Protokoll der Sitzung vom 26.02.2014

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte aber trotzdem auf die Anfrage des Senats eingehen! Es ist hier schon genannt worden: Circa 250 sogenannte Ultras gibt es in Bremen, meistens jugendliche Männer, die in Anlehnung an die Fanszene Italiens in Gruppen organisiert sind, für Choreografien in den Stadien verantwortlich sind und in der Kurve versuchen, ihr Team möglichst bunt und laut zu unterstützen. Natürlich darf man dabei nicht übersehen, dass ein Teil dieser Ultras an gewalttätigen Auseinandersetzungen beteiligt ist. Das wird auch niemand hier tun.

Daneben gibt es in Bremen die klassischen Hooligans, also Leute, die sich im Umfeld von Fußballspielen herumtreiben, meistens nicht im Stadion, auch schon, bevor sie Stadionverbote hatten, oft eher im Umfeld, weil sie nämlich gezielt die gewalttätige Konfrontation suchen. Der Senat sagt, es gebe ungefähr 50 in Bremen zusammen mit einem weiteren Umfeld von etwa 85. Die allermeisten von diesen 50 sind po

lizeibekannte Neonazis, bewegen sich im Umfeld von Rockerklubs und so weiter.

Die Bremer Hooligans sind europaweit bekannt, nicht nur deutschlandweit, für ihre rechtsradikale Band Kategorie C, für rechtsradikale Rocker, die den Polizeicode Kategorie C, also gewaltsuchend, selber auf die Kutte schreiben und als ihren Namen wählen. Die Hooligans fallen immer wieder durch brutale Übergriffe und Aktionen auf und haben deshalb mehrheitlich Hausverbot im Weserstadion.

Was uns – das möchte ich an dieser Stelle sagen – aber wundert, ist, dass es von der Senatsantwort auf die Anfrage der CDU zwei verschiedene Versionen gibt. In der ersten steht so gut wie gar nichts zu den rechtsradikalen Hooligans. In der zweiten Version, die einige Wochen später herauskam, findet sich immerhin schon eine Seite zu dem Thema. Das, so finde ich, ist schon ein bemerkenswerter Vorgang und ist mir in den fast drei Jahren, die ich jetzt der Bürgerschaft angehöre, noch nicht so passiert. Dazu frage ich mich natürlich, was denn da los war, und ich hoffe, dass der Innensenator das gleich aufklären kann.

Auch wenn die Hooligans im Stadion längst nicht mehr den Einfluss haben wie noch in den Achtzigern oder in den frühen Neunzigern, bin ich trotzdem der Meinung, man muss ihnen gegenüber besonders wachsam sein. Ich bin – das möchte ich an dieser Stelle ebenfalls sagen – froh, dass Werder Bremen ihnen gegenüber glücklicherweise sehr wachsam ist. Die Fanabteilung des Vereins und die Fanprojekte leisten sehr erfolgreiche Arbeit gegen Rechtsradikalismus, Rassismus, Homophobie und Menschenfeindlichkeit. Das begrüßen wir an dieser Stelle ausdrücklich! (Beifall bei der LINKEN)

Probleme, wie es sie in anderen Städten gibt, wo sich Teile der Fans hin und wieder stark nach Rechts orientieren, haben wir deshalb in Bremen erfreulicherweise nicht. Auch an dieser Stelle möchte ich genauso wie der Kollege Senkal noch einmal betonen, dass wir das natürlich nicht nur der Unterstützung durch den Verein zu verdanken haben, sondern dass es auch damit zusammenhängt, dass sich die meisten Ultra-Gruppen im Stadion eben friedlich verhalten und sich ganz klar antifaschistisch, antirassistisch, antihomophob positionieren und dafür sorgen, dass es im Stadion möglichst wenig Raum für Menschenhass und rechtsradikale Propaganda gibt.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir wünschen uns an dieser Stelle deshalb, dass die gesamte Debatte um Fußballfans, Ultras und Gewalt am Rande von Spielen sachlich geführt wird. Auch die Politik kann natürlich schauen, wo sie Vereine und Institutionen unterstützen kann, die dafür eintreten, dass es im Stadion bunt und friedlich bleibt.

In diesem Sinne hoffe ich ganz persönlich, dass auch das hundertste Nordderby am Wochenende friedlich verläuft. – Ich danke Ihnen!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Fecker, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn am kommenden Wochenende Werder Bremen und der Hamburger Sportverein aufeinandertreffen, hoffen wir nicht nur auf drei Punkte für unseren Bundesligaverein,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN – Abg. R u p p [DIE LINKE]: Dafür bin ich auch!)

sondern auch auf ein emotionales, spannendes und friedliches Derby.

Nicht immer geht es am Rande von Spielen der Fußballbundesliga friedlich zu. Hooligans und andere Chaoten nutzen die große Bühne, um sich in Szene zu setzen. Die Bilder aus Köln vor dem Freundschaftsspiel gegen den FC Schalke 04 oder aber auch die Bilder aus Stockholm vom Gastspiel des 1. FC Union Berlin oder auch die Bilder aus Bielefeld vom Gastspiel gegen Dynamo Dresden machen uns fassungslos. Hier ist es die Aufgabe der Sicherheitsbehörden und der beteiligten Vereine, die Täter zu ermitteln, sie strafrechtlich zu belangen und aus den Stadien zu verbannen.

(Beifall bei der SPD)

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren – ich bin der Kollegin Vogt sehr dankbar, dass sie es angesprochen hat –, ich glaube, wir müssen die Debatte richtig einordnen. Gelegentlich hat man das Gefühl, dass man in der Tat mit seinem Kind zu keinem Spiel der Fußballbundesliga mehr gehen kann, weil in den Medien ein überzeichnetes Bild von der Sicherheitslage gezeigt wird. Wenn man sich die Spiele der Fußballbundesliga anschauen, dann sieht man, dass sie in der weit überwiegenden, deutlichen Mehrheit in der ersten Liga wie auch in der zweiten Liga friedlich sind. Aber man darf trotzdem die Augen nicht vor dem verschließen, was sich teilweise im Umfeld dieser Bundesligaspiele abspielt.

Nun zur Großen Anfrage der CDU-Fraktion! Sie macht deutlich, dass es in der Bremer Fanszene ein großes Engagement gegen Diskriminierung und Intoleranz gibt, das über die Grenzen Bremens hinaus gewürdigt wird. Hieran sind maßgeblich auch mehrere Ultra-Gruppierungen beteiligt. Überhaupt: Die Entwicklung der Ultra-Szene zeigt, dass diese auch

in Bremen einen Zulauf hat. Hier hat sich über Jahre eine Jugendkultur entwickelt, die aber auch von der Polizei beobachtet wird.

Werder Bremen hat – das entnehmen Sie der Antwort auf Frage 7 – auch seine Fanarbeit ausgeweitet. An dieser Stelle sei angemerkt, dass am Standort Bremen schon deutlich früher die Notwendigkeit der Fanarbeit erkannt wurde, als es an anderen Bundesligastandorten der Fall war. Das Fanprojekt ist Vorbild –

(Unruhe – Im Saal klingelt ein Handy)

es klingelt! – für viele andere Bundesligastandorte. Gemeinsam mit der Fanabteilung von Werder Bremen ist es wichtiger Ansprechpartner gerade für die jungen Fans.

Das Verhältnis zwischen Ultras und Polizei ist auch am Standort Bremen kein unbelastetes. Die Strategie der Polizei Bremen, auf Deeskalation und Dialog zu setzen, halten wir Grüne für richtig.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Mein subjektiver Eindruck, Herr Senator, ist aber, dass wir in der Zusammenarbeit schon einmal weiter waren. Mit Sorge betrachten wir Grünen die Entwicklung in der rechten Szene, in der teilweise unter dem Vorwand „Die Kurve ist ja unpolitisch, und wir kommen nur zum Fußballgucken her“ rechte Gruppierungen auf Nachwuchsfang sind. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir gleich und entschieden gemeinsam mit den Akteurinnen und Akteuren vor Ort gegen ebendiese verharmlosenden Gruppen zu Felde ziehen, meine Damen und Herren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Unser Ziel muss es sein – da ist es egal, ob ich Kuttenträger bin, ob ich dort mit dem Schlips sitze, ob ich stehe oder sitze oder zu spät komme –, diejenigen unter den Fans zu stärken, die sich ein Spiel friedlich anschauen und ihre Mannschaft leidenschaftlich mit absoluter Hingabe unterstützen wollen. Diese Gruppierungen in den Stadien müssen wir unterstützen, und wir müssen ihnen zeigen: Sie sind nicht allein im Kampf gegen diejenigen, die den Fußball nur als Bühne missbrauchen, meine Damen und Herren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir müssen uns auch dafür einsetzen, dass es eben keine Vorverurteilung der Menschen gibt, die ihren Verein auch bei Auswärtsspielen unterstützen und lautstark auftreten. Ich gebe zu, dass es, wenn eine Fangruppe im Bahnhof ankommt und wenn dann auf

einmal Fangesänge zu hören sind, ein bisschen verstörend wirkt. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben uns vor gar nicht allzu langer Zeit hier über den Sinn der Datei „Gewalttäter Sport“ ausgetauscht, und dabei ist uns doch allen sehr deutlich und bewusst geworden, dass es auch bei der Polizei und bei den Sicherheitsbehörden durchaus Strukturen gibt, gewisse Menschen gleich in bestimmte Kategorien einzuordnen. Ich glaube, wir sind auf dem richtigen Weg einer gesunden Mischung aus Deeskalation und Gesprächen und gleichzeitiger Sanktionierung gesetzeswidrigen Verhaltens. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Hinners, Fraktion der CDU.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Vogt, Sie fordern einen sachlichen Umgang mit der Problematik oder Thematik. Völlig klar: Das ist absolut richtig. Dazu gehört aber auch, Frau Vogt, dass man sich nicht auf die rechtsextremen Hooligans oder Hooligans beschränkt, sondern dass man sich auch mit den 220, 240 Ultras beschäftigt, die – nach Ihrer eigenen Begründung – eher der linksautonomen Szene zugehören, denn ohne diese Spreizung der politischen Ambitionen der sogenannten Fußballfans zu betrachten, kommt man an der Stelle nicht weiter. Das gehört, so glaube ich, zum sachlichen Umgang absolut dazu.

Der Kollege Fecker hat eben darauf hingewiesen, dass sich Werder Bremen und auch viele andere Fußballvereine intensiv mit der Fanarbeit beschäftigen. Das ist gut und richtig so, weil nur mit solchen Aktionen – auch das geht aus der Antwort des Senats hervor – in Zusammenarbeit mit der Polizei die Deeskalation und der Dialog miteinander gefördert werden können.

Im Übrigen müssen wir uns – das geht auch aus der Antwort des Senats hervor – den Umfang der polizeilichen Arbeit am Rande von Werder-Spielen vor Augen führen. In der Zeit von 2008 bis 2013 hat sich die Anzahl der eingesetzten Polizeibeamten pro Saison von 2 952 im Jahre 2008 auf 5 122 gesteigert. Außer Acht lassen dürfen wir auch nicht, dass es von Werder Bremen und von anderen Bundesligavereinen immerhin 35 Stadionverbote gegen Fans mit der Zugehörigkeit Werder Bremen gegeben hat.

Was ich sehr bedauerlich finde – auch das geht aus der Antwort des Senats hervor –, ist, dass sich sowohl bei den Ultras als auch bei den Hooligans keinerlei – „grundsätzlich“ heißt es dort – Bereitschaft findet, mit der Polizei zu kooperieren. Ich denke, die Frage, warum das so ist, müsste intensiv aufgeklärt werden, denn wir könnten die Gewalt am Rande von Fußballspielen deutlich besser verhindern, wenn es diese Kooperation gäbe.

Abschließend möchte ich für die CDU-Fraktion feststellen, dass offensichtlich am Rande von Fußballspielen gesellschaftlich nicht hinnehmbare Konflikte ausgetragen werden, die weder von der Polizei und noch von den Fußballvereinen allein gelöst werden können. Dazu ist mehr erforderlich. – Danke schön!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Senator Mäurer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, in der Diskussion ist deutlich geworden, dass wir hier ein gesellschaftliches Problem haben, auf das es keine einfachen Antworten gibt. Es ist auch für mich eindeutig, dass allein mit polizeilichen Maßnahmen das Problem nicht lösbar ist.

Sie haben ja schon eine Reihe von Zahlen diskutiert. Es ist in der Tat so: Freude kommt nicht auf, wenn man sieht, welche immensen Belastungen mit diesen Polizeieinsätzen verbunden sind. An einem normalen Wochenende sind 22 Hundertschaften der Bereitschaftspolizei des Bundes unterwegs, zum Teil mit Hubschraubern, damit sie flexibel eingesetzt werden können.

Es ist inzwischen Standard geworden, dass bei Risikospielen in Bremen acht bis zehn Hundertschaften anrücken müssen. Zum Teil sind diese Hundertschaften tagelang unterwegs. Wir haben es zuletzt beim Spiel gegen Braunschweig erlebt, als uns Rheinland-Pfalz mit Hundertschaften ausgeholfen hat. Es entstehen lange Zeiten der Abwesenheit, die sehr viel Geld kosten.

In Bremen können wir davon ausgehen, dass wir circa 200 Polizeibeamte eigentlich nur für Fußballeinsätze benötigen. Dabei sage ich: Das Geld ist das eine. Das kann man möglicherweise noch verschmerzen. Das Hauptproblem ist aber, dass die anderen Länder, die uns unterstützen, nicht in erster Linie unser Geld haben wollen, sondern sie wollen natürlich unsere Kräfte haben. Das heißt, auch wenn hier in Bremen nichts los ist oder ein ganz normales ruhiges Spiel stattfindet – dabei gebe ich dem Kollegen Fecker recht: das ist in der Mehrzahl der Fälle so –, sind diese Kollegen nicht zu Hause, sondern sie helfen dann in Hamburg, in Berlin, in Hannover und, wenn es sein muss, auch in der zweiten Liga wie etwa in SchleswigHolstein aus. Das ist das, was uns belastet und was auch erklärt, warum wir 300 000 Überstunden haben. Das ist die eine Seite. Ich bin der Auffassung, dass es gegenwärtig keine polizeiliche Alternative gibt. Wir werden uns auf die nächsten Spiele genauso einrichten müssen wie auf die bisherigen. Das ist eine Herausforderung, die wir leisten müssen. Aber es gibt keine Alternative dazu.

Auf der anderen Seite haben wir natürlich versucht, viele Dinge in dieser Stadt zu verändern. Vielleicht

werden sich noch einige daran erinnern, dass es Zeiten gab, in denen bei allen Risikospielen ein Fanmarsch durch die Innenstadt stattfand. Das sah dann danach aus wie nach einem Bürgerkrieg. Das haben wir gemeinsam mit Werder Bremen unterbunden, und wir versuchen nun, die gegnerischen Fans so schnell wie möglich ins Stadion und zurück zu bringen.

Entscheidend ist natürlich, was in anderen Bereichen passiert. Stichwort: Fanarbeit, ein ganz wesentliches Thema, bei dem wir uns als Polizei mit Sicherheit schwertun. Deswegen haben wir gerade im letzten Januar noch mal einen gemeinsamen Workshop organisiert. Wir haben einen gemeinsamen Ausschuss Sicherheit und Ordnung mit Werder Bremen, und wir haben einen Tag lang mit den Fanbetreuern darüber diskutiert, wie man versuchen kann, neue Wege der Kommunikation zu entwickeln, um Zugang zu den Gruppierungen zu finden, die bisher überhaupt nicht ansprechbar waren.

Werder Bremen macht eine ganz Menge im Bereich der Fanarbeit, und das nicht erst seit einem Jahr, sondern sie sind die ganzen Jahre über Vorreiter gewesen. Ich glaube, dass wir, jedenfalls wenn ich den Blick auf Werder richte, am Wochenende eine ruhige Situation haben werden. Ich meine, wenn man sich anschaut, wie sich die meisten Fans von Werder verhalten, wird das in Ordnung gehen. Probleme haben wir eher dann, wenn sie in anderen Stadien versuchen, die Pyrotechnik abzubrennen, die es in Bremen weitestgehend nicht mehr gibt.

Es gibt also keine fertige Antwort darauf. Wir müssen beides weitermachen: Wir müssen für die Sicherheit sorgen. Aber auf der anderen Seite, so denke ich, ist es eine gesellschaftliche Herausforderung, die wir gemeinsam mit den Vereinen lösen müssen, um Jugendliche anzusprechen und ihnen ein Fußballerlebnis zu bieten, bei dem in der Tat auch Freude dabei sein darf. Aber es gibt Grenzen, und diese Grenzen müssen wir ihnen aufzeigen. – Danke sehr!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)