwarten, dass natürlich eine vernünftige Lebensmittelüberwachung in diesem Bereich auch gewährleistet wird. Das ist doch überhaupt keine Frage.

Wir erwarten, dass der Senat uns ein Konzept vorlegt, wie das Landesuntersuchungsamt in Zukunft aussehen soll, wie es arbeiten wird und wie eine vernünftige Lebensmittelüberwachung gewährleistet wird. Wir erwarten, dass da vernünftige Eckpunkte hineingelegt werden, die wir auch mittragen ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

können, und wenn das nicht so ist, werden wir uns schon melden. Ich denke, das werden wir gemeinsam machen.

(Beifall bei der CDU)

Für die CDU stehen natürlich der Verbraucherschutz und die Lebensmittelsicherheit an ganz hoher Stelle, deswegen haben wir ja auch diese Anfrage eingebracht. Insoweit muss ich mich schon sehr wundern, dass Sie das jetzt noch einmal kritisieren und so tun, als ob wir diejenigen sind, die da irgendetwas machen wollen, privatisieren und so weiter.

(Abg. D r. K ä s e [SPD]: Verhindern wollen!)

Es ist nicht Aufgabe unserer Politik, es ist die Aufgabe des Senats, einen Vorschlag zu machen, wie die Lebensmittelüberwachung mit den Instrumenten, die sie hat, vernünftig organisiert wird, und dann werden wir weitersehen.

(Beifall bei der CDU)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Mathes.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Tuczek, wir als Parlamentarierinnen und Parlamentarier wollen auch Eckpunkte mitbestimmen und beeinflussen, nicht nur aber uns immer etwas vorsetzen lassen, um das dann lediglich abzuhaken.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Auf die Bedeutung der Lebensmittelsicherheit hinsichtlich des Gesundheitsschutzes hat Frau Hoch hingewiesen. Herr Käse hat noch einmal deutlich Defizite und Notwendigkeiten aufgezeigt. Ich finde, das ist wirklich Legitimation in diesem Haus genug, dies zum Thema zu machen.