werden als Koalition dafür sorgen, und ich möchte doch noch einmal dafür werben, dass wir das gemeinsam machen. Ich kenne Ihre Gründe im Einzelnen, aber sie könnten eigentlich zurückstehen gegenüber dem, was wir gemeinsam als politisches Signal zur Bewältigung der wirtschaftlichen Krise unseres Landes tun wollen. – Vielen Dank!
Herr Präsident, verehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute in zweiter Lesung über den Nachtragshaushalt, und viele der Dinge, die wir schon in der ersten Lesung kritisiert haben, haben sich mittlerweile nicht geändert. Ich will noch einmal kurz sagen, dass wir es in der Tat versäumt haben, zur Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses einen Antrag auf eine Erweiterung der Kreditermächtigung zu stellen. Wir haben versucht, den nachzureichen, damit er heute der Form halber vorliegt, wir hätten dafür nach Aussagen der Verwaltung noch einmal eine Sondersitzung des Haushalts- und Finanzausschusses beantragen müssen.
Wir haben darauf verzichtet, weil wir nicht damit rechnen, dass die Anträge hier angenommen werden. Ich werde mir sehr überlegen, ob ich diese Form von Entgegenkommen das nächste Mal zeige, wenn es auf eine Weise wie hier behandelt wird. Uns wird ein solches Versäumnis nicht wieder passieren, und das nächste Mal werden wir gegebenenfalls eine Sondersitzung beantragen. Das ist Punkt eins.
Punkt zwei: Wir haben uns selbstverständlich, so gut es in der Kürze der Zeit ging, mit den unterschiedlichen Dingen, die dort enthalten sind, auseinandergesetzt, und wir haben in der Tat Vorschläge gemacht, wenn man zu wenig Geld hat für die Stadtteile und für Stadtteilprojekte, dass man dann auf den Ausbau der botanika und auch auf das Polizeiboot verzichten kann. Wenn man diese Dinge aus anderen Mitteln, aus Haushaltmitteln, kaufen muss, wären wir dafür, aber die Priorität beim Konjunkturprogramm II liegt eindeutig auf einer sozialen Stärkung der Stadtteile, und ich werde das begründen.
Unsere Kritikpunkte vom letzten Mal bleiben. Unserer Meinung nach ist dieses Programm überhas––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
tet und im Wesentlichen hinter verschlossenen Türen entwickelt und beschlossen worden. Wir bemängeln die Intransparenz der Auswahlkriterien auf Landesebene. Wir wissen selbstverständlich, es gibt Rahmenbedingungen beim Bund. Die sind im Wesentlichen eingehalten, wobei ich bezüglich der Zusätzlichkeit des Polizeibootes nicht so ganz sicher bin, ob das wirklich eine zusätzliche Investition ist, wenn sie denn schon seit Langem dringend notwendig ist. Sei es drum! Auf jeden Fall ging es um die Auswahlkriterien auf Landesebene, die sind nach wie vor vergleichsweise unzugänglich, und ich halte es für wichtig: Wenn wir hier in diesem Parlament konstruktive Arbeit leisten und möglicherweise auch konstruktive Oppositionsarbeit, dann ist es selbstverständlich wichtig zu wissen, welche Projekte eigentlich beantragt worden sind, welche Projekte eigentlich auf der Liste standen, und ich hätte schon einmal ganz gern eine Debatte darum, ob es nicht innerhalb der jetzt beschlossenen Projekte Verschiebungen gegeben hätte. Das wäre übrigens auch sinnvoll gewesen, weil wir ja wiederum auch eine Anhörung gemacht und mit Vertreterinnen und Vertretern aus Stadtteilen gesprochen haben, und da haben wir Beispiele, dass eine Turnhalle energetisch saniert wird, aber die Duschen sind in einem Zustand, dass der Schimmel es dann dort warm hat, wenn man das energetisch saniert. Es sind mit Sicherheit eine Reihe von Beispielen und Projekten auf der Liste gewesen – da bin ich sicher –, die zielgerichteter und besser eingesetzt worden wären, wenn man die Beteiligungsmöglichkeiten für Stadtteile, Beiräte und Stadteilinitiativen erhöht hätte und wenn man diese Hast in der Weise nicht an den Tag gelegt hätte. Ich bin der Meinung, dass sowohl aus ökonomischer als auch aus energetischer beziehungsweise ökologischer und auch sozialer Sicht diese Projekte zielgerichteter und wirksamer hätten eingesetzt werden können.
Wir haben in der ersten Lesung angekündigt, dass wir Anträge auf drei Ebenen stellen werden. Zwei Ebenen sind genannt: Innerhalb des Konjunkturprogramms II und der Projekte wollten wir eine Verschiebung zugunsten der Projekte Soziale Stadt, zuungunsten des Polizei- beziehungsweise Feuerwehrboots und der botanika. Wir haben auch Projekte beantragt – das ist die zweite Ebene –, Landesmittel bereitzustellen für den Fall, dass die im Konjunkturprogramm II auf Bundesebene bereitgestellten Mittel zur Arbeitsmarktpolitik nicht von Privaten abgeschöpft werden, dort mit einem landespolitischen Programm sozusagen bei Fuß zu stehen, um dann einzugreifen, wenn diese Mittel ansonsten verpuffen würden. Außerdem beraubt man sich der Möglichkeit der Eigeninitiative, wenn man diese Mittel nicht zur Verfügung stellt. Wir haben deswegen Anträge gestellt, im Rahmen des Haushaltes dort Mittel zur Verfügung zu stellen, um diese anderen kozufinanzieren, und wir haben zusätz
liche Landesmittel in einem Gesamtvolumen von insgesamt 30 Millionen Euro beantragt, um neben der Finanzmarktkrise wie in der Wirtschaftskrise auch die soziale Krise unserer Stadt zu bekämpfen. Wir halten es für notwendig. Ich will da einmal ein Beispiel geben! So sinnvoll es ist, wenn in einem Kindergarten die Fenster saniert werden, weil die Fenster kaputt sind – dagegen kann ja keiner etwas haben, das spart Energie und wir haben eine nachhaltige Entwicklung auf diesem Sektor –, wissen wir auch, es gibt Kindergärten, da gehen die Kinder eben hungrig in den Kindergarten, weil sie zu Hause nicht genügend und vor allen Dingen nicht gesund ernährt werden, und da halten wir es für notwendig, neben der Energiesanierung der Fenster auch eine Möglichkeit zu schaffen, dass in den Kindertagesstätten ein pädagogisches Frühstück eingerichtet wird. Das kostet keine 30 Millionen Euro, das kostet in diesem Jahr ungefähr 700 000 Euro, und ich denke, das wäre im Rahmen dieses Nachtragshaushaltes möglich gewesen.
Ich will Ihnen auch nicht vorenthalten, warum wir der Meinung sind, dass es dringend notwendig ist, bestimmte Dinge durch Kredit zu finanzieren: Es gibt mittlerweile einen Bericht zu den Lebenslagen in Bremen, einen angekündigten Bericht über Armut und Reichtum in Bremen, und wir sind der Meinung, dass man diese Nachtragshaushaltsdebatte hätte nehmen können, um bestimmte Dinge zu ändern. Sie wissen, dass für ungefähr 133 000 bis 184 000 Bremerinnen und Bremer ein Armutsrisiko besteht. Sie wissen, 41 000 Männer und Frauen sind im März 2007 arbeitslos gewesen, davon ungefähr 19 000 langzeitarbeitslos. Sie wissen, die Zahl der Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter ist von 2003 bis heute um circa 126 Prozent gestiegen, das sind 8000 Beschäftigte, das sind Menschen, die leben unter Armutsrisiko. Sie wissen, Frauen verdienen in Bremen 24 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Sie wissen, Frauen sind an Teilzeitbeschäftigung zu 84 Prozent beteiligt, an Vollzeitbeschäftigung nur zu 34 Prozent. Sie wissen, dass 30 Prozent der Stadtbremer und 40 Prozent der Bremerhavener Kinder unter 15 Jahren von Sozialgeld leben. Sie wissen, junge Menschen zwischen 15 und 18 Jahren erhalten zu 23,9 Prozent Leistungen nach dem SGB II. Sie wissen, dass in Bremen der Anteil der Menschen ohne Abschluss einer allgemeinbildenden Schule so hoch ist wie nirgendwo sonst. Sie wissen, dass die Abiturquote in benachteiligten Stadteilen bei 18,1 Prozent liegt und in anderen Stadtteilen bei 54 Prozent. Sie wissen, dass die durchschnittliche Wohnfläche für SGB-II-Empfänger knapp die Hälfte von denen normaler Haushalte beträgt.
Nein, ich rede nicht ins Leere! Ich rede genau deswegen! Ich weiß, dass Sie als Zwischenrufverantwortlicher jetzt irgendwie eingreifen müssen, weil Sie das nicht hören wollen, aber ich lasse Sie da nicht heraus! Sie kennen das schon – –.
Bei denen gibt es das! Die setzen sich doch immer da vorn hin und sind dann Zwischenrufverantwortliche!
Die Liste der betroffenen Menschen: Sie wissen auch, dass die Lebenserwartung in bestimmten Stadtteilen deutlich niedriger ist als in anderen Stadtteilen. Das wissen Sie alles!
Weil diese Zahlen, diese Indikatoren nicht neu sind, weil die Arbeitnehmerkammer das schon oft gesagt hat, weil es ein Stadtteilmonitoring gegeben hat, haben wir vor diesem Hintergrund im letzten Jahr gesagt, wir brauchen einen Masterplan Armutsentwicklung.
Wir haben gesagt, wir brauchen möglicherweise neue Zahlen, aber wir brauchen endlich ein integriertes Programm, wie man diese Form von Armut bekämpft. Wir haben damals gesagt, dass man das durch einen Masterplan erreichen kann, damals haben Sie es abgelehnt.
Die Frage ist jetzt, wann man eigentlich mit Handlungen rechnen kann, wenn der Bericht jetzt endgültig im Herbst herausgekommen ist? Haben wir dann die Chance, innerhalb des Nachtragshaushaltes 2010/ 2011 zu reagieren? Heißt es dann nicht mehr Masterplan Armutsentwicklung, sondern beispielsweise Programm zur sozialen Integration, was wir begrüßen werden? Ich weiß es nicht, aber ich fordere Sie auf, zu handeln, und Sie haben mit diesem Nachtragshaushalt eine deutliche Chance vertan, dieser sozialen Krise der Stadt durch eine sehr angemessene Form von Krediterhöhung entgegenzuwirken.
Ich weiß, dass die Landesregierung mittlerweile in einer haushaltspolitischen Falle ist. Die Steuergeschenke der rot-grünen Bundesregierung und eigene Fehlspekulationen hinsichtlich einnahmewirksamer Investitionen haben auf der Einnahmenseite nichts gebracht. Das Konjunkturpaket I und das Konjunkturpaket II werden Auswirkungen auf die Ausgabenseite haben, sie werden den Haushalt zusätzlich belasten. Sie haben sich gegenüber der Föderalismusreformkommission verpflichtet, eine einschneidende reale Ausgabensenkung zu tätigen, und gleichzeitig wissen Sie – oder sagen es zumindest hier –, dass wir in unserer Stadt eine soziale Krise haben,
die sich selbst verstärkt. Glauben Sie im Ernst, dass man unter solchen Bedingungen in irgendeiner Weise wirksam Armut in Bremen bekämpfen kann? Wo soll denn das Geld herkommen? Sie sitzen in einer Falle, und Sie haben nicht den Mut, es zuzugeben! Hätten Sie den Mut, es zuzugeben, würden Sie öffentlich bekunden, dass 30 Millionen Euro für soziale Investitionen in dieser Stadt keineswegs herausgeschmissenes Geld wären, sondern mindestens so viel wert wären wie eine energetische Sanierung und wie eine wirtschaftliche Entwicklung, die man möglicherweise durch ein Konjunkturprogramm stärken kann.
Ich finde, es ist Zeit, so zu handeln! Möglicherweise irre ich mich, möglicherweise ist es so, dass Sie auf eine Weise im nächsten Haushalt ein Programm aus dem Hut zaubern, was in Bremen Armut wirklich bekämpft. Ich hoffe, ich irre mich. Ich würde mich über diesen Irrtum richtig freuen, zugunsten der sozialen Situation in dieser Stadt. – Vielen Dank!
Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, begrüße ich auf der Besuchertribüne recht herzlich Studentinnen und Studenten der Akademie der Wirtschaft aus Bremen. Seien auch Sie ganz herzlich willkommen!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Intransparent, unausgewogen und wenig nachhaltig, so hat mein Kollege Woltemath den Bremer Teil des Konjunkturpaketes II letzte Woche treffend zusammengefasst, und so sieht die Analyse auch heute noch aus.
Das kommunale Investitionsprogramm wurde in einem intransparenten Verfahren aufgestellt. Auch auf mehrfache Nachfrage, sowohl in Ausschüssen als auch hier im Parlament, wurden die angemeldeten Bedarfe verheimlicht.
In der gemeinsamen Sitzung der Bau- und Umweltdeputation hat Senator Dr. Loske dazu formuliert, die Zusammenstellung sei in einem „dynamisch-iterativen Prozess“ erfolgt. Hier haben nicht einmal mehr die üblichen Politikerphrasen gereicht, hier musste
(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Nein, es ist umgekehrt, ich habe ge- sagt, es ist transparent!)
Der Kollege Dr. Kuhn hat sowohl im Haushalts- und Finanzausschuss als auch heute versucht darzustellen, warum es nicht möglich sei, hier auf Transparenz zu setzen und wie Transparenz zu definieren sei. Überzeugt hat er niemanden, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Stück für Stück demontieren die Grünen ihre guten Vorsätze. In rasanter Geschwindigkeit haben sie sich von den Sozialdemokraten in eine schwammige und in alle Richtungen verformbare Partei verwandeln lassen, meine Damen und Herren.
Auch in den Ergänzungen der Beratungen des Haushalts- und Finanzausschusses am 13. März, also am vergangenen Freitag, wurde mehr schlecht als recht dargelegt, warum ein Vergleich der angemeldeten Projekte weder sinnvoll noch möglich sei. Im schlechtesten Beamtendeutsch fällt die Verwaltung in das alte Muster „das geht nicht“ zurück.
Hier muss noch einmal deutlich gesagt werden: Allein das Parlament entscheidet, welche Informationen es für seine Arbeit als nötig erachtet und welche nicht, meine Damen und Herren.
Die Kriterien, nach denen in Bremen die Mittelzuweisung stattfindet, wurden uns vergangenen Donnerstag vorgelegt, am Freitag fand die Abstimmung im Haushalts- und Finanzausschuss statt, dazu erübrigt sich beinahe jeder Kommentar.
(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Die Kriterien gibt es schon ganz lange! Sie haben von Tuten und Blasen keine Ahnung!)
Es bleibt nur der Verdacht, dass die Kriterien den Projekten angepasst wurden und nicht umgekehrt, Herr Dr. Güldner.