Protokoll der Sitzung vom 21.03.2002

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt entsprechend.

(Einstimmig)

Umweltschutz nicht aushebeln – europäische Normen rechtskonform umsetzen

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 12. März 2002 (Drucksache 15/1093)

Als Vertreter des Senats Frau Senatorin Wischer, ihr beigeordnet Staatsrat Logemann.

Die Beratung ist eröffnet.

Das Wort erhält die Abgeordnete Frau Dr. Mathes.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bevor ich den Dringlichkeitsantrag der Grünen begründe, muss ich kurz auf den Hintergrund eingehen. Mit In-KraftTreten des Gesetzes zur Umsetzung verschiedener europäischer Richtlinien zum Umweltschutz am 27. Juli 2001 hat der Bund den in seine Zuständigkeit fallenden Gesetzesauftrag erfüllt. Dieses Gesetz, das so genannte Artikelgesetz, bezieht sich auf eine Reihe europäischer Richtlinien, vor allen Dingen die Umweltverträglichkeitsrichtlinie und die IVU-Richtlinie, es geht hier um die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung.

Das wesentliche Ziel des Gesetzesvorhabens ist es, die Voraussetzung zu schaffen für eine möglichst umfassende Beschreibung und Reduzierung von Umweltbelastungen, die durch den Bau und Betrieb bestimmter Anlagen und bestimmter Projekte entstehen können. Dies erfolgt durch einen substanziellen Ausbau der Regelung zur Umweltverträglichkeitsprüfung und zur parallelen Öffentlichkeitsbeteiligung. Darüber hinaus verpflichtet das Gesetz zu einer medienübergreifenden integrierenden Betrachtung von Umweltverschmutzung. Bisher ist es im Bereich der Umweltgesetzgebung immer noch so, dass die Einzelmedien im Vordergrund stehen wie Boden, Wasser und Luft, aber nicht die Vernetzung und die Wechselwirkung. Insofern kann man sagen, dass beide Richtlinien eine wirkliche Innovation für einen besseren Umweltschutz sind, der dringend erforderlich ist.

Die vollständige Umsetzung in nationales Recht ist aber bisher noch nicht erfolgt, und sie ist auch erst dann abgeschlossen, wenn alle Bundesländer ihre entsprechenden landesgesetzlichen Regelungen erlassen haben. Aufgrund der Tatsache, dass die Fristen zur Umsetzung der einschlägigen Richtlinien längst überschritten sind, läuft zurzeit ein Klage- und Zwangsgeldverfahren der Europäischen Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland, das heißt letztendlich, dass es dringend erforderlich ist, hier die entsprechenden Landesgesetze zu verabschieden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Soweit der Hintergrund, der durchaus etwas komplex und kompliziert ist, trotzdem möchte ich noch einmal betonen, dass dieses große Gesetzgebungsvorhaben eine hohe Bedeutung auch für einen besseren Umweltschutz hat!

Selbstverständlich wäre es nun, dass Bremen bei der entsprechenden Gesetzesnovelle sich europarechtskonform verhält, und wir Grünen haben die Befürchtung, dass das nicht der Fall sein wird. Hintergrund ist, dass die entsprechende Gesetzesnovelle schon zweimal auf der Tagesordnung der Deputation für Umwelt und Energie stand, dass sie dort jeweils kurzfristig von der Tagesordnung genommen

wurde aufgrund des Wunsches der CDU. Trotzdem gibt es zwei Punkte in den auch den einschlägigen Fachabgeordneten bekannten Entwürfen, die befürchten lassen, dass hier ein nicht gesetzeskonformer Transport der Richtlinien erfolgen soll.

Der eine Punkt, den ich hier ansprechen muss, ist der, dass es hinsichtlich des Bundesnaturschutzgesetzes beziehungsweise bei der Änderung des Bremischen Naturschutzgesetzes so aussieht, als wolle der Senat einen Ermessensspielraum für die Anmeldung von Vogelschutz- und FFH-Gebieten einräumen. Wir Grünen betonen hier, dass das nicht möglich ist, dass es keinen Ermessensspielraum hinsichtlich der Auswahl dieser Gebiete gibt, sondern dass das allein an naturschutzfachlichen Kriterien zu orientieren ist. Wir befürchten, dass die rechtswidrige Nichtanmeldung der FFH- und Vogelschutzgebiete auch noch rechtlich fixiert werden soll.

Ich möchte jetzt noch einmal kurz auf die Debatte in der Stadtbürgerschaft eingehen und auf das, was Senator Hattig dort hinsichtlich der Frage der Meldung der FFH-Gebiete und auch hinsichtlich der Anzahl der Vogelschutzgebiete dargelegt hat. Wir Grünen möchten Senator Hattig ins Stammbuch schreiben, dass es eine der wesentlichen Aufgaben der Exekutive ist – über die er so hinlänglich philosophiert hat –, die Gesetze umzusetzen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Im zusammenwachsenden Europa heißt das, dass die in langwierigen politischen Prozessen ausgehandelten Normen, die Richtlinien, zu erfüllen sind. Das ist Demokratie, das ist grundlegendes Prinzip des Rechtsstaats. Das heißt, das Hollerland, der Weddewardener Außendeich und alle anderen potentiellen FFH-Gebiete sind umgehend zu melden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. P f l u g r a d t [CDU]: Darum geht es doch jetzt gar nicht!)

Ich möchte noch eine kurze Anmerkung zu der Frage der gemeldeten FFH-Gebiete machen! Hier muss man auch deutlich sagen, dass Bremen hinsichtlich des prozentualen Anteils gemeldeter FFHGebiete bei den Bundesländern einen hinteren Platz einnimmt. Bezogen auf die Stadtstaaten bildet es mit 3,6 Prozent sogar das Schlusslicht.

(Abg. P f l u g r a d t [CDU]: Darum geht es doch jetzt gar nicht bei diesem Tages- ordnungspunkt! – Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Wir werden doch noch zu unserem Antrag reden dürfen!)

Wir Grünen wollen, dass in dem entsprechenden Landesgesetz kein Ermessensspielraum angedeutet

wird hinsichtlich der Frage der Meldung von FFHund Vogelschutzgebieten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Der zweite Punkt, der aus unserer Sicht auch nicht rechtskonform wäre, ist der, dass hinsichtlich der Frage der Umweltverträglichkeitsprüfung untere Schwellenwerte eingeführt werden sollen. Das heißt, es soll sozusagen eine nicht unerhebliche Anzahl von Vorhaben, von Projekten von vornherein herauskatapultiert werden, indem man einen unteren Schwellenwert setzt. Das ist nach eindeutiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht konform. Wenn Bremen das tut, dann kann und wird das Gesetz wieder einkassiert. Ich möchte hier noch einmal ein Beispiel geben, was das heißt. Ich beziehe mich dabei auf die so genannte Nutzungsumänderung des Buchenwäldchens beim Zentralkrankenhaus Nord.

(Abg. T e i s e r [CDU]: Das kenne ich gar nicht!)

Hier wäre eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich gewesen, weil die Richtlinie im Moment noch gültiges Gesetz ist, weil die Landesgesetzgebung noch nicht erfolgt ist. Im Landesgesetz soll nun eine so genannte Bagatellgrenze eingeführt werden in der Form, dass solche Nutzungsänderungen erst ab einem Hektar UVP-pflichtig wären. Dieses Buchenwäldchen befand sich auf 0,8 Hektar. Das heißt, man hat es natürlich hinauskatapultiert aus der gesetzlichen Verpflichtung, um keine Umweltverträglichkeitsprüfung vollziehen zu müssen. Das wiederum heißt für uns, dass solche Fälle keine Bagatellen sind, das sind eklatante Missachtungen der Bedeutung der natürlichen Ressourcen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Insgesamt fordern wir Grünen Sie mit unserem Antrag auf, erstens dieses Landesgesetz umgehend in den entsprechenden Gremien zu behandeln und der Bürgerschaft zuzuleiten, so dass das Risiko einer Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof aufgrund der nicht zeitgemäßen Umsetzung der entsprechenden Richtlinien nicht eingegangen wird, zweitens, dass hier eine rechtskonforme Novelle vorgelegt wird und insbesondere die unteren Schwellenwerte, die zurzeit noch in der Vorlage stehen, herausgenommen werden!

(Präsident W e b e r übernimmt wieder den Vorsitz.)

Stimmen Sie unserem Antrag zu! Wir fordern eigentlich nicht mehr, als dass Sie Ihre Pflicht tun. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Herr Dr. Schuster.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das, was wir ohnehin machen, Frau Mathes, brauchen wir nicht in den Anträgen gleich auch noch zu beschließen. Wir sind an einer schnellen Umsetzung der Richtlinien in Landesrecht interessiert, und wir arbeiten daran. Dass der Zeitplan sich insgesamt verzögert, liegt maßgeblich daran, dass ausgehend von bundespolitischen Diskussionen, die damals noch unter Frau Merkel als CDUMinisterin begonnen wurden und unter der rotgrünen Regierung weitergeführt worden sind, die bundesgesetzliche Regelung relativ spät verabschiedet wurde. Dadurch haben alle Landesregierungen und Landesparlamente im Moment die Schwierigkeit, dass sie in einem möglichst zügigen Tempo die landesrechtliche Umsetzung bewerkstelligen müssen.

Wir sind dabei, und ich finde es nicht eine unnötige oder nicht hinnehmbare Verzögerung, dass in dem Fall die CDU-Fraktion in dem Bereich noch Fragen hat, die beantwortet beziehungsweise geklärt werden müssen. Es ist nicht das Schieben in unendliche Warteschleifen, weil uns allen bewusst ist, dass das erheblich Geld kosten kann, wenn wir da nicht zügig vorankommen. Aber dennoch muss man dem Parlament zugestehen, dass es Fragen gibt, die man klären muss. Wir sind schließlich der Gesetzgeber.

(Beifall bei der SPD)

Ich denke, es ist klar, dass wir das zügig bearbeiten, und wir hoffen, dass wir das in der nächsten Bürgerschaftssitzung hier auch als Gesetz verabschieden können.

Bei den beiden anderen Punkten möchte ich doch einiges zurückweisen. Natürlich hat der Senat eine Entscheidungskompetenz über die FFH-Gebiete. Dass er da keinen Ermessensspielraum hat, die Auffassung von Ihnen teile ich, aber natürlich muss einer aus Bremen sagen, welche Gebiete gemeldet werden. Das ist eine Entscheidungskompetenz, die der Senat ausfüllen muss. Das würde ich einmal eben so in Anspruch nehmen, dass das unsere eigene Regierung auch machen darf. Jemand muss schließlich darlegen – das sind ja Behörden, Landesbehörden, die letztendlich vom Senat gebündelt werden –, welche Gebiete eigentlich die Kriterien, die in diesem Fall auf EU-Ebene vorgegeben sind, erfüllen und welche nicht.

Das ist ein ganz normaler Prozess, und das ist nichts weiter als eine Entscheidungskompetenz, die da ist. Die muss der Senat natürlich auch haben, insofern ist Ihr Antrag sachlich falsch. In Ihrem Antrag schreiben Sie auch in der Begründung, dass lediglich der Ermessensspielraum in den Bereichen nicht vorliegt. Aber natürlich heißt das, dass das irgendjemand entscheiden muss.

Der zweite Punkt, den wir auch ablehnen, ist die Frage nach den quantitativen Schwellenwerten. Zum einen ist es schwierig, darüber zu debattieren, ohne den Gesetzestext zu haben, ob da irgendwelche Vorgaben eingehalten werden oder nicht. Wir sind der Auffassung, dass sie bisher eingehalten werden, zumindest bei den Entwürfen, die mir dazu bekannt sind. Ebenso werden sämtliche Landesgesetzgebungen in diesem Bereich und auch die Bundesgesetzgebung mit Schwellenwerten arbeiten, weil es auch sinnvoll ist, dass man bestimmte Verwaltungsabläufe auf die Bereiche begrenzt, in denen es sachlich geboten ist.

Auch bei dem von Ihnen angesprochenen Beispiel ist kein rechtswidriges Verhalten zu erkennen. Es wurde, weil eben noch keine Landesgesetzgebung verabschiedet ist, sich natürlich daran orientiert, was die Bundes- und europäische Gesetzgebung vorgeben. Da ist vorgesehen, bevor man eine UVP durchführt, die unterhalb von Schwellenwerten liegt, dass eine Vorprüfung erfolgen muss. Diese Vorprüfung hat ergeben, dass in dem Fall die Bäume, die dort gefällt werden, ausgeglichen werden können, also an anderer Stelle entsprechender Ersatz geschaffen werden kann. Es ist von daher also rechtlich zulässig, dieses Wäldchen abzuholzen.

Ob das jetzt politisch von Ihnen gewünscht ist oder nicht, das ist eine andere Frage, und man kann sich sicherlich darüber streiten. Rechtlich einwandfrei ist es jedoch. Vor diesem Hintergrund sagen wir, der Antrag, den Sie gestellt haben, wird zum einen zurzeit abgearbeitet. Deswegen brauchen wir das jetzt nicht nochmals zu beschließen. Die anderen beiden Punkte sind in der Form, wie Sie das vorschlagen, entweder nicht durchführbar, oder sie werden auch schon in den Gesetzen entsprechend berücksichtigt. Da muss man es einer Fachdebatte anhand der Gesetzesvorlage überlassen, ob Schwellenwerte richtig gesetzt sind oder nicht. Das kann man aber nicht abstrakt vorher machen. – Ich danke Ihnen!

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Pflugradt.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Hier hat jemand Zettel vergessen, OFFENSIV-Gesetz!

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist aber schon ein bisschen länger her!)

Frau Dr. Mathes, erstens wollte ich jetzt nicht auf Ihre Fährten eingehen, die Sie gelegt haben, und auf Themen, die mit diesem Punkt gar nichts zu tun ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

haben, nämlich Hollerland, Technologiepark und so weiter. Das waren Debatten von gestern, Sie hätten sich daran beteiligen sollen! Wenn Sie es nicht getan haben, wollen wir das jetzt nicht nachholen.

Zweitens: Was uns hier vom Senat vorgelegt worden ist, wollen wir intensiv prüfen, und es ist auch angemessen, finde ich, wenn man sich mit so einer Vorlage, die über 80 Seiten umfasst, intensiver auseinander setzt. Ich weise nur darauf hin, dass bisher kein einziges Parlament dieses Gesetz beschlossen hat, auch dort nicht, wo Rotgrün regiert. Insofern sind wir überhaupt nicht die Letzten. Wir haben gesagt, wir wollen das prüfen, wir können die Mai-Sitzung gut und gern erreichen, und bis dahin werden wir das, was zu prüfen ist, auch geprüft haben.

Im Übrigen ist es wohl auch so: Meines Wissens hat der Justizsenator noch keine abschließende Stellungnahme abgegeben, jedenfalls liegt sie mir bisher nicht vor. Sie ist bisher nur angekündigt, fehlt aber noch. Das sollten wir abwarten, und inhaltlich brauchen wir gar nicht zu diskutieren, das können wir dann tun, wenn das Gesetzesvorhaben vorliegt.