Protokoll der Sitzung vom 12.06.2002

(Abg. Frau H a m m e r s t r ö m [SPD]: Wir auch!) ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft. nicht nur verbal, sondern auch durch konkrete gesundheitspolitische Handlungsvorschläge. Wir haben Ihnen hier in den letzten Monaten und Jahren eine Reihe von Anträgen vorgelegt, die genau das zum Ziel hatten, nämlich die Verbesserung der Prävention und der Gesundheitsförderung der Bürgerinnen und Bürger im Lande Bremen, von Fachkreisen überwiegend unterstützt und gelobt, von Ihnen überwiegend abgelehnt. Doch konkret zur Großen Anfrage! Schon die erste Frage an den Senat löst Verwunderung aus. Gefragt wird: Welche Bedeutung misst der Senat der Prävention und der Gesundheitsförderung zu? Ich denke, Aufgabe des Parlamentes ist es, durch Beschlüsse und durch Handeln Schwerpunktsetzungen vorzunehmen. Sie von der großen Koalition müssen hier aktiv sein: Punkte setzen, Richtungen angeben, Baupläne für tragfähige Säulen entwerfen! Es genügt eben nicht, sich in die Rolle des zuschauenden Publikums des Akteurs Senat zu begeben. Architekten sollten nicht zuschauen! Oder kommen wir zum Projekt MammographieScreening! Hier wird unkritisch verschwiegen, welche Kontroversen es bei dem Projekt gibt, Kontroversen, die dazu führten, das haben wir ja heute Morgen gehört, dass das Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin gerade aus diesem Projekt ausgestiegen ist. In der Senatsmitteilung gibt es leider keine geschlechtsspezifische Darstellung und Bewertung. Das Konzept des Gender Mainstreaming unter Einbeziehung von Lebenswelt und Lebensphase von Männern und Frauen ist ein wesentlicher Grundgedanke bei Prävention und Gesundheitsförderung. Dieser Aspekt fehlt hier leider völlig. Natürlich darf Prävention sich nicht auf einzelne Projekte beschränken, meine Damen und Herren. Die Verbesserung der Lebens- und Umweltbedingungen für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Bundesland, das ist Prävention mit Nachhaltigkeit. (Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Gesundheit und Umwelt, diesen Schwerpunkt haben wir in der grünen Fraktion gerade in der letzten Zeit intensiv bearbeitet. In der Senatsantwort wird hierzu nur auf verschiedene Informationsmaterialien, Beratungsangebote, Fortbildungen und am Rande an die Überwachung von Trink- und Badewasser verwiesen. Hier wird völlig ausgeblendet, dass es eine wichtige Aufgabe ist, die Bevölkerung vor schädlichen Umwelteinflüssen aktiv zu schützen. Wo sind denn hier die kompetenten Architekten der Schutzbedachung Gesundheitswesen?

Nehmen wir zum Beispiel die Lärmbelastung! Sie gilt als eine der größten Umweltbelastungen, vor der sich jeder Einzelne nur schwer schützen kann. Also ist es Aufgabe von Politik, dafür zu sorgen, dass der Lärm vermindert wird. Punkt! Wir haben Ihnen hier

im Sommer des letzten Jahres einen Antrag vorgelegt mit dem Ziel der Erstellung von Lärmminderungsplänen. Was haben Sie gemacht? Abgelehnt! Sie haben zudem dafür gesorgt, dass auch noch ein Großmarkt mit seinem Geräuschpegel in der Nähe von Wohngebieten angesiedelt wird. Hier wurden Bedenken und Ängste von Bürgerinnen und Bürgern einfach negiert, die Widersprüchlichkeit in sich. Die große Koalition will die Bevölkerung motivieren und aktivieren, sich an Prävention im Gesundheitsbereich zu beteiligen. Doch was passiert wirklich, wenn sie das tut? Ängste und Bedenken werden nicht ernst genommen, eine sehr brüchige Säule in dieser Schutzbedachung Gesundheitswesen. Oder nur ein weiteres Beispiel: der Umgang mit Menschen, die sich um ihre Gesundheit sorgen bei der Aufstellung von Mobilsendeanlagen! Hier hätten Sie ein Zeichen setzen können, um sich für den vorsorgenden Gesundheitsschutz einzusetzen. Doch präventives Handeln war hier eine Nullnummer. Der Antrag vom Bündnis 90/Die Grünen zu diesem Problembereich wurde mit Ihrer zahlenmäßigen Mehrheit abgelehnt. Ich denke, Sie erinnern sich daran. Wenn Sie wirklich wollen, dass Bürgerinnen und Bürger aktiv an Prävention und Gesundheitsförderung teilnehmen, dann müssen Sie auch dafür sorgen, dass die Beteiligung und auch die Mitbestimmung gestärkt werden. Die Bewohner ernst nehmen, kompetent sein, informieren, zukunftsorientiert handeln und sicher und durchschaubar entscheiden, das sind die Eigenschaften, die gute Architekten brauchen und auszeichnen. Schauen wir uns noch einmal die betriebliche Gesundheitsförderung an, meine Damen und Herren! Hier haben viele Betriebe und Firmen angefangen, Konzepte zu erarbeiten und auch umzusetzen. Ich denke, eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit und der Rückgang von Krankheitsquoten sind gute Indikatoren für erfolgreiche Projekte. Doch was ist mit dem öffentlichen Dienst? Wo nimmt er seine Vorreiterrolle wahr? 1998 wurde vom Senat ein Rahmenkonzept zur Gesundheitsförderung im öffentlichen Dienst im Zuge der strategischen Personalentwicklung beschlossen. Dienstvereinbarungen sind dafür nicht abgeschlossen worden. Nur zur Erinnerung: Fragestunde im Dezember 2001! Wir vom Bündnis 90/Die Grünen haben gefragt, wie die Gesundheitsförderung in den Dienststellen und Betrieben im bremischen öffentlichen Dienst verankert ist. Herr Bürgermeister Perschau hat darauf geantwortet, ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten: „Dieses Rahmenkonzept kann von interessierten Dienststellen und Betrieben als Handlungshilfe genutzt werden, um Maßnahmen und Vorhaben zur Gesundheitsförderung auf der betrieblichen oder behördlichen Ebene zu initiieren.“ Hier wird ganz deutlich, welchen Stellenwert die betriebliche Gesundheitsförderung für den Senat

hat, besonders unter dem Gesichtspunkt, dass es sonst in diesem Bereich von Leistungsvereinbarungen, Controllingberichten, Leistungszielen und so weiter nur so wimmelt. Bei der Gesundheitsförderung aber steht bei Interesse Handlungshilfe im Vordergrund. Ich nenne das Gesundheitsförderung im öffentlichen Dienst auf Laisser-faire-Basis.

Dann probierte die große Koalition in ihrer Anfrage, Senatsantworten zu erhalten, die positive und zukunftsweisende Tendenzen beinhalten, so zum Beispiel bei der Frage nach der Bewertung der Prävention und Gesundheitsförderung von Kindern und Jugendlichen. Ich sage nur, vielen Dank, da liegen wir ja gar nicht weit auseinander. Ich kann Ihnen die Mitteilung des Senats auf die Große Anfrage mit dem Titel „Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, Entwicklung, Bewertung und Prävention“ sehr empfehlen. Das war die Große Anfrage vom Juni 2001, gestellt von uns. Unter anderem wird deutlich, dass Kinder und Jugendliche im Land Bremen deutliches Übergewicht aufweisen. Als Konsequenz plant der Senat jetzt eine Gesundheitsoffensive an Bremer Schulen. Das finden wir auch gut. Ich denke, das ist ein Ergebnis unseres gemeinsamen Antrages mit dem Titel „Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, Ernährung und Bewegung“.

Es geht doch in Teilbereichen manchmal auch gemeinsam voran. Diese Unterstützung allerdings wäre auch wichtig gewesen bei unserem Antrag „Kinder und Jugendliche schützen, gesundheitliche Umweltbelastung beseitigen“, gerade auch unter dem Aspekt, dass es eine starke Zunahme an Allergien und Asthmaerkrankungen gibt, meine Damen und Herren!

Gestatten Sie mir zum Abschluss noch eine persönliche Anmerkung! In meinem Berufsleben vor dem Eintritt in die Bürgerschaft war ich viele Jahre im Gesundheitsbereich in Bremerhaven tätig. Umso überraschter bin ich über die Aussage zur Prävention und Gesundheitsförderung in Bremerhaven. Hier wird geschrieben, dass im Sinne der aufsuchenden Sozialarbeit telefonische Beratung für Aids und sexuell übertragbare Erkrankungen angeboten wird. Weiterhin wird festgehalten, dass das Gesundheitsamt Bremerhaven ältere Personen berät und Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft anbietet. Der Altenhilfeplan jedoch ist immer noch nicht fortgeschrieben worden. So ist es in der praktischen Prüfung eigentlich Punkt für Punkt diskussionswürdig, was in der Antwort steht. Ich glaube, dass der neue Stadtrat Rosche in Bremerhaven hier noch viel Arbeit hat.

Meine Damen und Herren, gesundheitliche Prävention und Gesundheitsförderung als zwei schwächelnde, aber tragende Säulen des Gesundheitssystems in unserem Bundesland! Deshalb rufe ich Sie hier über die Parteigrenzen hinweg zu kompetenter und fortschrittlicher Weichenstellung im Sinne aller

Bürgerinnen und Bürger in diesem Bundesland auf! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächste erhält das Wort die Abgeordnete Frau Dreyer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Hoch, ich war erst ganz erstaunt, weil ich dachte, vielleicht haben Sie die falsche Antwort des Senats vorliegen, aber ich werde natürlich gern für die Koalition Ihnen noch einmal erklären, was an positiven Elementen darin steckt und wie gut diese Koalition, natürlich mit Beteiligung des Ressorts, die Prävention und die Gesundheitsförderung in Bremen und Bremerhaven entwickelt hat. Wenn Sie zuhören, werden Sie davon auch eine ganze Menge lernen können.

Meine Damen und Herren, wir haben auch den Senat gefragt, was er von Prävention hält, und er teilt uns in seiner Antwort dankenswerterweise mit, wie wichtig die Prävention zur Vermeidung von Krankheiten ist, und verweist selbstverständlich auch darauf, dass das Bundesministerium für Gesundheit, da war einmal Frau Fischer für kurze Zeit Gesundheitsministerin, Vorschläge für eine Organisationsstruktur entwickelt, die sich der finanziellen Problematik widmen wird, die sie dann selbstverständlich auch unterbreiten wird. Das begrüßen wir als CDU-Fraktion, denn die Antwort des Senats macht auch deutlich, dass lediglich zwischen 0,02 und 0,11 Prozent der Gesamtleistungen der Mittel der gesetzlichen Krankenversicherung für Prävention ausgegeben werden. Das ist der Null angenähert, meine Damen und Herren!

Das bemängeln dann auch die Spitzenverbände der Krankenkassen in ihrer Presseerklärung vom 27. Mai 2002, also vor wenigen Tagen. Die Mittel für Prävention können von den Kassen nicht aufgebracht werden, weil auch nach erneuter Erhöhung der Krankenkassenbeiträge auf rund 14 Prozent zum Januar dieses Jahres eine weitere Erhöhung der Beiträge noch in diesem Jahr vorgenommen werden muss. Das Defizit in den gesetzlichen Krankenkassen steigt weiterhin rasant an, meine Damen und Herren. Die gesetzlichen Krankenkassen sind ohne erneute Beitragserhöhung nicht mehr handlungsfähig. Das ist auch nachzulesen in der Presseerklärung der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 27. des letzten Monats, Frau Hoch!

Die Kassen machen darum noch einmal deutlich, Prävention ist die Förderung der gesundheitlichen Eigenverantwortung im Sinne der gesundheitlichen Kompetenz. Der einzelne Versicherte muss befähigt werden, mehr Selbstbestimmung über seine Gesundheit zu erlangen. Meine Damen und Herren, ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

ohne spitz zu werden, merke ich noch einmal an, dass mehr Selbstbestimmung für die Patienten genau das Gegenteil ist von mehr Bürokratismus. Ich denke, darum wird es am 22. September auch gehen.

(Beifall bei der CDU)

Damit der Versicherte mehr Selbstbestimmung übernehmen kann, gibt es eine Fülle von hervorragenden Angeboten in Bremen und Bremerhaven. Herausheben möchte ich hier ganz besonders die Sportvereine in unseren beiden Städten, die hervorragende Angebote entwickelt haben, die von den Menschen aller Altersgruppen gut und umfangreich angenommen werden.

(Beifall bei der CDU)

Die CDU-Fraktion setzt auch deutlich auf die Sportvereine und wünscht sich, dass diese Aktivitäten sich weiter so positiv wie bislang in unseren zwei Städten entwickeln werden. Breitensport im Verein ist nicht nur gesund, meine Damen und Herren, er fördert das Miteinander und die soziale Kompetenz. Die CDU-Fraktion dankt allen Sportvereinen mit ihren Hunderten von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, die sich dem Sport und dem Menschen verschrieben haben. Jeder darf teilnehmen, entrichtet einen Obolus und sorgt so mit vielen Gleichgesinnten für eine sinnvolle Bewegung und für ein gesundes Leben.

Allerdings, meine Damen und Herren, und das habe ich in diesem Haus bereits mehrfach vorgetragen zum Thema Gesundheit, auch bei Kindern und Jugendlichen muss sich schon jeder Einzelne gegen das bequeme Sofa und für Bewegung im Sportverein persönlich entscheiden. Da kann Politik nur appellieren und hoffen, dass diese Appelle gehört und angenommen werden. Wenn aber jemand auf dem Sofa sitzen bleibt, dann bleibt er halt da sitzen. Das kann man dann auch nicht richtig ändern.

Die Antwort des Senats verweist auch auf das Aktionsbündnis „Alkohol, Verantwortung setzt Grenzen“, das auf Initiative der CDU am 24. Februar 2000 in diesem Haus auf den Weg gebracht wurde. Soviel zu Ihrer Aussage Frau Hoch, das Parlament würde nichts tun, das ist falsch! Das steht übrigens auch in der Antwort des Senats, also noch einmal auf Seite drei gut nachlesen! Auch für die Selbsthilfeförderung verweist der Senat auf die Große Anfrage der CDU vom 18. Mai 2000, Selbsthilfe im Gesundheitswesen, so dass hier in Bremen und Bremerhaven Positives auf den Weg gebracht werden konnte, das sich wirklich sehen lassen kann. An dieser Stelle bedanke ich mich bei allen Beteiligten, die daran mitgewirkt haben.

Meine Damen und Herren, der Senat verweist auch auf das Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin, das in Bremen beheimatet ist und zudem

international renommierten Sachverstand hier am Standort bündelt. Die CDU-Fraktion bedauert in diesem Zusammenhang die Differenzen im Beirat des Bremer Brustkrebs-Screenings. Dort hat man sich zur Antragstellung, also bei der Einwerbung von fünf Millionen Euro, gern des BIPS bedient und es dann hinausgedrängt. Dieser Vorgang wird das Vertrauen der Frauen in das Brustkrebs-Screening leider nicht stärken, er ist kontraproduktiv für das Projekt. Ich denke, da haben wir heute Morgen in der Fragestunde auch schon einiges gehört.

Meine Damen und Herren, Sie finden in der Antwort des Senats noch eine Fülle von gut laufenden Präventionsmaßnahmen. Ich bitte, Frau Hoch, dass Sie es wirklich noch einmal nachlesen. Für die CDUFraktion bedanke ich mich bei allen Beteiligten für ihr Engagement und für die stetige Bereitschaft, im Bereich Gesundheit differenzierte Angebote zu entwickeln und vorzuhalten.

Selbsthilfegruppen, Institute, Arbeitsgemeinschaften und öffentliche Einrichtungen arbeiten vernetzt, zielorientiert und mit einer vielfältigen Palette. Dabei muss besondere Aufmerksamkeit den Kindern und Jugendlichen gewidmet werden. Hier gibt es eine besondere Verantwortung der Eltern und der Schulen. Eltern wissen, dass Schwimmen gehen und Fußball spielen schlicht gesünder ist als Fernsehen mit gleichzeitigem Verzehr von Kartoffelchips.

Die Schule weiß natürlich auch, dass Sportunterricht nicht nur in der Stundentafel stehen sollte, sondern dass er auch erteilt werden muss. Die CDU hat hier durch die Große Anfrage der Kollegin JamnigStellmach darauf aufmerksam gemacht, also auch hier wieder jede Menge Aktivitäten aus dem Parlament heraus. Frau Hoch, lesen Sie es einfach, beschäftigen Sie sich intensiv damit, dann werden Ihnen die Aktivitäten auch gerade der CDU-Fraktion geläufig sein! Es machen hier mehr Leute ihre Arbeit, nicht nur Sie.

Meine Damen und Herren, es bleibt das Fazit: Angebote sind in breiter Palette vorhanden. Ehrenamtliche im Sport und gerade auch in der Selbsthilfe engagieren sich beispielgebend in Bremen wie in Bremerhaven. Vorsorge gibt es mit den spezifischen Ausgestaltungen. Wir haben darüber gesprochen. Eltern und Schule wissen um die positiven Auswirkungen des Sports und der spielerischen Bewegung für Kinder und Jugendliche. Für die CDU stelle ich darum fest: In Bremen und Bremerhaven haben Prävention und Gesundheitsförderung einen hohen Stellenwert, und das bleibt auch so, selbst wenn die Grünen das nicht verstehen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, in Anbetracht der Zeit unterbreche ich diese Debat

te und die Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) bis 14.30 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung 12.58 Uhr)

Präsident Weber eröffnet die Sitzung wieder um 14.31 Uhr.

Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) ist wieder eröffnet.

Wir setzen die Aussprache zum Thema Prävention und Gesundheitsförderung fort.

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Ziegert.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich rede auch zur Großen Anfrage der SPD und der CDU zur Prävention im Gesundheitswesen, und insgesamt ist die Antwort des Senats sehr umfassend und von der Aussage her auch sehr gut. Prävention ist ja im Augenblick in aller Munde, und es hat sich endlich auch in der Öffentlichkeit herumgesprochen, dass Förderung von Gesundheit und Vorbeugung gegen Krankheiten mindestens genauso wichtig sind wie die Diagnostik und die Therapie von Krankheiten. Insofern begrüße ich auch sehr die Aussage des Senats auf die Große Anfrage, dass Prävention und Gesundheitsförderung gleichberechtigt mit Diagnostik, Therapie und Rehabilitation gesehen werden.

In der Praxis allerdings muss man, glaube ich, feststellen, dass die Prävention doch eine eher bescheidene Rolle im Gesundheitswesen spielt. Ich begrüße deswegen auch die Initiative der Bundesgesundheitsministerin Frau Schmidt sehr, die ja eine nationale Kampagne zur Prävention, auch mit einem nationalen Fonds oder einer nationalen Stiftung, zur Finanzierung einrichten möchte. Bisher betragen die Ausgaben für Prävention innerhalb des gesamten Gesundheitswesens nur vier Prozent, und auch die Krankenkassen, das geht aus den Antworten auf die Große Anfrage hervor, erreichen da bei weitem nicht die im Sozialgesetzbuch vorgesehenen fünf DM pro Mitglied für Prävention.

Meiner Einschätzung nach wird sich daran auch so lange nicht sehr viel ändern und werden wir vor allen Dingen auch so lange die Krankenkassen für eine gemeinsame und eigentlich notwendige Aktion im Bereich der Prävention und Gesundheitsförderung nicht gewinnen können, wie die Krankenkassen diese Ausgaben vor allen Dingen als Mittel zur Mitgliederwerbung sehen im Konkurrenzkampf der Krankenkassen untereinander. So sinnvoll Kon

kurrenz der Kassen auf manchen Gebieten sein kann, auf dem Gebiet der Prävention und Gesundheitsförderung ist die Konkurrenz der Kassen kontraproduktiv und führt dazu, dass sinnvolle gemeinsame Maßnahmen nicht in dem Maße angegangen werden können, wie dies eigentlich nötig wäre.

Dabei ist Investition in Gesundheitsförderung gut angelegtes Geld. Auch wenn in der Antwort auf die Große Anfrage darauf hingewiesen wird, dass es noch keine umfassenden ökonomischen Untersuchungen darüber gibt, wie Einsparungen durch Gesundheitsförderung sich wirklich finanziell niederschlagen, so gibt es doch sehr ernst zu nehmende Vermutungen und Schätzungen, dass 30 bis 40 Prozent der Gesundheitskosten durch sinnvolle Prävention eingespart werden könnten. Wir haben ja auch schon Beispiele, wie etwa bei der Kariesprophylaxe, wo eindeutig sehr starke Verbesserungen eingetreten sind, die auch zu messbaren Erfolgen geführt haben, und wir haben ja auch festzustellen, dass durch eine Verbesserung der Lebensverhältnisse heutzutage die älteren Menschen auch gesünder werden. Ein Fünfundsiebzigjähriger ist heute so gesund oder so krank wie vor 15 Jahren ein Fünfundsechzigjähriger, und dies ist in erster Linie auf eine Verbesserung der Lebensverhältnisse zurückzuführen und nicht auf den medizinischen Fortschritt.

Vielleicht sollte man sich sowieso einmal darüber klar werden, wie viel der medizinische Fortschritt bewirkt im Vergleich zu besseren Lebensumständen. In den reichen Ländern ist es auf jeden Fall so, dass die Wirkung des medizinischen Fortschritts für eine Verbesserung des Gesundheitszustands mit etwa zehn bis 30 Prozent anzusetzen ist, dagegen die Verbesserung der Lebensverhältnisse mit etwa 70 bis 90 Prozent. Deswegen ist Förderung von Gesundheit auch nicht allein eine gesundheitspolitische Aufgabe, schon gar nicht allein eine Aufgabe der Krankenkassen, sondern im weitesten Sinne eine gesellschaftspolitische Aufgabe und eine Investition in die Zukunft.

Gesundheitsförderung, und das ist mir vor allen Dingen wichtig, hat auch die Aufgabe, die großen, sozial bedingten Unterschiede in den Gesundheitschancen zu verringern, denn die von mir angeführte Verbesserung des Gesundheitszustands gilt ja bei weitem nicht für alle Bevölkerungsschichten. Zum Beispiel betrifft die bessere Gesundheit von Älteren oder eben auch Kariesprophylaxe nicht die unteren Schichten der Bevölkerung, das untere Fünftel der Bevölkerung. Wir können dagegen feststellen, dass die Verteilung von Gesundheitschancen sich in unserer Gesellschaft sehr eng in einer Skala bewegt, die sich an den drei Parametern Ausbildung, Stellung im Beruf und Einkommen orientiert.

Die bisherigen Angebote zur Prävention und Gesundheitsförderung erreichen leider, und das ist, glaube ich, der große Mangel, die sozial Benachteiligten, die sie gerade erreichen müssten, häufig nicht.

Ich glaube, dass hier Gesundheitspolitik ansetzen muss und dass es eine große Aufgabe ist, gerade auch auf dem Gebiet der Gesundheitsförderung und Prävention, nicht nur auf der Bundesebene, sondern auch in Bremen.

Eine solche Förderung würde einen sinnvollen Beitrag zu einer größeren Selbstbestimmung über die eigene Gesundheit liefern und damit auch die Möglichkeit einer größeren Selbstverantwortung für die eigene Gesundheit. Wer dagegen, wie es ein Teil der Ärzteschaft will und wie es auch die Programme bestimmter Parteien vorsehen, eine solche Selbstverantwortung vor allem über den Geldbeutel erzwingen will, wird genau den Effekt erreichen, dass die sozial sowieso Benachteiligten in Bezug auf ihre Gesundheitschancen noch mehr ausgegrenzt werden, dass wir eine Zwei-Klassen-Medizin bekommen und das solidarische Gesundheitswesen zerstören. Deswegen ist es dringend erforderlich, das solidarische Gesundheitswesen zu erhalten.

(Beifall bei der SPD)

Die Antwort des Senats auf unsere Große Anfrage zeigt ja nun, dass es ein sehr beeindruckendes Angebot an gesundheitsfördernden Maßnahmen und Prävention hier in Bremen gibt. Ich glaube, wir haben in Bremen gute Voraussetzungen, hier auch ein flächendeckendes Angebot zu entwickeln, das möglichst viele Schichten der Bevölkerung erreicht.

Ich glaube allerdings, dass es notwendig ist, auch hier in Bremen, so wie es auch der runde Tisch im Gesundheitswesen für die nationale Ebene vorgeschlagen hat, diese vielen Angebote, die ja von Vereinen, privaten Initiativen, Arbeitskreisen, Selbsthilfegruppen, der Universität, dem Zentrum für Sozialpolitik oder auch dem BIPS, dem Gesundheitsamt und durch verschiedene Kampagnen, auch der Gesundheitspolitik gemacht werden, zusammenzuführen, zu vernetzen, wie dies in anderen Städten zum Beispiel auch im Rahmen von Arbeitsgemeinschaften und gesundheitspolitischen Netzwerken erfolgt ist. Ich möchte nur als ein Beispiel einmal nennen – Ähnliches gibt es in vielen anderen Städten auch – die Hamburgische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung, HAG, in der von der Ärzteschaft über die Arbeitskreise, Krankenkassen, Berufsgenossenschaften, Sportvereine, Kirchen bis zu Wohltätigkeitsvereinen, alle Stellen und Initiativen vereinigt sind, die in diesem Bereich tätig sind.

Ich denke zum Zweiten, dass wir ein Angebot an Gesundheitsförderung schaffen müssen, das alle Schichten erreicht, und die SPD-Fraktion hat deswegen einen Antrag zur Gesundheitsoffensive an Bremer Schulen vorbereitet.