Die CDU beantragt ein ressortübergreifendes Konzept zum Stopp der Straftaten gegen ältere Menschen. Wie meine Vorredner und Vorrednerinnen ausgeführt haben, sind Straftaten gegen ältere Menschen tatsächlich ein Problem.
Darin sind sich hier alle einig. Vor allen Dingen die Deliktarten Diebstahl oder Trickbetrug betreffen häufig Seniorinnen und Senioren.
Eine aktuelle Anfrage der CDU hat ergeben, dass die Polizei – das haben meine Vorredner von der Koalition auch schon gesagt – hier schon viel tut. Es gibt Präventionsprojekte – Herr Fecker hat eine ganze Liste aufgeführt –, die Polizei bietet regelmäßig Aufklärung in Stadtteilen an, und immer wieder warnt die Polizei auch öffentlich vor Handtaschendiebstahl oder Trickbetrug. Ich bin auch sicher, wenn der Weihnachtsmarkt anfängt, wird auch die BSAG wieder dauernd Durchsagen bringen, mit denen sie davor warnt, dass Taschendiebe unterwegs sind und dass insbesondere ältere Menschen davon betroffen sind. Das heißt, von dem, was die CDU hier fordert, passiert in der Realität schon viel.
Aber an dem Antrag stört mich auch etwas. Das ist das Bild, das Sie hier zeichnen. Senioren werden laut Ihrem Antrag von Kriminellen – ich zitiere jetzt – als Opfer ausgesucht, weil die Täter sie als leichte Beute ansehen.
Und dann geht es weiter: Gerade weil die Senioren so viel für unser Land unternommen haben, muss sich die Gesellschaft um sie kümmern und ihnen dabei helfen, sich vor den kriminellen Machenschaften zu schützen. – Das ist eigentlich eine logische Konsequenz, aber es geht bei Ihnen hier logisch durcheinander. Zuerst wird um eine kriminalpsychologische Interpretation gebeten, und dann erfolgt ein moralischer Appell an die Gesellschaft, und dann wird noch die Behauptung dazugegeben, dass bisher nichts getan worden sei,
diese Seniorinnen und Senioren vor Straftaten zu schützen. Diese Behauptung ist, wie gesagt – das haben meine Vorredner und Vorrednerinnen zutreffend gesagt –, nicht wahr.
Ich denke aber, dass das Thema uns bei der absehbaren demografischen Entwicklung weiter beschäftigen wird. Wir werden Ihren Antrag aber zurzeit ablehnen,
weil auch wir ihn für überflüssig halten und weil Sie Fakten und Behauptungen miteinander vermischen.
dass sie jetzt gleich empört sind. Ich meine das todernst, und ich finde es auch ziemlich traurig und ein ganz wichtiges Thema. Der Anteil der älteren Menschen wächst unabsehbar in der Gesamtbevölkerung. Damit wird natürlich auch der Anteil der gegen sie verübten Straftaten aller Wahrscheinlichkeit mitwachsen.
Aber es wächst auch der Anteil – dazu haben wir in letzter Zeit erschütternde Berichte im Fernsehen sehen können – der Straftaten, die von Rentnerinnen und Rentnern begangen werden, und zwar weil sie altersarm sind. Sie machen das nicht aus Lust und Laune. Die Anzahl beziehungsweise der Anteil der Ladendiebstähle von Seniorinnen und Senioren ist mittlerweile größer als der von Jugendlichen in der Pubertät, bei denen ja oft von der Polizei von Pubertätsstraftaten gesprochen wird. Ich finde, wenn man sich diesem Thema der demografischen Entwicklung der Straftaten gegen Seniorinnen und Senioren, aber auch der Altersarmut und damit einhergehenden Verübung von Ladendiebstählen von Senioren ernsthaft nähern will, dann muss man wirklich ernsthaft einmal darüber reden, auf was für eine Gesellschaft wir hier zusteuern. Ehrlich gesagt, liebe CDU, ich würde an Ihrer Stelle vielleicht einmal darüber nachdenken, im Bund die von Ihnen bislang getragenen Rentenkürzungen zurückzunehmen. Dann könnte man sich dieses Themas auch auf der anderen Seite ein bisschen positiver annehmen.
(Beifall bei der LINKEN – Abg. K a s - t e n d i e k [CDU]: Das fehlte noch! Unter- irdisch! – Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Eben nicht!)
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Fraktion der CDU hat den Antrag gestellt „Senioren wirksamer vor Alltagskriminalität schützen“. Wir von „Bürger in Wut“ unterstützen diesen Antrag.
Frau Kollegin Vogt hat darauf hingewiesen, und zwar in doppelter Richtung – das fand ich hochinteressant –: Ältere als Opfer und als Täter. Die demografische Entwicklung ist bei uns so verlaufen, dass wir es in Bremen mit 165 000 Menschen über 60 zu tun haben, Frauen und Männern. Wir wollen nichts dramatisieren. Ich selbst bin 68 und wohne zwischen zwei Seniorenheimen. Da bin ich häufig, vor allen
Dingen, wenn meine Frau verreist ist und ich da zum Essen gehe. Das mache ich seit Jahren. Nach meinen Erfahrungen sind die älteren Menschen dort sicher aufgehoben. Dennoch sind Ältere sehr beunruhigt. Wie wir alle lesen und hören auch sie alltäglich von kriminellen Machenschaften, von denen auch die Menschen in Bremen zunehmend bedroht sind. Sie sind tatsächlich – das Wort fiel schon – häufig eine leichte Beute; zu häufig. Das Bild, das die Werbung suggeriert, Ältere seien in der Regel aktiv, dynamisch und fit, ist eben nicht allgemein gültig. Frau Kollegin Schmidtke hat darauf hingewiesen: Die Reaktionen von früher lassen nach. Ältere – das ist das Fazit – können sich nur noch begrenzt selbst schützen oder geschützt werden. Da sind zunächst die bekannten Delikte, auf die hingewiesen wurde: Einbrüche, Überfälle und Betrügereien bis hin zur legendären angeblichen Dachdeckertruppe, die Frau Meyer, 84, anschnackt, sie müsse das Dach ihres Hauses vor dem Winter neu decken lassen, Preis 35 000 Euro. Wenn sie keine Rechnung bräuchte: Angebot 25 000 Euro, dann aber bitte 5 000 Euro als Anzahlung, jetzt. Frau Meyer, zunächst konsterniert, ist jetzt glücklich, zahlt die Anzahlung, und die angeblichen Dachdecker lassen sich nicht mehr blicken. Was Älteren besonders Schwierigkeiten macht, sind ungewohnte Situationen und unvermutete Angriffe, auch auf ihr Hab und Gut. Die Kriminellen werden immer erfinderischer. Dazu zwei Beispiele, die Sie mir bitte glauben wollen. Sie passierten in unserer Nachbarschaft: Frau Deters ist 76. Sie hat im Supermarkt eingekauft und fährt ihren Einkaufswagen zum Auto. Da steht schon ein junger Mann und zeigt ihr eine Schramme an seinem alten Auto. Die hätte sie, Frau Deters, eindeutig verursacht. Frau Deters weiß, dass sie das nicht getan hat, aber sie kann es nicht beweisen. Jetzt müsste sie die Polizei anrufen, aber sie hat kein Handy. Also gibt sie auf. Der junge Mann meldet die Sache seiner Versicherung, und nach vier Wochen bekommt Frau Deters von ihrer Versicherung die Meldung, man habe 750 Euro für den Schaden bezahlt. Einwände von Frau Deters werden zurückgewiesen. Zweites Beispiel: Herr Müller ist 65. Er hat im Supermarkt eingekauft. Er fährt mit seinem Einkaufswagen, wie Frau Deters, zu seinem Auto, macht die Heckklappe auf und will die Einkäufe einladen. Eine junge Frau kommt auf ihn zu und beschuldigt ihn, ihr den Wagen gestohlen zu haben, den gefüllten Einkaufswagen. Herr Müller ruft die Polizei per Handy, die Polizei kommt, aber er kann nicht beweisen, dass ihm die Einkäufe gehören. Er hat den Bon weggeworfen, und die Frau hat sich den Bon aus dem Abfallkorb geholt. Solche Dinge sind wie eine Mode. Sie sprechen sich herum, aber die Kriminellen erfinden immer neue Untaten.
Ältere Menschen brauchen Ansprechpartner, die sie auf solche unvermuteten Situationen vorbereiten. Die in dem Antrag der CDU geforderten „Ansprechpartner“ bei der Polizei sind im Ernstfall häufig sehr weit weg. Wer mit Älteren spricht, hört oft, dass es bei kleineren Einbrüchen oft bis zum nächsten Tag dauere, ehe eine Fachkraft erscheint. Just am letzten Dienstag meldeten die Medien, dass es 20 Stunden gedauert habe, bis nach einem Einbruch die Spurensicherung kam.
Ältere Menschen finden es bedauerlich, dass am Wochenende die neue Polizeistation in Horn-Lehe recht unbesetzt aussieht, ebenso die Polizeistation am Bürgerpark. Das subjektive Empfinden von Sicherheit, das die Seelenlage der Menschen prägt, ist ebenso wichtig wie die objektiv garantierte Sicherheitslage.
Die traumatischen Erlebnisse von Opfern stehen heutzutage mehr im Blickpunkt denn je in der Geschichte. Das ist toll. Den Opfern von Straftaten Zuwendung und Zeit zu widmen, ist im Ernstfall gerade für ältere alleinstehende Menschen hilfreich. Aber dann lässt sich nur selten jemand sehen, der dazu in der Lage ist und auch die Zeit dafür mitbringt.
Zur Abwehr dieser Gefahren schlägt die CDU vor, ein ressortübergreifendes Handlungskonzept „Stopp der Straftaten gegen ältere Menschen“ zu entwickeln. Das begrüßen wir „Bürger in Wut“. Wir begrüßen auch den Vorschlag, pensionierte Polizeibeamte ehrenamtlich in die Begegnungsstätten zu schicken, die dort langfristige, sich auch wiederholende Ratschläge geben und solche in Erinnerung rufen.
Damit wird der Trend unterstützt, dass Ältere so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden bleiben, und das mit dem Gefühl, dort einigermaßen sicher zu sein. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Schmidtke, als Sie anfingen, habe ich gedacht, Sie hätten das Thema tatsächlich verstanden. Aber dann haben Sie am Ende Ihrer Ausführungen doch nur gesagt: Wir stimmen dem Antrag nicht zu. Den Zusammenhang habe ich nicht so richtig verstanden und nicht richtig begriffen.
Darauf gehe ich am besten jetzt schon ein, wenn Sie das schon so direkt ansprechen. Sie können sich vielleicht daran erinnern, dass Sie am 17. September 2013 zusammen mit der SPD den Antrag, der mir hier vorliegt, formuliert haben „Kriminalprävention in Bremer Stadtteilen ausbauen, Sicherheitspartnerschaften fördern“. Damit wollen Sie die Bürgerschaft auffordern – oder das haben Sie schon beschlossen –, den Senat aufzufordern – ich muss es Ihnen jetzt einfach einmal vorlesen, damit es alle noch einmal hören –, unter Beteiligung der Stadtteilbeiräte und Ortsämter sowie weiterer maßgeblicher Institutionen des jeweiligen Stadtteils die Gründung von Präventionsgremien in allen Bremer Stadtteilen zu initiieren beziehungsweise sie, falls notwendig, dahingehend weiterzuentwickeln. Und dann geht das so weiter und so weiter. Sie sagen in Ihrem Beitrag hier heute, dass eigentlich alles bestens sei, dass Sie überhaupt keine Notwendigkeit sehen, die Straftaten zum Nachteil älterer Menschen speziell aufzugreifen, deren Prävention deutlich zu fördern,
den Opferschutz gerade auch für ältere Menschen nach vorn zu bringen. Alles das, sagen Sie, sei vollkommen gut erledigt und geregelt. Gleichzeitig fordern Sie mit einem eigenen Antrag genau diese Dinge, nur dass Sie es ein bisschen verklausulierter bringen und nicht auf ältere Menschen reflektieren,
sondern ganz allgemein formulieren. Auch ältere Menschen tauchen da auf – ja! –, werden aber nicht speziell genannt, wie unser Antrag und unser ressortübergreifendes Konzept beabsichtigen. Frau Kollegin Schmidtke, Sie bringen das Beispiel, dass die Polizei am 1. Januar 2008 ein Sachgebiet mit diesen Aufgaben betraut hat. Das ist richtig, aber wenn Sie mir zugehört hätten, dann hätten Sie mitbekommen, dass sich seither die Anzahl der Delikte – trotz dieses Sachgebietes! – verdoppelt hat, nämlich von 300 auf 600. Ich denke, mit dem Wissen, dass das geschehen ist, seit es dieses spezielle Sachgebiet gibt, sollten wir vielleicht doch einmal darüber nachdenken, ob das ausreicht. Das Sachgebiet arbeitet gut, das will ich überhaupt nicht bezweifeln.
(Abg. S e n k a l [SPD]: Wie viel wäre es gewesen, wenn es nicht gewesen wäre! Das ist jetzt aber sehr vage!)
Sich auf solche Spekulationen einzulassen, Herr Kollege, obwohl wir wissen, dass dahinter 600 Opfer, ältere Menschen stehen, die unter diesen Straftaten zu leiden haben, möchte ich mir doch wirklich ersparen.
Alles in allem kann ich die Ablehnung dieses Antrags, gerade auch nach Ihren Vorträgen, Herr Kollege Fecker und Kollegin Schmidtke, überhaupt nicht nachvollziehen. Wenn ich mir dann noch Ihren eigenen Antrag vornehme, wird es noch widersinniger. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Willi Hinners, weder war der Redebeitrag von Frau Kollegin Schmidtke geeignet noch meiner selbst – auch nicht, glaube ich, der von Frau Kollegin Vogt –, eine Bagatellisierung oder eine Verharmlosung der Straftaten gegen ältere Menschen vorzunehmen. Es haben alle drei sehr deutlich gemacht, dass es ein bestehendes Problem ist, das es nicht nur in Bremen gibt, sondern das – Sie erinnern sich – sogar länderübergreifend behandelt wird. Es ist richtig und es ist auch wichtig, dass man sich diesem Problem stellt. Noch einmal sehr deutlich: keine Bagatellisierung und keine Verharmlosung.
Aber es gibt schon einen Unterschied. Es ist ja ganz schön, womit man das alles den lieben langen Tag vergleicht, wenn man hier öfter steht. Der erste Vergleich betraf das Konzept „Stopp der Jugendgewalt“. Nun nehme ich erst einmal mit, dass Sie offensichtlich zum begeisterten Anhänger des Konzepts „Stopp der Jugendgewalt“ geworden sind.