Protokoll der Sitzung vom 16.05.2001

Wir haben viele konkrete Arbeitsfelder, wir gehen sie an, und dass Frau Dreyer mir an dieser Stelle, da bin ich jetzt ganz gerührt, hört sich fast so an, Fleiß bescheinigt, das freut mich natürlich. Ich denke, das wird auch in anderen Feldern so kommen.

(Abg. Frau D r e y e r [CDU]: Nicht über- treiben!)

Ich bedanke mich!

(Beifall bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 15/712 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür Bündnis 90/Die Grünen)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD und CDU)

Stimmenthaltungen?

(Abg. T i t t m a n n [DVU])

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab. Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von den Antworten des Senats, Drucksachen 15/562 und 15/719, auf die Große Anfrage der Fraktionen der SPD und der CDU Kenntnis. Meine Damen und Herren, ich unterbreche die Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) bis 14.30 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung 13.04 Uhr)

Vizepräsident Dr. Kuhn eröffnet die Sitzung wieder um 14.32 Uhr.

Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft interjection: (Landtag) ist wieder eröffnet.

Ich begrüße auf der Besuchertribüne eine Gruppe der Beamtenbundjugend und eine Gruppe „60 plus“ aus Hastedt.

Meine Damen und Herren, herzlich willkommen hier im Parlament!

(Beifall)

Hilfe für Schwangere in Not und Schutzmaßnahmen für ausgesetzte Neugeborene

Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD vom 21. Februar 2001 (Drucksache 15/635)

Dazu als Vertreter des Senats Frau Senatorin Adolf, ihr beigeordnet Staatsrat Dr. Knigge.

Die Beratung ist eröffnet.

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Schreyer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Wir haben unseren Antrag gestellt, um Hilfe für Schwangere in Not und Schutzmaßnahmen für ausgesetzte Neugeborene auch in Bremen zu gewährleisten. Wir, die CDU, fordern den Senat auf zu prüfen, inwieweit die Einrichtung eines Babyfensters für ansonsten hilflos ausgesetzte Neugeborene – in den vergangenen Jahren waren es in Bremen sechs Babys – in Bremen unterstützt werden kann. Wir glauben, Anonymität rettet Leben und hilft Frauen, oftmals selbst noch fast Kinder, ein unerwünschtes, aber ausgetragenes Kind am Leben zu erhalten und schnell zur Adoption freizugeben, um ein neues Leben vor Vernachlässigung und – wenn es ganz schlimm kommt – vor dem Tod zu retten.

Allein im Jahr 1999 wurden in der Bundesrepublik zirka 40 Kinder ausgesetzt. Die Hälfte dieser Kinder stirbt. Es ist eine Mär, dass, wenn ein Babyfenster eingerichtet wird, unzählige Kinder aus Bequemlichkeit, oder was auch immer der Grund sein mag, ausgesetzt werden. Erfahrungen aus anderen Bundesländern, in denen es diese Einrichtungen schon seit längerer Zeit gibt, zeigen, dass es nicht der Fall ist. Es ist ebenso Unsinn, finde ich, das Wort Sittenverfall im Zusammenhang mit dem Babyfenster in den Mund zu nehmen.

(Beifall bei der CDU)

Lebenshilfe beziehungsweise Überlebenshilfe ist Intention der CDU für diesen Antrag gewesen.

(Beifall bei der CDU)

Erfahrungen aus anderen Bundesländern zeigen, dass dies berechtigt ist. Jeder Säugling hat das Recht, von der ersten Sekunde an liebevoll versorgt zu werden. Jedes dieser hilflosen Wesen hat einen fairen Start in das Leben verdient. Wir wollen mit unserem Antrag auch erreichen und bitten daher den Senat, sich auf Landes- und Bundesebene dafür einzusetzen, die Meldefristen durch Änderung des Personenstandsgesetzes auf bis zu zehn Wochen – jetzt ist es eine Woche – zu ändern, damit die Mütter in einer extremen Konfliktsituation geeignete Beratungsstellen aufsuchen können, aber gleichzeitig anonym bleiben und anonym gebären können.

(Beifall bei der CDU)

Wir wollen erreichen, dass Frauen in verzweifelter Situation eben auch in Bremen die Möglichkeit bekommen, kostenlos und anonym zu gebären. Darum bitte ich an dieser Stelle Frau Senatorin Adolf um Vorschläge zur Finanzierung der anonymen Ge

burt sowie um Abrechnungsvorschläge für Kliniken und Krankenkassen. Nur so kann gewährleistet werden, dass medizinische Hilfe für Mutter und Kind da ist. Die Senatorin hat in einer Pressemitteilung informiert, dass Bremen zahlreiche Beratungs- und Hilfsangebote für Schwangere und junge Mütter hat. Sie hat Recht. Es gibt auch einen Ratgeber, den zeige ich Ihnen hier einmal, der Tipps und Adressen auf über 200 Seiten beinhaltet. Dennoch finden sich einige Frauen in ihrer für sie ausweglos scheinenden Situation in diesem Wust von Beratungsangeboten und Anträgen nicht zurecht.

(Beifall bei der CDU)

Wir glauben, dass die einfachen Sätze für diese teilweise jungen Mütter hilfreich sein können: Du kannst anonym dein Kind in einer Klinik gebären. Du kannst es in ärztlicher Betreuung lassen. Du kannst die Klinik verlassen, und du hat bis zu zehn Wochen Zeit, dich für oder gegen dein Kind zu entscheiden, Beratungsangebote anzunehmen, und die Chance, dich auf die neue Lebenssituation hoffentlich dann mit deinem Baby einzustellen. Wir glauben, einige wenige brauchen dringend diese Hilfe. Das heißt nicht, der Mutter die Verantwortung abzunehmen. Es heißt, die Entscheidung, behalte ich mein Kind oder gebe ich es zur Adoption frei, in Ruhe zu treffen. Wir wissen aber auch, Anonymität heißt, das Kind wird nie erfahren, wer seine Mutter beziehungsweise sein Vater ist. Das Recht des Kindes, seine Herkunft zu kennen, ist zwar laut Grundrecht in der Verfassung Voraussetzung der freien Entfaltung und Persönlichkeitsentwicklung, so steht es dort geschrieben, es ist aber, denke ich, absurd, in einem außergewöhnlichen Konfliktfall einer anonymen Geburt dieses Recht über das Recht des Kindes auf Leben zu stellen.

(Beifall bei der CDU)

Erlauben Sie mir noch ein paar persönliche Worte! Ich denke, die Mehrzahl aller Mütter ist, Gott sei Dank, glücklich, ein Kind geboren zu haben. Helfen Sie mit, für einige wenige Mütter die anonyme Geburt und als letzten Ausweg das Babyfenster auch in Bremen zur Aufnahme der sonst hilflos ausgesetzten Neugeborenen einzurichten! Niedersachsen ist in Sachen Babyklappe und anonymer Geburt schon sehr viel weiter. Die Sozialministerin, Frau Trauernicht, ist dabei, ein Hebammenprojekt für diese speziellen Fälle zu starten. Das Projekt SterniPark in Hamburg ist da auch sehr aktiv. Es wurden inzwischen Vorschläge erarbeitet, um eine gesetzliche Regelung der anonymen Geburt dann auch sicherzustellen. Wir, die CDU-Fraktion, denken, Bremen sollte sich da nicht ausschließen.

(Beifall bei der CDU)

Eine herzliche Bitte an die Kollegen vom Bündnis 90/ Die Grünen: Sagen auch Sie Ja zum Antrag der großen Koalition! Eine Antwort des Senats bis zum Herbst 2001 wäre wünschenswert. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Hoch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Fraktionen der SPD und der CDU haben uns hier einen Antrag vorgelegt, der zum Ziel hat, prüfen zu lassen, ob die Einrichtung einer Babyklappe angeregt werden kann und in dem die jetzt schon bestehenden Hilfssysteme beschrieben werden sollen. Die Zielrichtung ist klar: Hilfen für Schwangere in Not und die Schutzmaßnahmen für ausgesetzte Neugeborene müssen geprüft und verbessert werden. Ich bin sicher, dieses Ziel haben wir alle hier im Haus. Deshalb werden wir vom Bündnis 90/Die Grünen auch diesen Antrag unterstützen.

(Beifall bei der CDU)

Wir hätten das auch im Vorfeld getan. Wenn Sie uns gefragt hätten, hätten wir diesen Antrag auch mit unterschrieben. Wir sagen naturgemäß nicht immer Nein. (Heiterkeit)

Es macht fassungslos und ist immer kaum vorstellbar, wenn in den Medien über ausgesetzte Neugeborene berichtet werden muss. Wie Frau Schreyer schon gesagt hat, sind es 40 Neugeborene in Deutschland, die ausgesetzt werden. Die Hälfte dieser Kinder überlebt das nicht. Wir müssen ebenfalls davon ausgehen, dass die Zahl der ausgesetzten und getöteten Säuglinge, die niemals gefunden werden, mit Sicherheit genauso hoch ist.

Wir denken jedoch, meine Damen und Herren, dieses Problem kann nicht durch vereinzelte und isolierte Maßnahmen gelöst werden. Hier müssen Lösungswege gefunden werden, die weitreichend sind und alle Betroffenen einbeziehen. Sie müssen mindestens zwei Dinge zum Ziel haben: erstens die Hilfe für die werdende Mutter und zweitens die Vermeidung des Aussetzens von Neugeborenen.

Wenden wir uns erst einmal den werdenden Müttern zu! Für sie ist die Schwangerschaft meistens ungewollt. Dazu kommt, dass diese ungewollt schwanger gewordenen Mütter die Schwangerschaft häufig vor ihrer Familie, vor Freunden und anderen Menschen verheimlichen. Sie behalten das Wissen über ihre Schwangerschaft für sich, weil sie davon ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

ausgehen, dass diese Situation in der Umgebung und in den Verhältnissen, in denen sie leben, nicht erwünscht ist. Monatelang leben Frauen in der Angst, dass ihr Zustand der Schwangerschaft entdeckt wird. Es fehlen sehr häufig Menschen im sozialen Umfeld, mit denen sie vertrauensvoll sprechen können. Diese faktische Situation ist das alles überlagernde Hauptproblem für sie. Für die werdende Mutter ist diese Schwangerschaft eine Bedrohung. Sie denkt noch nicht darüber nach, was sein könnte, wenn das Kind geboren ist, wie die neue Lebenssituation dann zu meistern ist. Deshalb werden auch die Beratungsangebote für diese werdenden Mütter in den Fällen nicht genutzt.

Meine Damen und Herren, weder die eigene Gesundheit noch die Gesundheit des ungeborenen Kindes ist in dieser Phase für die werdende Mutter von Bedeutung. Monatelang leben Frauen in Angst, dass ihr Zustand der Schwangerschaft entdeckt wird. Selbst eine Fehlgeburt wird oft verheimlicht.

Lassen Sie uns jetzt einen Blick auf die Kinder richten, die ausgesetzt werden! Wie schon gesagt, 50 Prozent überleben diese Situation nicht. Hier können die Babyklappen oder die so genannten Babynester eine Hilfe bedeuten. Dies war der Ansatz, obwohl ich ihn für sehr schwierig halte. Das bedeutet Hilfe, weil eine schnelle medizinische Betreuung und menschliche Zuwendung organisiert werden kann. Die Babyklappe ist ein Weg, den einige Städte, wie zum Beispiel Hamburg, auch das wurde schon gesagt, schon gegangen sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin sicher, wir sind uns über die Zielsetzung einig, dass wir die Gesundheit der verzweifelten Frauen und das Leben der Neugeborenen schützen wollen. Gerade deshalb haben wir uns auf Bundesebene für die Möglichkeit der anonymen Geburt eingesetzt, denn eine anonyme Geburt im Krankenhaus kann beiden helfen, der Mutter und dem Kind.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Ein Blick über die Grenzen kann uns vielleicht dabei helfen. In Frankreich sind anonyme Geburten bereits seit dem Jahr 1941 möglich. Die französische Regierung hat diese Regelung vor dem Hintergrund ungewollter Schwangerschaften beispielsweise durch Soldaten, die diese herbeigeführt haben, geschaffen. Heute werden dort 500 bis 700 französische Kinder anonym registriert, bei gleichzeitiger Vernichtung sämtlicher Abstammungsnachweise. Allerdings hat das französische Kabinett beschlossen, dass Kinder auf Antrag Kontakt zu leiblichen Eltern herstellen können.