Protokoll der Sitzung vom 19.11.2009

(Zuruf der Abg. Frau B ö s c h e n [SPD])

Nehmen wir die Frage nach den Studienzeiten, Frau Böschen! Hier wäre es sehr hilfreich, erste Erfahrungswerte darüber zu bekommen, ob die Regelstudienzeit der Bachelor-Absolventen eingehalten oder weit überschritten wird. Dass bei einer teilweise nur halb so langen Regelstudienzeit verglichen mit Diplomstudiengängen die tatsächliche Studienzeit auch kürzer ist, verwundert nun nicht. Aber die wichtige Frage, ob der Zeitrahmen für das Bachelor-Studium ausreichend ist, was auch Rückschlüsse auf die Arbeitsbelastungen zuließe, wird leider nicht einmal angeschnitten.

Bei der Frage nach den Chancen für Bachelor-Absolventen auf dem Arbeitsmarkt hat es der Senat leider verschlafen, zumindest einen Hinweis auf eine durchaus fundierte Studie der Universität Kassel zu genau diesem Thema aufzunehmen. Dass diese vom Bundesministerium für Bildung und Forschung bereits zwei Wochen vor der uns vorliegenden Antwort vorgestellt wurde, ist dem Senat vermutlich durchgerutscht.

Beunruhigend ist aus liberaler Sicht die Tendenz, die sowohl die Große Anfrage als auch den Koalitionsvertrag durchzieht. Offenbar trauen weder CDU – obwohl Frau Allers vorhin doch ein wenig eingelenkt hat – noch die Koalition den Hochschulen Kompetenz zu, wichtige Fragen selbst zu stellen und selbst zu beantworten. Nicht die Bürgerschaft und die senatorische Verwaltung können am besten darüber entscheiden, wie Studiengänge aussehen sollten, sondern die Hochschulen zusammen mit ihren Studierenden.

(Beifall bei der FDP)

Wir müssen uns nicht darum kümmern, welche Themen in den Vorlesungen behandelt werden, wir müssen auch nicht festschreiben, wie viele Semester Regelstudienzeit richtig sind. Wir müssen uns auch nicht darum kümmern, ob ein Professor vier, sechs oder zehn Semesterwochenstunden unterrichtet. Wir müssen den Hochschulen finanziell und rechtlich die Freiräume einräumen, die sie brauchen, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der FDP)

Bologna ist flexibler, als von vielen heute behauptet wird, und die Hochschulen haben ihre Erfahrungen gemacht, die sie jetzt für Veränderungen nutzen können und werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, uns steht in wenigen Monaten die Debatte über das neue Hochschul

gesetz bevor. Ich befürchte, hier im Hause ist noch nicht das notwendige Bewusstsein dafür vorhanden, dass die Hochschulen ihre Arbeit am besten eigenverantwortlich regeln können.

(Beifall bei der FDP)

Was präsentiert uns die Koalition stattdessen? Einen halbgaren Dringlichkeitsantrag,

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Einen halb was?)

so offenkundig populistisch, kurzfristige Sympathie erheischend, dass es schon ein wenig peinlich ist! Auf den ersten Blick sind die Forderungen, die dort formuliert werden, zwar sinnvoll, wer näher hinschaut, entdeckt aber, dass hier mit heißer Nadel gestrickt worden ist.

(Abg. Frau B ö s c h e n [SPD]: Besser als mit gar keiner!)

Wenn Sie wirklich die Hochschulen bei der Nachjustierung, Frau Böschen, ich betone Nach- und nicht Neujustierung, der Studiengänge unterstützen wollen, dann geben Sie ihnen ausreichende Mittel! Dass mitten in der Umstellungsphase, die besonders schwierig war, der HGP V mit seinen existenzbedrohenden Kürzungen beschlossen wurde, war nicht unbedingt hilfreich. Wenn der Senat jetzt in Details der Studiengangplanung eingreifen soll, wird hier nur Schaden verursacht. Lassen Sie die Hochschulen los, meine Damen und Herren! Dieser Drang, überall hineinregieren zu wollen, hilft nur Ihrem Ego, unseren Hochschulen aber sicherlich nicht.

(Beifall bei der FDP – Abg. Frau B u s c h [SPD]: Haben Sie eigentlich Ahnung von dem, was Sie da sagen? – Abg. G ü n t h - n e r [SPD]: Sie können so schön vorlesen!)

Abschließend – Frau Busch, hören Sie bitte auch zu! – noch zu den Anträgen von CDU und der LINKEN, Sie springen noch so gerade eben mit auf den fahrenden Zug auf, um auf der Welle der Sympathie mitsurfen zu können. Der CDU-Antrag ist nicht wirklich verkehrt, aber doch größtenteils überflüssig, ohne den Mut, sich auch finanziell klar zu positionieren. Wir werden uns bei Ihrem Antrag enthalten. Zum Antrag der LINKEN haben Sie, Frau Allers, Frau Schön, alles gesagt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der FDP)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe

mich in erster Linie noch einmal gemeldet, weil ich bei der Rede von Herrn Beilken ziemlich fassungslos war, allerdings glaube ich auch, dass ich Herrn Ella noch einmal unseren Antrag erklären muss, den er, glaube ich, noch nicht so richtig verstanden hat.

Herr Beilken, ich würde es gut finden, wenn Sie die Realitäten in Bremen anerkennen würden, und nicht einfach sagen, hier ist Land unter! Die Hochschulen haben im Ausschuss deutlich gemacht, dass sie gut aufgestellt sind, und das ist doch bundesweit anerkannt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der CDU)

Wenn doch der Stifterverband sagt, sie gehören zu den Besten zusammen mit Berlin und Brandenburg, dann machen sie doch nicht irgendetwas schlecht, sondern sie machen ganz viel gut. Wenn Herr Müller, der Hochschulrektor, für einen Preis nominiert wird, dann zeigt das doch auch, dass er etwas gut macht und nicht Land unter ist, und wenn die Studierenden in Bremen nicht streiken, dann zeigt das doch auch, dass in Bremen offenbar einiges gut läuft. Wobei ich gleich sagen will, es ist gut, dass bundesweit so viele Studierende streiken, um auf dieses Problem aufmerksam zu machen, das wir lösen müssen und das wir auch lösen wollen. Darum geht es auch in dem Antrag, im Antrag geht es nicht darum, den Hochschulen vorzuschreiben, was sie tun sollen, wenn Sie ihn gelesen hätten, dann hätten Sie gelesen, darin steht, dass der Senat die Hochschulen bei dem Umstellungsprozess unterstützen soll, denn die Rektoren haben uns auch gesagt, dass sie ganz viele Nachbesserungen wollen.

Dass es aber manchmal auch an den einzelnen Hochschullehrern scheitert, die ein großes Anliegen haben, ihre gesamte Fachfülle in dem Fach unterzubringen, weil sie ansonsten einen Bedeutungsverlust ihres Faches befürchten, muss man auch ehrlicherweise sagen. Da muss man sowohl den Hochschullehrern die Ängste nehmen, dass es keinen Bedeutungsverlust gibt, aber dass es im Sinne dessen, was Studierende später an Kompetenz brauchen, vielleicht in der Tiefe auch nicht unbedingt sinnvoll sein muss. Auf diesem Weg wollen wir die Hochschulen unterstützen, da mutig zu sein. Eigentlich geht es darum zu sagen, ja, wir teilen eure Bedenken, und ihr habt uns an eurer Seite, und da geht es an dieser Stelle nicht um Vorschriften. In dem Sinne ist der Antrag zu verstehen, und das hätten Sie auch so lesen können, wenn Sie ihn richtig gelesen hätten.

(Beifall bei der SPD)

Zu Herrn Beilken noch einmal: Er kommt gleich noch einmal, vielleicht erfährt man dann auch noch einmal genauer, was er will, das ist mir vorhin auch nicht so deutlich geworden. Er sagt dann, unser Antrag

ist irgendwie nicht sinnvoll und irgendwie auch nur so ein Schauantrag. Herr Beilken, wenn tatsächlich, wie das so vorgesehen war, die Debatte morgen Vormittag gekommen wäre, hätten Sie zu dem Zeitpunkt überhaupt noch gar keinen Antrag zustande gebracht, der ist doch erst gestern Abend gekommen. Daher finde ich, Sie hätten dann einfach bei solchen Vorwürfen selbst ein bisschen früher aufstehen müssen und müssten hier einmal anerkennen, dass wir handeln. Wir haben das genau zu einem Zeitpunkt zur Grundlage in Wissenschaftsausschuss gemacht, zu dem die Debatte anstand, in der die Hochschulen uns auch klar erklären konnten, wo die Probleme liegen.

Dann zu Ihrem Punkt der Fachtiefe! Ich kritisiere hier die Fachtiefe, und der erziehungswissenschaftliche Student, den Sie zitiert haben, sagt: Ich lerne gar nicht genug. Ich will Ihnen einmal sagen, es ist überhaupt kein Widerspruch zu dem, was wir gesagt haben. Wir haben gesagt, wir brauchen vielleicht an bestimmten Punkten nicht so die Fachtiefe, wir brauchen Schlüsselkompetenzen, fachübergreifende Kompetenzen. Wir haben aber auch ganz klar gesagt, vielleicht muss man auch darüber nachdenken, ob das Bachelor-Studium zwingend sechs Semester haben muss, oder ob es, weil so viele nach dem Bachelor abgehen, möglicherweise sieben Semester sein können. Das hätten Sie alles mitbekommen können, wenn Sie mir vorher zugehört hätten.

Dann zu dem Punkt, der mich dann auch richtig aufregt: Diese rot-grüne Koalition macht alles billig, billig, billig! Sie interessiert sich nicht für Bildung. Dazu möchte ich Ihnen sagen, dass wir 7,5 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich in den Wissenschaftsbereich geben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das hat die rot-grüne Koalition in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart. Dazu stehen wir! Das machen wir, und das wird im neuen Haushalt auch wieder so kommen. Dann haben wir auch, das hat die Senatorin beim Hochschulpakt gut verhandelt, es kommt viel Geld nach Bremen, auch das ist gut für Bremen, alles richtig gemacht.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das bekommt er gar nicht mit!)

Wofür wir aber hier in Bremen nichts können, ist das, was auf der Bundesebene passiert. Wir Grünen waren immer der Auffassung, dass Bildung, insbesondere Hochschulbildung, wissenschaftliche Bildung gesamtstaatliche Aufgabe ist und nicht in erster Linie Länderaufgabe. Es kann doch nicht sein, dass es einen Bologna-Prozess gibt, in dem sich die europäischen Bildungsminister auf einen gemeinsamen Hochschulraum verständigen, und in der Föderalismusreform I wird entschieden: Es ist Länderangelegen

heit. Nein, hier darf der Bund die Länder nicht allein lassen, weder Bremen noch die anderen Länder!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das, was die schwarz-gelbe Koalition in Berlin verabschiedet hat, deutet nicht darauf hin, dass sie Verantwortung für gute Bildung in Deutschland wahrnehmen will, dass sie da etwas umsetzen möchte. Da liegen die Probleme! Es kann nicht sein, dass Bremen, was ja auch der Fall ist, für die Republik ausbildet. Wir sind praktisch Studierenden-Importland, während CDU-regierte Länder wie Baden-Württemberg oder Niedersachsen ihre Studierenden in andere Länder, wie zum Beispiel Bremen, exportieren und sich der Kosten entledigen. Wir machen hier ganz viel. Wir geben ganz viel Geld hinein.

Das Hauptproblem liegt auf der Bundesebene. Dorthin sollten Sie Ihre Kritik wenden: Dass diese schwarzgelbe Koalition ihre Verantwortung wahrnimmt und mehr Geld auf dieser Ebene für gute Bildung bereitstellt! Dann hätten wir gerade das, was auch die Studienfinanzierung angeht: Da liegt die Herausforderung! Darauf hat Frau Böschen schon hingewiesen: Es geht nicht einfach um Stipendienprogramme, von denen dann wieder die sehr bildungsnahen Schichten profitieren, sondern es geht darum, dass alle begabten Menschen auch aus bildungsbenachteiligten Elternhäusern profitieren. Ich würde mir doch bei Ihnen, Herr Beilken, ein bisschen mehr Schärfe in der politischen Analyse wünschen,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. D r. G ü l d n e r [Bünd- nis 90/Die Grünen]: Vielleicht viel mehr?)

dass Sie da auch die Forderung an die Adressaten stellen, die es dann auch tatsächlich betrifft. – Herzlichen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Beilken.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das ist ausgezeichnet, Frau Schön, ich stimme Ihnen zu, natürlich wollen wir auf der Bundesebene die entsprechenden Forderungen stellen. Seitdem die Sozialdemokraten jetzt auch in der Opposition sind, wird es uns vielleicht gelingen, diese Forderungen deutlich hörbar zu machen. Wir merken das schon beim Mindestlohn, die Neigung, ordentlich aufzutrumpfen, wird insgesamt größer, und wir sind als Opposition hier Gott sei Dank jetzt mit ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Ihnen als Verstärkung dabei, diese Dinge bundesweit einzufordern. Machen Sie das auch mit Ihrer rot-grünen Mehrheit hier im Hause, treten Sie entsprechend auf! Sagen Sie das auf der Bundesebene! Machen Sie nicht immer die Sparkommissare, die sagen: Ja, wir sparen noch mehr in Bremen, wir sind die besten Sparer, und die Grünen sowieso noch am meisten, und wir sparen auch noch ein bisschen mehr, und das versprechen wir. So gehen Sie doch hier aus Bremen nach Berlin, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der LINKEN – Abg. D r. G ü l d - n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Wer zahlt denn die Zinsen? Das haben Sie auch nicht begriffen! Die zahlt dann wohl der Weih- nachtsmann, oder was?)

Das ist so! Das ist Ihr Duktus, wenn Sie nach Berlin gehen.

Die andere Seite ist, dass Sie auch einmal fordern, die Steuern nicht weiter zu senken, sondern auch an der entsprechenden Stelle zu erhöhen. Haben Sie schon der Vermögenssteuer zugestimmt? Die Sozialdemokraten haben es mittlerweile geschafft. Wann sind die Grünen auch soweit? Dann haben wir eigentlich auch eine Mehrheit auf der Bundesebene für die Vermögenssteuer. Da gibt es verschiedene Bereiche, aber Sie arbeiten noch daran. Die Wählerinnen und Wähler werden Ihnen vielleicht auch den Weg in diese Richtung noch zeigen.

(Abg. W o l t e m a t h [FDP]: Reden Sie doch einmal zur Bildung!)

Wir haben hier von der FDP, wo wir gerade bei Finanzen sind, dankenswerterweise den Hinweis, andere haben zugestimmt, der Hochschulentwicklungsplan V war nicht hilfreich. Das kann man wohl sagen! Jeder, der mit den Hochschulen einigermaßen vertraut ist, hört das und nimmt das auch ernst. Es hilft da nicht, verehrte Frau Schön, wenn Sie den Hochschulen immer wieder danken. Dieser Dank ist höchst verdächtig und, ich muss sagen, für jemanden, der sich auskennt, auch scheinheilig: Immer wieder einen schönen Dank, den sie schaffen.

Wir hören von den Hochschulen, dass sie von der Substanz zehren, meine Damen und Herren, nehmen Sie das zur Kenntnis!