Protokoll der Sitzung vom 26.01.2000

Ja, bitte!

Bitte sehr!

Wie soll ich das jetzt als Frage formulieren? Gehe ich recht in der Vermutung, dass Ihnen entgangen ist, dass es mir nicht darum geht, neben dem Landesarbeitskreis ein weiteres neues Gremium zu schaffen, sondern dass ich nur gesagt habe, wenn dieser Landesarbeitskreis denn diese neuen Aufgaben wahrnehmen muss, muss er grundsätzlich umstrukturiert werden, sowohl was die Aufgabenstellung als auch was die Zusammensetzung betrifft?

Wenn ich Sie dahingehend missverstanden habe, dann befinde ich mich da zumindest in guter Gesellschaft, nämlich in der der Se

natorin, denn sie hat, wie ich das der Antwort auf die Anfrage entnommen habe, das genauso verstanden.

(Abg. Frau Z i e g e r t [SPD]: Haben Sie es denn jetzt verstanden oder nicht?)

Frau Kollegin Ziegert, ich nehme das so zur Kenntnis, dass es zumindest jetzt Ihre Auffassung oder Ihr Ziel ist, in diesem Landesarbeitskreis, und da sind wir sicherlich Seite an Seite, möglicherweise die Arbeit noch effektiver zu gestalten, als sie bisher war. Habe ich Sie jetzt so richtig verstanden?

(Abg. Frau Z i e g e r t [SPD]: Ich gebe es auf, Herr Abgeordneter!)

Ich darf aber noch einmal auf den Aspekt Kleinund Mittelbetriebe zurückkommen. Bei der Umfrage an die Berufsgenossenschaften hat uns nämlich ausgerechnet die der Straßen-, U-Bahn und Eisenbahn bestätigt, dass dort, und dort dürften ja kaum Klein- und Mittelbetriebe vertreten sein, die Zahl der gemeldeten Arbeitsunfälle etwa gleich bleibend ist. Vermutlich ist dort so ein hohes Sicherheitsniveau mittlerweile erreicht, dass eine weitere Steigerung gar nicht mehr möglich ist. Es würde auch meiner eigenen Erfahrung entsprechen.

Bei der Entwicklung der Berufskrankheiten, das ist eine zweite wichtige Kennzahl, haben uns zwei Berufsgenossenschaften eine Zunahme gemeldet, vier eine gleich bleibende Zahl und eine einen Rückgang. Dabei muss man allerdings berücksichtigen, dass zum einen, so wurde uns das auch bestätigt, die Liste der anerkannten Berufskrankheiten in den letzten Jahren erweitert worden ist und zum anderen bei betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern oft erst jetzt die Asbestose nach Jahrzehnte zurückliegender Asbestaufnahme zum Ausbruch kommt, obwohl Asbest schon lange nicht mehr eingesetzt wird. Da haben wir einen Zeitverschiebungseffekt. Bezieht man diese Aspekte ein, scheint insgesamt auch bei den Berufskrankheiten die Entwicklung eher rückläufig zu sein. Das bedürfte vielleicht aber noch einmal einer genaueren Überprüfung. Auch das können wir vielleicht im Landesarbeitskreis gern diskutieren.

Da gerade die Berufsgenossenschaften ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse an Arbeitssicherheit und Arbeitsschutz haben dürften, haben wir auch danach gefragt, ob es nennenswerte Probleme in der Zusammenarbeit mit anderen Institutionen im Bereich Arbeitssicherheit und Arbeitsschutz gebe, und ob es neben dem Landesarbeitskreis einen weiteren Bedarf an Koordination oder koordinierenden Gremien gebe. Beides wurde von allen befragten Berufsgenossenschaften verneint und die Einrichtung weiterer Gremien zum Teil sehr deutlich und entschieden abgelehnt.

Einige Berufsgenossenschaften haben selbst schon fachspezifische Verknüpfungen mit den Stellen geschaffen, mit denen sie in ihrem Zuständigkeitsbereich zu tun haben. Von der Berufsgenossenschaft der Binnenschifffahrt wurde mir geschildert, dass man dort, und da fachspezifisch, das scheint mir auch sehr sinnvoll zu sein, mit den Hafenämtern, Unfallkassen und so weiter, und zwar für die Bereiche Bremen, Bremerhaven, Brake einen regelmäßigen Gesprächskreis eingerichtet hat, in dem man sich unmittelbar den Themen fachspezifisch und gezielt widmen kann, die in den Bereich Binnenschifffahrt fallen. Ähnliche Überlegungen beziehungsweise Initiativen scheint es auch bei anderen Berufsgenossenschaften schon zu geben, das wurde mir aber so detailliert nicht geschildert.

Vor diesem Hintergrund halten wir als CDU-Fraktion ein weiteres Gremium nicht nur für überflüssig, und da sind wir jetzt mittlerweile einer Auffassung, nach dem, was Sie hier eben gesagt haben, sondern eher für ein bürokratisches Hemmnis, das nur Steuergelder kostet, die bekanntlich mehr als knapp sind. Das haben Sie ja auch bestätigt.

Wir legen sowohl aus humanitären als auch aus volkswirtschaftlichen Gründen großen Wert darauf, dass Arbeit nicht krank macht, wie Sie das gesagt haben, um auch da aus Ihrer Anfrage noch einmal zu zitieren, meinen aber wie der Senat, dass dort, wo Defizite auf dem Feld Arbeitsschutz und -sicherheit bestehen sollten, die wir zurzeit nicht sehen, der bestehende Landesarbeitskreis die richtige Institution ist, um das Thema aufzugreifen. Wir als CDU werden das immer und engagiert unterstützen. — Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der CDU)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Hoch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Betriebliche Gesundheitsförderung hat den Ansatz, Konzepte der Krankheitsvermeidung und der Arbeitsgestaltung aufeinander zu beziehen. Damit sollen sich alle Maßnahmen an konkreten Problemen von Gesundheitsförderung und Überbeanspruchung am betrieblichen Alltag orientieren. Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz sind in einer modernen Dienstleistungsgesellschaft nicht nur Grundlagen der wirtschaftlichen Vernunft, sondern sie sind auch ein Gebot der sozialen Verantwortung, meine Damen und Herren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Der konkrete Auftrag, der sich aus dem Arbeitsschutzgesetz ergibt, ist die Beurteilung der Arbeitsbedingungen unter dem Gesichtspunkt der für die

Beschäftigten sich daraus ergebenden Gefahren. Die so genannte Gefährdungsanalyse umfasst dabei insbesondere die Festlegung und Bewertung der jeweiligen Risiken sowie Art und Umfang der möglichen Schädigungen. Dass es hier Defizite besonders in kleinen und mittleren Betrieben gibt, darauf hat Frau Ziegert schon hingewiesen.

Diese Ergebnisse sind zu dokumentieren. Der überwiegende Anteil unserer Betriebe und Verwaltungen hat, was die Umsetzung betrifft, hier noch erhebliche Probleme. Es sind bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr als 20 Prozent von Unternehmen, denen es gelungen ist, diesen Anforderungen gerecht zu werden, und das mehr als drei Jahre nach Einführung des Gesetzes. Formelle Vorgaben wurden vom damaligen Gesetzgeber allerdings nicht gemacht. Dies wurde mit den Freiräumen und notwendigen Handlungsspielräumen der Arbeitgeber begründet. Die Folge davon war zunächst einmal Verunsicherung.

Viele Unternehmen in der heutigen Zeit stehen vor wirtschaftlichen Veränderungen, Umstrukturierung, Entlassungen, Schließung von Abteilungen und ganzen Betrieben. Gesundheitsförderung scheint dem wirtschaftlichen Interesse nachgeordnet zu sein. Produktivität und betriebliche Gesundheitsförderung stehen sich angeblich gegenüber. Die Chance, positive Effekte auch für die Produktivität durch betriebliche Gesundheitsförderung zu erreichen, wird in aller Regel leider nicht gesehen. Umso mehr gilt der Grundsatz, gesunde Beschäftigte, gesundes Unternehmen. Dies muss wieder mit Leben erfüllt werden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Bei der betrieblichen Gesundheitsförderung geht es um eine Analyse, Bewertung und Gestaltung des Zusammenhangs zwischen Arbeitsbedingungen und Gesundheit. Gerade in den Zeiten der zunehmenden Globalisierung und einer Verschärfung internationaler Konkurrenzverhältnisse bilden krankheitsbedingte Fehlzeiten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einen nicht zu unterschätzenden Standort- und Wettbewerbsfaktor. Qualifizierte Gesundheitsförderung kann zur Bindung an das Unternehmen, zur Verringerung von Fehlzeiten, zum längerfristigen Erhalt der Arbeitskraft sowie zur Verhütung von Frühverrentung beitragen. Arbeit soll nicht länger krank machen, heißt es in der Einführung der Großen Anfrage zum betrieblichen Arbeitsschutz.

Dass Arbeit krank machen kann, ist, so glaube ich, unbestritten. Jedoch in den letzten Jahrzehnten ist es zu einer Verschiebung des Krankheitspanoramas gekommen. Die früher von hohen Krankenständen betroffenen Wirtschaftszweige wie Stahl, Kohle und Baugewerbe werden heute von Dienstleistungsbetrieben wie kommunalen Verwaltungen und Ver

kehrsbetrieben überholt. Neben physischen Beanspruchungen spielen psychische Belastungen eine immer bedeutendere Rolle. So können zum Beispiel die Erkrankungen im Rückenbereich neben körperlichen Einflüssen auch durch Stress, das heißt durch Anspannung und Hektik in der Arbeitswelt verursacht werden. Das hat wiederum zur Folge, dass ein wesentlicher Schwerpunkt auf der Humanisierung von Arbeitsbedingungen und dem Abbau von Belastungen liegen muss.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wertvolle Beiträge einzelner Arbeitskreise, Gesundheitszirkel oder Projektgruppen bleiben Insellösungen ohne dauerhafte und weitreichende Wirkung, wenn sie nicht Bestandteil einer Gesamtpolitik werden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Dies muss ebenfalls als Unternehmensziel erklärt und glaubhaft institutionalisiert werden. Gesundheitsförderung kann als Investition betrachtet werden, deren direkter und indirekter Nutzen sich auf mittlere und längere Sicht positiv auf das Betriebsklima auswirkt. Jedes Unternehmen sollte also daran interessiert sein, Kosten, die durch hohe Krankenstände, Fluktuation, verringerte Arbeitsleistung und Produktionsausfälle entstehen, zu verringern, ja, sie sogar zu verhindern. Das erste und wichtigste Anliegen jeder glaubwürdigen Gesundheitsförderung muss Wohlbefinden und Gesundheit der Beschäftigten sein.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Gesundheit darf sich allerdings nicht nur auf das Körperliche beschränken, sondern muss ebenfalls das psychische und soziale Wohlbefinden beinhalten. Beschädigte Identität oder länger anhaltende negative Gefühle wie Angst und Hilflosigkeit können sich bei längerer Dauer in einer körperlichen Erkrankung manifestieren. Doch das, meine Damen und Herren, hat auch viel mit der praktizierten Betriebsphilosophie zu tun. Persönliche Gesundheitspotentiale werden gestärkt durch Anerkennung und Förderung der fachlichen und sozialen Kompetenz. Das sind dann wieder Voraussetzungen für wirksames Arbeitshandeln und ein stabiles Selbstgefühl. Allgemein wird es mit dem Wort Betriebsklima beschrieben. Führungsstile und Führungssysteme der Betriebsleitung spielen dabei eine entscheidende Rolle.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Mobbing, innere Kündigung und das BurnoutSyndrom sind Indikatoren für ein krank machendes

Betriebsklima. Die in einem Unternehmen vorhandene Kultur spiegelt sich in der Art und Weise wider, wie die vorgegebenen Strukturen und Prozesse für die Mitarbeiter transparent gemacht werden und wie sie in Entscheidungen einbezogen werden.

Für die Praxis der Gesundheitsförderung im Unternehmen bedeutet dies, Gesundheitsförderung kann nicht nur top-down verordnet werden, sie muss auch immer vorgelebt und miterlebt werden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das hebt nicht nur den Stellenwert innerhalb des Betriebes, sondern hat auch eine positive Auswirkung für die Außenwirkung eines Betriebes.

(Abg. Z a c h a u [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Hebt auch die Stimmung!)

Ja, die Stimmung hebt es auch!

Da die verschiedenen Betriebe maßgeschneiderte Programme benötigen, gibt es hier keinen Königsweg. Den größten Erfolg versprechen Vorgehensweisen, die sowohl bei den Arbeitsbedingungen als auch bei den Beschäftigten ansetzen. Da Arbeitsschutz ein gesetzlicher Auftrag ist, muss auf der politischen Ebene dieser Prozess unbedingt mitgestaltet und gefördert werden, und hier sind wir gefragt, meine Damen und Herren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die zögerliche Antwort des Senats auf die Frage nach Netzwerken aller Beteiligten von Arbeits- und Gesundheitsschutz ist in diesem Zusammenhang für mich und für die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen nicht zu verstehen. Die Ergebnisse von Arbeitskreisen in anderen Städten sind sehr erfolgreich und zeigen Wege auf. Es reicht nicht aus, einen Arbeitskreis zu begrüßen und für sinnvoll zu erachten. Es muss klargestellt und unterstützt werden, wer Planung, wer Steuerung, wer Koordination und wer die Evaluation übernimmt. Für die neuen gesetzlichen Bestimmungen zum betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz hält es der Senat für erstrebenswert, Rahmenbedingungen zu schaffen und Kooperation zu ermöglichen, die alle Beteiligten des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zusammenführen.

Weiterhin wird in der Antwort die Meinung vertreten, dass sich eine Kooperation im Landesarbeitskreis für Gesundheitsförderung und Arbeitsschutz entwickeln lässt. Darüber hinaus kommt der Senat zu der Auffassung, dass es möglich ist, dass der Landesarbeitskreis eine neue Aufgabendefinition und ein neues Selbstverständnis entwickeln kann. Möglich ist vieles und denkbar auch.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich vermisse in den meisten Antworten des Senats eine klare Zielsetzung und eine Aufgabenstellung. Was ist gewollt? Ich habe dazu keine eindeutigen Antworten gefunden. Besonders unpräzise ist die Beurteilung des Senats der Arbeit eines zu bildenden Netzwerkes durch einen drittmittelgeförderten Modellversuch. Hier vertritt der Senat die Auffassung, dass ein Modellversuch die Bildung eines Netzwerks nicht verzögern dürfe, das klang vorhin schon einmal an. Die Zusammenarbeit könne auch ohne einen Modellversuch im Landesarbeitskreis weiterentwickelt werden. Hierzu sei es erforderlich, alle Beteiligten aktiv in die Arbeit einzubeziehen. Das macht immer Sinn, sage ich.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich sage noch einmal ganz deutlich, dass in der Beantwortung der Fragen auf die Anfrage zum betrieblichen Arbeitsschutz und zur Gesundheitsförderung klare Antworten und Zielsetzungen und eine eindeutige Aufgabenstellung fehlen. „Zurzeit wird überlegt“, „es ist möglich“, „man würde begrüßen“ und „man geht davon aus“, sind die häufigsten Formulierungen. Spontan fällt mir dazu ein Lied aus einem Fernsehprogramm ein, das ich früher immer mit meinen Kindern geschaut habe: Wer, wie, was, wieso, weshalb, warum.

(Abg. Z a c h a u [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Wer nicht fragt bleibt dumm!)

Ich wollte dies nicht weiter fortführen! In dieser Kindersendung wurden Fragen gestellt, aber dort gab es immer klare Antworten. Diese Antworten fehlen mir hier. Ich warte auf Ihre Antworten. — Vielen Dank, meine Damen und Herren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)