Protokoll der Sitzung vom 30.08.2001

denn Sie schüren Ängste und belegen es nicht, und das stört mich an Ihrer Debatte immer wieder!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Sie haben eben gesagt, es gäbe wissenschaftliche Untersuchungen, dass die Anlagen Tumorbildungen und Schlafstörungen verursachen. Wenn Sie mir eine einzige wissenschaftlich begründete Untersuchung vorlegen – ich weise darauf hin, wissenschaftlich begründet, nicht wenn Ihr Nachbar abends nicht einschlafen kann, weil auf dem Bunker eine solche Anlage steht –, dann bin ich bereit, mit Ihnen darüber ganz offensiv zu streiten, aber der Schwerpunkt liegt auf wissenschaftlich.

Für das von Ihnen geforderte Messprogramm sind wir nicht, denn Messwerte aus Studien liegen bereits vor, und es ist auch nicht erkennbar, dass Bremen hier einen Sonderstatus hinsichtlich der voraussichtlichen Belastungshöhe besitzt. Insofern können wir uns das Geld sparen.

Ich denke, wir sind in Bremen einen guten Weg gegangen. Was jetzt kommt und wir auch in unserem Antrag fordern, ist eine breite Diskussion auch innerhalb der Öffentlichkeit. Ich weiß, dass der Wirtschaftssenator in Kürze gemeinsam mit den Beiräten eine große Veranstaltung plant, die ja immer als Allererste den Druck der Bevölkerung abbekommen, denn die Beiräte haben die Diskussion auszuhalten, wenn irgendwo eine Sendeanlage aufgestellt wird. Auch das Gesundheitsamt ist dabei, etwas an durchschaubarer Information auf den Weg zu bringen.

Ich glaube, wir sollten hier keine Ängste schüren, sondern wir sollten ganz vernünftig mit der neuen Technologie umgehen. Ich freue mich jedenfalls, dass es wieder eine neue Technologie gibt, und wenn einer vor zehn Jahren gesagt hätte, dass heute 70 Prozent aller Menschen hier in Deutschland ein Handy benutzen würden, hätte das auch noch keiner geglaubt. – Ich danke Ihnen!

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Imhoff.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vorweg möchte ich eine kleine Geschichte zu dem Thema erzählen. Als ich vor einigen Tagen mit ein paar älteren Bekannten zusammengesessen habe, sprachen wir über Mobilfunk. Da kam auch die Abkürzung UMTS zur Sprache, und ich bekam gleich zu hören, was ist das denn für ein Schietkram, so etwas brauchen wir genauso wenig wie MKS oder PDS.

(Heiterkeit)

Wir glauben schon, dass wir UMTS brauchen, aber PDS halt nicht.

So reagieren Menschen jedenfalls häufig auf neue Technologien, doch meistens dauert es nicht lange, und viele Menschen, manchmal auch fast alle, nutzen dann diese neuen Technologien. Doch dann kommen auch die Widersprüche in unserer Gesellschaft voll zum Tragen, denn mit dem Handy telefonieren, mit dem Auto fahren oder elektrische Geräte benutzen möchte jeder, doch niemand möchte an einem Mobilfunksendemast, an einer Hauptverkehrsstraße, unter einer Windkraftanlage oder gar in der Nähe eines AKW wohnen. Und warum? Weil es gesundheitsschädlich sein kann.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Das verstehe ich nicht! Die AKW sind doch sicher, oder?)

Die derzeit stark emotional geführte Diskussion um die Auswirkungen der elektromagnetischen Felder im Zuge der geplanten Ausweitung des Mobilfunknetzes zeigt die hohe Diskrepanz zwischen fachlicher Wertung und dem Meinungsbild in der Öffentlichkeit auf. Doch neue Technologien ermöglichen es, zu jeder Zeit und nahezu überall telefonieren zu können. Viele Menschen machen davon Gebrauch, weil sie darauf angewiesen sind oder einfach nur Spaß am Kommunizieren haben. So wie Auto, Fernsehen, Fax und Internet ist für viele Menschen die private und berufliche Nutzung des Mobilfunks zu einer Selbstverständlichkeit geworden.

Ich kann mich noch deutlich daran erinnern, dass es förmlich verpönt war, ein Handy zu haben. Heute regt sich eher einer auf, wenn er in einem Funkloch einmal keine Verbindung hat. Genauso wird es mit dem UMTS-Netz sein, denn die neue Technologie der breitbandigen mobilen Datenübertragung ist die Zukunft, und sie wird in unserer Gesellschaft ermöglichen, fast überall in einer fantastischen Geschwindigkeit mit großen Dateninformationen bis hin zum Video versorgt zu werden.

Sendeanlagen sind erforderlich, damit diese neue Technik und der Mobilfunk genutzt werden können. Sie sorgen dafür, dass Senden und Empfangen ge––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

sichert sind. Dabei werden elektromagnetische Felder aufgebaut. Doch Mobilfunksendeanlagen sind nicht die einzigen Verursacher in unserer elektromagnetisch geprägten Umwelt, denn in der Gesamtheit muss man alle statischen Niederfrequenzen und Hochfrequenzen, elektrische, magnetische und elektromagnetische Felder dazuzählen. Verursacht werden diese von ganz alltäglichen Dingen, zum Beispiel von Hausgeräten, Hochspannungsleitungen, PC, Fernsehgeräten, Hörfunk- und TV-Sendern et cetera.

Meine Damen und Herren, jetzt sollen die Mobilfunkanlagen also ausgebaut werden, um die Abdeckung für das neue UMTS-Netz sicherzustellen. Bremen ist dabei einer von sieben ausgewählten Versuchsstandorten in Deutschland. Das ist eine tolle Sache, denn diese neue Technologie birgt ja auch Chancen, unseren Wirtschaftsstandort weiterzuentwickeln. Die Mobilfunkbranche boomt und hat sich zum starken Wirtschaftsmotor in Deutschland entwickelt. Deutschland ist mittlerweile der größte Mobilfunkmarkt in Europa und hat sich zum entscheidenden Wirtschaftsfaktor entwickelt.

Dies zeigt sich vor allem an den Beschäftigungszahlen auf unserem Arbeitsmarkt durch direkte oder indirekte Effekte in den Bereichen Technik, Handel und Inhaltsvermarktung, Systemzulieferung und Baugewerbe. Die Betreiber, Hersteller und Dienstleister der Mobilfunkbranche sicherten allein im Jahr 2000 110 000 Arbeitsplätze. Ein wesentlicher positiver Beitrag liegt auch in der hohen Investitionstätigkeit der Mobilfunkbranche. In die Entwicklung des UMTS-Sendenetzes werden mehr als zehn Milliarden DM investiert. Dies alles verdeutlicht, dass die aktive Unterstützung für einen Ausbau der UMTSInfrastruktur ein zugleich höchst wirksamer Beitrag zur Wirtschaftsförderung ist. Jeder zeitliche Verzug des UMTS-Netzaufbaus würde nicht nur den Mobilfunkunternehmen, sondern auch der Wirtschaft einen insgesamt nachhaltigen Schaden zufügen und einen erheblichen Standortnachteil bedeuten, denn der Wettbewerbsvorsprung wäre dahin.

Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion nimmt nicht nur die wirtschaftlichen Vorteile und Chancen zur Kenntnis. Auch wir beschäftigen uns sehr mit den von betroffenen Bürgern geäußerten gesundheitlichen Risiken, die von Mobilfunkanlagen ausgehen können. Schlafstörungen, Juckreiz, Konzentrationsschwierigkeiten werden von den Betroffenen berichtet, die in der Nähe solcher Sendemasten wohnen. Da diese Symptome öfter in der Nähe von Sendeanlagen auftreten, sollte – und das wird wohl auch keiner – niemand diese Argumentation weit von sich weisen.

Doch derzeit gibt es keine genauen wissenschaftlichen Untersuchungen, die beweisen, ob Strahlung von Mobilfunksendeanlagen gesundheitsschädlich oder unbedenklich sind. Hier steht jetzt die Bundesregierung in der Pflicht, deutlich mehr Mittel als bis

her für Forschung und Vorsorge zur Verfügung zu stellen. Es wird ja wohl noch etwas von den 100 Millionen DM der UMTS-Lizenzversteigerung dafür übrig sein!

(Abg. E c k h o f f [CDU]: Milliarden!)

Milliarden, ja!

Zurzeit legt die neue Verordnung zum BundesImmissionsschutzgesetz die Immissionsgrenzwerte für die ortsfesten Sendeanlagen fest. Wir müssen uns nicht nur auf den Bund verlassen, sondern wir sind auch sehr zufrieden damit, dass der Senat eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe zur Festlegung von Antennenstandorten in Bremen eingerichtet hat. Das macht ja auch unser Antrag deutlich. Allerdings erwarten wir von dieser Arbeitsgruppe auch einen Bericht über die Berücksichtigung von Gesundheit und Umwelt bei Standortfragen. Außerdem ist es natürlich auch wichtig, dass die Bürger und Beiräte in Zukunft ausreichend informiert werden. Hier muss man auch das gewisse Fingerspitzengefühl an den Tag legen.

(Lachen beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ja, das werden wir machen!

Den Antrag der Opposition können wir nicht unterstützen, da er eine viel zu voreingenommene und kritische Haltung gegenüber dem notwendigen Ausbau des Mobilfunknetzes darstellt. Treten Sie doch unserem umfangreicheren und besser ausbalancierten Antrag bei! – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU und bei der SPD – Zurufe vom Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Mathes.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich gehe auch gleich noch einmal auf den Antrag der großen Koalition ein. Herr Imhoff, besser ausbalanciert finde ich ihn nicht, sondern er ist einzig auf wirtschaftliche Interessen ausgerichtet und berücksichtig eben den vorsorgenden Gesundheitsschutz nicht hinreichend. Deswegen werden wir ihn auch ablehnen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Gestatten Sie mir vorab bitte noch zwei Richtigstellungen beziehungsweise Ergänzungen, Frau Hammerström! Unser Antrag besagt nicht, dass grundsätzlich bei Gebäuden oder im Umfeld von Gebäuden mit sensibler Nutzung solche Anlagen ausgeschlossen sind. Wir sagen, es sollen landesrechtliche Regelungen entwickelt werden, die diese Mög

lichkeit eröffnen. Das ist ein Stück schon weit gedacht. Wenn sich nämlich wirklich die Studien bestätigen und in der Tat das Land hier eingreifen muss, dann soll es schon ein Instrumentarium haben, mit dem es dann auch reagieren kann.

(Abg. Frau H a m m e r s t r ö m [SPD]: Wir sind doch schon viel weiter!)

Ja, ich bin gespannt! Ich komme gleich noch einmal auf Ihren Antrag zurück, Frau Hammerström!

Zunächst wollten Sie ja noch wissenschaftliche Studien genannt haben. Ich füge das jetzt auch noch an. Das ECOL-Institut Hannover beschreibt in einer Metastudie zusammenfassend den heutigen Wissensstand. Diese Studie basiert auf Befunden aus Untersuchungen an stärker belasteten Bevölkerungsgruppen, an Zellkulturen oder aus Tierversuchen und enthält Hinweise auf krebsfördernde Wirkung, gentoxische Wirkung, Schäden an Chromosomen und DNS-Brüche, Beeinflussung des zentralen Nervensystems bis hin zur Beeinträchtigung von Hirnfunktionen und einer Beeinflussung des Hormonund Immunsystems. Weitere bemerkenswerte Studien, die in den letzten Monaten veröffentlicht worden sind, sind die Michaelis-Studie des Mainzer Instituts für medizinische Statistik, die Rinder-Studie oder auch Schnait-See-Studie genannt der bayerischen Staatsregierung sowie die Stewart-Studie.

Damit dürfte diese Frage auch beantwortet sein. Ich denke, solche Ergebnisse muss man ernst nehmen. Ich will hier keine Panik machen, es sind aber Hinweise, die man ernst nehmen muss und die man weiter verfolgen muss. Man muss hier auch im Sinne eines vorsorgenden Gesundheitsschutzes tätig werden. Ergänzen muss man auch, dass wir fast nichts über Langzeitwirkungen wissen. Die Frage ist doch, welchen Schutz wir unseren Kindern gewähren, die ich insbesondere auch anspreche, oder wollen wir unsere Kinder als Versuchskaninchen benutzen? Da sage ich: Nicht mit den Grünen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich komme jetzt zum Antrag der großen Koalition. Wir werden den Antrag ablehnen, weil wir glauben, dass das, was Sie hier vorschlagen, nicht geeignet ist, einen vorsorgenden Gesundheitsschutz zu gewährleisten. Er wird auch nicht geeignet sein – Herr Imhoff, ich bin da gespannt auf die Auseinandersetzung in den Beiräten –, die Beiräte oder den Magistrat der Stadt Bremerhaven in angemessener Weise zu beteiligen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich nehme als Beispiel nur einmal einen Punkt, den ich für wirkliche Augenwischerei halte. Der sechste Punkt Ihres Antrags heißt: „Die Bürgerschaft

bittet die Verwaltung, bei der Koordinierung der Antennenstandorte die Bevölkerung über die Beiräte einzubeziehen und sie ausreichend zu informieren.“ Genau darum geht es: Die Beiräte sollen nämlich informiert werden. Sollen sie beteiligt werden? Sollen sie denn mitwirken an der Entscheidung, wo wir Standorte wollen und wo nicht? Das geht hieraus nicht hervor.

Wenn Sie keine landesrechtlichen Regelungen schaffen, werden Sie auch nicht die Möglichkeit haben. Aus dem einfachen Grund, weil die Bundesbehörde, nämlich die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post, die Genehmigung der Sendemastenstandorte erteilt. Was hier im baurechtlichen Genehmigungsverfahren passiert, ist, lediglich zu prüfen, ob die entsprechenden Vorschriften eingehalten wurden. Es findet also eine rein rechtliche Prüfung der Dinge statt. Das heißt, das Land hat keine Handhabe, steuernd einzugreifen.

Diese möchten wir gern haben, deswegen haben wir unseren Antrag gestellt. Ich weiß nicht, wie nach Ihrem Antrag in irgendeiner Weise wirklich gewährleistet werden soll, dass sowohl der vorsorgende Gesundheitsschutz Beachtung findet als auch eine hinreichende Öffentlichkeitsbeteiligung und ein Mitentscheiden der Beiräte und des Magistrats. – Danke!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Wischer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich denke, es besteht überhaupt kein Dissens darüber, dass wir uns mit den Befürchtungen und zunehmenden, wachsenden Ängsten in der Bevölkerung auseinander setzen müssen, dass wir diese Ängste nicht einfach beiseite schieben können, sondern dass wir tatsächlich versuchen müssen, uns damit auseinander zu setzen, damit sie nicht immer weiter und immer größer werden.

Das Problem, da gebe ich Ihnen Recht, Frau Dr. Mathes, besteht darin, dass aufgrund der Komplexität der Technik und der ohne Zweifel zum Teil mangelhaften Erkenntnisse über Strahlen im Hochfrequenzbereich Bedenken und Befürchtungen nicht so leicht ausgeräumt werden. Das ist auch ein Problem. Die Vorrednerinnen und Vorredner haben bereits darauf hingewiesen, dass wir uns natürlich auch mit Irrationalitäten auseinander setzen.

Es ist von Frau Hammerström angesprochen worden, dass der Bau von mehr Masten ja die Folge davon ist, dass wir alle diese neue Technik mehr nutzen wollen und sie immer mehr nachgefragt wird. Wenn Sie gerade Kinder angesprochen haben, dann muss ich eben sagen, dass das Handy offensichtlich schon bei jedem Kind Pflichtprogramm ist. Nach meinem Wissen, und es ist auch gesagt worden, ist

das Handy am Ohr, zumal weit von einer Anlage entfernt, sehr viel belastender und problematischer, als wenn die Benutzer unter dieser Anlage stehen. Je dichter das Netz ist, so habe ich es als Laie gelernt, um so geringer ist die Belastung durch die Strahlen, die am Standort der einzelnen Anlagen sind.