Protokoll der Sitzung vom 17.06.2009

Als Oppositionspartei hat Ihre Fraktion der damals regierenden Koalition wiederholt Filz- und Vetternwirtschaft bei der Besetzung von Spitzenämtern vorgeworfen. Heute, da die Grünen selbst an den Schalthebeln der Macht sitzen, sind die hehren Grundsätze von einst vergessen.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Ist Ihnen aufgefallen, dass fünf Fraktionen Frau Sokol vorgeschlagen ha- ben?)

Es kommt auf den Vorschlag an! Wer hat den Vorschlag gemacht? Jetzt versucht man, eine parteinahe Kandidatin auf einen lukrativen öffentlichen Posten zu hieven, obwohl diese Bewerberin nachweislich nicht die geeignetste Kandidatin für die ausgeschriebene Stelle ist.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das wissen Sie genau?)

Ja, das weiß ich, ich habe das nämlich nachgelesen.

Damit betreibt Ihre Partei die gleiche Vetternwirtschaft, die Sie jahrelang Rot-Schwarz vorgeworfen haben. Frau Sokol hat keinerlei Vorkenntnisse auf dem Gebiet Rechnungswesen und Rechnungsprüfung, das sollten Sie vielleicht einmal zur Kenntnis nehmen! Sie müsste deshalb bei Null anfangen und sich in diese komplexe Materie einarbeiten.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Waren Sie am Bewerbungsverfah- ren beteiligt?)

Bei einem Gehalt von 8100 Euro plus Ortszuschlag wäre Frau Sokol damit der am besten bezahlte Lehrling im Land Bremen.

Ganz anders der von mir vorgeschlagene Kandidat Prof. Dr. Müller. Er verfügt bereits über die erforderlichen Qualifikationen und Erfahrungen, um die wichtige Position des Landesrechnungshofpräsidenten ohne große Einarbeitung ausführen zu können. Herr Prof. Dr. Müller könnte deshalb sofort mit seiner Arbeit beginnen und dazu beitragen, die Wirtschaftlichkeit der öffentlichen Verwaltung in Bremen zu steigern und die finanzielle Lage des Landes zu verbessern.

Wer die Spitze des Landesrechnungshofs mit dem bestmöglichen Bewerber besetzen will, der muss sich für Herrn Prof. Dr. Müller und gegen Frau Sokol entscheiden. Ich darf Sie daher bitten, meinem Vorschlag zuzustimmen und Herrn Prof. Dr. Müller zum neuen Präsidenten des Bremer Rechnungshofs zu wählen. Ich beantrage geheime Abstimmung. – Vielen Dank!

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich war gebeten worden, als Vorsitzender des Rechnungsprüfungsausschusses Bericht zu erstatten. Ich will mich darauf auch in meinen Anmerkungen beschränken. Ich stelle fest, dass der Abgeordnete Timke von Anfang bis Ende in gar keiner Weise selbst an dem Verfahren teilgenommen hat. Er hat keine Kenntnisse über die Bewerberlage!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

In welcher Weise er direkt Kenntnisse über Unterlagen und sonstige Dinge bezüglich des Kandidaten, den er vorschlägt, hat, weiß ich nicht. Wir haben jedenfalls anhand der Unterlagen, die ich auch hier nach wie vor vertraulich behandeln werden, mit entschieden. Deswegen werde ich auch auf all die Dinge, die Sie hier in einer Art und Weise, wie ich es jedenfalls in einem Parlament noch nicht erlebt habe, gesagt haben, nicht eingehen.

Ich will nur noch einmal betonen: Die Tatsache, dass jemand auf Vorschlag einer Fraktion zur Landesbe

auftragen für Datenschutz gewählt wird, kann doch nicht bedeuten, dass dies Parteienfilz sei. Denn in einem Landtag kann nur eine Fraktion oder ein Vorstand gemeinsam einen Kandidaten vorschlagen. Es geht ja nicht anders! Die Tatsache, dass sie vorgeschlagen worden ist, hat mit ihrer politischen Richtung, die wir, wie bei allen anderen Kandidaten, in gar keiner Weise zum Gegenstand von Erörterungen gemacht haben, keine Rolle gespielt.

Was Sie behaupten, all diese Anwürfe, all diese Unterstellungen, haben in unserem Bewerbungsverfahren keine Rolle gespielt. Ich rate Ihnen, noch einmal die Ausschreibungsunterlagen durchzulesen! Das Anforderungsprofil, das wir gestellt haben, geht weit über eine enge fachliche Vorkenntnis und Eignung hinaus. Wir haben auf allgemeine Erfahrungen, allgemeine Fähigkeiten und Kenntnisse den größeren Wert gelegt, das ist auch richtig für diese Position des Landesrechnungshofs. Viele Menschen haben Volkswirtschafts- und Betriebswirtschaftslehre studiert und einmal einen Kurs belegt und gehalten. Sie sind deswegen noch lange nicht geeignet, den Rechnungshof der Freien Hansestadt Bremen zu leiten. Das war unser entscheidendes Argument! Ich bleibe dabei, Frau Sokol ist von ihrer Ausbildung, von ihrer Tätigkeit, von ihrer Erfahrung und von der anerkannten Arbeit, die sie gemacht hat, eine herausragende Persönlichkeit, der wir zutrauen, den Rechnungshof des Landes Bremen zu führen.

Es ist doch vollkommen klar, dass jede Person, die in ein neues Amt kommt, sich einarbeiten muss, sonst könnten wir gleich festlegen, dass sie nur aus dem Rechnungshof selbst kommt. Das wollen wir aber ausdrücklich nicht! Ich bitte Sie sehr herzlich, sich nicht von Anwürfen, Verdächtigungen, Unterstellungen, die hier gebracht werden, irritieren zu lassen und das einstimmige Votum des Ausschusses wie des Vorstandes der Bremischen Bürgerschaft hier in der Abstimmung zu wiederholen! – Vielen Dank!

(Beifall)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Timke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Dr. Kuhn, ich muss noch einmal kurz auf Ihre Äußerungen eingehen. Sie haben gesagt, ich hätte unter Umständen gar keine Kenntnis von den Bewerbern. Nun, das stimmt nicht. Die Bewerbung von Prof. Dr. Müller liegt mir vor.

(Lachen bei der SPD)

Frau Sokol kann man googeln, dann bekommt man genug Informationen über sie und ihre Tätigkeiten. Herr Dr. Kuhn, Sie haben nichts darüber gesagt, ob Frau Sokol eigentlich Erfahrungen im Rechnungswesen und Controlling hat. Sie haben immer nur

versucht, Herrn Professor Dr. Müller schlechtzureden, aber über Frau Sokol – –.

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Wenn hier ei- ner schlechtredet, dann sind Sie das!)

Sie haben in Ihrem ersten Beitrag gesagt, er erfülle die Voraussetzungen nicht, damit haben Sie ihn schlechtgeredet. Er erfüllt die Voraussetzungen! Wenn Sie sagen, dass Erfahrung in leitender Position eine Voraussetzung ist, die er nicht erfüllt, dann ist das nicht wahr, dann haben Sie seine Bewerbung nicht richtig gelesen.

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Herr Timke, Sie sind peinlich!)

Wenn Sie diese Sache weiterhin durch die Parteibrille betrachten, dann werde ich Ihnen das auch weiterhin vorwerfen. – Herzlichen Dank!

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Woltemath.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kollegen Abgeordnete! Ich habe dem Unterausschuss angehört, und wir haben uns dieser Aufgabe sehr ernsthaft, sehr ausführlich und sehr gewissenhaft gestellt. Deshalb weise ich den Vorwurf, dass dieser Vorschlag parteipolitisch bedingt wäre, zurück. Es können nicht fünf Fraktionen einen Vorschlag machen, und dann ist das ein Vorschlag der Grünen. interjection: (Beifall)

Herr Dr. Kuhn gehört den Grünen an und ist Vorsitzender des Rechnungsprüfungsausschusses, es hätte aber auch jemand von der CDU sein können, dann wäre es auch kein CDU-Vorschlag gewesen, sondern ein Vorschlag des Unterausschusses an den Rechnungsprüfungsausschuss, der dann an den Bürgerschaftsvorstand weitergegangen ist, und der Bürgerschaftsvorstand hat das übernommen. Ich warne noch einmal davor, jetzt eine Personaldebatte um diese beiden Personen zu führen. Denn das wird eine schiefe Debatte, die vor allen Dingen dem Amt nicht gerecht wird. Wir haben uns wirklich sehr große Mühe gemacht und über alle Fraktionsgrenzen hinweg sehr eng und sehr engagiert zusammengearbeitet. Wir haben uns da überhaupt keine parteipolitische Brille aufgesetzt, sondern haben das sehr gewissenhaft, an der Funktion und der Aufgabe orientiert, durchgeführt. Ich möchte noch einmal eindringlich davor warnen, deshalb habe ich mich auch zu Wort gemeldet, das jetzt im Vorhinein zu diskreditieren, das würde ich für völlig falsch halten. Deshalb weise ich diese Vorwürfe und Anschuldigungen noch einmal ganz entschieden zurück! (Beifall)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Beilken.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann mich dem anschließen und finde es auch wichtig, dass wir das hier in der Gemeinsamkeit dokumentieren. Ich fand es sehr erfreulich, dass wir im Ausschuss eine sachliche Atmosphäre hatten, dass wir uns auch sehr schnell geeinigt haben und dass wir auch gemeinsam in der Beurteilung waren, dass wir uns hier mit dieser Kandidatin in einer glücklichen Situation befinden. Deswegen geht es meines Erachtens überhaupt nicht, hier ein bisschen unlautere Polemik oder allerlei Verdächtigungen, die mich geradezu schockiert haben, allzu sehr in den Raum zu stellen. Wir dürfen das Amt nicht beschädigen, und wir tun gut daran, wenn wir uns auch gemeinsam soweit verständigen, dass wir auch diese Kandidatin nicht beschädigen, denn sie ist aus meiner Sicht ein Glücksfall für Bremen. Wir haben von Herrn Dr. Kuhn gehört, was wir an Qualifikationen zu erwarten haben, und ich freue mich auf die Zusammenarbeit, auf die Konflikte, aber auch – ähnlich wie ich es gehört habe – auf die konstruktiven Beiträge und auf die gute Führung dieses Rechnungshofs. – Danke schön!

(Beifall)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Kummer.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Timke, ich finde es schade, dass wir diese gute Arbeit des Unterausschusses des Rechnungsprüfungsausschusses jetzt durch so eine seltsame Personaldebatte kaputt reden. Das ist dem Amt wirklich nicht angemessen, Das finde ich nicht in Ordnung.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich will es jetzt dabei bewenden lassen, jeder kann sich zur Wahl stellen, deswegen heißt der Tagesordnungspunkt Wahl, und deswegen will ich jetzt auch diese Personaldebatte nicht in dieser Art und Weise fortsetzen. Herr Woltemath und Herr Beilken haben dankenswerterweise aus dem Unterausschuss berichtet. Ich möchte mich bei den Beteiligten aller fünf Fraktionen bedanken, dass das in so kollegialer, sachlicher und konstruktiver Art und Weise geschehen ist. Es war eine angenehme Zusammenarbeit. Ein Rechnungshof, eine Rechnungshofpräsidentin, braucht eine solche Art breiter Unterstützung, einen breiten Rückhalt des Parlaments, und deswegen freue ich mich, dass das im Unterausschuss so breit geschehen ist, dass der Vorstand einstimmig diesem Vor––––––– *) Vom Redner und von der Rednerin nicht überprüft.

schlag gefolgt ist. Ich bitte auch Sie, meine Damen und Herren, um die breite Unterstützung für den Personalvorschlag des Vorstands: Frau Sokol!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Röwekamp.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal finde ich es normal, dass wir im Vorfeld einer so bedeutenden Wahl hier im Parlament auch über Personalvorschläge diskutieren. Dass man nicht zwangsläufig mit 83 Abgeordneten immer auf den oder die gleiche Kandidatin kommt und die gleichen Erwägungen trifft, finde ich, ist normal. Gewundert hat mich allerdings die Art, Herr Timke, wie Sie diese Personaldebatte geführt haben, indem Sie nämlich eine Bewerberin hier im Plenum der Bürgerschaft hinsichtlich ihrer Qualifikationen angezweifelt haben. Das, finde ich, gehört sich nicht,

(Beifall)

selbst wenn man in der Personalauswahl zu einer anderen Entscheidung kommt, was ich Ihnen selbstverständlich wie jedem Parlamentarier hier zubillige, der an dem Verfahren teilgenommen hat.

Ich bin der festen Überzeugung, auch nach den Beratungen im Rechnungsprüfungsausschuss und im Vorstand der Bremischen Bürgerschaft, dass die vom Vorstand der Bremischen Bürgerschaft jetzt vorgeschlagene Bewerberin nicht nur die Anforderungen an die Ausschreibung – das ist ja nach den formalen Kriterien, die Sie angeführt haben, Eignung, Befähigung und Leistung – erfüllt, sie übererfüllt sie sogar, muss man feststellen. Das zweite Kriterium, das Sie ansprechen, ist die Frage: Ist Sie eigentlich in der Abwägungsentscheidung mit anderen Bewerberinnen und Bewerbern die richtige Kandidatin? Da muss man nicht nur darauf schauen, was für eine Ausbildung, sondern auch was für eine berufliche Erfahrung jemand hat.

Wir brauchen für die wichtige Funktion des Präsidenten des Rechnungshofs hier in Bremen keinen Bilanzbuchhalter – ich will das einmal so deutlich sagen –, sondern wir brauchen jemanden mit einer langjährigen intensiven Erfahrung auch in der Leitung einer Behörde, jemanden, der vom öffentlichen Haushalt Ahnung hat, nicht nur vom Rechnungswesen, jemand, der sich in der Verwaltung auskennt und auch in der Lage ist, schwierige Verwaltungs- und Entscheidungsprozesse sachgerecht zu beurteilen.Nach meiner festen Überzeugung und nach der Bewerberlage erfüllt die vom Vorstand der Bremischen Bürgerschaft vorgeschlagene Bewerberin diese Anforderungen in einer ganz beeindruckenden Weise.

Ich will am Ende noch sagen, Herr Timke, dass das, was Sie hier versucht haben, vielleicht politisch legitim ist, nämlich eine Bewerberin in eine parteipolitische Ecke zu stellen. Ich glaube allerdings, dass das in der Frage der Qualifikation einer Bewerberin überhaupt keine Rolle spielen darf, von wem sie wann und wo einmal in welche Aufgabe gewählt worden ist.

(Beifall)

Wir sind in der Vergangenheit hier im Parlament mit den Funktionen im Rechnungshof insgesamt, nicht nur mit der Funktion des Präsidenten des Rechnungshofs, immer sehr verantwortungsbewusst und konsensual vorgegangen, und es hat auch schon immer – auch in der Vergangenheit – Vorschläge für die Zugehörigkeit zum Rechnungshof gegeben, bei dem man mit gutem Recht hätte sagen können, dass die einmal in einem CDU-Ressort Staatsrat oder bei der SPD in einem Ressort dies oder das gewesen sind. Es hat in solchen Funktionen selbstverständlich immer auch eine Nähe zur ministeriellen Tätigkeit gegeben, aber ich möchte davor warnen, dass wir, nur weil jemand irgendwo einmal eine politische Mehrheit gehabt hat, diese Person mit einem Berufsverbot belegen, das kann nicht Aufgabe dieses Parlaments sein. – Vielen Dank!

(Beifall)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.