Protokoll der Sitzung vom 21.03.2012

Die aktuellen Kürzungen bei der Fotovoltaik allein sind jedoch nur ein Hindernis für die Energiewende. Mit der vorgelegten Novelle des Kraft-WärmeKopplungsgesetzes werden die Ausbauziele weit verfehlt. Alle Fachleute, im Übrigen auch die von der Bundesregierung beauftragten Gutachter, sind sich hier einig. Die Kraft-Wärme-Kopplung stellt jedoch gerade in Verbindung mit den Wärmespeichern eine ideale Ergänzung zu den erneuerbaren Energien dar. Auch der elementar wichtige Bereich der Gebäudesanierung erfährt nicht die kontinuierliche Förderung, die Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer brauchen. Stattdessen bekommen wir wöchentlich neue Meldungen zu Kürzungen der KfW-Mittel und beim Marktanreizprogramm. Damit werden Investitionen verhindert, statt sie zu fördern, denn viele warten noch auf bessere Konditionen. Müssen sie noch bis zur nächsten Bundestagswahl warten?

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die EU-Gebäuderichtlinie fordert ab dem Jahr 2020 den Bau von quasi Null-Energie-Gebäuden. Wir brauchen jetzt einen klaren Fahrplan, der den Weg dorthin in Stufen aufzeigt. Doch auch auf europäischer Ebene ist die Bundesregierung zum Bremsklotz geworden. Sie will die Einsparverpflichtung der Energieversorger verhindern. So wird es keinen Markt für Energieeffizienz geben, und das EU-Einsparziel von 20 Prozent wird verfehlt. Ich meine, diese Blockadehaltung macht Deutschland in Sachen Klimaschutzpolitik unglaubwürdig. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Gottschalk.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der im Sommer letzten Jahres beschlossene Ausstieg ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

aus der Atomtechnologie war die einzig richtige Konsequenz aus der atomaren Katastrophe in Japan. Der Atomausstieg allein, das wissen wir, genügt allerdings nicht. Für eine echte Energiewende bedarf es mehr. Es bedarf dazu einer nachhaltigen und absoluten Einsparung von Energie, einer nachhaltigen Steigerung der Effizienz eingesetzter Energie und eines nachhaltigen Ausbaus der Strom- und Wärmeerzeugung mit erneuerbaren Energien.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Diese Energiewende muss zugleich sicher sein, und sie muss für alle Teile der Bevölkerung bezahlbar sein. Erst dieser Dreiklang aus Sicherheit, Nachhaltigkeit und Bezahlbarkeit macht eine echte Energiewende aus.

Für diese Wende haben wir nicht viel Zeit. Das magische Zieldatum ist zwar 2050, der Zeitraum bis dahin erscheint relativ lang, aber die grundlegenden Weichen werden schon jetzt gestellt. Die Größe der Aufgabe verlangt es eben, dass die Wende sehr zügig vorangetrieben werden muss. Tatsächlich – deshalb haben wir heute diese Aktuelle Stunde – wachsen mittlerweile jedoch die Sorgen, dass die Wende nicht schnell genug kommt, dass sie in Teilen gebremst wird und dass Weichen teilweise falsch gestellt werden.

Diese Kritik richtet sich zu Recht in erster Linie an die Bundesregierung in Berlin. Wir erleben dort Ministerien – insbesondere das Wirtschafts- und das Umweltministerium –, die heillos zerstritten und über Wochen hinweg im europäischen Dialog nicht sprachfähig sind.

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Das ist ja hier anders!)

Wir erleben ein Einknicken vor einer Lobby nach der anderen, beispielsweise in der Produktauszeichnung und bei den Energieausweisen. Wir sehen eine Energiepolitik, die einmal mehr durchdrungen ist von den Maximen einer kontraproduktiven Umverteilungspolitik. Mit einer solchen Politik laufen wir Gefahr, dass die großen Chancen der Energiewende nicht oder nur unzureichend genutzt werden und, schlimmer noch, dass wir am Ende den Umbau zu einem intelligenten und klimafreundlichen Energiesystem nicht schaffen.

Schauen wir uns die verschiedenen Bereiche an! Die größte Herausforderung, vor der wir in der Energiepolitik stehen, ist ein grundlegender Paradigmenwechsel. Die Einsparung von Energie muss vor der Erzeugung von Energie stehen. Diese Einsparung muss absolut sein, sie muss in der Wirtschaft, aber auch bei den Verbrauchern und in den privaten Haushalten erfolgen. Eine der wichtigsten Maßnahmen wird und muss dabei die energetische Modernisierung und Sanierung des Gebäudebestands sein,

denn vor allen Dingen dort ist eine große Quelle der schädlichen CO2-Emmissionen.

Gerade hier tut sich bisher in Deutschland allerdings viel zu wenig, und im europäischen Raum, das hat Frau Dr. Schierenback schon gesagt, betätigt sich die Bundesregierung sogar als Bremsklotz. Auf EU-Ebene haben wir dort die Richtlinie, die die Energieversorger dazu verpflichtet, ihren Kunden dabei zu helfen, dass Jahr für Jahr 1,5 Prozent ihres Verbrauchs eingespart werden. Diese Richtlinie verfolgt den guten Gedanken, dass in besonderem Maße auch Kreativität entwickelt wird, um durch Maßnahmen und die Entwicklung von Dienstleistungen gerade auch den schwachen Haushalten bei dieser Umstellung zu helfen.

Tatsächlich ist es so, dass gerade die Bundesregierung diesen sinnvollen Ansatz auf europäischer Ebene torpediert und in Deutschland ein ganz anderes Modell verfolgt, nämlich Energiesanierung als Steuersparmodell. Meine Damen und Herren, dieser Ansatz, das haben wir hier schon häufiger diskutiert, würde bedeuten, viel Hilfe für wenige und wenig oder gar keine Hilfe für viele.

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Die Reichen mit Einfamilienhaus!)

Hinzu kommt, dass das Gros der Kosten bei den Ländern und Kommunen abgelegt werden soll und der Bund nur Teile der Kosten trägt. Es ist klar, und das weiß auch die Bundesregierung, dass ein solcher Ansatz auf Widerstand und Ablehnung stößt.

Gleichzeitig erleben wir, dass schon laufende Programme nicht mehr hinreichend finanziert werden. Im Gebäudesanierungsprogramm der Kreditanstalt für Wiederaufbau waren für dieses Jahr 1,5 Millionen Euro angesetzt, jetzt fehlen 600 Millionen Euro, weil sich die Bundesregierung bei der Finanzierung über den Klimafonds verkalkuliert hat und dort auch nichts tut, um die Einnahmen wieder zu steigern.

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Das ist doch geklärt!)

Eine solche Politik schafft keine Sicherheit und Verlässlichkeit, sie schafft Unsicherheit und ist eine regelrechte Investitions- und Modernisierungsbremse.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Das ist falsch!)

Ähnlich sieht es bei der Umstellung der Energieerzeugung auf erneuerbare Energien aus. Um zu verstehen, was dort passiert, muss man einfach sehen, dass wir dort eine grundlegend neue Chance haben. Dort eröffnet sich nämlich, ähnlich wie in der Informations- und Kommunikationstechnologie, ein gänz

lich neuer Entwicklungspfad für die technische Infrastruktur, und zwar weg von den zentralen großen Systemen hin zu kleinen dezentralen Systemen. Dieser Wechsel eröffnet, wie wir es aus anderen Bereichen sehen, riesige Chancen, denn er kann in einem Umfang Investitionen freisetzen, wie ihn zentrale Investitionen nie erreichen können, und er schafft zudem neue Chancen, insbesondere für die Kommunen und ihre Stadtwerke.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wir sehen aber – und das ist der Hintergrund all dieser Schwierigkeiten, die wir jetzt dort beobachten können –, diese Sache ist kein Selbstläufer, denn sie trifft ganz klar auf den Widerstand der großen etablierten Energieversorger. Wir sind in einer Situation, in der diese neuen Technologien und ihre Akteure eine staatliche Unterstützung brauchen, denn nur so werden sie überhaupt eine Chance haben, um gegen die etablierte Konkurrenz bestehen zu können.

Die Neigungen der schwarz-gelben Koalition liegen aber gerade nicht bei den Akteuren, die auf eine dezentrale Modernisierung setzen, sondern sie liegen vielmehr bei den großen Energieversorgern, die auf große und zentralisierte Systeme setzen. Am deutlichsten sehen wir das bei der FDP und ihrem Wirtschaftsminister, die eben nicht nur der große Bremser bei der Energieeffizienz sind, sondern deren Politik sich im Kern gerade auch gegen die Förderung der erneuerbaren Energien und insbesondere der dezentralen erneuerbaren Energien richtet. Das aktuelle Beispiel dafür sind – das hat Frau Dr. Schierenbeck ausgeführt – die Kürzungen in der Solarförderung, die nicht nur die weitere Durchsetzung dieser erfolgreichen Technologie behindern, sondern auch Tausende von Arbeitsplätzen und eine ganze Branche in Deutschland gefährden. Legitimiert wird diese Politik mit ausufernden Kosten und dem Prinzip von mehr Marktwirtschaft. In Wahrheit geht es aber einmal mehr nur um Klientelpolitik.

Während der Ausbau dezentraler Energietechnologien verzögert und behindert wird, versagt die Bundesregierung gleichzeitig bei dem zentralen großtechnologischen Projekt für erneuerbare Technologien, nämlich bei der Erschließung der Offshore-Windenergie in der Nordsee. Weil der Ausbau der Energienetze nicht vorankommt, kommt es zu unabsehbaren Verzögerungen bei der Errichtung dieser Offshore-Anlagen. Es drohen möglicherweise milliardenschwere Pleiten, und es wird ein ganzes Großprojekt gefährdet mit gravierenden Folgen für die Energieversorgung und die Entwicklung ganzer industrieller Branchen. Hierzu bedarf es dringend eines neuen Konzeptes für den Netzaufbau und vor allem einer besseren und effektiveren politischen Koordinierung.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Zu den großen Minuspunkten dieser aktuellen Energiepolitik zählt last, but not least die soziale Schieflage bei der Finanzierung der Energiewende. Wir haben seit Beginn dieses Jahres eine weitgehende Befreiung der Wirtschaft von der Teilnahme an der Umlage für die neuen Energien. Wir haben eine großzügige Befreiung der Industrie von Netzentgelten. Die Konsequenz ist, dass diese Einnahmeverluste von den Privatkunden, kleinen Unternehmen und Handwerkern bezahlt werden müssen. Eine solche Politik ist im gegenwärtigen wirtschaftlichen Umfeld sowohl energie- als auch wettbewerbspolitisch völlig unnötig und widersinnig, sie ist sozial unausgewogen. Außerdem untergräbt sie letztendlich die Zustimmung breiter Bevölkerungskreise für die neuen Technologien, aber vielleicht ist dies auch gerade eine der Absichten.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Genau das darf allerdings nicht passieren, denn es gibt keine sinnvolle Alternative zur Energiewende. Aus wirtschaftlichen, sozialen und klimapolitischen Gründen muss die Energiewende ein Erfolg werden, und gerade Deutschland fällt dabei als Vorreiter eine besondere Rolle und Verantwortung zu. Die Welt schaut nämlich zu, ob es der viertgrößten Volkswirtschaft gelingt, den Umstieg auf Energieeffizienz und erneuerbare Energien hinzubekommen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wenn wir erfolgreich sind, wird das einen breiten Schub der Nachahmung auslösen, und wenn wir scheitern, wird das weltweit ein Triumph für die riskante Atomtechnologie werden. Dazu darf es nicht kommen. – Danke!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Strohmann.

Frau Präsidentin, meine sehr gehrten Damen und Herren! Die Energiewende ist die Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Für Deutschland, so heißt es, ist es die Herausforderung seit der Wiedervereinigung. Wir als CDU stellen uns dieser Herausforderung mit all ihren Facetten. Wir wissen, dass es die Energiewende nicht zum Nulltarif geben wird. Auch unser Landschaftsbild wird sich ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

durch den Bau von neuen Stromtrassen, Windkraftund Biogasanlagen verändern. Darüber freuen wir uns auch nicht, aber wir alle wollen den Atomausstieg. Jetzt müssen wir die Folgen akzeptieren und gemeinsam dafür kämpfen, dass die Energiewende gelingt.

Nicht zu akzeptieren ist hier hingegen, auf der einen Seite die Energiewende zu fordern, aber gleichzeitig auf der anderen Seite die notwendigen Infrastrukturmaßnahmen zu verhindern.

(Beifall bei der CDU – Abg. D r. G ü l d - n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Wer macht das bitte? Wer macht das denn?)

Das größte Potenzial bei den erneuerbaren Energien liegt im Bereich der Windenergie. Davon wird Bremen maßgeblich profitieren, denn hier weht der Wind, und hier wird der Strom produziert. Wir müssen daher alles unternehmen, um unseren Standort zu stärken. Bremen ist bereits heute ein Kompetenzzentrum in der Windenergiebranche, dies gilt es weiter auszubauen. Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, könnten zum Beispiel mehr Druck beim Offshore-Terminal machen, das dauert hier in Bremen einfach alles viel zu lange.

(Beifall bei der CDU)

Bevor wir die Planungen für den Hafen abgeschlossen haben, werden wahrscheinlich in Niedersachsen schon die Windräder verladen.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Mit Strohmann-Bau wäre es schon da!)

Jetzt zu Ihrer Kritik, dass die Energiewende nicht vorankommt! Dem kann ich nur vehement widersprechen, denn die Bundesregierung hat bereits eine ganze Reihe von Maßnahmen auf den Weg gebracht. Natürlich stimmt es, dass noch viel Arbeit vor uns liegt, aber die Ergebnisse, die gerade von der Bundesregierung ein Jahr nach Fukushima vorgelegt wurden, können sich sehen lassen. Ich nenne einmal ein paar Beispiele: Einführung des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes, Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes, KfW-Sonderprogramm „Offshore-Windenergie“ mit fünf Milliarden Euro, erhöhte Energieeinspeisungsvergütung für Offshore-Windanlagen, verbindliche Planung eines Offshore-Netzplans für Sammelanbindung, Novelle der Seeanlagenverordnung, 92 Millionen Euro Sondermittel für energetische Sanierungen!

Was Sie gesagt haben, Herr Gottschalk, dass bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau Gelder eingespart worden wären, stimmt auch nicht. Herr Schäuble hat dem zugestimmt, erkundigen Sie sich bitte!

Nachdem ich nun, liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, Ihre Vorwürfe an die Bundsregierung gehört habe, frage ich mich, was denn Sie in dieser ganzen Zeit geleistet haben, um mit der Energiewende voranzukommen. Als Außenstehender müsste man ja sagen, so wie die hier angeben, müsste ja etwas passiert sein. Ich bin kein Außenstehender, deshalb weiß ich, Sie haben nichts gemacht.

(Beifall bei der CDU)

Im Grunde ist es ja sogar so, dass Sie nicht nur nichts gemacht haben, um die Energiewende in Bremen voranzubringen,

(Abg. Frau G a r l i n g [SPD]: Ab 2013 ändern wir das!)