Protokoll der Sitzung vom 25.04.2012

Laut der neusten repräsentativen Studie mit dem Titel „Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Beeinträchtigung und Behinderung in Deutschland“, die von der Universität Bielefeld durchgeführt wurde, sind Frauen mit Behinderung viel häufiger Opfer von Gewalt als nicht behinderte Frauen. Sie sind zwei- bis dreimal häufiger sexuellem Missbrauch in der Kindheit und Jugend ausgesetzt als der weibliche Bevölkerungsdurchschnitt. Mit 58 bis 75 Prozent erlebten auch im Erwachsenenalter fast doppelt so viele geistig behinderte Frauen körperliche Gewalt als Frauen im Bevölkerungsdurchschnitt.

Die Bielefelder Forschungsgruppe kommt zu dem schockierenden Ergebnis, dass mindestens sechs Prozent der Frauen mit geistiger Behinderung, insgesamt also mehrere 1 000 Frauen in Deutschland, die sich in Heimen befinden, sexuell missbraucht werden. Täter sind der Studie zufolge zumeist Heimbewohner, aber auch das Personal. Die Betroffenen waren ihren Peinigern oft hilflos ausgeliefert und beklagten erschwerten Zugang zu Hilfe und Unterstützung. Besorgniserregend ist, dass viele dieser Bewohnerinnen, die bereits Opfer sexueller Gewalt geworden sind und in den Heimen nicht zuletzt zu ihrem Schutz und zu ihrer Förderung untergebracht wurden, erneut Opfer von verschiedenen sexuellen Übergriffen werden.

Die mangelnden Mitbestimmungs- und Gestaltungsmöglichkeiten des Lebens vieler Frauen in Einrichtungen, aber auch der oft unzureichende Schutz der Privat- und Intimsphäre sowie der mangelnde Schutz vor psychischer, physischer und sexueller Gewalt waren weitere Punkte, die im Zusammenhang mit der Diskriminierung von Frauen mit Behinderung und Beeinträchtigungen im Rahmen der Bielefelder Studie sichtbar wurden.

Angesichts der durch die Studie offenbarten erschreckenden Zustände in den Heimen stellt sich doch die berechtigte Frage, ob die gegebenen Präventionsmaßnahmen und Kontrollmechanismen zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Menschen mit Behinderung in der Praxis wirklich einen ausreichenden Schutz bieten, und zwar auch in den Einrichtungen des Landes Bremen.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Inanspruchnahme von Hilfs- und Beratungsangeboten bei sexueller Gewalt, wie sie beispielsweise in diversen Beratungsstellen durchaus bestehen, insbesondere für Menschen mit geistiger Behinderung kaum möglich

ist. Abhängigkeit und Fremdbestimmung gehören zu ihrer alltäglichen Erfahrung. Insbesondere bleiben sie in extrem hohem Maße auf Interventionen angewiesen, die die Leitung und das Betreuungspersonal der Wohneinrichtungen, in denen sie leben, bestimmen. Hier besteht die potenzielle Gefahr, dass seitens der Heimleitung nicht genügend getan wird. In ihrer wissenschaftlichen Publikation mit dem Titel „Rechtliche Handlungsmöglichkeiten und -pflichten der Einrichtungsleitungen bei Verdacht auf sexueller Gewalt in Institutionen“ weist die Sozialrechtlerin Professor Dr. Julia Zinsmeister beispielsweise darauf hin, dass es in der Praxis bislang nur wenigen Institutionen gelingt, auf sexualisierte Übergriffe durch das Personal mit den gesetzlich geforderten Maßnahmen zu reagieren. Als mögliche Gründe hierfür nennt Frau Professor Dr. Zinsmeister unter anderem die Gefahr, dass entsprechende Verdachtsmomente überhaupt nicht zur Kenntnis genommen, sondern die mutmaßlichen Täterinnen und Täter aus falsch verstandener Kollegialität vom Team gedeckt werden. Auch die Sorge vor negativer Öffentlichkeit und ein Rückgang der Belegungszahlen kann die Einrichtungsleitung dazu verleiten, sich von vornherein auf interne und nicht justizielle Konfliktlösungen, wie zum Beispiel Problemgespräche und Supervision, zu beschränken. Hinzu kommt, dass es wegen der Abhängigkeitsverhältnisse für viele Betroffene oftmals nicht möglich ist, die Übergriffe zu offenbaren. Oft wird den Betroffenen dann auch nicht geglaubt. Die Gesellschaft hat die ethische Verpflichtung, denen zu helfen, die sich selbst nicht helfen können, und diejenigen zu unterstützen, die Hilfe anbieten. Das gesellschaftliche Bewusstsein im Umgang mit der Problematik sexueller Gewalt gegen Menschen mit Behinderung muss insbesondere bei den Verantwortlichen geschärft werden, vor allem den Betreuerinnen und Betreuern. Zudem müssen Mitbestimmungsmöglichkeiten von Menschen mit Behinderung noch stärker gefördert werden. Darüber hinaus halten wir, Bürger in Wut, verstärkte Kontrollen durch die zuständige Heimaufsicht und eine Qualitätsbewertung von Einrichtungen im Hinblick auf Präventions- und Hilfsangebote bei sexuellem Missbrauch von Menschen mit Behinderung für absolut notwendig. – Vielen Dank!

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Aytas.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Gäste! „Sexuellen Missbrauch bei Menschen mit Behinderung bekämpfen“ lautet die Große Anfrage, über die wir heute debattieren. Ich bin fest davon überzeugt, dass hier im Saal niemand sitzt, dem dieses Thema nicht nahegeht, denn es ist immer noch ein Tabuthema. Das Thema sexueller Missbrauch an sich ist ein schweres emotionales Thema, und wir sprechen heute

über eine Gruppe von Menschen, die noch einmal anders betroffen ist. Deshalb finde ich es genauso wichtig, dass wir uns heute diesem Thema annehmen, und ich finde es auch sehr wichtig, dass wir dieses Thema in Zukunft immer wieder in der Öffentlichkeit ansprechen und behandeln.

Sexueller Missbrauch an Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung ist kein marginales Problem, sondern ein Problem mit größerem Ausmaß, das viele Bereiche unserer Gesellschaft betrifft.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Auf der einen Seite werden behinderte Menschen ganz und gar übersehen, auf der anderen Seite steht, wenn man ihnen Aufmerksamkeit schenkt, ihre Behinderung im Vordergrund und nicht ihre Persönlichkeit.

Statistiken vieler Untersuchungen weisen darauf hin, dass je nach Art der Behinderung die Zahl der sexuellen Übergriffe variieren. Viele dieser Unterschiede wurden vorhin genannt, ich möchte sie nicht noch einmal wiederholen. Wenn wir die Untersuchungen lesen, sehen wir zudem auch ganz deutlich, dass besonders Mädchen und Frauen mit Behinderung den Übergriffen von sexuellem Missbrauch ausgesetzt sind.

Ich habe vor Jahren während meiner zweijährigen Zusatzqualifikation bei Schattenriss e. V. zum Thema des sexuellen Missbrauchs an Mädchen gelernt, dass, egal, auf welchen Fall von Missbrauch man stößt, sie alle eines gemeinsam haben: Sexueller Missbrauch wird immer von Personen ausgeübt, die den Betroffenen körperlich, psychisch oder sozial überlegen sind, denn Missbrauch ist nie zufällig, sondern immer geplant, und dieser Missbrauch dauert meistens mehrere Jahre an. Wer glaubt schon einem Mädchen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung?

Das Nichtglauben oder die Ignoranz den betroffenen Personen gegenüber erschweren die Aufklärung und den Umgang mit dem Missbrauch. Menschen mit Behinderung haben sehr häufig mit Personen zu tun, von denen sie sowohl emotional als auch pflegerisch in einem hohen Maße abhängig sind. Wenn Ohnmacht und Hilflosigkeit der abhängigen behinderten Personen ausgenutzt und ihre Intimsphäre verletzt wird, dann liegt definitiv Missbrauch vor, und das müssen wir gezielt behandeln und bekämpfen.

(Beifall)

Leider werden Behinderte als Opfer von sexuellem Missbrauch weniger anerkannt – wie Sie es auch schon gesagt haben, Herr Timke, dieses Zitat habe ich auch gelesen –, es erscheint nämlich unfassbar, dass ein Mensch mit Behinderung Opfer von sexueller Gewalt sein kann. Gerade deswegen ist es not

wendig, behinderten Menschen eine eigene Sexualität zuzugestehen und ihnen eine positive Einstellung gegenüber zu erbringen. Das heißt, wir alle müssen an uns selbst arbeiten und unsere Bilder in unseren Köpfen neu überdenken. Ein Nichtanerkennen ihrer Sexualität verhindert, dass behinderte Menschen ein positives Körpergefühl entwickeln können. Sie trauen ihren eigenen Gefühlen nicht und übernehmen die Bilder und Klischees, die ihnen von außen übermittelt werden, dadurch ordnen sie sich unter und werden schließlich zu Opfern sexueller Gewalt und sexuellen Missbrauchs. Nun fragen wir uns natürlich, was passieren muss, um sexuellen Missbrauch, Gewalt sowie Misshandlungen bei Menschen mit Behinderung entgegenzutreten. Es ist nicht einfach, diese Frage zu beantworten, denn – ich habe es am Anfang auch gesagt – es ist ein gesellschaftliches Problem, an dem wir alle arbeiten müssen und an dem wir uns zu einer sensiblen und parteilichen Gesellschaft für Menschen mit Behinderung entwickeln müssen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das Thema sexueller Missbrauch darf nicht verdrängt werden, schon gar nicht, wenn es um Menschen mit Behinderung geht. Deshalb bekommen in erster Linie die Sexualerziehung, das Lernen, Nein sagen zu können, das Holen von Hilfe, das Erkennen von Grenzen sowie die Vermittlung eines Selbstwertgefühls und der Selbstbestimmung eine große Bedeutung. Meine Erwartung ist deshalb, dass die Institutionen, die mit Menschen mit Behinderung arbeiten, ihre Angebote immer wieder an die Bedürfnisse der Betroffenen anpassen, sich diesem Thema nicht verschließen und dafür Sorge tragen, dass ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu diesem Thema weitergebildet und sensibilisiert werden. Selbstachtung und Selbstvertrauen kann zum Beispiel durch behindertenspezifische Selbstverteidigungskurse vermittelt werden, die inzwischen auch von vielen Institutionen angeboten werden. Dort wird auch das Körpergefühl und Körperbewusstsein gefördert und Widerstandsformen bei sexuellen Übergriffen vermittelt. Auf institutioneller Ebene müssen Wohnkonzepte überdacht und den Wünschen der Bewohner angepasst werden. Dabei sollte die betroffene Person möglichst selbst entscheiden können, wer sie pflegen und betreuen soll. Mehr Kontrolle bei der Einstellung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durch Führungszeugnisse helfen zu mehr Sicherheit für alle Beteiligten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, alles das, was ich aufgezählt habe, sind sicherlich nur einige wichtige Schritte, um Vorkehrungen zu treffen und präventiv zu agieren.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Doch eines möchte ich noch einmal deutlich machen: Ein Generalverdacht, dass sexueller Missbrauch in Wohneinrichtungen oder in der Behindertenhilfe Alltag ist, darf nicht entstehen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Es ist ein hochsensibles Thema, an dem wir weiterarbeiten müssen, und die Institutionen, die mit behinderten Menschen arbeiten, müssen sie viel stärker unterstützen und mit ihnen gemeinsam an Konzepten zur Verbesserung von Schutzvorkehrungen für Menschen mit Behinderung arbeiten. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Erlanson.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Anfang – das mache ich eigentlich selten – durchaus der CDU-Fraktion für diese Große Anfrage danken, denn ich glaube, dass es ein wichtiges Thema ist. Genauso verdient auch die Behörde Lob, die versucht hat, darauf Antworten zu finden.

Ohne Frage – das haben meine Vorrednerinnen und Vorredner schon deutlich gesagt –, es ist ein sehr schwerwiegendes Problem. Sexualität ist ja sowieso, auch in unserer sogenannten aufgeklärten Gesellschaft, nach wie vor ein schweres Problem, bei behinderten Menschen wahrscheinlich noch mehr, und natürlich ist der Umgang mit Schutzbefohlenen gerade in Heimen sicherlich immer ein großes Problem. Es darf keinen Generalverdacht geben – das finde ich auch! –, aber natürlich ergeben sich da mannigfaltige Probleme.

Sie finden mich jetzt ein bisschen ratlos bei diesem schwierigen Thema vor, denn ich habe nicht so ganz verstanden, was diese Große Anfrage eigentlich bewirken sollte. Sie haben nachgefragt, und ich habe bei der Antwort oder bei dem, was ich über diese Themenstellung weiß, das Gefühl, dass der Senat und die Behörde darauf ehrlich geantwortet haben, versucht haben, die Dinge so darzustellen, wie sie sind, und Probleme dargestellt haben, die auch vorhanden sind. Was machen wir jetzt aber eigentlich damit? Es ist schön, wir haben ein schwerwiegendes Thema auf die Tagesordnung der Bürgerschaft gesetzt, auch das muss des Öfteren sein, um vielleicht die Gesellschaft daran zu erinnern, welche Probleme es gibt. Aber wie gehen wir denn jetzt weiter damit um? Welche Konsequenzen hat das?

Der Senat und die Behörde haben geantwortet, dass sie verschiedene Versuche über das Wohn- und Be––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

treuungsgesetz unternommen haben, da im Grunde genommen diverse Haltelinien einzubauen. Es gibt Vereinbarungen mit der Landesarbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände – das finde ich auch positiv –, aber ein Stück weit zeigt sich da natürlich auch die ganze Hilflosigkeit, wenn darin steht, dass der Leistungserbringer sicherzustellen hat, dass er nur Personen beschäftigt oder vermittelt, die nicht wegen einer letztendlich sexuellen Straftat rechtskräftig verurteilt worden sind. Das ist sicherlich eine sehr berechtigte Forderung, aber es ist doch traurig, wenn man so etwas überhaupt vereinbaren muss. Das müsste doch eigentlich selbstverständlich sein, scheint es aber nicht zu sein. Es gibt also eine ganze Reihe von Problemen.

Ich will einfach nur sagen, ich würde mir wünschen, dass wir in einer der nächsten Sitzungen Vorschläge machen oder von der CDU dann auch einmal Vorschläge gemacht werden, wie wir denn mit dieser Situation jetzt umgehen. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Schmidtmann.

Herr Präsident, mein Damen und Herren! Ich spreche heute auch zu der Großen Anfrage „Sexuellen Missbrauch von Menschen mit Behinderung bekämpfen“. Sie bezieht sich in großen Teilen auf die Studie der Universität Bielefeld. Herr Timke hat auch schon ausgeführt, dass geistig und körperlich behinderte Frauen zwei- bis dreimal häufiger als der Durchschnitt der weiblichen Bevölkerung Opfer sexuellen Missbrauchs sind. Als ich das gelesen habe, hat mich das sehr betroffen gemacht. Ich möchte jetzt noch einmal für die Grünen erklären, dass wir uns eindeutig gegen diese Verbrechen aussprechen, sie verabscheuungswürdig finden und sie auch durch nichts zu rechtfertigen sind.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Jetzt kommen wir aber zum Thema! Ja, wir müssen etwas dafür tun, damit diese Verbrechen verhindert werden können. Ich möchte erst einmal darauf hinweisen, dass es bereits das von Herrn Erlanson angeführte qualifizierte polizeiliche Führungszeugnis gibt. Das ist nicht selbstverständlich gewesen, wie wir auch bei den Sportvereinen gesehen haben. Das ist eine gute Maßnahme, das ist ein erster Schritt, das muss man auch so hervorheben, da sind wir als Bundesland Vorreiter.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD) ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft. Was können wir noch tun? Unserer Meinung nach ist die Eigenständigkeit der behinderten Menschen zu stärken. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, denn eigenständig agierende Menschen – das wurde hier bereits von einem meiner Vorredner gesagt – können sich artikulieren und sich bemerkbar machen. Wie können wir diese Eigenständigkeit von behinderten Menschen stärken? Zum Beispiel durch Assistenz, Begleitung und auch durch Beratungen, die dazu führen, das persönliche Budget in Anspruch zu nehmen und dadurch ein selbstbestimmtes Leben zu führen! (Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

In dieser Diskussion hier ist auch ganz oft vorgekommen – das hat mir meine Sitznachbarin zur Rechten, Frau Piontkowski, auch noch einmal gesagt, und das ist auch mein eigenes Empfinden –, dass man behinderten Menschen nicht oder schwerer glaubt als anderen. Das möchte ich auch in Zweifel ziehen. Ich glaube auch oder bin mir sicher, wenn es zu Anzeigen gekommen ist und entsprechende Aussagen von Behinderten gemacht worden sind, dass dann auch die Justiz anfängt zu arbeiten und nicht sagt – so, wie es hier teilweise ja impliziert worden ist –, behinderten Menschen glaubt man nicht so schnell, und das wird irgendwie wegmoderiert. Nein, wenn sie eigenständig sind, wenn sie durch unterstützende Maßnahmen eigenständig gemacht werden, dann können sie sich auch der Justiz gegenüber äußern und dies vortragen.

Zweitens, wir Grünen meinen, das es auch ein Weg sein kann – hier ist ja nach Wegen und Lösungen, die wir uns überlegt haben, gefragt worden –, zum Beispiel die Einrichtungen in den Stadtteil hinein zu öffnen. Wenn man sich überlegt, was zum Beispiel bei den Altenheimen passiert ist, wie es da vor 20 Jahren aussah – –. Wir kennen alle das Haus im Viertel, ich kenne mein Altenheim in St. Magnus, Haus Blumenkamp. Das war früher eine fast eingezäunte Anlage, und auf dem Gelände standen Schilder mit der Aufschrift „Betreten des Rasens verboten“, Besuch von außerhalb war nicht erwünscht, und es galten feste Besuchszeiten. Was hat sich da jetzt getan? Dieses Altenheim veranstaltet für den Stadtteil Lampionfeste, Stadtteilfeste, Freimarktfeste, es hat sich geöffnet. Solche Öffnungen würden sich auch für Heime der Behindertenpflege und -unterbringung anbieten, denn Öffnung und Transparenz sind auch ein Teil dieses Präventionsangebots.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Drittens: mehr eigenständige Wohnprojekte! Wenn sich behinderte und beeinträchtigte Menschen durch Inanspruchnahme des persönlichen Budgets und durch die Unterstützung in eigenständigen Wohnprojekten

entwickeln könnten, hätten sie auch abschließbare Badezimmer und könnten über ihre Pflegerinnen und Pfleger bestimmen, und sie würden auch in einem Einzelzimmer leben. Dies alles wäre in unseren Augen eine präventive Maßnahme.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Dann gibt es noch einen Vorschlag aus den skandinavischen Ländern, in denen in großen Behinderteneinrichtungen Menschen mit Beeinträchtigungen ein sogenannter Notfallknopf ausgehändigt wird. Das kennen wir aus der Altenpflege, da gibt es auch solch einen Knopf, den die älteren Menschen mit sich herumtragen, mit dem sie zum Beispiel, wenn sie stürzen, als Sturzprophylaxe einen Notruf aussenden können, und dann kommt jemand, auch wenn sie zu Hause ambulant untergebracht sind, und kümmert sich um sie, oder jemand ruft an, und wenn sie dann nicht antworten, dann kommt jemand.

Wenn wir das wie in einer großen Einrichtung in Dänemark machen, wie mir das mein Kollege Dr. Schlenker erzählt hat, der sie besichtigt hat – –. Dort ist es zum Beispiel so, dass 500 Menschen in der Einrichtung leben, und jeder hat solch einen Knopf. Wenn es zu einer Beeinträchtigung oder eine Handlung vorgenommen wird, die derjenige, der in der Einrichtung wohnt, nicht möchte, dann drückt er auf den Knopf und bekommt Hilfe, dann kommt jemand. Nach Auskunft von Herrn Dr. Schlenker, der diese Einrichtung besucht hat, wird dort pro Tag einmal Alarm ausgelöst. Das gibt den Betroffenen Sicherheit.

Auf jeden Fall bin ich der CDU dankbar, dass sie dieses Thema hier auf die Tagesordnung gesetzt hat. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Stahmann.

Herr Präsident, sehr geehrte Abgeordnete! In der Großen Anfrage bezieht sich die CDU-Fraktion auf eine Studie der Universität Bielefeld, die wir im Augenblick in der Kurzfassung bereits vorliegen haben und jetzt im Laufe des Aprils auch veröffentlich und vorgestellt wird. Sie trägt den Titel „Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Beeinträchtigungen und Behinderung in Deutschland“. Diese Langfassung möchte ich schon heute allen empfehlen, die das Thema auch weiterhin interessiert. Die CDU greift zwar nur einen Teilaspekt aus dieser wichtigen Studie heraus, aber auch dieser Teil––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

-aspekt verdient natürlich eine sehr große Aufmerksamkeit.