Protokoll der Sitzung vom 16.05.2013

ist doch nicht die Wahrheit! Er weigert sich, die Realität anzuerkennen, weil er dann handeln müsste, und das ist doch die Tatsache.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Es ist Tatsache, dass Herr Schäuble mit dem Abkommen mit der Schweiz einen Irrweg beschritten hat, es ist gut, dass der Irrweg beendet ist, und es ist gut, dass jetzt neue Verhandlungen möglich sind. Man sieht ja, was durch gemeinsame Lösungen möglich ist. Das wäre verbaut gewesen, wenn dieses Abkommen geschlossen worden wäre, und vor allem wären die Steuersünder – man kann es ja am Fall Uli Hoeneß sehen – doch in der Anonymität geblieben, sie wären nicht kenntlich geworden, und aufgrund des Ausmaßes dessen, was da passiert, finde ich, kann man dies gar nicht zulassen. Deswegen ist es gut, dass dieses Abkommen nicht zustande gekommen ist. Die Ablehnung hat dazu geführt, dass wir jetzt auf dem richtigen Weg sind, aber nicht die Arbeit von Herrn Schäuble. Das muss man einmal sehr deutlich sagen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Was die Situation in Bremen angeht, haben wir sehr allgemein hineingeschrieben, was wir vom Senat erwarten.

(Abg. Frau P i o n t k o w s k i [CDU]: Sie stellen doch den Senat!)

Es ist so, dass der Senat die Betriebsprüfung neu aufgestellt und zusammengefasst hat. Wenn Sie einmal dort sind, werden Sie merken, mit welcher Kenntnis, mit welchem Elan dort gearbeitet wird. Es sind auch mehr Prüferinnen und Prüfer dazugekommen. Es besteht allerdings das Problem, dass sie durch die Altersstruktur gegenwärtig auch wieder stark zur Ader gelassen werden. Deswegen wollen wir, dass die Gewinne aus der Zusammenlegung der zwei großen Veranlagungsfinanzämter in Mitte dafür genutzt werden, dieses Finanzamt zu stärken. Wir bilden auch aus. Wir wissen aber, dass diese Prüfer nicht auf den Bäumen wachsen, sondern eine lange Berufspraxis benötigen, um für diese Arbeit geeignet zu sein, und deswegen ist das Ganze ein bisschen komplizierter.

Unseren politischen Willen, aus der Reform das zu machen, auch für die Betriebsprüfung, was machbar ist, haben wir in den Antrag geschrieben, daran können Sie uns messen. Wir halten es aber nicht für sinnvoll, die Details heute festzulegen, deswegen wollen wir Ihren Änderungsantrag in dieser Detailliertheit nicht mittragen, weil er zum Teil von falschen Voraussetzungen ausgeht. Wir sagen aber auch, wir müssen diesen Bereich so weit stärken, wie wir kön

nen. Wir müssen die Zusammenarbeit mit anderen Ländern intensivieren. Wir sind nicht der Meinung, wir müssten ein Steuer-FBI schaffen, sondern wir wollen zunächst einmal auf Kooperationen setzen, und ich erlebe auch in diesem Finanzamt, dass dies gewollt wird.

Was wir in Bremen tun können, machen wir. Die Beträge, um die es geht, und die Gestaltungs-, Betrugs- und Fluchtmöglichkeiten, über die wir hier reden, umfassen ganz andere Dimensionen. Da müssen andere handeln, und dazu gibt unser Antrag eine Richtschnur! – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Gottschalk.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Piontkowski, Ihr Beitrag hat mich etwas provoziert. Sie haben gesagt, und das finde ich sehr bemerkenswert, mit den CDKäufen wollten wir nur einige erfassen, Sie, die CDU/ CSU, wolle alle erfassen. Sie wollen in Wahrheit, dass alle noch nicht Erfassten anonym bleiben, das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Dies ist gescheitert, und das ist sehr schön deutlich geworden anhand des Falls eines bekannten Präsidenten eines Fußballvereins. Er hat zu hoch gepokert, und er hat es jetzt eingestanden mit einer Konsequenz, zu der heute eine Meldung um 11.43 Uhr, passend zu unserer Debatte, in der „Süddeutschen“ titelt: „Welle der Ehrlichkeit“! Sie haben gesagt, die Selbstanzeigen gehen zurück, die Steuerberater berichten das genaue Gegenteil. Es ist eine Welle der Ehrlichkeit.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Es ist noch etwas passiert: Wenn Sie die Wirtschaftszeitungen oder Ähnliche nachvollziehen und schauen, was die Schweizer Banken machen, die bis zuletzt darauf gehofft haben, dass dieser Deal zwischen Deutschland und der Schweiz funktioniert – bis zuletzt haben sie darauf gehofft! –, nachdem er gescheitert ist, dann stellen Sie fest, dass sie ihre deutschen Kunden ansprechen und sagen: Wir haben keine Lust mehr, melden Sie sich bei Ihrem Finanzamt, wir machen die Sache nicht mehr mit. Das ist erreicht worden, das wäre mit Ihrem Abkommen nie erreicht worden.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich möchte Ihnen noch etwas sagen! Sie sprachen an, was die Bundesregierung jetzt hier und da macht. Ich würde mich in Teilen auch dem anschließen, was Herr Dr. Kuhn gesagt hat, was Herrn Schäuble und seine Rolle angeht. Wenn Sie das aber einmal verfolgen – Sie haben hier bestimmte Abkommen mit den USA genannt –, dann gilt auch hier: Schauen Sie sich die Genese an! Ging die Initiative von Deutschland aus, oder musste Deutschland zum Handeln gezwungen werden? Das war doch der Punkt. In allen diesen Punkten ist Deutschland letztendlich wie ein Hund zum Tragen gejagt worden.

(Heiterkeit – Abg. Frau A h r e n s [CDU]: Zum Jagen getragen!)

Wie ein Hund zum Jagen getragen, Frau Ahrens, Sie haben natürlich recht! Sie wissen aber genau, was ich sagen will.

Der Punkt ist, dass eine Situation entstanden ist, in der sich selbst eine Regierung, die damals angetreten ist, noch größere Steuerlöcher zu schaffen, gezwungen sieht, in eine andere Richtung zu gehen, und das macht mich optimistisch.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich denke, dass wir auf der EU-Ebene vorankommen müssen, denn eines sollten wir bei dieser Diskussion hier nie vergessen: Wenn wir über Steuerhinterziehung reden und über die Summen, um die es dort geht, sind sie ein Hügel im Vergleich zu dem Gebirge an hinterzogenen Steuern durch Tricksereien, durch Verschiebereien von Gewinnen zwischen Gesellschaften in Irland, den Niederlanden und der Karibik. Das führt dazu, dass die internationalen Konzerne Milliarden Euro Umsatz erzielen und dann mit Steuersätzen in Höhe von zwei Prozent nach Hause gehen. Das darf zukünftig nicht mehr passieren.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich will abschließend einen weiteren Punkt ansprechen. Wir sollten die Steueroasen nicht immer nur mit der Vorstellung verbinden, dass es dort sehr warm ist und die Sonne scheint, und wir sollten auch nicht immer daran denken, dass es sich dabei nur um die anderen handelt. In einer jüngst zusammengestellten Erhebung des Netzwerks für Steuergerechtigkeit ist unter den führenden Steueroasen Deutschland auf Platz 9 gelandet.

Es ist schon angesprochen worden, auch von Ihnen, Herr Rupp, dass man sich auch deutlicher bewusst sein sollte, wo eigentlich das Hauptsteuerschlupfloch besteht. Ich gebe gern zu, dass insbesondere auch Rot-Grün seinerzeit den Fehler gemacht hat, nämlich das Problem – –.

(Zuruf von der CDU)

Wir haben es gemacht, und Sie haben Schmiere gestanden, das ist der Punkt!

(Beifall bei der SPD)

Das Problem ist die Kapitalertragsteuer in Höhe von 25 Prozent. Sie ermöglicht es, dass von außen im großen Umfang Gelder nach Deutschland kommen und hier vollkommen anonym bleiben, weil einfach nur die 25 Prozent abgezogen werden und sich sonst niemand darum kümmert, wie schwarz oder wie grau dieses Geld überhaupt ist.

(Abg. Frau P i o n t k o w s k i [CDU]: Wer hat sie denn eingeführt? Wer war das denn?)

Um diese Situation noch zu verschärfen, gibt es den wunderbaren Ansatz, dass die Steuerausländer auch noch den Antrag stellen können, dass ihnen die Steuer erlassen wird. Deshalb gilt Deutschland als eines der großen Schwarzgeldparadiese, und das müssen wir verändern. Wir dürfen sozusagen den Balken in unserem eigenen Auge nicht übersehen. – Danke!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rupp.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe eine große Sympathie für den Ansatz, dass man einen Hund auch einmal zum Tragen jagen muss, also die Bundesregierung muss man auf jeden Fall zum Mittragen dieser ganzen Maßnahmen jagen. So gesehen ist es vielleicht eine gute Idee, dass man die Dinge auch einmal ein bisschen umdreht.

Zu dem Thema der Steuerprüferinnen und Steuerprüfer in Bremen, habe ich auch ein altbekanntes Zitat: „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“ Es hängt ein bisschen damit zusammen, dass wir dieses Problem vor drei Jahren schon einmal auf den Tisch gelegt haben. Damals haben Sie uns gesagt, dass alles in Ordnung sei und dass wir mehr Steuerprüfer haben werden. Im Jahr 2009 gab es 980 Vollzeitstellen, im Jahr 2010 957 Stellen und im Jahr 2011 924 Stellen. Die Stellen bei der Steuerfahndung und der Betriebsprüfung sind nicht mehr geworden, auch wenn sie bis zum Jahr 2011 nicht in gleichem Maß verringert worden sind.

Die strukturellen Probleme, die sich daraus ergeben, dass wir genau in diesem Bereich viele ältere Kollegen haben und dass wir sie eben nicht von der ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Straße holen können, sondern an anderer Stelle Steuerfahnder und Steuerprüfer ausbilden müssen, die dann durch ihre Berufspraxis und Weiterbildungen in die Lage versetzt werden, Betriebsprüfer zu werden, legen eine andere Vorgehensweise nahe. Wir können es uns meines Erachtens nicht leisten, die Zahl der Steuerfahnder weiter zu senken, sondern wir müssen sie erhöhen, sonst haben wir diese Lücke zwischen den erfahrenen alten Betriebsprüfern und den relativ unerfahrenen neuen Betriebsprüfern, und die müssen wir schließen.

Deswegen bleiben wir bei unserer Forderung zu sagen, dass man diesen Bereich von der PEP-Quote ausnehmen muss, trotz Optimierungsmaßnahmen und Ähnliches. Wir müssen genau schauen, wie viele neue Steuerprüfer wir eigentlich benötigen, damit wir in einem Jahr, zwei, drei oder vier Jahren genug Außenprüfer und Steuerfahnder haben, sodass wir die notwendigen Quoten erreichen, und soweit sind wir noch nicht. Möglicherweise hilft diese Debatte, ein solches Konzept vorzulegen, wie das in zwei oder drei Jahren erreicht werden soll und wie das auch in vier, fünf oder sechs Jahren sichergestellt ist. Wenn wir das nicht machen, wenn wir nicht deutlich machen, dass wir an dieser Stelle auch unsere Pflicht tun müssen, dann ist es nicht besonders redlich zu sagen, dass das auf der Bundesebene entschieden werden muss.

Ich glaube, wir können unseren Forderungen auf der Bundesebene viel mehr Nachdruck verleihen, wenn wir sagen, hier in Bremen machen wir mehr, als zunächst scheinbar möglich ist, weil wir mehr Einnahmen erzielen wollen, und wir haben auch ein Konzept zum Ausbau dieser Steuerprüfer, damit wir auch glaubhaft machen können, dass das, was wir auch auf Europa- und Bundesebene fordern, funktioniert.

Im Übrigen will ich noch sagen, dass nach meiner Erfahrung die Kontrolldichte bei niedrigen, normalen und durchschnittlichen Einkommen vergleichsweise hoch ist. Sie haben auch nicht so viel Geld in irgendeiner Weise an der Steuer vorbeigemogelt, sie benötigen eher eine Rechtsberatung. Deswegen sind die „1 000 legalen Steuertricks“ eher eine Rechtsberatung, was sie im Rahmen des geltenden Rechts eigentlich alles anmelden können.

Ich will nur dem Schwarze-Schafe-Prinzip widersprechen. Meines Erachtens steigt mit dem Einkommen, mit dem Vermögen der Drang und der Hang, in irgendeiner Wiese eine Lücke zu finden, in irgendeiner Weise sein Geld anderswo hinzuschicken. Ich mache aber auch darauf aufmerksam, und das will ich hier nicht verhehlen, dass die Menschen, die im Moment gut verdienen, die auch über Unternehmen verfügen – ich war auf einer Veranstaltung der Familienunternehmer, das sind die Menschen, die jetzt keine Superreichen sind, aber die in aller Regel ganz gut verdienen –, mir sehr deutlich gesagt haben: Wir haben inzwischen erkannt, wenn wir 10 oder 15 Prozent mehr Steuern bezahlen, dass dann unter Umständen die Feuerwehr oder die Polizei eher vor

Ort ist und wir bessere Schulen haben, und das wollen wir.

Es gibt also auch den Umkehrschluss, dass relativ viele Menschen, die im Moment gut verdienen und ein vergleichsweise hohes Vermögen haben, sagen, es ist richtig, dieses Vermögen angemessen zu besteuern, damit unsere Kinder in diesem Land gut leben können. Auch gegenüber denen ist es eminent wichtig, Steuerflucht, Steuerhinterziehung zu bekämpfen und hier in Bremen die entsprechenden Werkzeuge zu haben. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Bürgermeisterin Linnert.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich für den Antrag der Koalition. Er macht Mut und gibt Rückendeckung. Die Ablehnung des Schweizer Steuerabkommens war nicht ganz einfach, ich habe dafür jedenfalls immer ordentlich Prügel bezogen. Ich bin froh, dass sich herausgestellt hat, dass das Agieren der rot-grünen Seite, dort dickfellig zu bleiben und sich nicht, wie auch hier in der Bremischen Bürgerschaft, unter Druck setzen zu lassen nach dem Motto, ihr nehmt lieber den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach – und was da sonst noch alles konstruiert worden ist –, und sich dem Druck nicht zu beugen, richtig war.

Der Dreh- und Angelpunkt ist die Sicherung der Anonymität der Steuerhinterzieherinnen und Steuerhinterzieher, und da das Schweizer Steuerabkommen nicht zustande gekommen ist, wird sie alle hervorbringen, und darauf werden wir dann schauen. Es wird noch eine Menge Geld eintreffen, da bin ich mir ziemlich sicher.

Ich bin froh darüber, dass die Botschaft ist, wir erwischen alle, die das heute noch machen, die Hürden sind nämlich immer höher geworden. Ich glaube, dass die Zeiten dieser Art der Steuerhinterziehung vorbei sind. Es werden sich neue Herausforderungen stellen, aber ich möchte gern viele Altfälle aufklären, nicht nur, weil wir das Geld einnehmen wollen, sondern weil es insgesamt die Botschaft geben muss, dass es keine sicheren Plätze für diejenigen geben darf, die Erfolg bestehlen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)