(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Ist Ihnen die Vereinbarung mit dem Bund bekannt, dass wir das in zehn Jahren in zehn Schritten reduzieren?)
Die ist mir bekannt! Ohne die 300 Millionen Euro Sanierungshilfen pro Jahr würden Sie gar nicht in der Lage sein, Ihren Haushalt in den Griff zu bekommen, dann wären Sie schon längst zahlungsunfähig.
Ich komme zum Fazit: Sowohl aus ökonomischen als auch aus rechtlichen Gründen lehnen wir gemeinsame Bund-Länder-Anleihen unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen ab! – Vielen Dank!
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrte Frau Kollegin Piontkowski, da schimmerte ein Menschenbild durch, das nicht von Eigenverantwortlichkeit, Selbstbestimmung ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
und Freiheit geprägt ist, sondern es schimmerte ein Menschenbild durch, dass man Menschen im Wesentlichen kontrollieren, ihnen auf die Finger sehen, ihnen sagen muss, was sie zu tun haben, und in die persönlichen Entscheidungen von Menschen hineinregieren muss. Das mag ein Weltbild sein, es ist aber nicht einmal ein christliches Weltbild!
Es macht mich sehr stutzig, dass Sie hier mit solchen Vergleichen kommen. Wahrscheinlich haben Sie es nicht so gemeint! Vielleicht sollten Sie einmal einen Augenblick darüber nachdenken, welches Menschenbild wir in unserem Grundgesetz verankert haben, dann werden Sie gewisse Widersprüche entdecken.
Ich will aber trotzdem einmal die Frage aufgreifen, ob es sinnvoll ist! In meinen Augen ist es vollständig sinnvoll, erstens, nicht die Verantwortung für Schulden weiterzugeben. Wenn man Schulden gemacht hat, dann sollte man sie möglichst auch bezahlen, wenn man nicht unverschuldet in solch eine Lage gekommen ist. Doch darum geht es gar nicht, es geht doch in erster Linie darum, sich zusammenzutun, wenn man gemeinsam Schulden oder Verbindlichkeiten hat, und zu schauen, ob man nicht einen günstigeren Zinssatz bekommen kann.
Das hat man mir noch nicht erklärt! Diese gemeinsamen Anleihen machen doch Sinn, wir haben doch eine Situation, in der der Bund deutlich geringere Zinsen für seine Schulden bezahlt als wir.
Es gibt eine Menge solcher Absurditäten. Ich habe gelesen, die Europäische Zentralbank hat für diesen ganzen Rettungsschirm eine Billion Euro für ein Prozent zur Verfügung gestellt. Das Geld bekommen aber nicht Italien, Griechenland und Portugal für ein Prozent, das bekommen erst einmal die Privatbanken, die es dann an Portugal, Griechenland und Italien für vier Prozent verleihen, und somit verdienen sie deutlich an dieser Krise. Ich finde, solche Mechanismen sind absurd. Ich finde, man muss solche Mechanismen abschaffen. Deswegen bin ich dafür, dass wir für Deutschland-Bonds werben und sie möglichst schnell einführen, aber natürlich nur dann, wenn wir auch eine Zinsersparnis haben. Alle Experten gehen davon aus, dass das so ist.
Zweitens, ich habe noch einmal darüber nachgedacht, warum wir eigentlich so etwas wie eine Schuldenbremse oder einen Fiskalpakt brauchen. Beides finde ich vollständig überflüssig! Wir haben eine ganze Menge Maßnahmen erkannt, mit denen wir diese Form der Verschuldung bekämpfen wollen, Herr Gottschalk und Herr Dr. Kuhn haben einige genannt.
Wir haben Ideen zur Vermögenssteuer und zur Finanztransaktionssteuer, und wir haben auch Ideen, den Staat an den Stellen effektiver zu machen, an denen es sozial nicht schädlich ist. Wenn wir diese Ideen umsetzen und endlich erkennen, dass wir in den letzten 20 Jahren Reichtum in derselben Geschwindigkeit wie Schulden angehäuft haben, und diesen Prozess beenden, dann braucht man weder in Deutschland noch in Europa irgendeine Form der Schuldenbremse. Sie soll von den tatsächlichen Problemen ablenken, nämlich dass über die Jahre der Reichtum ständig wächst, gleichzeitig die Armut wächst und dass sich einige an diesem Prozess bereichern.
Die Schuldenbremse und der Fiskalpakt greifen in die Haushaltsautonomie ein. Wir werden verpflichtet, einen Vertrag in das Grundgesetz zu schreiben, den wir nicht kündigen können. Es ist die Frage zu beantworten, ob wir damit nicht das Grundgesetz verletzen. Wir werden als Fraktion – nicht auf Landes-, sondern auf Bundesebene – vom Bundesverfassungsgericht prüfen lassen, ob der Fiskalpakt grundgesetzwidrig ist. Ist er nicht grundgesetzwidrig, dann ist es trotzdem ein Vertrag, und wenn wir ihn nicht kündigen können, dann ist es meines Erachtens auch absurd!
Ich will ein Beispiel aufgreifen, weil wir so oft über private Haushalte diskutieren. Wenn man zum Beispiel ein Jahreseinkommen von 120 000 Euro hat, ist man wahrscheinlich durchaus in der Lage, irgendwann einmal ein eigenes Haus anzustreben. Man spart möglicherweise 150 000 Euro, und dann muss man noch einen Kredit über 150 000 Euro aufnehmen, um sich ein Haus kaufen zu können. Nach den Prinzipien des Fiskalpakts wäre das, wenn man sie auf Einzelne anwenden würde, schwierig, denn 150 000 Euro sind deutlich mehr als ein Jahreseinkommen. Man müsste 60 Prozent des Jahreseinkommens – das dürfte man vielleicht noch machen – nehmen, das sind 72 000 Euro, dafür bekommt man aber kein vernünftiges Haus. Das heißt, eine sinnvolle Investition für die Zukunft wird durch solch einen Knebelvertrag verhindert. Dieses Beispiel lässt sich sowohl auf Länder als auch auf Kommunen und Europa ausdehnen.
Ich sage noch einmal: Wir haben in Deutschland über all die Jahre hinweg relativ gute Erfahrungen mit unserem Länderfinanzausgleich gemacht. Das heißt, wir hatten Bundesländer, die sich wirtschaftlich unterschiedlich entwickelt haben. Bremen war einmal Geberland, und Bayern hat das Geld bekommen. Jetzt haben wir aus unterschiedlichen Gründen eine Phase, in der es umgekehrt ist. Das Prinzip
hat sich aber bewährt, das Prinzip, füreinander einzustehen, auch wenn es um Geld geht, um die sozialen Rechte und die Demokratie zu sichern. Das Prinzip des Länderfinanzausgleichs müsste es meines Erachtens auch für Europa geben, da wir europäisch denken müssen, nicht nur fiskalisch, nicht nur finanziell, sondern auch sozial und für die Menschen. – Vielen Dank!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gern zu zwei Punkten noch etwas sagen. Erstens zu dem, was Herr Dr. Kuhn gesagt hat! Er hat mir vorgeworfen, es sei abenteuerlich, dass ich gewissermaßen die deutsche Schuldenbremsen
Ich habe nicht die deutsche Schuldenbremse vor Augen, ich habe auch gar nicht das, was wir hier in Bremen machen, vor Augen, sondern ich habe vor Augen, dass wir am Tiefpunkt, beim Ausbruch der Finanzmarktkrise im Jahr 2008, generell gesehen haben, dass sich alle der Erfahrungen aus der ersten großen Krise – in den Dreißigerjahren – bewusst waren und dass alle gesagt haben, wir dürfen in solch einer Situation nicht auch noch sparen. Das war damals der große Fehler. Es sind daher im Jahr 2008 Gegenmaßnahmen ergriffen worden, die dazu geführt haben, dass wir entgegen unseren Befürchtungen sehr schnell über diese Krise hinweggekommen sind.
Jetzt haben wir folgende Situation: In den USA werden diese Erfahrungen auch weiter beherzigt, während sie in Europa schon wieder vergessen sind. Wenn ich über Deutschland hinausschaue, mir die Sparpolitik in Griechenland und in Spanien anschaue und sehe, dass wir in Spanien bereits 50 Prozent Jugendarbeitslosigkeit haben, dann habe ich in der Tat die Befürchtung, dass wir politisch dort etwas erleben, das zu einer Radikalisierung führen wird, die wir uns nicht wünschen können, und dass es auch eine Radikalisierung werden wird, die nicht in Richtung mehr Demokratie geht, sondern die möglicherweise in Richtung Populismus und Rechts gehen wird. Diese Gefahr habe ich vor Augen, und die Gefahr sehe ich, wenn nur gespart und immer noch einer oben daraufgesetzt wird.
Haushalts- und Finanzausschusses und halten hier eine Rede, bei der man meinen könnte, Sie hätte bislang die Kasse im Kindergarten geführt und nicht dem Haushalts- und Finanzausschuss vorgesessen.
Herr Imhoff, gleich kommen die Agrarsubventionen, aber hinterher! Jetzt beraten wir erst einmal den Fiskalpakt!
(Abg. I m h o f f [CDU]: Das ist ja der blan- ke Neid! – Zuruf der Abg. Frau P i o n t - k o w s k i [CDU])
Frau Piontkowski, haben Sie einmal darüber nachgedacht, welchen Zinssatz Bremen zahlt? Er ist ein halbes Prozent höher als der Zinssatz, den der Bund zahlt.
(Abg. Frau P i o n t k o w s k i [CDU]: Wo- ran liegt das denn? – Zurufe der Abg. Frau A h r e n s [CDU] und des Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grünen])
(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Das hat nichts mit Bremen zu tun! – Zurufe der Abg. Frau A h r e n s [CDU] und des Abg. H i n n e r s [CDU])
Die Tatsache, dass wir ein halbes Prozent mehr bezahlen als der der Bund, ist ja von zwei Merkwürdigkeiten gekennzeichnet. Warum ist es nur ein halbes Prozent mehr? Wenn wir in Deutschland die gleiche Situation hätten, die die Bundesregierung in der EU vertritt, nämlich jeder tritt für sich selbst ein, was meinen Sie, welchen Zinssatz wir hier bezahlen würden?
Wir bezahlen hier ein halbes Prozent mehr, weil wir in einer Haftungsunion sind. Wenn Sie das nicht verstanden haben,