Protokoll der Sitzung vom 13.12.2007

Keine Ahnung, aber solange der Kaffee fair gehandelt ist, glaube ich, sind wir uns alle einig, dass wir ihn gern trinken mögen.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/ Die Grünen]: Fällt mir nur ein: billig!)

Ich will noch auf ein paar Punkte, die der Kollege Jägers angesprochen hat, eingehen. Gestatten Sie es mir, ich will mich auch kurz fassen! Ich habe den Eindruck, wir sollten schauen, dass wir hier die Debatte weniger ideologisch und auch mehr sachorientiert an den Themen führen.

(Zurufe)

Ich will es Ihnen ganz klar sagen: Ich habe vorhin auf den Zwischenruf des Kollegen Günthner, der jetzt nicht mehr da ist, dass wir dafür wären, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geschlagen würden, auch nicht reagiert, weil ich es für ziemlich unangemessen halte! Ich will Ihnen auch sagen, meiner Meinung nach können wir wirklich nicht auf dem Niveau diskutieren.

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Aber jetzt haben Sie es gerade getan!)

Ja, jetzt habe ich es nach dem Beitrag von Herrn Jägers getan. Jetzt gehe ich aber einmal auf das ein, was Herr Jägers selbst gesagt hat. Ich bin der Meinung, wenn man das Ziel hat, Handlungsspielräume, so wie Sie sich ausgedrückt haben, in dem Gesetz zu schaffen, dass das eigentlich gerade nicht Sinn eines Vergabegesetzes sein kann, sondern das Vergabegesetz soll gerade einen Rahmen für bestimmte Vergabeentscheidungen, in bestimmten Bereichen schaffen. Hier ist insbesondere der Baubereich wichtig, aber eben auch andere Themen. Ich glaube, das ist hier wirklich etwas, das nicht unser Ziel sein kann, das derartig willkürlich, unklar und schwammig zu formulieren, dass danach überhaupt nicht mehr klar ist, wer wann welchen Auftrag unter welchen Kriterien bekommen kann.

(Beifall bei der FDP)

Ich will noch eines sagen, weil auch das mir wirklich etwas sehr überladen schien. Herr Kollege Jägers, ich hoffe, dass auch Sie zur Kenntnis genommen haben, dass es sich in Deutschland um eine entwickelte Industrie- und Dienstleistungsnation handelt. Wir sind hier nicht irgendwo in der Dritten Welt, man kann hier nicht einfach Menschen für eine Schale Reis beschäftigen, und das will auch niemand, auch niemand in diesem Haus.

(Beifall bei der FDP)

Drittens: Ich würde Sie bitten, sich einmal zu entscheiden. Einerseits haben Sie hier im Grunde jedwede Form von unternehmerischer Betätigung als Profitmaximierung abgetan, andererseits haben Sie versucht, uns hier vorzugaukeln, Sie würden mit diesem Gesetz irgendetwas Sinnvolles für den Mittelstand auf den Weg bringen. Für mich ist in dem Gesetz

überhaupt nicht erkennbar, wo der Mittelstand darin vorkommt. Ich bin sehr dafür, dass wir einiges für die regionale Wirtschaft in unserem Land tun und unsere Vergaberichtlinien und Gesetze auch so gestalten, dass Mittelständler hier zum Zuge kommen können. Das will ich deutlich sagen, aber das ist in diesem Gesetz schlicht nicht enthalten, weil Sie viele Mittelständler finden werden, die nicht zu diesen tariflichen Regelungen anbieten werden und es auch nicht können, weil es einfach kleine und Kleinstbetriebe sind.

(Beifall bei der FDP)

Den Schluss Ihrer Ausführungen fand ich dann aber doch am bemerkenswertesten, weil er deutlich gemacht hat, worum es Ihnen im Grunde geht. Es geht nämlich eigentlich darum, dass Sie wollen, dass sich das Land Bremen in Ihr kleinliches Gewerkschaftshickhack, was Ihre Gewerkschaft, die Sie führen, mit den christlichen Gewerkschaften ausfechten will, einmischt. Das kann bitte nicht das Ziel Bremens und nicht das Ziel von Gesetzgebung sein, dass wir hier entscheiden, welcher Tarifvertrag der richtige und welcher besser und welcher schlechter ist.

(Beifall bei der FDP)

Ich bin sehr dafür, dass es da auch eine Vertragsfreiheit zwischen den Tarifpartnern gibt, aber Sie müssen eben auch akzeptieren, dass wir keine Einheitsgewerkschaft in Deutschland haben und auch andere Gewerkschaften existieren, die auch in der Lage sind, Tarifverträge abzuschließen. Es ist nicht unsere Aufgabe, hier als Gesetzgeber darin einzugreifen und zu entscheiden, was gut und was böse ist.

(Beifall bei der FDP – Glocke)

Herr Kollege Möllenstädt, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jägers?

Aber selbstverständlich!

Bitte, Herr Jägers!

Herr Möllenstädt, wir haben seit fünf Jahren ein Landesvergabegesetz, das in den Grundzügen dem entspricht, was jetzt vorgeschlagen wurde, und der Mittelstand hat fünf Jahre Landesvergabegesetz richtig gut überlebt. Wenn ich das zu Ende denke, was Sie da an die Wand malen, dann dürfte es den Mittelstand gar nicht mehr geben. Sind Sie bereit, zu Kenntnis zu nehmen, dass insbesondere die Mittelständler aus der Bauwirtschaft das Landesvergabegesetz in der vorliegenden Form ausdrücklich befürwortet haben und weiterhin befürworten?

Herr Kollege Jägers, ich habe in meinem Redebeitrag vorhin, glaube ich, sehr deutlich gemacht, dass es zwischen den Branchen ganz erhebliche Unterschiede gibt, und das bitte ich auch Sie dann zur Kenntnis zu nehmen. Ich glaube, dass man nicht von der Baubranche auf den Rest der Welt schließen kann.

(Beifall bei der FDP)

Im Übrigen würde ich Ihnen anraten, sich auch einmal die Mittelständler in der Baubranche ganz genau anzusehen und dann einmal mit dem mittelständischen Gewerbe in anderen Branchen zu vergleichen. Es geht gerade nicht darum, dass dieses Gesetz dem, was heute gilt, ähnlich ist, sondern Sie weiten es aus, offensichtlich ohne genügend Kenntnisse von anderen Wirtschaftsbranchen zu haben und ohne zu wissen, was Sie in anderen Wirtschaftsbranchen damit anrichten, weil Sie davon ausgehen, dass überall die gleiche Situation wie in der Baubranche vorherrscht. Ich kann Ihnen sagen, ich hätte eigentlich die Hoffnung, dass wir so etwas gar nicht bräuchten. In der Baubranche werden wir vielleicht sogar noch zueinander finden.

Ich glaube aber, dass es weit über das Ziel hinausschießt, was Sie hier vorlegen, und es ist eben gerade nicht so, dass es sich an dem auch von uns mitgetragenen Gesamtrahmen, der heute Gültigkeit hat, orientiert, sondern es ist eine massive Veränderung dieses Gesetzes, die Sie vorhaben, und dagegen wenden wir uns.

(Beifall bei der FDP – Abg. J ä g e r s [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage. – Glocke)

Wir können es nachher auch gern beim Kaffee diskutieren, finde ich. Nicht, dass es zu sehr dialogisch wird, wir haben ja auch noch die Anhörungen. Nehmen Sie es mir nicht übel, aber ich wollte gern noch ein paar Punkte abarbeiten, die Frau Kollegin Nitz gesagt hat, und sonst läuft mir hier auch die Zeit davon.

Frau Kollegin Nitz, ich weiß nicht, ob es an Ihnen vorübergegangen ist, aber die Haushaltssituation dieses Landes ist nicht die einfachste, und so, wie Sie gesprochen haben, kann man das Gefühl haben, es ginge hier darum, mit dem Füllhorn soziale Wohltaten zu verteilen. Ich glaube, in der Situation ist Bremen einfach nicht, und in der Situation können wir auch so nicht miteinander diskutieren. Das, was Sie hier gesagt haben, lässt doch die berechtigten Ansprüche derjenigen, die Steuern zahlen, außer Acht.

(Beifall bei der FDP)

Das halte ich wirklich für überhaupt keine Grundlage, vernünftig miteinander zu sprechen. Im Übri

gen will ich auch sagen, der Begriff der Menschenwürde – das ist etwas, da können wir uns sicher alle dahinterstellen – kann doch überhaupt nicht Bestandteil der Debatte hier sein. Sie unterstellen, hier würde jemand dafür eintreten, menschenunwürdige Arbeitsbedingungen zu fordern. Das lasse ich mir auch nicht unterstellen, und ich halte es auch wirklich für keine vernünftige Grundlage, wie wir hier miteinander diskutieren können, dass man elementare Regeln nicht einhält, und ich glaube auch, dass Sie das so nicht gemeint haben. Ich hoffe, dass Sie es an anderer Stelle noch einmal richtigstellen können. Ich halte es wirklich für keinen Umgang miteinander! Wir haben ein Interesse daran, ein vernünftiges Gesetz zu formulieren, und die Koalition hat es auch.

(Abg. Frau B ö s c h e n [SPD]: Aber Rea- lität muss man zur Kenntnis nehmen!)

Natürlich muss man Realität zur Kenntnis nehmen, und ich will auch überhaupt nicht bestreiten, dass es in anderen Teilen der Welt wirklich schwierige Arbeitsbedingungen gibt, aber ich glaube, dass wir in Deutschland doch ein im Schnitt relativ hohes Niveau haben. Dass es davon Ausnahmen gibt, will ich überhaupt nicht negieren, aber ich lasse mir nicht unterstellen, dass ich dafür bin und so etwas hier fordern oder vertreten würde, das will ich auch sehr deutlich sagen!

(Glocke)

Herr Kollege Möllenstädt, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Troedel?

Wenn es sich in enger Zeit lösen lässt, bitte!

Bitte, Frau Troedel!

Ich lade Sie nicht zum Kaffee ein. Wären Sie bereit, mit mir ein paar Arbeitsplätze zu besichtigen, damit Sie eine Vorstellung davon bekommen, was menschenunwürdig ist? Es gibt hier ein paar Callcenter, es gibt hier Arbeitsbereiche, ich will die Firmen jetzt nicht nennen, da werden auch Sie zugeben, dass es menschenunwürdig ist, a) wie die Menschen dort arbeiten, b) wie sie bezahlt werden und c) wie sie behandelt werden. Darum fand ich die Formulierung immer im Kontext, wenn es um soziale Gerechtigkeit geht, dass wir es anders nennen und nicht so, wie es der Realität entspricht, menschenunwürdig. Meine Frage zum Schluss: Wären Sie bereit, mit mir ein paar Betriebe zu besichtigen?

Frau Kollegin, Sie kennen mich, Sie wissen, wir machen das! Wenn Sie es

gern möchten, machen Sie einen Terminvorschlag, jederzeit gern! Ich will allerdings auch deutlich sagen, nehmen Sie auch zur Kenntnis, dass wir sehr viele Regulierungen haben, die in Deutschland einzuhalten sind, und auch da muss man schon einmal sehen, dass die Kirche im Dorf bleibt. Vielleicht ist auch Ihr Bild von Menschenunwürdigkeit ein anderes Bild als meines, ich will es nicht hoffen, aber einer Diskussion und einer Besichtigung von Arbeitsplätzen verschließe ich mich ganz bestimmt nicht! – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Bitte, Frau Kollegin Schön, Sie haben das Wort!

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehen Sie, das unterscheidet an der Stelle Rot-Grün von der CDU und der FDP: Wir wollen, dass wir Wettbewerbsbedingungen haben, bei denen die Unternehmen ihr Auskommen haben, aber die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen auch. Wir wollen nicht, dass sich ein Wettbewerb daran entwickelt: Wer zahlt die niedrigsten Löhne? Herr Möllenstädt, ich kann Ihnen da auch nicht folgen, dass Sie sagen, niedrige Löhne sind besser als Arbeitslosigkeit. Diese Frage stellt sich doch an der Stelle gar nicht! Wir wollen keine Abwärtsspirale, sondern wir wollen, dass Menschen anständig bezahlt werden und dass sich der Wettbewerb an dem Produkt orientiert und nicht daran, wer die niedrigsten Gehälter zahlt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wir sind bedauerlicherweise schon lange in dieser Abwärtsspirale, und unser Interesse ist, das zurückzuholen. Wir sehen doch, wir haben letztes Mal die Debatte um Mindestlöhne gehabt, dass wir mittlerweile ganz viele Arbeitsplätze haben, wo Arbeitslosengeld II oder Kosten zur Unterkunft zu den Gehältern zugezahlt werden, weil die Menschen von diesem Geld nicht mehr leben können. Wir wollen keine Situation, dass wir auf der einen Seite einen öffentlichen Auftrag an ein Unternehmen vergeben, das ganz niedrige Löhne zahlt und dann vermutlich auch noch nicht einmal aus Bremen ist, und wir andererseits den Menschen in Bremen hier Arbeitslosengeld II zahlen –

(Zuruf des Abg. F o c k e [CDU])

hören Sie einfach einmal zu, Herr Focke! – und wir in dem Moment in Wirklichkeit doppelt bezahlen. Wir zahlen den Auftrag, und wir zahlen die arbeitslosen Menschen oder die, die hier wenig verdienen, weil ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüpft.

sie einen niedrigen Lohn haben. In dem Moment zahlen wir doppelt, und es wird im Endeffekt sehr viel teurer, als wenn wir ein, ich sage einmal, niedrigpreisiges Unternehmen wählen. Diesen Unterschied verstehen Sie einfach nicht!

Für uns steht das Sozialstaatsgebot auch im Mittelpunkt, alle müssen davon leben können. Der Staat ist nicht für die Wirtschaft da, sondern der Staat ist für die Menschen da, und wir brauchen die Wirtschaft, damit die Menschen gut leben können. Nur so herum wird ein Schuh daraus!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)