Protokoll der Sitzung vom 26.01.2012

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Liess.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte auf den Kern zurückkommen, was wir beschließen sollen! Was wir beschließen sollen, heißt, die Eckwertbeschlüsse sollen zumindest im Rahmen der Neuverschuldung angehoben werden. Zumindest! Sie haben eben exakt gerechnet, zumindest. Das sollen wir beschließen. Das heißt, wir sollen Mehrausgaben beschließen. Meine Damen und Herren, DIE LINKE will sich damit nicht der Verantwortung stellen, dass wir mit den zur Verfügung stehenden Mitteln Schwerpunkte bilden müssen. Sie will sich nicht der Verantwortung stellen, dass Politik heißt, Schwerpunkte zu setzen mit den Mitteln, die man hat. Das ist Ihr Vorschlag! Sie wollen sich der Mühe nicht unterziehen.

Dann sagen Sie, dafür nutzen wir das Geld, von dem man sagt, das könnte noch genutzt werden, weil wir die Obergrenze der Nettokreditaufnahme noch nicht erreicht haben. Das nennen Sie im Übrigen in Ihrem Antrag im Vortext „Spielraum“. Die Wortwahl finde ich ein bisschen bezeichnend.

Der Stabilitätsrat hat in seiner Sitzung im Dezember 2011, dem Haushalts- und Finanzausschuss auch zugänglich gemacht, eine Bewertung des Sanierungsprogramms des Landes Bremen vorgenommen und festgestellt, dass wir im Jahr 2012 einen Sicherheitsabstand – keinen Spielraum – von 146 Millionen Euro haben. Dieser Sicherheitsabstand, wenn Sie sich die Tabelle einmal ansehen, nimmt im Laufe der Jahre dramatisch ab.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Ja!) ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft. (A) (C)

Wir sind im Jahr 2016 bei einem Sicherheitsabstand von vier Millionen Euro.

Das, was Sie vorschlagen, ist nichts anderes, als genau keine nachhaltige Finanzpolitik zu machen, auf das Risiko zu setzen, zu hoffen, irgendwo würden die Zeiten sich ändern, und es wird schon irgendwo aufgehen. Da kann ich Ihnen nicht ersparen, für mich hat das wirklich den Eindruck einer zunehmenden Verantwortungslosigkeit, wie Sie hier Finanzpolitik betreiben wollen.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Deswegen will ich auf die einzelnen inhaltlichen Punkte nicht eingehen, weil ich davon ausgehe, dass die Haushaltsberatungen des Jahres 2012 dazu führen werden, dass wir weitere Anträge der LINKEN inhaltlich in den Punkten bekommen, und da sollten wir es auch diskutieren.

Die grundsätzliche Forderung auf Risiko ohne Rücksicht auf das, was die Zukunft bringt – wir verschulden uns einfach so weit, wie wir noch können –, ist eine Politik, die wir keinesfalls mittragen! – Danke!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben heute früh über Parlament und Parlamentarismus geredet. Es stimmt ja, dass die Parlamente immer auch Tribünen der politischen Auseinandersetzung sind. Das soll ja auch so sein. DIE LINKE würde vielleicht sagen, Tribüne des Klassenkampfs. Das ist auch in Ordnung. Man muss aber daran festhalten, dass sich die Aufgaben des Parlaments darin nicht erschöpfen, sondern dass wir auch mit Ergebnissen arbeiten sollen und auch in geordneten, verabredeten und geregelten Verfahren.

Für die Beratungen von Haushalten gibt es auch Regeln und Verfahren, denen Sie übrigens zugestimmt haben. Ich will daran nur erinnern. Wir haben im Dezember schon die gleiche Diskussion geführt, da wollten Sie Gelder noch im Jahr 2011 ausgeben, die durch keinen Haushalt gedeckt waren, die faktisch schon hätten nicht mehr ausgegeben werden können. Auch damals haben Sie gesagt, da wäre Spielraum, diese Gelder wären übrig. Das wiederholen Sie jetzt großflächig, und Sie fordern den Senat auf, seine Haushaltseckwerte zu ändern, damit wirklich jeder Euro, der rechnerisch vorhanden ist, so, wie Sie sich jetzt denken, dass wir den Konsolidierungspfad sicher haben, ausgegeben werden kann.

In Wahrheit ist das Verfahren so: Der Senat stellt den Haushalt auf, das wird er im Februar tun. Die Bürgerschaft beschließt den Haushalt zunächst in erster Lesung, dann wird er in den Ausschüssen beraten. Die Fraktionen suchen sich Mehrheiten für Veränderungen des Haushaltsentwurfs, und dann kommt die zweite Lesung. Ich verstehe jetzt wirklich nach dem zweiten und dritten Mal nicht, wozu wir Monat für Monat diese Propagandadiskussion führen müssen, wenn wir dafür ein geordnetes Verfahren haben. Das muss ich ehrlich sagen! Haushaltsberatungen sind Haushaltsberatungen, und dahin gehören sie auch!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Meine Schlussfolgerung ist dieselbe wie die des Kollegen Liess.

Ich will, da ich noch ein bisschen Zeit habe, meinem Hobby nachgehen und versuchen, der LINKEN die Sache mit der Neuverschuldung zu erklären, warum wir es keineswegs so machen werden, dass wir jeden errechneten und jeden gedachten Spielraum, jeden Euro ausgeben! Schon deswegen nicht, weil Sie vorschlagen, damit Stellen einzurichten, die wir keineswegs 2014/2015 dann einfach wieder abschaffen könnten! So geht es nicht! Auch aus grundsätzlichen Erwägungen werden wir es nicht machen, weil wir wirklich auf jede Neuverschuldung, soweit es möglich ist, verzichten wollen.

Ich will es Ihnen noch einmal mit Fakten erklären! Ich habe eine interessante Statistik gesehen – die hatten wir alle im Postfach –, der zu entnehmen war, dass von 1950 bis 2010, also im Bremen der Nachkriegszeit, die Schulden Bremens, Land und Kommunen, von null, das ist klar, auf 17,8 Milliarden Euro gestiegen sind. In der gleichen Zeit haben wir insgesamt 16,6 Milliarden Euro für Zinsen ausgegeben. Deutlich gesagt: Wir haben immense Schulden gemacht – einen immensen Schuldenberg, der uns jetzt drückt, und zwar Jahr für Jahr –, und dieser Schuldenberg verhindert, dass wir Geld für gute Dinge ausgeben können, und damit haben wir gerade einmal die Zinsen bezahlen können. Ich finde, wir müssen da heraus, und je schneller das geht, umso besser. Das ist jedenfalls unsere Haltung!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das ist übrigens auch die Haltung des Staatsgerichtshofs, auf dessen Urteil Sie verweisen.

Ich würde Ihnen raten, wenn Sie so grundsätzliche verfassungsrechtliche, menschenrechtliche und grundrechtliche Bedenken haben, dann rufen Sie den Staatsgerichtshof an! Ich bin sicher, Sie werden das gleiche Ergebnis bekommen wie im vergangenen Jahr die CDU und die FDP. Der Staatsgerichtshof hat deren Klage zurückgewiesen mit dem Hinweis, der

Haushalt ist mit der Landesverfassung vereinbar, weil Bremen sich in einer extremen Haushaltsnotlage befindet. Der Staatsgerichtshof hat aber auch gesagt, dass das kein Freibrief ist, um Schulden zu machen, sondern es sei nur zu akzeptieren, wenn gleichzeitig eine Politik der Haushaltskonsolidierung in einem klar definierten zeitlichen Rahmen gemacht wird. Das ist unser politischer Weg, dem wir zugestimmt haben. Da sind wir einer Auffassung mit dem Staatsgerichtshof, und wir werden es machen. Ich sage es noch einmal, wenn Sie anderer Auffassung sind, dann gehen Sie bitte endlich einmal den Weg zum Gericht, der Ihnen ja offensteht. Ich bin gespannt auf das Ergebnis.

Wir werden die Diskussion im März führen, insofern darf ich, was die inhaltlichen Punkte angeht, auf das Protokoll meiner Rede vom März 2012 verweisen. Dann gibt es Haushaltsberatungen, ich bin gespannt, mit welchen Summen DIE LINKE dort antreten wird. Diesen Antrag, der wirklich überflüssig ist, lehnen wir ab! – Danke!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Piontkowski.

(Abg. S c h i l d t [SPD]: Das ist jetzt schwierig!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Antrag der LINKEN ist wirklich nicht besonders kreativ. Die Haushaltseckwerte zu erhöhen, um mehr Geld auszugeben, ist einfach. Geld auszugeben, ist nicht schwer, aber das Geld zu verdienen und zu sparen umso mehr. Es ist nicht lange her, es wurde bereits angesprochen, da stellten Sie einen ähnlichen Antrag, um Steuermehreinnahmen für soziale und bildungspolitische Investitionen auszugeben. Dieser Antrag, den wir hier heute behandeln, ist das Gleiche in Grün beziehungsweise in Rot und wird durch ständige Wiederholungen auch nicht besser. interjection: (Beifall bei der CDU)

Wenn Sie es noch nicht verstanden haben sollten, Bremen ist das am höchsten verschuldete Bundesland; 18 Milliarden Euro Schulden, 27 000 Euro Schulden pro Einwohner, das ist deutlich zu viel! Wir gehen davon aus, dass wir bis zum Jahr 2014 über 31 000 Euro Schulden pro Einwohner haben. Eine eigenverantwortliche, nachhaltige Finanzpolitik muss endlich Schluss damit machen, immer steigende Pro-KopfSchuldenstände zu produzieren. Das, was Ihr Antrag will, ist genau das! Dadurch werden die Schulden noch weiter steigen, und das können wir so nicht verantworten! (Beifall bei der CDU)

Überlegen Sie doch einmal: Wenn eines Tages Ihre Enkel hier stehen, die auch noch Haushalte gestalten wollen, die auch noch Geld ausgeben und Zukunft gestalten wollen, wollen Sie denen dann sagen, jetzt ist überhaupt kein Geld mehr da, weil Bremen noch nicht einmal Kredite bekommt, weil Bremen so schlecht dasteht, wollen Sie das wirklich verantworten? Ich meine, wir haben heute hier eine Verantwortung, auch das Geld zusammenzuhalten, damit wir zukünftigen Generationen auch noch einen Gestaltungsspielraum ermöglichen können.

(Beifall bei der CDU)

Wir können froh und dankbar sein, dass die November-Steuerschätzung so positiv für Bremen ausgefallen ist. 117 Millionen Euro zusätzlich in bremischen Kassen sind sicherlich nicht schlecht. Wir dürfen aber die Augen nicht davor verschließen, dass das strukturelle Defizit in Bremen immer noch enorm hoch ist und es noch ein sehr steiniger Weg sein wird. Nur durch die massive Hilfe des Bundes, der jährlich 300 Millionen Euro zuschießt, ist es überhaupt möglich, hier hoffentlich wieder auf einen grünen Zweig zu kommen.

Es klingt immer gut, Geld auszugeben für soziale Projekte, für Polizei,

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Gerichte!)

für Justiz. Ich wäre die Letzte, die nicht dafür wäre.

(Abg. Frau D o g a n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Staatsanwälte!)

Natürlich! Wir müssen uns aber auch über eines bewusst sein, anstatt die Ausgaben ständig zu erhöhen, sollten wir uns doch lieber Gedanken machen, wie die knappen Ressourcen sinnvoll verteilt werden können.

(Abg. Frau A h r e n s [CDU]: Für Fahrrad- schnellstraßen oder andere schöne Dinge!)

Das bedeutet auch, dass wir eine Wirksamkeitskontrolle machen, die eine alte Forderung der CDU ist.

Ich möchte es hier noch einmal anführen, weil wir in der letzten Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses den Zuwendungsbericht bekommen haben. Es erstaunt doch schon, dass im Jahr 2009 Zuwendungen gegeben wurden und diese bis heute noch nicht vernünftig abgerechnet wurden. Teilweise wurden überhaupt keine Verwendungsnachweise vorgelegt, geschweige denn, dass gemahnt wurde, dass diese Verwendungsnachweise vorgelegt werden. Es handelt sich teilweise um Zuweisungen in Millionenhöhe. Ich sage einmal, da sind doch noch Spielräume, wo Bremen das Geld, das es hier ausgibt, doch

auch noch besser kontrollieren sollte, denn so lax können wir meines Erachtens eine Kontrolle nicht handhaben.

(Beifall bei der CDU)

Ich sage auch, es ist nicht immer allein das Geld, das glücklich macht.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Das kann ich verstehen!)

Es freut mich, dass Sie so glücklich schauen, Herr Dr. Kuhn! Wir konnten vor ein paar Wochen in der Zeitung lesen, dass Bremen bei beruflicher Bildung glänzt, viele Lehrstellen und erfolgreiche Auszubildende. Im selben Artikel war dann zu lesen, dass das Spitzenergebnis mit vergleichsweise geringem finanziellen Aufwand erzielt wurde, nur Bayern hat weniger Geld für diese Bildung ausgegeben. Das bedeutet doch, es geht nicht immer um das Geld allein. Ein Wettlauf darum, mehr Geld für bestimmte Sachen auszugeben, ist der falsche Weg! Das ist noch lange keine Erfolgsgarantie.

Was wir brauchen, ist das Augenmaß, das Geld sinnvoll auszugeben und auch zusammenzuhalten. Wenn ich dann sehe, dass dem Senat dieses Augenmaß offensichtlich vollständig verloren geht, wenn er gerade ein 50-Millionen-Euro-UVI-Programm, Umbau, Verwaltung und Infrastruktur, beschlossen hat, dann wird mir doch ganz schwummerig.

Von dem 50-Millionen-Euro-Programm sind 48 Millionen Euro schon durch Verpflichtungsermächtigungen vergeben – das muss man sich auch einmal vorstellen – für Aufgaben, die teilweise längst im Haushalt vorgesehen sind oder bei denen es sich um Regelaufgaben des Haushalts handelt. Durch dieses gesamte Programm wird letzten Endes mehr Geld ausgegeben, als ursprünglich vorgesehen war. Das Geld durch Verpflichtungsermächtigungen, die in Millionenhöhe in der letzten Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses im Dezember durchgewunken wurden, schon im Vorgriff auf einen Haushalt zu binden, der noch gar nicht beschlossen ist, finde ich unverantwortlich.

Wenn ich dann sehe, dass man sich über die Inhalte dieses Programms noch überhaupt keine Gedanken gemacht hat! Wir haben doch sehen können, für eine elektronische Schülerakte wurden 1,6 Millionen Euro beschlossen, und man hat sich noch gar keine Gedanken gemacht.

(Abg. Frau S c h m i d t k e [SPD]: Das ist ja nicht wahr!)

Moment! Sie haben die Verpflichtungsermächtigungen im Haushalts- und Finanzausschuss beschlossen, ohne sich inhaltlich Gedanken darüber zu machen, was das eigentlich bedeutet. Sie haben ja völlig recht,

deswegen wurde die elektronische Schülerakte in der Bildungsdeputation nicht beschlossen.