Protokoll der Sitzung vom 27.01.2011

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Erneuerbare-Energien-Gesetz muss in jetziger Form erhalten bleiben

Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD vom 25. Januar 2011 (Drucksache 17/1629)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Dr. Loske.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Schaefer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir legen Ihnen heute einen Antrag vor, der das Ziel hat, dass Erneuerbare-Energien-Gesetz, kurz EEG, in seiner jetzigen Form zu erhalten. Was ist der Hintergrund für diesen Antrag?

Der EU-Energiekommissar, Herr Günther Oettinger, hat für Februar eine Initiative angekündigt, die zu einer europaweiten Harmonisierung der Einspeisevergütungsregelung führen soll. Europaweite Harmonisierung klingt erst einmal nett, vielversprechend. Wer wünscht sich keine Harmonie, Herr Strohmann? In diesem konkreten Fall sind wir aber absolut gegen diese Harmonisierung. Um unsere Haltung zu verstehen, möchte ich kurz erklären, wie bei uns in Deutschland die Einspeisevergütung geregelt ist.

Das deutsche EEG beziehungsweise die deutsche Einspeisevergütung setzt anders als Zertifikatssysteme verschiedene Einspeisetarife für bestimmte Energietechnologien wie zum Beispiel für die erneuerbaren Energien fest. Das heißt, den Erzeugern von regenerativ erzeugtem Strom wird für die Einspeisung dieses Stroms ein fixer, vom Gesetzgeber garantierter Mindestpreis gezahlt. Bei den Zertifikatsystemen hingegen werden die Produzenten, Verkäufer oder Endverbraucher von Strom verpflichtet, einen bestimmten Anteil ihres ganzen Stromportfolios aus erneuerbar erzeugter Elektrizität zu decken. Diese Verpflichtung können sie durch die eigene regenerative Stromerzeugung oder aber auch durch den Kauf entsprechender Zertifikate von anderen Erzeugern grünen Stroms erfüllen.

Das System der Einspeisevergütung hat die heimischen Unternehmen unterstützt – das muss man ganz klar sagen – und hierzulande Arbeitsplätze geschaffen. Deutschland hat in vielen Bereichen und gerade in der Ökostromproduktion die Technologieführerschaft erreicht. Gerade wir hier in Bremen, meine Damen und Herren, profitieren davon als einer der führenden Windenergiestandorte. Wind

energie in Bremen und Bremerhaven steht nicht nur für eine klimafreundliche Ausrichtung der Energieproduktion, sondern bedeutet auch viele dringend notwendige Arbeitsplätze.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Windkraft ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in unserer Region.

Was wäre jetzt die Konsequenz aus der von Herrn Oettinger angekündigten Harmonisierung? Durch eine Harmonisierung der Förderung von erneuerbaren Energien in der ganzen EU würden der Vorrang für erneuerbare Energien beim Netzzugang abgeschafft und die dezentrale Förderung, die wir wollen, behindert. Die Vorteile der dezentralen Energieproduktion liegen auf der Hand. Die Netzkapazitäten müssen nicht über Tausende von Kilometern ausgebaut werden. Vor allem sichern wir uns damit eine Energieautonomie und machen uns nicht zwangsläufig von anderen Staaten abhängig, und wir sichern hier vor Ort die Arbeitsplätze.

Die Harmonisierung würde, ehrlich gesagt, nur die großen Stromkonzerne fördern. Für diesen Standort hier im Land Bremen wäre die Harmonisierung kontraproduktiv, da durch sie eine Reduktion der Einspeisevergütung zu erwarten wäre. Dies würde zwangsläufig mit Arbeitsplätzen verbunden werden. Erneuerbare Energien, zum Beispiel Photovoltaik, würden nach Herrn Oettinger nur noch da produziert werden, wo es sich so richtig lohnt, wo viel Sonne scheint, Südfrankreich, Spanien et cetera. Dies bremst den Ausbau der Solarenergie in allen anderen europäischen Ländern aus. Wenn Windenergie, Offshoreenergie nur noch im Atlantik an der französischen Küste gefördert werden würde, dann bremst das entsprechend hier den Ausbau der Windenergie aus mit fatalen Folgen für den Windkraftstandort Bremen und Bremerhaven.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das Europäische Parlament lehnt diese Pläne zur Harmonisierung der Einspeisevergütung in einer Stellungnahme ab. Ich weiß, dass der Bundesumweltminister Herr Röttgen die Befürchtungen, die ich gerade vorgetragen habe, auch teilt und Herrn Oettingers Vorstoß genauso kritisch sieht. Einzig der FDPBundeswirtschaftsminister hat eine andere Haltung, sodass es hier in Deutschland so ist, dass die deutsche Regierung noch zu keiner eindeutigen öffentlichen Meinung gekommen ist. Wer sich den Artikel in der „Welt“ am 26. Januar angesehen hat, wird sehen, dass auch der Bundesverband Erneuerbare Energien sich gegen dieses europaweit einheitliche Fördersystem ausgesprochen hat.

Wir alle hier im Land Bremen, meine Damen und Herren, können uns nicht leisten, dass Herrn Oettingers Vorstoß die hiesigen Arbeitsplätze in der Wind

energie gefährdet. Daher fordern wir den Senat auf, sich auf Bundes- und Europaebene dafür einzusetzen, dass eine Harmonisierung zulasten des deutschen EEG unterbleibt. Aus diesem Grund bitte ich Sie, unseren Antrag zu unterstützen. – Herzlichen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dennhardt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Meine Kollegin Frau Dr. Schaefer hat es schon gesagt: Der EU-Energiekommissar Herr Oettinger, CDU, versucht anlässlich des EU-Energiegipfels Anfang Februar 2011 eine Harmonisierung der Einspeisevergütung auf EU-Ebene. Die Vorschläge reichen dabei von der Vereinheitlichung der Einspeisevergütungssätze bis hin zum Zertifikatshandel. Meine Kollegin hat es auch schon gesagt: Der Bundesumweltminister Röttgen, ebenfalls CDU, hat dazu gesagt, das wäre eine Kampfansage an die deutsche Energiepolitik, und damit hat er recht. Die Bundesregierung als Ganze ist jedoch noch offen, meine Kollegin hat hier auf die FDP-Position aufmerksam gemacht.

E.ON, EnBW, RWE und Vattenfall betreiben derzeit intensive Lobbypolitik gegen das ErneuerbareEnergien-Gesetz, EEG. Das EEG ist jedoch weltweit ein Vorbild, das weltweit nachgeahmt und kopiert worden ist. Frau Dr. Schaefer hat auch deutlich gemacht, dass es positive Auswirkungen vor Ort hat, nicht nur für die Umwelt, sondern gerade auch für die Wirtschaft und die Struktur der Energiewirtschaft, denn es fördert dezentrale Energieerzeugung und den Mittelstand, und das gerade auch in unserer Region.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wenn Sie sich die Diskussion ansehen, die hier gerade geführt wird, was glauben Sie, was herauskommt? Die CDU versucht hier mit einer kuriosen Rollenverteilung abzulenken. Erinnern Sie sich an die Diskussion um die Laufzeitverlängerung? Wenn es darauf ankommt, ist Bundesumweltminister Röttgen nicht dabei. Anschließend plappert er das Ergebnis der von Bundeskanzlerin Merkel ausgehandelten Lobbypolitik nach. Zu erwarten sind ein Versuch zur Absenkung der Einspeisevergütung, ein Versuch zur Einschränkung des Einspeisevorrangs und damit ein Angriff auf die Erfolgsgeschichte der Windenergie in Bremen und Bremerhaven.

Diese Bundesregierung ist kein Garant der erneuerbaren Energien – das zeigt sie immer wieder – und damit auch nicht der wirtschaftlichen Entwicklung unserer beiden Städte und der Metropolregion Bremen–Oldenburg. Dies muss der rot-grüne Senat daher mit uns gemeinsam genau im Blick behalten und das Thema aus den Hinterzimmern von CDU und Kanzlerin herausholen. Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Antrag! – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rupp.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Vorredner haben es gesagt, das Energieeinspeisegesetz ist ein Gesetz zur Marktregulierung in einer sehr positiven Art und Weise. Es hat dafür gesorgt, dass die notwendigen Mittel zusammenkommen, um regenerative Energien zu entwickeln, es hat dafür gesorgt, dass marktfähige Produkte entwickelt wurden, und es hat dazu geführt, dass in einem ausgesprochen positiven Bereich, nämlich dem Bereich der regenerativen Energien, Arbeitsplätze in einer Weise geschaffen werden, wo das in anderen Bereichen nicht mehr der Fall ist, auch wenn an dieser Stelle erlaubt ist zu bemerken, dass man bei der Frage der Qualität dieser Arbeitsplätze an der einen oder anderen Stelle deutlich nachlegen muss. Das steht jetzt aber nicht zur Debatte.

Zur Debatte steht, dass es Leute gibt, die dieses Gesetz harmonisieren wollen, mit anderen Worten: Sie wollen die positive Wirkung dieses Gesetzes, die hier auch schon genannt worden ist, nämlich die Möglichkeit, Geld zu haben, um regenerative Energien zu entwickeln, sie auf den Markt einzuführen und auch zu benutzen, einschränken. Die interessante Frage ist: Warum eigentlich? Wenn man das im Kontext sieht, sind es zwei Dinge: Auf der einen Seite hat die Bundesregierung die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke beschlossen und damit sichergestellt, dass die großen Energiekonzerne RWE, E.ON und EnBW und andere ihre Meiler auf unzulässige Art und Weise weiterbetreiben können.

Auf der anderen Seite muss jetzt sichergestellt werden, dass es auch eine bestimmte Notwendigkeit gibt, das zu tun. Das heißt, es muss alles unternommen werden, um die Erfolgsgeschichte von regenerativen Energien auszubremsen und die Stromlückenlüge in irgendeiner Weise wieder glaubhaft zu machen. Sie wollen wieder in die Debatte bringen, dass es ein technisches Problem wäre, die Energieversorgung der Bundesrepublik und Europas relativ kurzfristig auf regenerative Energien umzustellen. Sie wol––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

len wieder die Behauptung mit Recht aufstellen können, dass Atomkraftwerke notwendig sind, sonst geht das Licht aus. Deswegen muss unbedingt die Entwicklung von regenerativen Energien auf allen Wegen begrenzt werden. Deswegen ist Herr Oettinger einmal vorgeschickt worden, um zu testen, ob man da auf EU-Ebene irgendetwas machen kann. Man nennt es dann Harmonisierung. In Wirklichkeit ist es ein Angriff auf die Entwicklung von regenerativen Energien und deren Einsatz. Es ist auch so, dass es einen zweiten Grund gibt, also nicht nur die Frage, Atomkraftwerke müssen begründet werden, es muss auch sichergestellt werden, was den drei oder vier großen Energieunternehmen ihre Milliardengewinne weiterhin garantiert. Im Jahr 2005 haben RWE, E.ON und EnBW ungefähr sechs Milliarden Euro Gewinn ausgewiesen, im Jahr 2009 waren es 23 Milliarden Euro. Ein großer Teil davon ist durch Energieemissionshandel oder Emissionshandel zustande gekommen. Es ist also so, dass diese Energieunternehmen zwei Dinge tun. Wenn sie weniger Kosten haben, geht es zugunsten der Gewinne, nicht etwa zugunsten der Verbraucherinnen und Verbraucher, nicht zugunsten der Beschäftigten. Wenn es Möglichkeiten gibt, Märkte zu sichern zugunsten der Gewinne, machen sie es auch. Deswegen ist es unbedingt wichtig, dass die regenerativen Energien in irgendeiner Weise ausgebremst werden. Es kann also nicht angehen, dass an dieser Stelle wiederum zugunsten von Gewinnen großer Konzerne, die völlig ungerechtfertigt sind, ein Gesetz, das sich bewährt hat, auf diese Weise harmonisiert, also mehr oder weniger verschlechtert werden soll. Das ist etwas, was wir ablehnen. Deswegen werden wir diesem Antrag zustimmen. Ein bisschen Schwierigkeiten – und das müsste man noch einmal diskutieren – habe ich mit dem Ansatz, das bestehende Energiegesetz so beizubehalten, wie es jetzt ist. Es gab deutliche Kritik an der Senkung des Zuschusses der Photovoltaik. Deswegen hätte ich es noch ein wenig besser gefunden, wenn dieser Antrag so gelautet hätte, dass die Bundesregierung aufgefordert wird, erstens dieser Harmonisierung nicht zuzustimmen und zweitens sich dafür einzusetzen, dass es im positiven Sinne weiterentwickelt wird. Das wäre ein kleines Sahnehäubchen gewesen, das an dieser Stelle nicht notwendig ist. Ich hoffe, ich glaube und ich bin mir auch ziemlich sicher, dass diese Form der Politik der CDU und der FDP, die immer noch darauf setzt, dass große Konzerne Milliardengewinne machen und wir auf Atomstrom angewiesen sind, von der Mehrheit der Bevölkerung und auch hier im Land nicht getragen wird.

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Aber res- sourcentechnisch muss es doch auch Sinn machen!)

Deswegen wird diese Politik irgendwann in das letzte Jahrhundert verbannt, und ich bin relativ sicher, dass

das, was hier vonseiten der SPD und der Grünen beantragt wird, hinsichtlich der Harmonisierung etwas ist, das man unterstützen muss. – Vielen Dank!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Buhlert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nur damit Sie sich wundern, ich habe hier zwar viel über die Energiepolitik des Bundes und so weiter gehört, aber wir sind gefragt, wie wir uns hier in Bremen verhalten, und die Bremer FDP in der Bremischen Bürgerschaft wird dem Antrag zustimmen.

(Beifall bei der FDP und bei der SPD – Abg. D e n n h a r d t [SPD]: Sehr gut!] Insofern müssen Sie sich da auch nicht fragen. Wir haben lange Diskussionen auch auf der Bun- desebene in der FDP geführt über die Frage: Wie för- dert man regenerative Energien? Es gibt vieles, das man am EEG kritisieren kann, was man besser ma- chen kann, aber dass die Europäische Union das jetzt besser macht, das sehen wir auch nicht. Deswegen sind wir hier bei Ihnen, wenn es darum geht zu sa- gen, das, was Herr Oettinger jetzt vorschlägt, ist der falsche Weg. (Beifall bei der FDP)

Das dann allerdings gleich in den großen verschwörungstheoretischen Topf zu werfen, wie Herr Rupp es getan hat, ist ein wenig der falsche Weg, denn es geht nicht darum, das eine oder andere auszubremsen. Die Bundesregierung und die FDP stehen für den Ausbau der regenerativen Energien. Wir wollen das möglich machen. Wir wissen zugleich, dass es ohne einen Netzausbau nicht möglich ist, und das ist keine Lüge. Sie wissen, wie das Stromnetz beschaffen ist, und als Ingenieur sollten Sie wissen, dass man, wenn man nicht genügend Leitungen hat, auch nicht genügend Strom transportieren kann.

(Beifall bei der FDP)

Insofern wird Zeit gebraucht, und diese Zeit muss genutzt werden. Wie schwierig Planfeststellungsverfahren sind und Planfeststellungsbeschlüsse herbeizuführen sind, erlebt Bremen am Beispiel der Autobahn 281. Andere Bundesländer, die übrigens die Planungshoheit haben, erleben das bei ihren Stromtrassen. Insofern wird es eine Zeit dauern, und insofern ist der begrenzende Faktor, der limitierende Faktor, nicht die Fähigkeit, regenerative Energie zu schaffen, sondern genügend Anlagen zu produzieren und

den Strom entsprechend auch transportieren zu können.

(Beifall bei der FDP)

Genauso ist es aber notwendig, die Herstellung dieses Stroms weiter zu fördern. Da gibt es in Europa verschiedene Traditionen der Förderinstrumente. Deutschland hat sich auf eines geeinigt. Der FDPBundesparteitag hat irgendwann dann auch gesagt, das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist in Ordnung. Insofern sagen wir hier auch, dass dieser Weg in Deutschland weiter beschritten werden soll und nicht europaweit vereinheitlicht werden muss. Wir stimmen deswegen Ihrem Antrag zu.

(Beifall bei der FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Strohmann.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Beitrag von Frau Dr. Schaefer war schon hervorragend. Sie hat eigentlich alles ausgeführt, aber was Herr Dennhardt und dann noch einmal Herr Rupp daraufgesetzt haben an Verfolgungstheorien und Verschwörungstheorien. Das war schon haarsträubend, das muss ich ehrlich sagen!

(Beifall bei der CDU)

Ich habe das bildlich vor mir gesehen: Herr Oettinger, im Auftrag von Frau Merkel und den bösen Energiekonzernen und von Herrn Rexrodt, der kam auch noch dazu. Nein, wirklich! Da müssen wir doch einen Weg finden.