(Heiterkeit – Abg. Frau P i o n t k o w s k i [CDU]: Darauf komme ich gern zurück! Ich werde dann in die Gesundheitsdeputation kommen!)
Die vierte Anfrage betrifft die Alterseinschätzung und Altersfeststellung von minderjährigen Flüchtlingen. Die Anfrage ist unterschrieben von den Abgeordneten Hinners, Röwekamp und Fraktion der CDU.
In wie vielen Fällen wurden im Jahr 2014 Untersuchungen zur Alterseinschätzung beziehungsweise zur Altersfeststellung im Land Bremen durchgeführt?
Wie viele vermeintlich Minderjährige mit unklarer Identität sind im Jahr 2014 jeweils in Bremen oder Bremerhaven registriert worden?
Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren! Lieber Herr Hinners, herzlichen Glückwunsch, das vorweggeschickt!
Zu Frage 1: Nach Datenlage der Zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber und ausländische Flüchtlinge haben sich dort im Jahr 2014 insgesamt 575 Flüchtlinge als minderjährig gemeldet. Davon haben nach statistischer Erfassung des Amtes für Soziale Dienste 495 Flüchtlinge tatsächlich Kontakt zum Jugendamt aufgenommen. Im Zuge des Aufnahmeverfahrens wurde in allen diesen Fällen eine Altersfeststellung vorgenommen.
Zu Frage 2: Bei der Alterseinschätzung handelt es sich um eine Beweismittelerhebung im Sinne des Paragrafen 21 SGB X. Sie erfolgt auf Grundlage eines standardisierten Erhebungsbogens, ist an ein persönliches Erstgespräch gekoppelt und wird schriftlich dokumentiert. Die Alterseinschätzung erfolgt in der Regel unter Hinzuziehung von Dolmetschern und wird
seit Dezember 2014 durch eine Ärztin beziehungsweise einen Arzt des Gesundheitsamtes Bremen unterstützt und maßgeblich mitgestaltet. Nach Paragraf 42 Absatz 1 Ziffer 3 SGB VIII ist das Jugendamt berechtigt und verpflichtet, minderjährige aus dem Ausland in Obhut zu nehmen, wenn diese unbegleitet nach Deutschland kommen und sich weder Personensorgeberechtigte, noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten. Das Ergebnis der Alterseinschätzung wird den unbegleiteten Flüchtlingen umgehend mitgeteilt. Darüber hinaus erfolgt eine schriftliche Mitteilung in Form eines widerspruchfähigen Bescheides mit Rechtsmittelbelehrung.
Zu Frage 3: Belastbare Daten lassen sich nicht ermitteln, die wahre Identität einer Person kann dauerhaft ungeklärt bleiben, wenn amtliche Papiere fluchtbedingt verlorengegangen oder falsche Papiere vorgelegt worden sind. In einzelnen Fällen ist es zum Widerruf der Alterseinschätzung gekommen, wenn Angaben oder Urkunden durch Nachfrage bei den jeweiligen Botschaften nicht bestätigt wurden oder wenn die Polizei im Rahmen der erkennungsdienstlichen Behandlung einschlägige Hinweise oder Meldedaten aus anderen Bundesländern erhalten hat. Die Anzahl dieser Fälle wird statistisch nicht erfasst. – Soweit die Antwort des Senats!
Frau Senatorin, können Sie noch einmal erläutern, wo der Unterschied zwischen einer Alterseinschätzung und einer Altersfeststellung liegt?
Eine Alterseinschätzung kann durch die Inaugenscheinnahme erfolgen, bei der Altersfeststellung durchlaufen wir unterschiedliche Stationen in dem Gespräch mit den durchführenden Fachkräften. Es werden verschiedene vorhandene Papiere und Urkunden geprüft, es gibt nähere Befragungen zu Altersangaben, biografische Daten von Familienangehörigen werden hinterfragt, es gibt Fragen zum Schulverlauf, zu Schulabschlüssen, zu Ausbildungszeiten und zur Berufstätigkeit. Es gibt Nachfragen zum Fluchtverlauf und zu den Fluchtzeiten. Die äußeren körperlichen Merkmale, wie zum Beispiel Körperbau, Hände, Gesichtszüge, Stirnfalten, Stimmlage, Haarwuchs, Körperbehaarung und Bartwuchs werden in Augenschein genommen und in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt mit einbezogen, und es wird eine Auswertung des Gesamtverhaltens im Gespräch vorgenommen; all das führt zu einer qualifizierten Altersfeststellung.
Frau Senatorin, nach meiner Kenntnis sind allein im Dezember 2014 90 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Bremen registriert worden, Sie haben aber nur zwei Mitarbeiter – ebenfalls nach meiner Kenntnis – dafür. Wie kann ich mir vorstellen, dass diese sehr umfangreiche und auch sehr wichtige Arbeit, die dort geleistet wird, in einer solch großen Menge von zwei Mitarbeitern geleistet werden kann? Brauchen Sie weiteres Personal? Sind sie in der Lage – das ist meine eigentliche Frage – diese Aufgaben auch wirklich verantwortlich zu übernehmen?
Das ist ein wichtiges Thema, das Sie ansprechen. Wir befinden uns in einem fortlaufenden Aufstockungsprozess, was das Personal betrifft. Im Jahr 2011 hatten wir deutlich weniger Personal in der Zentralen Aufnahmestelle, dort steht uns jetzt mehr Personal zu Verfügung. Bei der Altersfeststellung arbeiten wir eng mit der Polizei zusammen, die die erkennungsdienstlichen Behandlungen durchführt. Wir können an einem Tag nicht das Alter von 90 Personen feststellen, sondern es gibt verschiedene Termine innerhalb der Woche, und wir bemühen uns, es möglichst schnell abzuarbeiten, sobald die Jugendlichen sich in der ZASt gemeldet haben. Es kam in der Vergangenheit manchmal zu Wartezeiten, wir sind aber besser geworden, auch wenn an dieser Stelle noch nicht alles optimal läuft. Wir sind bemüht, dort schnell zu helfen, es bleibt aber eine große Herausforderung für uns, dann diese 495 Jugendlichen auch im Jugendhilfesystem aufzunehmen. Das ist eine große Aufgabe, die wir hier insgesamt zu bewältigen haben, und führt wie im Stadtamt dazu, dass wir das Personal noch einmal verstärken müssen, Herr Hinners.
Frau Senatorin, haben Sie Erkenntnisse darüber, in wie vielen Fällen das behauptete Alter mit der letztendlichen Altersfeststellung eklatant im Missverhältnis stand?
Wir haben insgesamt eine Quote, die bei der Anerkennung bei über 90 Prozent liegt. Wir sind gesetzlich dazu angehalten, wenn jemand sagt, dass er minderjährig ist, dies erst einmal als Stand zur Grundlage des Gesprächs zu machen. Wir haben im letzten Jahr, in dem ich es enger begleitet habe, sowie im vorletzten Jahr Quoten gehabt, die bei den 90 Prozent liegen. Es gibt dort Unterschiede. interjection: (Abg. H i n n e r s [CDU]: Bei der richtigen Altersfeststellung!)
Bei der Altersfeststellung! In diesen Fällen gibt es durchaus auch Unterschiede zwischen den Bundesländern. Wir entscheiden qualifiziert, gemeinsam mit dem Gesundheitsamt, weil es natürlich auch wichtig ist, junge Menschen, die unter 18 Jahre alt sind, im Jugendhilfesystem aufzunehmen. Ich bin aber auch sehr dafür, dass wir es nicht zulassen, wenn jemand versucht, das System zu hintergehen, an dieser Stelle zu sagen, dass derjenige im System der Erwachsenen ist, und daran arbeiten wir.
Frau Senatorin, ich glaube, vor zwei Jahren hatten wir diese Diskussion in der Fragestunde schon einmal, da hat Staatsrat Frehe gesagt, dass nach seiner Kenntnis bei der Altersfeststellung auf das umstrittene Röntgenverfahren in Bremen verzichtet wird. Ist das nach wie vor der Fall?
Das ist nach wie vor der Fall. Es gibt aber durchaus strittige Fälle – mir ist aber kein Fall bekannt –, bei denen wir gesagt haben, dass wir Röntgenbilder hinzuziehen würden beziehungsweise eine Untersuchung des Zahnstandes vornehmen. Bisher konnten wir aber darauf verzichten, wir sind auch skeptisch. Wir verzichten deshalb auf das Röntgen von Händen und Körperteilen, weil es eine Fehlerquote von zwei Jahren gibt und dass natürlich in dieser Altersspanne 16 bis 18, diese die entscheidenden Jahre sind. Wir versuchen das tatsächliche Alter mit den Flüchtlingen, mit den jungen Menschen, im Gespräch herauszuarbeiten, um sodann zu einer qualifizierten Altersfeststellung zu kommen. Wie gesagt, wenn es einen strittigen Fall gibt, behalten wir es uns vor, solche Maßnahmen ergreifen zu müssen, mir ist jetzt aber noch kein Fall bekannt.
Frau Senatorin, weitere Zusatzfragen liegen nicht vor. Die fünfte Anfrage bezieht sich auf die Forensische Informations- und Kommunikationstechnik. Die Anfrage ist unterschieben von den Abgeordneten Hinners, Röwekamp und der Fraktion der CDU. Bitte Herr Kollege Hinners, Sie haben das Wort!
Wir fragen den Senat: Wie viele Vorgänge liegen zurzeit beim Landeskriminalamt zur forensischen IuK-Auswertung vor? Wie hoch ist gegenwärtig die Bearbeitungszeit bei der forensischen IuK-Auswertung? Welche personelle und technische Ausstattung steht für die IuK-Auswertung zur Verfügung?
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Für den Senat beantworte ich diese Anfrage besonders gern anlässlich Ihres heutigen Geburtstages, Herr Hinners, wie folgt:
Zu Frage 1: Anfang Januar 2015 lagen in der Computerforensik 115 offene Vorgänge und in der Mobilfunkforensik 132 offene Vorgänge vor.
Zu Frage 2: Haftsachen und Staatsschutzdelikte werden innerhalb von einer bis vier Wochen bearbeitet. Alle anderen priorisierten Vorgänge werden in einem Zeitraum von bis zu einem Jahr abgearbeitet.
Zu Frage 3: Zurzeit arbeiten drei Mitarbeiter im Bereich der Mobilfunkforensik und sieben Mitarbeiter im Bereich der Computerforensik. Die technische Ausstattung der forensischen IuK ist auf dem aktuellen Stand und ausreichend. – Soweit die Antwort des Senats!
Herr Senator, wenn, wie beispielsweise beim Verbot des Kultur- und Familienvereins, umfangreiche Daten und Computerfestplatten sichergestellt werden, dann besteht dort ein großer Arbeitsbedarf zur Auswertung dieser Anlagen. Sind die Polizei, das Landeskriminalamt in der Lage, diese Dinge neben den sowieso schon umfangreichen aus dem Wirtschaftskriminalitätsbereich, dem OK-Bereich vorliegenden Arbeiten zeitgerecht abzuarbeiten, oder kommt dann ein Stau zustande?
Ja, wir können natürlich immer bei Gefahr im Verzug aktuelle Dinge vorziehen. Ich räume aber ein, dass wir es hier mit einem ganz großen Problem zu tun haben, und nicht nur bei der Polizei, das gilt gleichermaßen für die Staatsanwaltschaft. Es ist ein bundesweites Problem. Die Innenministerkonferenz, die letzte Tagung der Generalstaatsanwälte haben sich zu diesem Thema geäußert. Die Ursachen liegen auf der Hand, wenn Sie einmal schauen, wie sich die Technik in den letzten Jahren entwickelt hat. Die Speicherkapazitäten unserer Smartphones zum Beispiel; ich glaube, ich habe mit 8 Gigabyte angefangen, es ging mit 16 Gigabyte weiter, dann mit 32 Gigabyte, und mein neustes Handy hat 64 Gigabyte. Diese Entwicklung hat 5 Jahre gebraucht. Wenn ich bedenke, dass ich vor vielen Jahren mit dem Heimcomputer Amiga angefangen bin. Heute reden wir nicht mehr über Gigabyte, sondern ich habe auf meiner Festplatte Terrabyte sortiert. Ein Terrabyte sind 1 024 Gigabyte.
Das bedeutet, wir haben eine Situation, in der sich innerhalb von 12 Monaten, manchmal 18 Monaten die Speicherkapazitäten nahezu verdoppeln. Die Herausforderungen wachsen daher nahezu ungesteuert. Dies Problem, muss ich sagen, haben wir bundesweit noch nicht gelöst, wir kämpfen dagegen in der Weise, indem wir versuchen, Computerfachleute zu gewinnen. Wir befinden uns jetzt gerade mit Dataport in Verhandlungen, dass sie uns personell unterstützen, wir beraten, ob wir eine Zeitfirma einsetzen können, denn in dem Bereich helfen keine ausgebildeten Polizeibeamte, wie Sie wissen, sondern wir brauchen Experten. In der Tat ist es so, dass diese Entwicklung die Polizei vor massive Herausforderungen stellt, weil die Datenmengen explodieren. Wenn man das zum Maßstab erhebt, müsste man diese Abteilung jedes Jahr einmal verdoppeln.
Gibt es Bestrebungen, Herr Senator, beispielsweise auf norddeutscher Ebene diese Aufgaben der IuK-Auswertung möglicherweise mit Niedersachsen oder Hamburg durch Arbeitsteilung gemeinsam zu erledigen?
Wir haben schon sehr viel Arbeitsteilung im norddeutschen Bereich organisiert. Die Telefonüberwachung wird für uns ja allein von Niedersachsen aus gesteuert, aber allein die Kooperation führt nicht dazu, dass die Kapazitäten steigen, sondern wir müssen selbst einiges investieren. Wie gesagt, wir laufen da auch etwas der Entwicklung hinterher. Die Zuwachsraten bei den Datenspeichern sind gigantisch, und wir sehen ja auch, dass immer mehr Personen dazu übergehen, ihren normalen Büroalltag mit ihrem Smartphone zu verbringen. Das heißt, es ist nicht nur die Menge, die wächst, sondern auch die Anzahl der eingesetzten Geräte.
Beabsichtigen Sie in diesem Jahr konkret eine personelle oder technische Aufstockung in diesem Bereich?