Protokoll der Sitzung vom 30.08.2001

Bremen hat der Gesetzesinitiative von NordrheinWestfalen zugestimmt, dem haben auch wir zugestimmt. Da sind wir einen Schritt weitergekommen. Dann haben wir, wie es im Koalitionsvertrag vereinbart ist, den Weg in Richtung zu einem Landesvergabegesetz gefunden. Wenn wir jetzt auch noch den Wirtschaftssenator bewegen könnten, dass er bei den bremischen Gesellschaften wie der BIG, Großmarkt GmbH, HVG und so weiter die Vergaberichtlinien und vor allem deren Einhaltung prüfen würde, dann wären wir richtig einen Schritt weiter.

(Beifall bei der SPD – Abg. Frau S t a h - m a n n [Bündnis 90/Die Grünen]: Das steht ja in unserem Antrag!)

Es wurde etwas getan, aber immer noch zu wenig. Unser Ziel bleibt ein Landesvergabegesetz.

Meine Damen und Herren, es geht hier nicht um Kleingeld. Bundesweit werden 400 Milliarden DM jährlich öffentlich beauftragt, in der EU geht das weit

über eine Billiarde DM, in Bremen sind es mehrere Milliarden DM, die im Jahr vergeben werden. Mit diesem Geld, das ist unsere Verpflichtung, müssen wir Arbeitsplätze schaffen und sichern. Das ist unsere Aufgabe für Bremen und für die Region.

(Beifall bei der SPD)

Wer glaubt, Vergaben für wenig Geld entlasten die öffentlichen Haushalte, der verkennt völlig, dass Arbeitslosigkeit Geld kostet.

(Beifall bei der SPD)

Die Bauwirtschaft in Bremen ist in einem besorgniserregenden Zustand. Der Wirtschaftssenator hat Zahlen veröffentlicht in „Wirtschaft aktuell“, dass seit 1996 in Bremen 1500 Arbeitsplätze im Baubereich verloren gegangen sind, sprich 18,6 Prozent, und das bei dem Bauboom draußen vor der Tür, schauen Sie sich das an, ich muss Ihnen das nicht erklären! Das erklären Sie einmal der Bevölkerung, wie das zusammenhängen kann! Das ist ein riesiges Problem. Es ist im Übrigen nicht nur die Bauwirtschaft betroffen, sondern große Teile des Handwerks, auch andere Industrien, der öffentliche Dienst. Wer meint, dass es Dumpinglöhne nur in der Bauwirtschaft gibt, der sollte einmal mit Busfahrern reden, die hier in Bremen am Hauptbahnhof abfahren, vielleicht sagen die ja auch, dass sie für sechs DM die Stunde fahren in Richtung Osteuropa. Lohn- und Sozialdumping sind eben überall!

Auf Bundesebene tut sich auch etwas. Dort wird aufgrund der Initiative von Nordrhein-Westfalen debattiert, dass es ein Bundesvergabegesetz geben soll. Dieses Bundesvergabegesetz soll noch im Herbst dieses Jahres mit Eckpunkten versehen werden. Dieses Bundesvergabegesetz soll, das wäre schön, noch in diesem Jahr oder Anfang des nächsten Jahres in Kraft treten. Wenn dieses Bundesvergabegesetz nicht kommt, und das steht in unserem Antrag, das will ich hier auch klar haben, dann, so haben wir, die große Koalition, in diesem Antrag festgeschrieben, dass es ein Landesvergabegesetz geben wird. Das ist das, was wir festgeschrieben haben!

(Beifall bei der SPD)

Auch Niedersachsen, meine Damen und Herren – Ministerpräsident Gabriel hat sich erklärt auf dem Kongress der IG Bau, aber auch jetzt in dieser Woche –, verfolgt diese Marschrichtung und sagt, wenn es in diesem Jahr kein Bundesvergabegesetz gibt, wird Niedersachsen ein Landesvergabegesetz machen. Das steht auch für Niedersachsen fest. Wir leben ja nicht allein. Landesvergabegesetze gibt es in Sachsen-Anhalt, übrigens mit der Ermächtigung auch für den Tiefbau, Tariftreueerklärungen zu erlassen. Das gibt es in Berlin, erlassen von der gro

ßen Koalition. Das gibt es in Bayern, dort ist die CSU an der Regierung, die ist auch nicht in dem Verdacht, besonders gewerkschaftsfreundlich zu sein und unsere Forderungen aufzunehmen. Wenn es ein Bundesvergabegesetz gibt, wird es wahrscheinlich bremische Ausführungsbestimmungen dazu geben müssen. Wir werden uns dann sowieso damit befassen müssen.

Die SPD-Fraktion will darüber hinaus und in Verbindung damit die Einrichtung einer zentralen Vergabestelle für transparente Vergaben qualifizierter Ausschreibungen für einzelne Gewerke und fachgerechte Prüfung von Angeboten. Die Diskussion dazu läuft. Es gibt auch einen Vorschlag dazu: Einbeziehung von Gesellschaften mit kommunaler/ staatlicher Beteiligung, Einbeziehung von Aufträgen, die mit öffentlichen Mitteln finanziert werden, Einhaltung der im Land Bremen geltenden Tarifverträge auch für Sub- und Nachunternehmer, weitgehender Verzicht auf Generalunternehmervergaben. Wer das verfolgt, weiß, dass die Generalunternehmervergabe immer diese Kette der Subunternehmer und weiterer Subunternehmer in Gang setzt, die dazu führt, dass illegal beschäftigt wird und unter Tarif bezahlt wird. Das muss weg.

(Beifall bei der SPD)

Kontrolle der Vergabeauflagen und wirksame Sanktionen bei Verstößen dagegen, auch das brauchen wir. Das höchste Risiko, das so ein illegaler Schwarzarbeitgeber eingeht, ist, dass er auf dem Weg zur Baustelle zu schnell fährt und dabei erwischt wird. Für den Schwarzarbeiter ist das höchste Risiko, dass sein Wagen im Parkverbot vor der Baustelle steht, wenn er da arbeitet. Das versteht, meine Damen und Herren, auch keiner draußen.

(Beifall bei der SPD)

Wir brauchen eine wirksame Überwachung, Kontrolle und Sanktionen. Ausschluss aus dem Wettbewerb ist hier eines der Mittel, die dann angewendet werden sollen. Wir haben es hier, ich habe es an dieser Stelle auch schon einmal gesagt, auch damit zu tun, dass da einmal jemand seinem Nachbarn irgendwie hilft und dafür Geld bekommt und somit Schwarzarbeit macht, damit haben wir es auch zu tun, wir haben es hier aber auch in Bremen mit organisierter Kriminalität zu tun, Mafiakriminalität.

Auf bremischen Baustellen, so aus einer Presseerklärung des Arbeitsamtes, hat es Menschen gegeben mit falschen Pässen. Falsche Pässe, meine Damen und Herren, bekommen Sie nicht im Zeitschriftenhandel. Die gibt es bei der Mafia, so liest man, und nicht irgendwo zu kaufen. Also, wir haben es hier durchaus mit Mafiakriminalität zu tun.

Ein Vergabegesetz schafft Transparenz bei der Auftragsvergabe und bekämpft Korruption. Die Kor

ruptionsbekämpfung und die transparente Auftragsvergabe sind für uns auch ein zentrales und wichtiges Ziel.

Meine Damen und Herren, wir müssen aufpassen, wir alle gemeinsam, dass wir diesem Herrn Tittmann und seinen Helfershelfern nicht die Menschen in die Arme treiben, indem wir sie durch Lohndumping arbeitslos machen, wie es jetzt ab und zu vorkommt. Das Thema Ausländerfeindlichkeit entsteht auch im Zusammenhang mit illegaler Beschäftigung, Lohndumping und Arbeitslosigkeit, davor soll man die Augen nicht verschließen!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Glocke)

Ich komme zum Ende!

Wir wollen Recht und Ordnung auf bremischen Baustellen. Wir wollen einen fairen Wettbewerb. Wir wollen nicht, dass Arbeiter gegen Arbeiter kämpft um den letzten mies bezahlten Arbeitsplatz. Die Wirtschaft muss für alle Menschen da sein, sonst stimmt etwas mit der Wirtschaft nicht und muss geändert werden. – Schönen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Focke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich verstehe natürlich sehr gut, dass es ein besonderes Anliegen der SPD ist, hier für ein Landesvergabegesetz einzutreten und dies aus einer ganz bestimmten Richtung zu beleuchten, aber so einseitig, wie das hier jetzt eben gemacht worden ist, Herr Jägers, ist die Sache ja leider nicht. Die meisten Bauunternehmen und die meisten Unternehmen, die sich an Vergaben beteiligen, die meisten Unternehmen, die unsere Häuser bauen, die den Hoch- und Tiefbau machen, sind keine Kriminellen und keine Verbrecher. Sie halten sich an alle Gesetze, meine Damen und Herren, die es jetzt auch schon gibt.

(Beifall bei der CDU – Abg. Frau H ö v e l - m a n n [SPD]: Das hat er ja auch nicht ge- sagt!)

Das Problem kann durch ein Landesvergabegesetz, das Sie angesprochen haben, leider nicht gelöst werden.

(Abg. Frau L e m k e - S c h u l t e [SPD]: Doch!) ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft. Die Unternehmen – wir besuchen auch sehr viele Unternehmen, und zwar jeden Monat vier oder fünf –, beklagen ja selbst, dass es auf dem Bausektor, was den Arbeitsmarkt betrifft, eine Katastrophe ist. Sie können keine Leute mehr beschäftigen aus vielen Gründen. Da ist natürlich auch die Subunternehmerschaft, aber das ist ja nicht das Problem! Das Problem sind die illegale Beschäftigung und die anderen Möglichkeiten, die es mit Kolonnen aus osteuropäischen Ländern, Kontingenten und Überlassungen nach wie vor gibt, dass dort Dumping gemacht wird, dass es eben immer weniger deutsche Arbeitnehmer in diesem Sektor gibt. (Abg. Frau W a n g e n h e i m [SPD]: Ha, ha!)

Ja, natürlich! Das beklagen die Unternehmen, weil sie nämlich keine Nachwuchskräfte mehr bekommen, meine Damen und Herren, die sie dringend brauchen! Sie müssen sich auch einmal mit anderen Leuten unterhalten und nicht nur mit den Leuten, die Sie in Ihren Gewerkschaften antreffen!

(Beifall bei der CDU)

Die haben uns gesagt, dass sie dringend auf Regelungen warten, die aber in einem Landesvergabegesetz nicht geregelt werden können. Es müssen bundesweit einheitliche Regelungen geschaffen werden, auf die wir ja auch alle gemeinsam warten. Wir können nur hoffen, dass sie kommen! Allerdings bin ich nicht so optimistisch wie Sie, Herr Jägers, dass wir hier Ende des Jahres schon ein Bundesvergabegesetz haben, denn bisher, so habe ich gehört, gibt es noch nicht einmal einen Entwurf, und wir haben ja schon fast September. So einfach wird das wohl nicht sein, dass wir Ende des Jahres ein Bundesvergabegesetz haben!

Die meisten Unternehmen im Bausektor, Frau Stahmann, bilden sehr wohl aus, und sie bilden auch über Quote aus. Viele Unternehmen, von denen Sie glauben, dass sie überhaupt nicht ausbilden, haben eine sehr hohe Ausbildungsquote, und sie haben ein vorbildliches Umlagesystem. Schwarze Schafe gibt es überall, aber die sind viel weiter als manche Forderungen, die von anderen erhoben worden sind, und das muss man auch einmal lobend zur Kenntnis nehmen, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU)

Jetzt kommt natürlich ein ganz interessanter Punkt, der hier so ausgeführt worden ist von Herrn Jägers, dass wir, wenn wir das nun nicht hinbekommen im Bund, sofort ein Landesvergabegesetz machen wollen.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das hat er so gesagt!)

So steht das in unserem Antrag aber gar nicht, jedenfalls habe ich das da so nicht gelesen, meine Damen und Herren. Es steht darin, und da bin ich auch sehr dafür, dass wir dann geeignete Maßnahmen ergreifen und dass viele Punkte, die ja auch von niemandem bestritten werden, was die Tariftreue betrifft und all so etwas, umgesetzt werden müssen. Dafür brauchen wir aber kein Gesetz, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU)

Das können wir mit anderen Maßnahmen machen. Oder man kann, das steht hier als Alternative, auch rechtliche Maßnahmen überlegen. Wir werden, wenn wir dazu nicht kommen, was wir alle ja nicht hoffen, uns in einem intensiven Gedankenaustausch zu befinden haben, welche Maßnahmen wir da ergreifen müssen, wie wir was da nun umzusetzen haben.

(Beifall bei der CDU – Abg. D r. S i e - l i n g [SPD]: Halten Sie sich an den Koali- tionsvertrag?)

Der Koalitionsvertrag sagt nichts anderes aus, als dass ein Landesvergabegesetz geprüft werden soll, meine Damen und Herren! Wir befinden uns seit langem in einer Diskussion. Die Sache ist doch die: Es ist ganz klar, dass ein Landesvergabegesetz das Problem, das hier alle angesprochen haben, nicht löst.

(Beifall bei der CDU)

Das ist ja alles weiße Salbe, was Sie hier reden! Das ist nur ein Herumdoktern an Symptomen. Wir können hier vielleicht etwas im Landesvergabegesetz verändern, aber das hilft niemandem, seinen Arbeitsplatz zu behalten. Dafür brauchen wir andere Maßnahmen.

(Beifall bei der CDU – Glocke)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung des Kollegen Mützelburg?

Ja, bitte!

Bitte, Herr Mützelburg!

Lieber Kollege Focke, Sie sind ja sehr laut und sehr deutlich. Sagen Sie doch bitte einfach ganz deutlich: Wollen Sie ein solches Gesetz oder wollen Sie keines?

Ein Gesetz ist nur dann nützlich, wenn es auch wirklich etwas bringt.