Wir von den Grünen haben erst jüngst mit dem Paritätischen – ihn haben Sie heute schon oft zitiert haben – eine Veranstaltung zum Thema Kinderarmut durchgeführt, und auch nächste Woche wird es vor allen Dingen um das Thema der Kinderarmut gehen. Denn Kinder sind von Armut ganz besonders betroffen. Sie haben weniger Möglichkeiten, am gesellschaftlichen und kulturellen Leben teilzuhaben, und die Betroffenen haben auch später schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
Sie haben zu Recht gesagt, Herr Röwekamp: Kinder sind deutlich armutsgefährdet. Die Armutsgefährdungsquote liegt bei Kindern im Land Bremen bei 32 Prozent. Das ist besorgniserregend. Ich möchte an dieser Stelle noch kurz sagen, dass wir in Bremen seit dem Jahr 2008 allen Kindern aus Familien mit geringen Einkommen ein kostenloses Mittagessen im Kindergarten, im Hort und in der Ganztagsschule anbieten. Denn wer nichts im Bauch hat, der kann auch nicht lernen.
Wir wissen, dass der Bildungserfolg in hohem Maße von der sozialen Herkunft abhängig ist. Ein kurzer Blick auf die Stadt: Während in Oberneuland, Borgfeld und Schwachhausen bis zu vier Prozent der Bewohner und Bewohnerinnen Sozialleistungen beziehen, sind es in Gröpelingen und Tenever weit über 30 Prozent. Umgekehrt liegt der Anteil der Gymnasiasten in Schwachhausen bei 70 Prozent und in Gröpelingen bei 28 Prozent. Deshalb ist die Entkopplung von Herkunft und Bildungschancen Ziel grüner Politik. Damit wollen und müssen wir bereits im Kin
Derzeitig werden ca. 6 100 Kinder unter drei Jahren in Einrichtungen betreut. Der Ausbau ist uns bei gleichbleibender Gruppengröße und verbesserten Fortbildungen für Erzieher und Erzieherinnen gelungen. Für die Drei- bis Sechsjährigen führen wir zum nächsten Kindergartenjahr einen Rechtsanspruch auf eine Betreuungszeit von sechs Stunden pro Tag ein, und wir wollen den Ausbau der Kindertagesbetreuung unter sozialen Gesichtspunkten fortsetzen.
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Frau A h r e n s [CDU] meldet sich zu ei- ner Zwischenfrage. – Glocke)
Danke schön! Frau Kollegin, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass Sie eine Qualitätsverschlechterung eingeführt haben, indem Sie die „4. Quartalskinder“, die erst Ende des Jahres drei Jahre alt werden, in den Regelkindergarten aufgenommen haben, sodass dort alle Fachkräfte – und zwar in jeder Einrichtung, die hier in Bremen einen Kindergarten betreibt, von KiTa Bremen, dem staatlichen Eigenbetrieb, bis hin zur evangelischen Kirche, bis zu den Elternvereinen – sagen, dass, wenn das eine Muss-Regelung wird, was Sie ja angekündigt haben, das so sein soll – –.
Ich komme zur Frage. Sind auch Sie der Auffassung, dass das eine echte Qualitätsverschlechterung ist?
Das ist für uns keine Qualitätsverschlechterung, sondern wir haben eine gleichbleibende Gruppengröße, wir haben ganz viel im Kindertagesstättenbereich gemacht. Ob die „4. Quartalskinder“ schon mit den Kindern in den höher gelegenen Gruppen zusammen sind oder nicht, ist für uns keine Frage der Verschlechterung. Ich selbst bin in der DDR groß geworden und bin auch mit vielen Kindern unterschiedlicher Altersklassen zusammen gewesen. Das hat uns nicht geschadet; ich stehe heute trotzdem hier.
Ich möchte noch sagen, dass wir den Ausbau der Kindertagesbetreuung unter sozialen Gesichtspunkten fortsetzen wollen. Dazu gehören auch die gezielte Ansprache und Werbung bei den Eltern in sozialen Brennpunkten, damit diese ihre Kinder in die Krippen geben. Das ist wichtig, das haben wir anerkannt, da wollen wir verstärkter voranschreiten.
Dies kann bei aller Anstrengung in unseren beiden Kommunen aber nicht vollständig gelingen, wenn sich nicht auch im Bund Wille und Tatkraft zeigen, strukturell gegen Kinderarmut vorzugehen. Vor diesem Hintergrund ist zu fragen: Wird die zukünftige Große Koalition im Bund das unsinnige Betreuungsgeld abschaffen und stattdessen das Geld den klammen Kommunen zum Kitaausbau geben? Wird es endlich eine Erhöhung der Kinderregelsätze geben, und/ oder wird die Option in Betracht gezogen, eine Kindergrundsicherung einzuführen? Das ist nämlich auch das Thema nächste Woche auf dieser Veranstaltung.
Nicht zuletzt geht Armutsursachenbekämpfung nur, wenn wir auch die Steuern erhöhen und umverteilen; von oben nach unten.
Dies wären grundlegende Weichenstellungen, um den Kindern in unserem Land, unabhängig von ihrem materiellen und gesellschaftlichen Background, eine Chance auf soziale Mobilität zu geben. Dafür ist es längst an der Zeit.
Zum Schluss, Herr Röwekamp, möchte ich noch Folgendes sagen: Sie weisen zu Recht darauf hin, dass wir überprüfen müssen, welche Maßnahmen wirken, welche nicht wirken, welche sinnvoll sind, welche wir nicht mehr brauchen, was wir neu machen müssen. Und wir müssen hier auch bündeln. Sie zitieren den Paritätischen, Herr Röwekamp, ich zitiere heute den Koalitionsvertrag, der für Rot-Grün handlungsleitend ist. In ihm heißt es: „Wir werden die Maßnahmen gegen Armut auf ihre Wirksamkeit prüfen, noch stärker koordinieren und zu einem übergreifenden Gesamtprogramm entwickeln.“ Wir laden Sie herzlich ein, das mit uns gemeinsam zu machen, wir laden auch herzlich die Fraktion DIE LINKE ein. Denn ich bin überzeugt: Wenn wir es wirklich ernst meinen mit der Armutsbekämpfung in unserem Land, dann brauchen wir eine parteiübergreifende Linie, ein parteiüber
greifendes Voranschreiten gemeinsam mit den Beiräten, gemeinsam mit den zivilgesellschaftlichen Akteuren in unserer Stadt. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich habe mich nur noch einmal kurz zu Wort gemeldet, weil ich es auf der einen Seite wirklich großartig finden würde, ginge von der Bremer CDU ein Impuls in die Bundes-CDU aus, damit sich christliche Werte deutlicher als bisher durchsetzen;
zum Beispiel das Prinzip der Nächstenliebe oder das Prinzip vom Heiligen Sankt Martin, der bereit ist, seinen letzten Rock mit jemand zu teilen, der arm ist.
Manchmal habe ich auch ein Faust-Zitat im Kopf wie „Die Worte höre ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“.
Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, wie genau Sie sich denn Armutsbekämpfung vorstellen. Frauen zurück an den Herd, Pflege in die Familie, frühzeitige Selektion in der Schule, Studiengebühren? Alles Dinge, die ich im Wesentlichen von der CDU kenne. Ich habe in diesem Hause aber auch schon gehört habe, dass gestern noch Atomwerke klasse waren, und am nächsten Tag hatten wir ein Ausstiegsszenario. Ich habe an dieser Stelle auch schon gesagt: Das respektiere ich ausdrücklich! – Wenn es gelingt, einen solchen Prozess in Gang zu setzen – ich meine den Hinweis auf die christliche Nächstenliebe keineswegs zynisch –, dann finde ich das in Ordnung. Denn wir haben zu wenig Lehrerinnen und Lehrer, wir haben zu wenig Sozialarbeiterinnen, wir haben zu wenig Stadtteilpolitik gegen Segregation, wir haben zu wenig preisgünstigen Wohnraum. Das lässt sich auflisten. Wir haben viele Instrumente, aber leider sind diese Instrumente in der Regel nicht gut ausgestattet.
verhandlungen, wir haben einen gewissen Stapel von Änderungsanträgen. Deswegen bin ich auch als Haushaltspolitiker noch einmal hier. Setzen wir uns zusammen und gucken unsere gemeinsamen Anträge durch! Ich habe gehört, Sie machen auch welche. – Prüfen wir einmal, ob das, was wir entwickelt haben und was Sie entwickeln, besser für die Bekämpfung der Armut in Bremen geeignet ist als das, was bisher im Haushalt steht! Ich bin davon überzeugt, dass das so ist mit unseren Anträgen. Lassen Sie uns das abgleichen, und dann können wir gucken, ob diese Form von Angebot tatsächlich werthaltig ist!
Meine Kollegen haben es schon gesagt: Lassen Sie uns gemeinsam dafür streiten, dass Kommunen und Länder wieder finanziell handlungsfähig werden! Das ist die Hauptbasis von Armutsbekämpfung in den nächsten 15, 20 Jahren. Das, was wir momentan an Schuldenbremse, an zu wenig Steuern und an zu hohen Ausgaben haben, verhindert Armutsbekämpfung. Deswegen lassen Sie uns auch dafür streiten, dass wir mit der neuen Bundesregierung die Kommunen und Länder wieder handlungsfähig machen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich fand diese Debatte, die umfangreicher und länger war, als nach der neuen Geschäftsordnung vorgesehen ist, sehr interessant, weil das Thema aus vielen unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet wurde. Ich finde, das ist immer wieder großartig. In einer solchen Debatte kommen immer wieder sehr gute Denkanstöße heraus und werden herausgearbeitet. Ich konnte eigentlich bei jedem Redner und jeder Rednerin etwas finden, über das ich jetzt im Folgenden sprechen will, was ich aber auch noch einmal mit meinen eigenen Eindrücken nach zweieinhalb Jahren im Sozialressort versehen werde.
Wir haben eben schon ein bisschen gewitzelt. Ich bin froh, Herr Röwekamp – Sie sind ja hart ins Gericht gegangen mit der SPD, aber auch mit den Grünen und mit allen anderen –, dass Sie nicht auch noch den Vorwurf erhoben haben: Jetzt hat man hier die einzige grüne Sozialministerin, und immer noch ist die Armut nicht abgeschafft.
Es ist ja total paradox: Die Metropolregion Bremen– Oldenburg im Nordwesten Deutschlands gehört zu den fünf reichsten und wirtschaftsstärksten Regionen in Europa. Wir haben jeden Tag 100 000 Einpendler, die in Bremen arbeiten. Hier in diesem Bundesland
wird unheimlich viel produziert, hier wird auch Reichtum geschaffen. Aber wir stellen fest – das trifft nicht nur auf Bremen zu –: Es geht nicht so gerecht zu, es ist einfach nicht gerecht verteilt, und wir haben Familien, die dramatisch in Armut leben, besonders viele Kinder. Der Skandal um Kinderarmut ist zu Recht von allen angesprochen worden. Da müssen wir ran! Das ist eine ganz große politische Aufgabe, an die wir gemeinsam mit Programmen ran müssen.