Protokoll der Sitzung vom 12.07.2012

Das gehört aber alles zu Schengen! Das ist nun nicht von der Hand zu weisen, und nicht umsonst haben wir die Diskussion, und ich finde, die muss man auch einfach berücksichtigen.

Diese Menschen träumen von einer Welt oder einem Leben in Europa, von einer besseren Welt. Für sie trägt die Europäische Union schließlich auch irgendwie Verantwortung. Europa heißt für mich eben auch, Menschenrechte zu schützen. In dem Vertrag von Lissabon heißt es deshalb auch in Artikel 2:

„Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedsstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.“

Deshalb ist es eine Sache, hier über die Errungenschaften der Europäischen Union zu sprechen und sie zu Recht schützen zu wollen, aber eine andere Sache, über die sich Bund und Europa Gedanken machen müssen, ist der Schutz von Hilfebedürftigen und ausgebeuteten Menschen innerhalb der gemeinsamen offenen Grenzen. Dazu haben die EU-Innenminister nun einen ersten Schritt gemacht. Ich finde, das darf man nicht ignorieren, das darf nicht außer Acht bleiben, und weil dieser Punkt komplett in Ihrem Antrag fehlt, enthalten wir uns mit unserer Stimme. – Danke!

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Dr. MohrLüllmann, ich muss einmal ein bisschen den Ball zurückgeben. Sie haben eingangs recht gehabt, man hätte über tagesaktuelle Themen reden können. Dieser Tagesordnungspunkt, über den wir jetzt hier reden, hat den Tagesordnungspunkt 61. Tagesordnungspunkt 62 ist unser Dringlichkeitsantrag auf einen Nachtragshaushalt für das Bildungsressort, eine wesentlich politischere Forderung als eine Rücktrittsforderung einer Senatorin, und es war gestern hier nicht möglich, eine Einigung darüber zu erzielen, dass wir darüber reden. Das ist unter anderem auch an Ihrer Fraktion gescheitert, und ich glaube, es wäre in der Tat interessant gewesen, genau diesen Punkt hier heute zu debattieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich komme aber zurück auf den hier vorliegenden Antrag! Der Beschluss vom 7. Juni 2012, der vom Rat ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

für Justiz und Inneres gefasst worden ist, schränkt die Personenfreizügigkeit ein. Das ist die einzige von den vier EU-Grundfreiheiten, im Gegensatz zum freien Warenverkehr, der Dienstleistungsfreiheit und des freien Kapitalverkehrs, von der die Menschen direkt profitieren. Der Beschluss besagt, die Wiedereinführung von Grenzkontrollen unilateral von EU-Mitgliedstaaten im Schengen-Raum soll wieder möglich werden – das war bis dahin nur bei Großereignissen möglich –, und das Aussetzen der Schengen-Regeln für einzelne Staaten als Notfallmechanismus, die ihre Grenzen nicht genug verschließen. Das Europäische Parlament soll nach Willen des Rates bei einigen Entscheidungen betreffend Schengen nicht mehr mitentscheiden können, obwohl es das Ko-Entscheidungsrecht hat.

Die Bundesregierung nimmt hier im Übrigen wieder einmal in langer Tradition eine Hardliner-Position ein wie immer, wenn es um die Abschottung von Europa und um Migrationskontrolle geht. Innenminister Friedrich spielt eine entscheidende Rolle bei dem deutsch-französischen Vorschlag, unilateral wieder Grenzkontrollen einführen zu können. Er hatte sich im Jahr 2011 beschwert, als Dänemark es das letzte Mal gemacht hat, nachdem 2 500 Marokkaner und Algerier an den französischen Küsten angekommen waren, aber als er in Bayern Innenminister war, wollte er genau das Gleiche machen.

Ich möchte auch sagen – darauf komme ich zurück –, aktuell gibt es Vorwürfe, dass die Bundesrepublik an der Grenze zu Tschechien rechtswidrig Reisebusse kontrolliert. Die Kommission überprüft derzeit ein Vertragsverletzungsverfahren. Das Parlament beschloss aufgrund der Verletzung seiner Mitbestimmungsrechte erstmalig, die Zusammenarbeit mit dem Rat bei fünf Gesetzesinitiativen auszusetzen, bis der Konflikt um Schengen geklärt ist. Ich finde, das spricht schon Bände.

Die mit dem Beschluss beabsichtigte Einschränkung der Personenfreizügigkeit setzt die bisherige Tendenz in Sachen Migrationspolitik der EU fort. Länder an den Außengrenzen werden maximal technisch und durch Frontex in der Abschottung ihrer Grenzen unterstützt. Eine gemeinschaftliche und solidarische Asylpolitik in der EU wird weiter verhindert. Stattdessen werden neue Abschottungsmechanismen im Inneren geschaffen. Der Blick auf Migration als einzige in diesem Punkt abzuwehrende Sicherheitsgefährdung manifestiert sich auch in diesem Beschluss nicht nur nach außen, sondern eben auch innerhalb der EU.

Fazit: Im Prinzip haben vor eineinhalb Jahren 25 000 Einwanderer aus Nordafrika Europa angeblich in seinen Grundfesten erschüttert, also setzt man einmal eben demokratische Rechte und auch die Freizügigkeit außer Kraft. Daher hat die Koalition natürlich die Unterstützung bei diesem Antrag. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN)

Ich gebe das Wort an den Abgeordneten Dr. Kuhn zu einer Kurzintervention.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Natürlich ist es so, Frau Kollegin Mohr-Lüllmann, dass offene Grenzen eine Reihe von Problemen beseitigen, und dass offene Grenzen dann auch neue Probleme schaffen,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

das ist eine Tatsache, Sie haben einige genannt. Darum geht es aber gar nicht. Es geht um die Frage, ob man diese Probleme gemeinschaftlich löst, gemeinsame Regeln dafür hat oder ob man, wie es jetzt geplant ist, sie wieder in die Hand des einzelnen Nationalstaates legt, wo eben auch rein innenpolitisch motivierter Missbrauch droht. Genau und nur um diese Frage geht es bei unserem Antrag! – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Senator Mäurer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, ich kann die Debatte in wenigen Punkten zusammenfassen. Es besteht Konsens, dass Reisen ohne Grenzkontrollen zu den größten Errungenschaften der Europäischen Union zählen. Das Schengener Abkommen ist hierfür die gemeinsame Grundlage.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Mit der Wiedereinführung von Grenzkontrollen werden elementare Grundsätze des europäischen Gedankens infrage gestellt. Wenn man fragt, was dahinter steckt, sind es meistens nationale Überlegungen, die im Wahlkampf dann sehr deutlich werden. Ich erinnere daran, dass wir vor einem Jahr auf einmal die Situation hatten, dass wir Pässe benötigten, um nach Dänemark einzureisen. Dänemark, überflutet von Flüchtlingen aus Afrika,

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Und Deutschland!)

verarmt, ein elendes Land, das geschützt werden muss! Ich glaube, das zeigt im Grunde genommen, was die wahren Motive derjenigen sind, die sich für diese Grenzkontrollen einsetzen. Ich befürchte, wenn wir das nicht verhindern, dann können wir wechselweise, je nachdem wo gerade Wahlen stattfinden, erleben, dass die Grenzen hochgezogen werden.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Deswegen, glaube ich, ist es wichtig, dass wir auch auf Länderebene ein sehr deutliches Signal setzen, auch wenn das heute der Punkt 61 der Tagesordnung ist.

An die Seite der CDU: Wenn man sich den Antrag der Koalition genau anschaut, dann sieht man, dass er nicht von Tagträumern geschrieben wurde, sondern man kann lesen, dass in diesem Antrag Grenzkontrollen als Ultima Ratio nicht ausgeschlossen werden. Es kann gewisse Notsituationen geben, in denen man in der Tat zu solchen Instrumenten greifen muss, aber dann bitte auf der europäischen Ebene, mit der Beteiligung des Europäischen Parlaments und nicht als nationaler Alleingang. Das ist der gravierende Unterschied.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Daraus ergibt sich ein ganz klarer Auftrag an den Senat, obwohl wir Ihren Dringlichkeitsantrag bisher noch nicht abstimmen konnten: Ich werde mich mit meiner Kollegin Frau Staatsrätin Quante-Brandt im Europaausschuss des Bundesrates und bei der nächsten Innenministerkonferenz dafür einsetzen, dass diese Beschlüsse korrigiert werden. – Danke sehr!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD mit der Drucksachen-Nummer 18/514 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE)

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

(CDU)

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

Wir haben vereinbart, noch den Tagesordnungspunkt 16 aufzurufen. Das ist eine Diskussion mit drei

mal fünf Minuten Redezeit, so ist es interfraktionell vorgesehen. Ich glaube aber, es wäre im Interesse des gesamten Hauses, wenn wir uns viel-leicht auf fünf Minuten beschränken könnten.

(Abg. I m h o f f [CDU]: Nein!)

Ich habe es geahnt: Herr Imhoff natürlich nicht! Es war nur eine Empfehlung.

Industrielle Massentierhaltung und verantwortungsvolle Beschaffung in öffentlichen Kantinen

Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen vom 26. April 2012 (Neufassung der Drucksache 18/384 vom 25. April 2012) (Drucksache 18/385)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 26. Juni 2012

(Drucksache 18/472)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Dr. Heseler.