Protokoll der Sitzung vom 22.05.2014

Mich freut – das sage ich an dieser Stelle auch ganz ausdrücklich –, dass wir einen Polizeipräsidenten haben, der in diesen Sitzungen keine Nebelkerzen wirft, der offen und klar sagt, wenn Einsätze der Polizei aus seiner Sicht auch einmal nicht optimal gelaufen sind, wie wir es beim Spiel Werder Bremen gegen den Hamburger SV im Umgang mit dem sogenannten Hooliganschiff gesehen haben, meine Damen und Herren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)

Auch bei den Grünen im Bund und in den Ländern gibt es eine Diskussion, ob dies ausreicht oder nicht doch noch ein zusätzliches Instrument geschaffen werden muss, denn das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Polizei ist ein hohes Gut. Zugleich haben Polizistinnen und Polizisten Schutz vor Diffamierung verdient. Bei Vorwürfen über unrechtmäßige Polizeiarbeit haben alle Beteiligten ein Interesse an rückhaltloser Aufklärung.

Den einzelnen Polizistinnen und Polizisten muss aus Sicht der Grünen eine unabhängige Ansprechpartnerin oder ein Ansprechpartner zur Verfügung stehen, an die oder den sie sich bei Missständen wenden können, der oder die ebenso – und deshalb wollen wir die Position eines Polizeibeauftragten beim Landtag einrichten – Opfer von Polizeiübergriffen über ihre Möglichkeiten informiert, sie berät und gegebenenfalls bei weiteren Schritten unterstützen kann, zugleich aber dazu beitragen soll, ungerechtfertigte Anwürfe frühzeitig auszuräumen. Zudem soll die oder der Polizeibeauftragte Bericht an den Landtag erstatten, Ausschüsse und Deputationen beraten und Gutachten sowie Stellungnahmen zu relevanten Gesetzen abgeben können.

Diesen Vorschlag gilt es nun mit vielen Institutionen in dieser Stadt zu diskutieren, unter anderem mit der Gewerkschaft der Polizei – Herr Kopelke! –, mit dem Personalrat und natürlich auch mit den Kolleginnen und Kollegen der Sozialdemokratischen Bürgerschaftsfraktion. Diese Diskussion, das wissen wir, wird nicht einfach. Wir haben auf zahlreichen Versammlungen, auch der Polizei, wahrgenommen, dass alle diese Instrumente als mangelnde Wertschätzung und Misstrauen gewertet werden.

Wir Grünen betonen noch einmal an dieser Stelle, dass es uns eben nicht darum geht, sondern um einen offenen und transparenten Umgang mit diesen Fragen. Dafür werben wir und hoffen auf einen guten und konstruktiven Dialog! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Hinners, Fraktion der CDU.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE fordert die Einsetzung einer Polizeikommission zur besseren Kontrolle polizeilichen Handelns, wir haben das von Frau Vogt gehört. Dabei behauptet sie – nicht nur Frau Vogt, sondern DIE LINKE –, dass die bisherigen Maßnahmen unter der Aufsicht des Senators für Inneres nicht ausreichen würden und in der Öffentlichkeit der Eindruck entstehen würde, dass eine Strafverfolgung in den Reihen der Polizei erheblich erschwert sei. Meine Damen und Herren von der LINKEN, die CDU-Fraktion bezweifelt ausdrücklich, dass in der Öffentlichkeit tatsächlich dieser Eindruck vorhanden ist!

(Beifall bei der CDU)

Es drängt sich hier ganz klar der Verdacht auf, Frau Vogt, dass Sie mit diesem Antrag dieses Thema in der Öffentlichkeit nur weiter befeuern wollen. Bei allen Bürgerbefragungen kommt die Polizei im Übrigen, Frau Vogt, erheblich besser weg als beispielsweise die Politik, denn die Polizei erhält dort in der Regel hervorragende Ergebnisse.

(Beifall bei der CDU)

Sie behaupten in Ihrem Antrag, dass sich die vorhandenen gesetzlichen und dienstrechtlichen Kontrollen als ungenügend erweisen würden, und begründen es damit, dass über 90 Prozent aller Beschwerden im Ermittlungsverfahren eingestellt würden. Meine Damen und Herren von der LINKEN, wie halten Sie es eigentlich mit dem Begriff der Unschuldsvermutung in unserem Rechtsstaat? Schauen Sie sich doch einmal die Verurteilungsstatistiken bei der einfachen und mittleren Kriminalität an, dort gibt es ähnliche Einstellungsquoten! Es ist also nichts Besonderes an der Stelle.

Ferner verweisen Sie in Ihrem Antrag auf die von Rot-Grün in Hamburg in den Jahren 1998 bis 2001 eingerichtete Polizeikommission, Sie haben eben darauf hingewiesen. Diese hat allerdings in den drei Jahren entgegen dem, was Sie eben gesagt haben, keine über die normalen Ermittlungen der Innenrevision und Staatsanwaltschaft hinausgehenden Erkenntnisse festgestellt. Frau Vogt, diese Kommission hat nicht gut gearbeitet, das können Sie überall nachlesen! (Beifall bei der CDU)

Dafür, Frau Vogt, war der finanzielle Aufwand mit etwa 200 000 Euro pro Jahr für den Steuerzahler allerdings sehr hoch. Wie viele Sozialarbeiter hätte man

davon finanzieren können? Außer Spesen also nichts gewesen! Deswegen auch die Abschaffung – das hatte mit Schill gar nichts zu tun – im Jahr 2001! Ferner fordern Sie in Ihrem Antrag, die polizeiliche Aus- und Fortbildung – auch darauf haben Sie eben hingewiesen – von dieser Kommission beobachten und evaluieren zu lassen. Meine Damen und Herren von der LINKEN, ist Ihnen nicht bekannt, dass die HfÖV, die Hochschule für Öffentliche Verwaltung, organisatorisch weder zur Polizei noch zum Senator für Inneres gehört und diese Aus- und Fortbildung deshalb weitestgehend einflussfrei und auf einem anerkannt hohem Niveau durchgeführt wird? Frau Vogt, sollen diese Mitglieder dieser Kommission eigentlich auch Befugnisse nach der Strafprozessordnung haben, wie beispielsweise Vernehmungen, Durchsuchungen, Festnahmen und so weiter, oder wer soll sie durchführen? Jetzt machen es die Beamten, die diese Befugnisse haben, im Bereich der internen Ermittlung. Für die CDU-Fraktion entbehrt dieser Antrag jeglicher Grundlage. Auch für uns – das sage ich ausdrücklich – steht außer Frage, dass die Polizei aufgrund ihrer Tätigkeit und ihrer Rechte einer besonderen Kontrolle unterworfen werden muss. Dies sehen wir jedoch in der vorhandenen Struktur als gegeben an, und zwar aufgrund der Beschwerdemöglichkeit im Rahmen von Dienstaufsichtsbeschwerden beim Polizeipräsidenten, der internen Ermittlungen unter Führung eines Juristen beim Senator für Inneres, der Tätigkeiten des Kontrollausschusses der Bremischen Bürgerschaft nach dem Polizeigesetz, des Petitionsausschusses der Bremischen Bürgerschaft, der Innendeputation – das hat Herr Fecker schon angesprochen – und nicht zuletzt der Staatsanwaltschaften und Gerichte. Alle diese Institutionen sind in der Lage, befugt, berechtigt und auch qualifiziert, etwaiges polizeiliches Fehlverhalten zu kontrollieren. Das Ganze sehen wir als CDU-Fraktion wirklich als ausreichend an. Aus unserer Sicht steht die Diskussion um die Polizeikommission – Herr Fecker hat eben diese Diskussion mit dem Hinweis auf einen Polizeibeauftragten noch bereichert – im Zusammenhang mit der Kennzeichnungspflicht, und auch diese entbehrt aus unserer Sicht jeglicher Grundlage

(Beifall bei der CDU)

Herr Fecker, ich greife die Diskussion, die Sie eben zum Thema Polizeibeauftragter auf den Weg gebracht haben, schon einmal auf. Wir haben einmal einen Opferbeauftragten gefordert, der hätte sich auch um die Opfer eventueller Polizeigewalt kümmern können! Den haben Sie abgelehnt, jetzt fordern Sie einen Polizeibeauftragten! Also, was wollen Sie eigentlich?

(Beifall bei der CDU – Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Also, Hessen ist da schon weiter!)

Abschließend, der Antrag der LINKEN unterstellt umfangreiches Fehlverhalten und mangelhaften Aufklärungswillen in der Polizei und beim Senator für Inneres, ohne dafür konkrete Beispiele zu nennen. Nun bin ich nicht derjenige, der dafür bekannt ist, dass er den Senator für Inneres verteidigt, aber diesen Vorwurf hat der Senator für Inneres nicht verdient.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD und von der LINKEN)

Sie wollen mit diesem Antrag, Frau Vogt, nur die Polizei unter einen Generalverdacht stellen und die Unschuldsvermutung in diesem Fall zumindest mit Füßen treten.

(Glocke)

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident!

Für uns reichen die vorhandenen Kontrollinstrumente – ich habe darauf hingewiesen – zur Überprüfung polizeilichen Handelns absolut aus, und deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tschöpe, Fraktion der SPD.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Hinners, ich bin ein bisschen irritiert von Ihrer Rede, ich werde Ihnen auch gleich sagen, warum. Es gibt in jeder Berufsgruppe Kriminelle. Es gibt kriminelle Anwälte, kriminelle Richter,

(Abg. H i n n e r s [CDU]: Abgeordnete!)

kriminelle Pastoren, kriminelle Müllmänner und kriminelle Abgeordnete. All das ist, glaube ich, unbestritten, dementsprechend ist es eigentlich auch klar, dass es aller Wahrscheinlichkeit nach auch kriminelle Polizisten gibt.

(Zuruf des Abg. H i n n e r s [CDU])

Wenn es kriminelle Polizisten gibt, dann muss ich mir doch überlegen, dass ich dem rechtsstaatlichen Grundsatz „Gleiches muss gleich behandelt werden“ folgen muss. Gleiches muss gleich behandelt werden heißt, es muss ein standardisiertes Verfahren geben.

(Abg. Frau P i o n t k o w s k i [CDU]: Das wissen wir doch, Herr Tschöpe!)

Schaue ich mir das an, dann stelle ich fest, dass wir das in Deutschland weitestgehend gewährleistet haben. Die Kehrseite des Grundsatzes „Gleiches muss gleich behandelt werden“ ist, dass Ungleiches auch

ungleich behandelt werden muss. Das Entscheidende ist doch, Herr Hinners,

(Abg. H i n n e r s [CDU]: Warum bin ich eigentlich Ihr Ansprechpartner? Ich habe den Antrag nicht gestellt! – Heiterkeit)

ob ich eigentlich sinnvollerweise davon ausgehen kann, dass Polizisten gegen andere Polizisten objektiv ermitteln. Es kann manchmal sein, dass das so ist, aber Sie werden mir doch auch zugestehen, dass das durchaus fehlerbehaftet ist.

Herr Hinners, Sie kennen die Polizei wesentlich besser als ich, Sie wissen, dass wir in der Vergangenheit bei schwierigen Strukturuntersuchungen in der Polizei natürlich auf auswärtige Polizeikräfte zurückgegriffen haben, wenn nämlich Kriminalität – Verdachtskriminalität bei der Polizei – bestand, dann haben wir sehr wohl die Kollegen aus Niedersachsen gefragt, ob Sie tätig werden können, weil wir gewusst haben, dass es schwierig ist, wenn die eigenen Leute kontrollieren. Das ist auch eine der Überlegungen gewesen, warum im Jahr 2007 nicht mehr die Abteilung Interne Ermittlungen der Polizei die Ermittlungen gegen Polizisten übernommen hat, sondern diese Tätigkeit beim Senator für Inneres angesiedelt worden ist.

(Abg. H i n n e r s [CDU]: Da haben wir ja auch zugestimmt!)

Da haben Sie zugestimmt!

Jetzt ist doch die Frage zu stellen, ob das eigentlich ausreichend ist. Da sagen Sie ja, Sie sehen keinen Anlass, das zu verändern. Man kann lange darüber reden, ob es konkrete Anlässe gibt. Ich möchte an dieser Stelle einmal Frau Vogt unterstützen. Es ist natürlich so, dass es einen nicht unerheblichen Teil unserer Gesellschaft gibt, der nicht ganz so davon überzeugt ist, dass das die optimale Form ist, wie man Polizei und Ermittlungen organisieren kann.

(Abg. H i n n e r s [CDU]: 87 Prozent Zu- stimmung für die Polizei!)

Herr Hinners, ich halte sehr viel von Nichtregierungsorganisationen, die manchmal darauf schauen, was die Politik eigentlich macht. Amnesty International hat im Jahr 2010 den sehr interessanten Bericht „Täter unbekannt“ über die Polizeigewalt in Deutschland verfasst, den ich allen nur empfehlen kann. Man muss ihn sehr kritisch lesen, aber eine der Empfehlungen ist am Ende zu unabhängigen Untersuchungsmechanismen zu kommen, ich zitiere:

„Amnesty International empfiehlt entsprechend den Empfehlungen des CPT und des Menschenrechtskommissars des Europarats die Einrichtung unabhängiger Untersuchungsmechanismen, um alle Vorwürfe

schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen gegen die Polizei sowie Vorfälle, die Verstöße gegen Artikel 2 oder 3 EMRK darstellen könnten, zu überprüfen.“

Ich muss feststellen, dass die Voraussetzungen, die wir hier in Bremen haben, diesen Empfehlungen nicht entsprechen. Man kann sagen, ich finde das nicht richtig, aber zumindest nach meiner Ansicht ist Amnesty International keine gesellschaftlich völlig irrelevante Gruppe. Vielleicht ist es auch ganz gut, wenn man einmal von außen darauf schauen lässt, wie wir das organisiert haben,

(Abg. Frau P i o n t k o w s k i [CDU]: Bei wem?)

und wenn ich von außen darauf schaue, Frau Piontkowski – es ist es manchmal schwierig für die CDU, von außen darauf schauen zu lassen –, dann lasse ich doch den Europarat darauf schauen.

Frau Piontkowski, Sie kennen wahrscheinlich das Committee for the Prevention of Torture, und Sie kennen wahrscheinlich den Bericht, den es bereits im Januar 2011 verfasst hat, in dem Deutschland ins Stammbuch geschrieben wird – und man muss sagen, dass Bremen eine lobenswerte Ausnahme ist, weil wir schon einen halben Schritt gegangen sind –: „Idealerweise sollten die mit der operativen Durchführung der Ermittlung betrauten Personen von der in den Fall verwickelten Strafverfolgungsbehörde vollkommen unabhängig sein.“ Das haben wir in Bremen noch nicht erreicht.

Wenn ich mir das anschaue, stelle ich fest, zivilgesellschaftliche Organisationen zweifeln daran, dass wir perfekt aufgestellt sind, internationale Organisationen zweifeln, dass wir perfekt aufgestellt sind, also haben wir doch gemeinsam die Aufgabe zu überprüfen, ob wir das, was wir hier gemacht haben, nicht noch besser machen können.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)