Protokoll der Sitzung vom 21.02.2001

(Unterbrechung der Sitzung 13.05 Uhr)

Vizepräsident Ravens eröffnet die Sitzung wieder um 14.31 Uhr.

Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft (Land- tag) ist wieder eröffnet. Wir setzen die Aussprache zu Tagesordnungspunkt drei, Konsequente Vorbeugung und Verfolgung von Korruption, fort. Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Herderhorst.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Saal ist ähnlich gefüllt wie vor der Mittagspause. Ich hoffe wenigstens, dass das dieselben sind, die hier jetzt anwesend sind, weil sonst meine Eingangsbemerkung nicht verstanden wird. Ich möchte mich nämlich mit dem Vorredner von vor der Mittagspause nicht groß auseinandersetzen.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Als Lehrer hätte ich gesagt: „Thema verfehlt, setzen, sechs!“, wobei man dann noch mit der Frage Probleme hat, wann sitzt er und wann steht er.

nachvollzogen und umgesetzt werden. Es sind Innenrevision, Korruptionsbeauftragte und andere Kontrollinstanzen einzurichten, die vor Ort vorbeugende Beratung, Aufklärung und dienstrechtliche Maßnahmen vornehmen sollen, sofern es nicht bereits geschehen ist.

Meine Damen und Herren, wir debattieren heute auf der Basis der Großen Anfrage lediglich über die so genannten Straftaten im Amte nach Paragraphen 331 folgende des Strafgesetzbuches, also primär über Vorteilsnahme und Bestechlichkeit im öffentlichen Dienst, sowie über die dienstrechtlichen Aspekte zu diesem Thema. Tatsächlich aber findet Korruption an vielen Stellen unserer Gesellschaft statt. Sicher sind dann andere Bestimmungen des Strafgesetzbuchs anzuwenden, die Verwerflichkeit ist jedoch genauso zu sehen wie bei Vorfällen im öffentlichen Dienst. Der Staat muss deshalb auch insgesamt sehr sensibel darauf achten, dass besonders die organisierte Kriminalität über diese Möglichkeiten des Korrumpierens nicht Macht und Erträge für sich erlangt, die nicht nur volkswirtschaftlich erheblich negative Auswirkungen haben, sondern auch Einflussnahmen und zum Teil gravierende Entwicklungen in unserem Staat für diese organisierten Kriminellen eröffnen.

Meine Damen und Herren, zurück zum öffentlichen Dienst! Im Bremischen Beamtengesetz gibt es im Abschnitt „Rechtliche Stellung der Beamten“ unter Ziffer 1 „Pflichten“ den Paragraphen 69, der lautet „Annahme von Belohnungen“. Danach darf der Beamte oder die Beamtin Belohnungen oder Geschenke in Bezug auf sein Amt nur nach Zustimmung der obersten Dienstbehörde annehmen. Insofern dienstrechtlich eine klare Regelung, die bei Zuwiderhandlung in jedem Falle Disziplinarmaßnahmen nach sich zieht! Darüber hinaus ist strafrechtlich zu ermitteln, sofern der Verdacht besteht, dass ein Straftatbestand erfüllt wurde.

Auf den ersten Blick, meine Damen und Herren, also Regelungen, die den Beamten, und analog gilt das auch für Angestellte nach BAT und Arbeiter nach MTL, eigentlich davon abhalten müssten, sich fehlzuverhalten! Dabei gilt auch hier: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser! Das heißt, Vorgesetzte waren und sind aufgefordert, die jeweiligen Mitarbeiter entsprechend zu beaufsichtigen in der Weise, dass gewisse Kontrolle stattfindet und Mitarbeiter beraten werden. Andererseits gibt es sicher auch Vorgänge, bei denen Vorgesetzte und sogar Dienstvorgesetzte in der Verlegenheit sind, standhaft gegenüber Korruptionsansätzen zu bleiben.

Insofern, meine Damen und Herren, bin ich auch dankbar, dass der Senat jüngst die Verwaltungsvorschrift zur Vermeidung und Bekämpfung von Korruption im öffentlichen Dienst, die Empfehlungen zur Einrichtung von Innenrevision und die Verwaltungsvorschrift über Annahme von Belohnungen und Geschenken herausgegeben hat. Diese können als gute

Grundlage für die Bekämpfung von Korruption dienen. Ich hoffe, dass die Ressorts diese Richtlinien konsequent umsetzen und die Mitarbeiter diese Richtlinien beachten und, wenn auch schweren Herzens, wofür ich Verständnis habe, auch die Ressorts Personal freistellen, um zum Beispiel Innenrevision auch ernsthaft betreiben zu können.

Meine Damen und Herren, die Antworten des Senats sind meines Erachtens ausführlich ausgefallen, lassen Sie mich kurz dennoch auf die Punkte zwei bis neun eingehen! Ich teile die Auffassung des Senats, dass in allen Bereichen des öffentlichen Dienstes Straftaten und Dienstvergehen in Sachen Bestechung/Vorteilsnahme auftreten können. Dennoch erscheint es erforderlich, anfällige Entwicklungen in bestimmten Bereichen zu beobachten und auf der Basis der Richtlinien Schwerpunkte zu bilden. Das gilt sowohl für Prävention wie für Repression und besonders auch für die Unterweisung der Beschäftigten.

Die sich aus Antwort drei ergebenden Maßnahmen des Senats sind umfangreich und abschließend. Sie begründen sich allerdings auch nur in der Annahme, dass durch die zum Teil sehr aufwendigen Maßnahmen der Vermeidungsgrad von Korruption sehr hoch ist und Prävention das beste Mittel ist, Straftaten und Dienstvergehen zu vermeiden. Die Aufdeckung von Korruption bedeutet, neben den Strafverfolgungsbehörden, ebenfalls für die Ressorts einen bestimmten Aufwand, besonders auch personell. Innenrevision, Antikorruptionsbeauftragte, neue Technik im Datenbereich und andere stellen geeignete Instrumentarien dar, Verdachtsfälle zu ermitteln und zu verfolgen.

Beispielhaft sei hier die Innenrevision der Polizei genannt, die schon seit langen Jahren erfolgreich arbeitet. Meine Damen und Herren, die Aufklärungs- und Fortbildungsmaßnahmen in diesem Zusammenhang müssen als ausreichend, aber auch finanziell vertretbar angesehen werden. Auch zu begrüßen ist die Umsetzung des von der IMK beschlossenen Maßnahmenkatalogs.

Herr Kollege Dr. Güldner, zu Ihrem eingeforderten Bericht möchte ich sagen, ich habe auf der einen Seite Verständnis dafür, auf der anderen Seite würde ich in der Momentaufnahme sagen, es würde eigentlich ausreichen, wenn wir uns ad eins natürlich die polizeiliche Kriminalstatistik jährlich zu Gemüte führen, was wir ja ohnehin tun, und auf der anderen Seite in den anderen Feldern, zum Beispiel bei der Staatsanwaltschaft, entsprechend auch durch Nachfrage natürlich, die Aussagen bekommen können, wobei wir wissen, dass da die Verfahren, wenn sie anhängig sind, doch mitunter etwas länger anhängig sind und von daher auch vielleicht ein jährlicher Bericht ein verfälschtes Bild bringen würde. Insofern würde ich meinen, dass wir mit diesem Wege auch klarkommen und dieses Feld sehr wohl be

obachten können, aber auch wollen, da sind wir völlig überein.

Zum Thema Sponsoring will ich nur sagen, es ist natürlich durchaus die Möglichkeit gegeben, dass Sponsoring auch Einflussnahme bedeutet und möglicherweise also so auch im Sinne von Bestechlichkeit oder Vorteilsnahme auslegbar ist. Ich glaube aber, das Beispiel ist in der Antwort des Bildungssenators genannt, dass diese Fälle da natürlich nicht einzuordnen sind, sondern sie sind erstens öffentlich, was bei Bestechung und Vorteilsnahme in der Regel ja nicht der Fall ist, und zweitens, weil sie auch nicht rechtswidrige Ziele verfolgen und mit dem Verwaltungszweck vereinbar sind, nämlich hier unter Umständen Mehreinnahmen für die öffentliche Kasse zu erlangen. Von daher halte ich das für legitim, und insofern müsste man da im Einzelfall schauen, ist es zulässig oder ist es nicht zulässig.

Abschließend, meine Damen und Herren, möchte ich Ihnen nicht vorenthalten, dass ich mir, auch aufgrund der Anfrage der Grünen, zum Täter-OpferAusgleich die Frage gestellt habe, inwieweit in Einzelfällen auch bei solchen Taten im Rahmen von Korruption dieser Ausgleich zustande kommen könnte. Die Antwort habe ich leider bis heute nicht gefunden, ich wäre aber dankbar, wenn die zuständige Behörde darüber einmal in eine Prüfung eintreten würde.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, bevor ich dem Kollegen Jägers von der Fraktion der SPD das Wort erteile, darf ich auf dem Besucherrang einige Gruppen begrüßen.

Ich begrüße eine Gruppe des Gustav-HeinemannBürgerhauses, eine Gruppe der CDU Bremen-Nord, eine Gruppe des Freundeskreises „Schlossparkbad“ und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bremer Seniorenbüros, unter ihnen ist auch unsere ehemalige Kollegin Ingrid Busboom.

(Beifall)

Ganz besonders begrüßen möchte ich den Shantychor Beckedorfer Schifferknoten, der uns so herrlich erfreut hat, als wir nach der Mittagspause das Haus betraten. – Vielen Dank!

(Beifall)

Herr Kollege Jägers, Sie haben das Wort!

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Ich wollte noch einige Anmerkungen zum Thema machen und auch noch ein paar Vorschläge unterbreiten, was man eigentlich noch alles tun kann. Da ist mir noch nicht genug gesagt worden.

Bei Korruption verfolgen Opfer und Täter dasselbe Ziel und dieselben Interessen: Nichts darf herauskommen, keiner kann ohne Zustimmung des anderen aussteigen. Das macht Korruptionsbekämpfung so schwierig. Herr Herderhorst hat ja eben gesagt, in Punkt drei stünde alles, was ausreichen würde, um die Korruption in Bremen erfolgreich zu bekämpfen. Ich glaube, dass man noch andere Instrumente finden kann, insbesondere bei der Prävention, zur Bekämpfung der Korruption. Korruption unmöglich zu machen ist unmöglich, das wird wahrscheinlich nicht gehen. Das ist mir auch klar. Aber am Beispiel der öffentlichen Auftragsvergabe will ich doch einmal versuchen, Vorschläge zu entwickeln.

Aus der Vorlage des Senats geht hervor, dass die bauenden Ämter sich an die Vergabevorschriften halten, dass die bauenden Ämter sich einem EDVProgramm unterworfen haben, ConVer A, und konsequent alle Vergabevorschriften anwenden. Die Anwendung der Vergabevorschriften ist eine wichtige Sache, weil die Anwendung der Vergabevorschriften einen transparenten Wettbewerb unter denjenigen schafft, die Aufträge haben wollen. Dieser transparente Wettbewerb ist notwendig, um nachzuvollziehen, warum welche Aufträge wohin gegangen sind. Illegale Beschäftigung, Verschieben von Aufträgen schaffen insbesondere erst die Mittel, die Schwarzgelder, die notwendig sind, um Korruption betreiben zu können. Dagegen, meine Damen und Herren, wehren wir uns.

Die Vorlage sagt, dass die bauenden Ämter sich beteiligen sollen bei den EDV-Programmen und bei den anderen Dingen. Ich frage mich: Was ist eigentlich mit den anderen auftragsvergebenden Stellen, die auch öffentlich sind, BIG, HVG, Eigenbetriebe, Senator für Bildung und so weiter?

(Beifall bei der SPD)

Gibt es keine Ängste, dass da Korruption entstehen kann? Gibt es da keine Ängste, dass Auftragsvergaben nicht so laufen, wie sie eigentlich laufen müssten?

Beim Senator für Bau sitze ich im Vergabeausschuss, da kann ich Sachen nachvollziehen. Da gibt es so etwas, da können die Abgeordneten nachvollziehen, wie da Vergaben laufen. Herr Focke kommt mir gerade entgegen. Da sind wir manchmal in Diskussionen, das ist auch ganz nett, aber wir beide können nachvollziehen, was da passiert. In den anderen privatisierten Unternehmen habe ich ein Problem, da kann ich nicht nachvollziehen, was da passiert, zumindest bei der Auftragsvergabe nicht.

Deswegen fordern wir Sozialdemokraten eine zentrale Vergabestelle in Bremen, bei der alle Auftragsvergaben zusammenlaufen. Das würde nämlich dafür sorgen, dass das, was in Punkt drei beschrieben

ist, die Trennung von der Vergabe und der Behörde, in dieser zentralen Vergabestelle erfolgt. Das wird unterstützt von den Sozialdemokraten, aber auch die Verbände der Bauwirtschaft haben ja diese Idee mit eingebracht und unterstützen diese Idee.

(Beifall bei der SPD)

Das wäre ein Ansatz zu Prävention, zur Transparenz öffentlicher Auftragsvergabe, zur Bekämpfung von Korruption.

Wir haben in dem Papier des Senats ein paar Punkte, die gut sind. Die Vorredner haben das schon gesagt. Vergabesperre beim Senator für Finanzen wäre eine tolle Sache. Wann kommt sie, gibt es sie schon, wie viele sind da schon gesperrt worden? Nach meiner Einschätzung noch keine! Der Senat prüft wieder einmal ganz lange, ob vielleicht ein Unzuverlässigkeitsregister wie in Hannover hier auch möglich ist. Der Senat hat ja von 1998 an auf Anregung und Antrag der Bremischen Bürgerschaft lange geprüft, ob man einmal eine Sonderkommission einsetzt zur Bekämpfung illegaler Beschäftigung. Ich frage mich, warum man drei Jahre braucht, drei Leute einzustellen und diese endlich loszuschicken! Herr Dr. Schulte ist nun nicht hier, er hätte das gewusst, was ich sage. Warum braucht man eigentlich so lange, so etwas zu machen, wenn das hier alle wollen? Das ist eine merkwürdige Geschichte!

Wir brauchen noch ein paar Dinge, die wir weiter betreiben wollen. Wir wollen nicht nur schauen, ob zufällig Korruption auftaucht, sondern wir wollen Korruption bekämpfen, Handlungsfreiheit für die Staatsanwaltschaft muss vorhanden sein, muss da sein, die ist ja weisungsgebunden. Abbau der steuerlichen Abzugsfähigkeit so genannter nützlicher Aufwendungen! Der Senator für Finanzen weiß, wenn er will und in die Akten schaut, wer welches Geld wohin zahlt, weil es von der Steuer abgesetzt wird. Da muss man vielleicht einmal hineinsehen dürfen, dann käme man weiter, welche Schmiergelder wohin gezahlt werden. Das wäre ein Ansatz. Ich weiß, dass das rechtlich ein Problem ist und dass es auch sonstige Probleme gibt.

Meine Damen und Herren, Korruption ist ein massiver Vertrauensbruch. Das Vertrauen in den Staat und in diejenigen, die den Staat repräsentieren, also auch in uns, geht verloren. Das lassen wir uns nicht gefallen! – Schönen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich mache es kurz. Herr Herderhorst, ich darf Sie und alle anderen hier in diesem

Raum auch in aller Deutlichkeit darauf hinweisen, dass kein DVU-Abgeordneter, -Parlamentarier jemals wegen Korruption oder Bestechlichkeit verurteilt worden ist.

(Zurufe von der SPD: Waschmaschine!)

In aller Deutlichkeit muss das hier gesagt werden, und wenn Sie das beweisen oder belegen können, kommen Sie nach vorn! Solche Machenschaften wie in den Altparteien gibt es bei uns nicht!

Herr Herderhorst, an Ihrer Stelle als Mitglied einer Partei, die im letzten Jahr in Bezug auf Schmiergelderskandale, Spendengelderskandale in Millionenhöhe die Medien und Berichterstattungen seitenlang jeden Tag ausgefüllt hat und auch heute noch ausfüllt, würde ich ganz dringend raten: Bleiben Sie ganz ruhig und still auf einem hinteren Platz hier in diesem Parlament sitzen! Sie als CDU-Abgeordneter, als Mitglied einer Partei, haben es gerade nötig, gerade Sie, hier den Moralapostel zu spielen und dämliche Witze zu reißen. Dieses Recht spreche ich Ihnen und allen anderen hier auch ab! – Ich bedanke mich!

(Abg. Frau W i n d l e r [CDU]: Wie war das denn mit Frau Blohm?)

Als Nächster erhält das Wort Bürgermeister Perschau.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Kollegen Herderhorst und Frau Marken haben sehr ausführlich berichtet über die Vorlage und das, was der Senat veranlasst hat. Wenn ich der Debatte aufmerksam gefolgt bin, Herr Dr. Güldner, dann sind wir sozusagen von den Grünen wachgeküsst worden. Ich versuche mich zu erinnern. Das ist ja völlig in Ordnung, und eine solche Große Anfrage ist immer hilfreich. Ich will nur daran erinnern, dass wir 1995 eine Arbeitsgruppe gebildet haben, die das Problem einmal insgesamt aufgearbeitet hat. Dann haben wir 1998 ein Maßnahmenbündel verabschiedet, haben dann dieses Maßnahmenbündel im Einzelnen umgesetzt und haben jetzt um den Jahreswechsel herum eine ganze Reihe von Verwaltungsvorschriften erlassen.

Ich fand die Große Anfrage trotz allem hilfreich und auch in Ordnung, weil wir natürlich im Verfahren – –. Ich will noch einmal sagen, woran es lag, dass wir exakt vier Wochen Verzögerung hatten. Diese vier Wochen lagen daran, dass wir das Verfahren mit unserem Marktmeister abwarten wollten, um zu sehen, ob das Gericht noch besondere Hinweise aus diesem Einzelfall heraus sozusagen für die Behandlung im öffentlichen Bereich bei solchen Sachverhalten anzubieten hat. Das ist im Grunde