Protokoll der Sitzung vom 15.12.2011

Was ich feststelle, ist, dass es eine gute Idee ist, die Anfrage, die wir – wenn ich mich richtig erinnere – im Jahr 2008 in der Bürgerschaft diskutiert haben, zum Thema Nachtflüge über Bremen erneut zu stellen. Es gibt da ziemlich aufschlussreiche Zahlen, und die unterscheiden sich von denen, die die Kollegin Motschmann gerade genannt hat. Irgendwann in den Neunzigerjahren haben wir etwa 48 400 Flugbewegungen registriert, im Jahr 2007 waren es laut Antwort etwa 45 000 Flugbewegungen. Das ist deutlich mehr, als die Kollegin Motschmann sagt. Ich bin mir unsicher, welche Zahlen nun stimmen, die Zahlen aus der Antwort des Senats oder ob es dafür andere Kriterien gibt.

(Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Das waren die aktuellen Zahlen!)

Frau Kollegin Motschmann hat von der Vergangenheit gesprochen, und bei den vergangenen Zahlen gibt es eben solche Unterschiede, und ich möchte gern wissen, woher das kommt. Wenn die einen sagen, es gibt 30 000 Flugbewegungen, und die anderen sagen 45 000 Flugbewegungen, dann stimmt an irgendeiner Stelle etwas nicht. Die Anfrage hat auch sehr dezidiert geschaut, an welchen Stellen welcher Lärm erzeugt und wie der Lärm gemessen wird. Vielleicht ist es eine gute Idee, es noch einmal auf der Basis von damals zu machen, um auf diese Weise Transparenz herzustellen, weil diese Anfragen nicht nur von uns gelesen werden, sondern auch von Menschen in der Öffentlichkeit. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Ich finde es in Ordnung, dass man die Gebühren nach Lärmentwicklung und Lärmemissionen staffelt. Das ist meines Erachtens nicht schädlich für die langfristige Perspektive eines Flughafens und der Fliegerei, weil sie sich diesen Herausforderungen stellen müssen. Wenn man sie einfach machen lässt, führen es andere durch, und dann haben wir irgendwann einen Wettbewerbsnachteil, weil die Flugzeuge einfach zu laut sind und teilweise nicht mehr woanders landen dürfen. Es schafft Anreizsysteme, die meines Erachtens positiv sind.

Wenn der Kollege Gottschalk recht hat, dann hat es im letzen Jahr zwischen 22.30 Uhr und 6 Uhr 414 Flugbewegungen auf dem Flughafen gegeben. Das beunruhigt mich. Das ist durchschnittlich eine Flugbewegung pro Tag oder sogar etwas mehr. Das heißt, jede Nacht wird jemand, der dort wohnt, in irgendeiner Weise von einem Flugzeug aus dem Schlaf gerissen. Dabei ist es egal, ob das möglicherweise erst um 22.30 Uhr, um 24 Uhr oder 2 Uhr ist. Es ist zumindest ein ernst zu nehmender Faktor, und die Leute, die dort wohnen, leben in einem Zustand, in dem ich nicht leben möchte. Ich meine, wir sind verpflichtet, das Notwendige zu tun, um tatsächlich Nachtflüge einzustellen.

In der Anfrage von vor drei Jahren stand, man muss die Gründe für die Ausnahmen eigentlich nicht darlegen, da die Ausnahmen nur auf der Grundlage der bestehenden Gesetze erteilt werden. Wenn man die Gründe für die Ausnahmegenehmigungen liest, dann weiß man auch, warum sie erteilt werden. Das scheint so offensichtlich auch nicht mehr der Fall zu sein. Es wurde damals auch gesagt, die abgelehnten Bescheide machen nur zehn Prozent aus. Das liege daran, dass nur Leute eine Ausnahmeregelung beantragen, die eine realistische Chance haben, das Nachtflugverbot zu umgehen. Da besteht möglicherweise auch wieder Klärungsbedarf. Daher sehe ich diesen Antrag im Wesentlichen in der Aufgabe, sowohl Transparenz herzustellen, als auch die Einhaltung des Nachtflugverbots zu verbessern, und ich bin gespannt, welche Maßnahmen dazu beschlossen werden.

Meine Bitte wäre, dass man vielleicht die Anfrage von vor drei Jahren noch einmal aufgreift. Möglicherweise können wir in einem halben Jahr feststellen, ob dieser Antrag einen Sinn gehabt hat. Ich bin mir relativ sicher, dass wir vor drei Jahren auch schon gefordert haben, dass das Nachtflugverbot besser eingehalten wird und weniger Ausnahmen zugelassen werden. Man muss also möglicherweise einmal nachweisen, dass Anträge in diesem Parlament letztendlich dann auch an diesem Punkt einen Zweck haben. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Gottschalk.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Motschmann, Sie haben einleitend betont, dass Sie als Mitglied des Petitionsausschusses die Rede für Ihre Fraktion halten. Sie haben darauf hingewiesen, dass Sie in der Vergangenheit sehr viele Beschwerden bekommen haben, die gerade das Thema Fluglärm betrafen. Deshalb bin ich eigentlich davon ausgegangen, dass Sie in Ihrem Beitrag vor allem auch diesen Teil der Interessen behandeln würden

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

und ihn zumindest, wenn nicht gleichberechtigt, als einen wesentlichen Teil der Problematik beschreiben würden, der wir uns hier zu stellen haben. Tatsächlich haben Sie hier Ihre Rede einfach abgebrochen, sind einfach auf die andere Seite der Problematik gegangen und haben das gemacht, was die CDU immer macht: Sie haben die apokalyptischen Reiter herausgeholt und hier wirklich den Untergang des Bremer Wirtschaftsstandorts an die Wand gemalt.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Herr Kastendiek hat es vorher auch schon gesagt. Um es noch einmal zu sagen, vielleicht schreiben Sie es sich auf: Es gibt bislang überhaupt keine Werte, die festgelegt und als Aufschläge benannt sind. Wenn Sie hier Dinge behaupten, die nicht festliegen und nicht tragbar sind, dann haben Sie eine schöne Fantasie in eine bestimmte Richtung, aber Sie reden ohne jegliche Grundlage daher und regen sich über etwas auf, das Sie im Detail überhaupt noch nicht beurteilen können.

(Beifall bei der SPD – Abg. P o h l m a n n [SPD]: Erst lesen!)

Gleichzeitig kommt wieder dieser Punkt, wir sind unrealistisch, abgehoben, in irgendwelchen ideologischen Sachen verbohrt. Auch hier noch einmal: Es ist nicht Ihre Stärke, auch einmal in ein Papier hineinzuschauen. Lesen Sie doch einmal einen Richtlinienvorschlag der EU-Kommission! Lesen Sie die Studien von dem Öko-Institut e. V. im Auftrag des Bundesumweltministeriums! Schauen Sie sich doch einmal an, was am Frankfurter Flughafen passiert! Dann diskutieren wir wirklich sachlich und nicht immer in dieser rein polemischen Art und Weise, die ohne Fakten auskommen will.

Wir werden in dieses Verfahren hineingehen, wir werden sehr genau hinsehen, wie diese nachher vorgeschlagenen Werte sind. Wir können dann in eine Diskussion hineingehen, und dann können Sie auch ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Ihre Ängste, die Sie jetzt vorn anstellen, betonen, dann haben diese vielleicht eine sachliche Untermauerung. Dann können wir uns darüber austauschen, aber in dieser Form geht Ihre Kritik an unserem Entwurf total vorbei. – Danke!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Schaefer.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kastendiek hat vorhin angemerkt, wir hätten etwas im Kopf. Ja, richtig! Wir haben etwas im Kopf, weil wir nämlich verstanden haben, dass es derzeit ein Ungleichgewicht zwischen dem berechtigten Lärmschutzinteresse von 100 000 Betroffenen in Bremen und den Gebührenordnungen, wie sie der Flughafen vorsieht, gibt.

Wenn Sie sagen, wir tun so, als ob der Flughafen unser Feind ist, Frau Motschmann, dann sage ich, das ist wirklich absurd. Uns geht es darum, dieses Ungleichgewicht in ein Gleichgewicht zu bringen. Alles, was wir hier vorschlagen, ist – und das hat Herr Gottschalk auch gesagt – an anderen Flughäfen schon längst etabliert, nämlich ein Anreizsystem zu schaffen. Ein Anreizsystem hat die Aufgabe, dass Flugpläne eingehalten werden, dass Fluggesellschaften nicht sagen, sie nehmen Verspätungen ständig in Kauf, sie brauchen die Homecarrier, und dann ist es ihnen egal, wann sie in Bremen landen und dass die Leute dann nicht ihre Nachtruhe bekommen. Nein! Mit einer Gebührenstaffelung hat man einen Anreiz geschaffen, dass solche Flugpläne auch eingehalten werden, und das ist ein riesiger Nutzen für sehr viele Bremer.

Sie sagen, Frau Motschmann, Sie haben auch durch den Petitionsausschuss schon Abhilfe geschaffen, weil zum Beispiel die Inselhäuser aufgekauft worden sind. Das sind sechs oder sieben Häuser. Es gibt aber 100 000 Betroffene, es gibt viele betroffene Stadtteile wie Hemelingen, die Neustadt und Kattenturm. Schauen Sie sich doch die anderen Wohngebiete zum Beispiel in Kattenturm an! Dort ist es doch nicht damit getan, dass man einmal sechs Häuser aufgekauft hat. Deswegen sage ich, lassen Sie uns die anderen Flughäfen zum Vorbild nehmen! Wir wollen dieses Anreizsystem, wir wollen auch Transparenz bei den Entscheidungen. Wir wollen für die Menschen in Bremen das, was ihnen zusteht und was auch Gesetze und gerade jüngste Urteile ihnen noch einmal zugesprochen haben, nämlich das Anrecht auf eine Nachtruhe. Diese soll den Menschen gewährt werden. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Motschmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Gottschalk, Sie werfen mir vor, von einer Seite auf die andere gesprungen zu sein.

(Abg. G o t t s c h a l k (SPD): Ja!)

Ich habe ganz bewusst damit angefangen, wie sehr wir uns um die Probleme derjenigen, die unter dem Fluglärm leiden, gekümmert haben. Das habe ich sehr bewusst und übrigens sehr sachlich getan. Sie werden mir niemals Unsachlichkeit vorwerfen können, weil ich mich sehr sorgfältig auf solche Debatten vorbereite!

(Beifall bei der CDU)

Wir, die CDU, und ich persönlich brauchen keinen Nachhilfeunterricht, was die Probleme der Betroffenen anbelangt!

(Glocke)

Frau Abgeordnete Motschmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Rupp?

Selbstverständlich!

Bitte, Herr Rupp!

Frau Kollegin Motschmann, gestern, vorgestern oder vor drei Tagen ging durch die Nachrichten, dass die Fluggesellschaft Germanwings ebenfalls Bremen anfliegen wird, sodass wir demnächst eine weitere Fluggesellschaft in Bremen haben werden. Sehen Sie das als Zeichen für eine Abschreckung durch Nachtflugverbote oder die Gefährdung des Standorts an?

Noch ist ihr Antrag ja nicht beschlossen. Vielleicht ahnen die noch gar nicht, was ihnen hier blüht.

(Beifall bei der CDU)

Frau Abgeordnete Motschmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kastendiek?

Selbstverständlich!

Bitte, Herr Kastendiek!

Zur Aufklärung, Herr Rupp! Frau Motschmann, sind Sie bereit, zur Kenntnis ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

zu nehmen, dass das angekündigte Anfliegen der Fluggesellschaft Germanwings letztendlich nur die Übernahme der vorhandenen Lufthansaflüge nach Stuttgart beinhaltet, nicht mehr und nicht weniger?

Vielen Dank für die Ergänzung, Herr Kastendiek! Im Übrigen möchte ich zu Ihnen zurückkommen, Herr Gottschalk! Wir haben keine Ängste, wir haben Sorgen. Angst ist immer ein schlechter Ratgeber, das weiß man. Unsere Debatte ist ganz bestimmt nicht ohne Grundlage, wie Sie das hier bezeichnet haben. Ich finde, Sie sollten dann doch auch sachlich diskutieren, wenn es um ein solches Thema geht, aber nicht anderen den Vorwurf machen.

Nun noch einmal zu Frau Dr. Schaefer! Ihnen sei gesagt, dass das Ungleichgewicht zwischen dem Flughafen und den betroffenen Anwohnern natürlich existiert. Es wird aber immer bleiben, weil wir diesen stadtnahen Flughafen haben und auch behalten wollen, so habe ich jedenfalls die Diskussion verstanden. Wenn es so ist, wird es natürlich Fluglärm für die Anwohner geben, und den werden Sie auch nicht durch Ihren Antrag beseitigen. Insofern ist auch der Vergleich mit Frankfurt hinkend. Frankfurt hat nämlich 42 000 Flugbewegungen im Monat, wir haben 30 500 im Jahr! Das ist schon ein ziemlicher Unterschied. Insofern sollten wir uns nicht mit einem Großflughafen wie Frankfurt vergleichen, sondern hier in Bremen bleiben.

Ich bleibe dabei, wir sollten es den Fluggesellschaften nicht erschweren, hier zu starten und zu landen. Das Nachtflugverbot wird in der Behörde sorgfältig geprüft. Ich spüre aus den Worten der Koalition, dass Sie noch nicht einmal Vertrauen zu den Bearbeitern, die das dort vollziehen, haben. Es sind so wenige Ausnahmegenehmigungen, wirklich so wenige Ausnahmegenehmigungen, dass ich davon ausgehe, dass dort sorgfältig geprüft wird, sodass ich an dieser Stelle der Behörde oder dem Senat keinen Vorwurf machen möchte, sondern ganz klar sage, das geschieht hier in Bremen verantwortlich.

Wir dürfen jetzt wirklich nicht die Rechte und die Möglichkeiten dieses Flughafens weiter einschränken, denn ich denke an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die am Flughafen arbeiten, das sind ja eine Menge, und diejenigen, die indirekt durch den Flughafen ihre Beschäftigung haben. An die sollten Sie auch einmal zwischendurch denken und sich hier nicht als Gutmenschen in Sachen Lärmschutz aufspielen! Daran hängen viele Interessen, und die haben Sie in Ihrer Rede weitgehend vergessen, das wollte ich Ihnen hier sagen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Gottschalk.

Frau Motschmann, wir haben die Interessen – –.

(Glocke)

Herr Abgeordneter, es ist Usus, dass man, bevor man die Rede beginnt, sagt: Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren!