Protokoll der Sitzung vom 11.10.2000

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich muss jetzt zunächst auf Sie, Herr Scherf, eingehen. Wir, Bündnis 90/Die Grünen, haben immer gefordert – und ich habe das auch verfolgt, obwohl ich nicht im Parlament war –, dass das Parlament das, was in dem Agenda-21-Prozess von den Leuten erarbeitet wurde, hier auch debattiert wird, dass hier ein Transfer und eine Auseinandersetzung stattfinden,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

und verschiedene Gremien dieser Stadt, in denen konstruktive Potentiale liegen, auch zusammengeführt werden. Das war die Forderung, die wir hier hatten!

Jetzt noch einmal: Ich bin noch nicht solange im Parlament, und Sie sind ja schon lange Bürgermeister. Die Frage, was Aufgabe der Exekutive und was Aufgabe der Legislative ist, wann was zu welchem Zeitpunkt wessen Aufgabe ist, das ist hier der entscheidende Punkt! Die beste Sache wäre für Bremen gewesen – wäre gewesen, das können wir nicht mehr zurückdrehen –, wenn am Anfang in der Tat der Agenda-21-Prozess bei der Legislative angegliedert gewesen wäre und später in die Exekutive hinüber gegangen wäre. Aber hier passiert das Gegenteil. Der Grund ist, dass es nicht darum geht, diesen Prozess, die Umsetzung der Fragen von Rio, hier möglichst gut zu organisieren, sondern dass völlig andere Interessen dahinterstecken.

Daher fordern wir heute: In dem Zustand, in dem sich der Agenda-21-Prozess befindet, jetzt, wenn es um die Umsetzung geht – wir haben das Aktionsprogramm „Erste Schritte“, wir haben vieles erarbeitet –, ist die Exekutive gefragt. Daher möchte ich das noch einmal auf eine sachliche Ebene heben und hier zwei Beispiele nennen.

Tatsache Nummer eins: Wenn nicht umgehend im Sinne unseres Antrags gehandelt wird, dann muss der Agenda-21-Prozess hier in Bremen als gescheitert betrachtet werden. Als ein Beispiel nenne ich die Wohnwege zur Weser: Unter Bürgerbeteiligung, mit hohem Aufwand, mit Diskussionen mit Anwohnerinnen und Anwohnern und so weiter wurde ein Konzept erarbeitet. Das Konzept liegt vor und ist jetzt in der Phase, in der es umgesetzt werden muss, und dabei sind nun einmal auch die beteiligten Ressorts, das Bauressort und so weiter, gefragt. Es macht wenig Sinn, in solch einer Umsetzungsphase das an die Legislative anzugliedern.

Eine zweite Tatsache: Es geht jetzt nicht mehr um die Organisation von Diskussions- und Debattierzirkeln, sondern die erforderlichen Netzwerkbildungen sind in dieser Stadt zu einem hohen Teil erfolgt. Deren Potentiale für Innovation und stofflich materielle Veränderung im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung sind zu nutzen. Ich nenne hier als Beispiel das Projekt „drei viertel plus“, das ja in den Schulen praktiziert wird. Hier gibt es erhebliche Potentiale, auch zur CO2-Reduktion in Kindergärten beizutragen. Man bräuchte dies nur zu übertragen, denn den Kreis, der es macht – sozusagen von den Stadtwerken über Energiekonsens GmbH, Bremer EnergieInstitut und die Schulen –, dieses Netzwerk gibt es. Das könnte man nutzen, um hier eine Übertragung zu erreichen.

Dies sind zwei Beispiele, die sicherlich verdeutlichen, dass man diesen Prozess in der Tat hier als gescheitert betrachten muss, wenn jetzt nicht um

gehend in dieser Stadt etwas passiert. Dagegen wollen wir vom Bündnis 90/Die Grünen kämpfen, und das tun wir ja auch.

Noch eine letzte Anmerkung zu Herrn Dr. Schusters Aussage, dass etwas passieren würde: Wenn man diese Stadt hinsichtlich dieses Prozesses wahrnimmt, dann ist festzustellen, dass die Schere zwischen Kongressen, Papieren, Bekundungen und dem, was sich stofflich und materiell verändert, mittlerweile enorme Ausmaße erreicht hat! Wenn so eine Schere zu groß wird, dann schlägt das Ganze in das Gegenteil um. Das darf in der Tat nicht passieren, weil das, was in Rio angestoßen worden ist, auch eine hohe Verantwortung für jeden von uns hier vor Ort bedeutet. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Trüpel.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal betonen, was uns an der Art und Weise, wie Herr Scherf politisch argumentiert und wie er agiert in diesem Hause, nicht gefällt. Unsere politische Kritik richtet sich darauf, dass Bürgermeister Dr. Scherf 1999 die Akteure der Agenda 21 im Rathaus in seine Albatrosarme geschlossen und an sein bürgermeisterliches Herz gedrückt hat. Nach der Wahl sah das Ganze allerdings dann ganz anders aus, denn da kann man den so wichtigen Agenda-21-Prozess an das Parlament abschieben. Das ist das, was wir kritisieren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, ich finde es schon bezeichnend, wenn Herr Dr. Scherf es nötig hat, einen Pappkameraden namens Lisa Wargalla, die nicht mehr Mitglied dieses Hauses ist, hier aufzubauen, angebliche Zitate in den Raum zu werfen, von denen leider die Fundstelle nicht angegeben wird, und dann fürchterlich auf eine abwesende Exkollegin einzuschlagen. Das ist nicht der feine englische Stil!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Abgesehen davon, Herr Bürgermeister, gehört es zum Glück immer noch zu den Ritualen einer Demokratie, dass es Wahlen gibt und dass Fraktionen einmal größer und einmal kleiner sind. Das Schicksal ist Ihnen auch nicht erspart geblieben.

Dann möchte ich noch einmal etwas sagen zu der Formulierung von Bürgermeister Dr. Scherf „die Zumutungen der Geschäftsordnung“. Ich gehe immer noch davon aus, dass hier im Hause die parla––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

mentarischen Rituale geehrt und eingehalten werden. Allerdings finde ich es auch keinen feinen Stil, so wie es jetzt passiert ist, dass auf unsere Anfrage zur Kulturpolitik der Senat sich herausgenommen hat, diese nicht fristgemäß zu beantworten. Das haben wir noch nie erlebt, seitdem ich hier in diesem Hause arbeite, seit 13 Jahren gab es so etwas nicht. Ich gehe davon aus, dass das eine Premiere war und nicht wieder vorkommen wird.

Dann noch etwas zu der Art und Weise, wie Herr Dr. Scherf hier redet! Wir wissen ja mittlerweile, dass er auf die Grünen besonders freudig reagiert. Das stellen Sie alle mit mir gemeinsam fest. Das ist nun offensichtlich so seine Art, dass er die ganze Stadt umarmt und uns besonders lieb hat, dagegen können wir uns schwer wehren. Aber, meine Damen und Herren, für mich gibt es immer noch einen Unterschied, ob man sich hier der Sache nach streitet und unterschiedliche Positionen austauscht, das ist nun einmal unser Geschäft, oder ob man ausfallend wird. Die Auftritte von Herrn Scherf finde ich in diesem Hause, was die Fraktion der Grünen angeht, zunehmend ausfallend.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich finde nicht, dass das hier der Stil des Ministerpräsidenten des Bundeslandes Bremen sein sollte. Ich habe das eben schon dazwischen gerufen, wir sind hier nicht in der Kirche, sondern im Parlament, und Zwischenrufe darf es geben, hatten wir gestern ja auch schon einmal, dass ich das für die Arroganz der Macht halte, wie der Bürgermeister sich hier aufführt. Wie Rumpelstilzchen holzt er hier in der Bude herum, meine Damen und Herren!

(Glocke)

Frau Dr. Trüpel, noch ist das ein Plenarsaal und ein Parlament und keine Bude!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Genau! Meine Damen und Herren, wie Rumpelstilzchen benimmt er sich in unserem hohen Hause.

(Beifall)

Herr Scherf, da Sie heute erfreulicherweise hier sind, gestern konnten Sie ja leider nicht da sein, haben Sie uns über den „Weser-Kurier“ am Samstag mitteilen lassen, dass wir uns halbiert hätten – Kopfrechnen ist wahrscheinlich auch nicht Ihre Stärke –, aber dass Sie uns nachsichtig begleiten würden. Das tue ich jetzt auch, versuchen Sie es doch einmal mit ein bisschen Kultur des Streits! – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Mull.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Scherf, Sie haben wieder einmal eine ganze Menge gesagt, aber trotzdem wie so häufig auch wiederum nichts.

(Beifall bei der CDU und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich möchte schon ganz gern von Ihnen wissen, woran es letztendlich gelegen hat, darauf sind Sie nämlich nicht eingegangen, dass uns der Bericht nach so langer Zeit noch nicht vorliegt und wann wir denn nun endlich mit ihm rechnen können. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür Bündnis 90/Die Grünen)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD und CDU)

Stimmenthaltungen?

(Abg. T i t t m a n n [DVU])

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Wir haben dann zwischenzeitlich festgestellt, dass der nächste Tagesordnungspunkt zum Thema Ökosteuer heute nicht mehr behandelt werden soll.

Kein Abriss von historischen Hafengebäuden im Bereich des Bremerhavener Alten/Neuen Hafens

Antrag des Abgeordneten Tittmann (DVU) vom 19. September 2000 (Drucksache 15/463)

Dazu als Vertreter des Senats Senator Dr. Schulte.

Meine Damen und Herren, die Beratung ist eröffnet. ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Beim Bremerhavener Magistrat passt der Ausspruch „Denn sie wissen nicht, was sie tun“ wie die Faust aufs Auge. Jede Maßnahme, die in Bremerhaven durchgeführt wird, wird zunächst Wochen, Monate und manchmal auch Jahre, siehe Ocean-Park, diskutiert und zerredet. Aber wenn es darum geht, historische Gebäude zu beseitigen, ist der Magistrat unter der Leitung von Abriss-Schulz Weltmeister.

Jetzt wird Herr Töpfer hier gleich erklären, dass Oberbürgermeister Schulz nicht für das Bauressort zuständig ist, aber die Wahrheit ist, dass Oberbürgermeister Schulz SPD und CDU in Bremerhaven dazu gebracht hat, einen Antrag in die Stadtverordnetenversammlung einzubringen, mit dem der Abriss historischer Gebäude beschlossen worden ist. Der Abriss ist durch die Wirtschaftsförderungsgesellschaft BIS, für die der Oberbürgermeister zuständig ist, durchgeführt worden.