Protokoll der Sitzung vom 21.09.2016

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste! Lassen Sie mich zu Anfang sagen, das ist mir jetzt doch ein bisschen zu viel an Gemeinsamkeiten nach dem Motto: „Wir haben uns alle lieb“, und so. In der Großen Anfrage geht es um den Stellen wert der therapeutischen Gesundheitsberufe. Die CDU-Fraktion stellt unter anderem die Frage – ich finde, völlig zu Recht –: „Welche Bedeutung kommt diesen Berufsgruppen insbesondere auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der zunehmenden Mobilität der Bevölkerung zu?“ Das ist, wie gesagt, eine zu Recht gestellte Frage.

Aber wie antwortet der Senat? In der Antwort heißt es, dem Senat lägen „bisher keine validen Daten“ vor. Er kann nicht sagen, wie es mit den Gesundheitsberufen so ist, wo wir mit den Gesundheitsberufen stehen, wie viele wir haben. Das alles kann der Senat nicht. Keine validen Daten!

Von der Vorrednerin haben wir gehört, der Einstieg in die Schulgeldfreiheit sei im Koalitionsvertrag fest gelegt worden. In der Antwort des Senats lesen wir, dass in den Doppelhaushalt 2016/2017 keine Mittel zur Umsetzung der Schulgeldfreiheit eingestellt worden seien. Ja, was ist das denn?

Wenn Sie dann feststellen, dass das ein bisschen dünn ist, was machen Sie dann? Dann gründen Sie einen Arbeitskreis! Wie heißt es doch so schon: „Wenn ich nicht mehr weiter weiß, dann gründe ich einen Arbeitskreis.“ In der Antwort des Senats können wir lesen, dass eine Arbeitsgruppe eingesetzt worden sei, die sich weiter damit beschäftigen solle.

Ich will in aller Deutlichkeit sagen, wir alle sind der Meinung, dass wir viel mehr Menschen brauchen, die in diesen Gesundheitsfachberufen tätig sind.

(Beifall DIE LINKE)

Das ist das Gemeinsame. Aber die Antwort auf die Anfrage zeigt doch: Sie liefern wieder nicht! Sie lie fern einfach nicht!

(Beifall DIE LINKE)

Frau Dehne hat am Schluss wieder gesagt, wir seien auf einem guten Weg.

(Vizepräsident Imhoff übernimmt den Vorsitz.)

Mein Gott! „Wir sind auf einem guten Weg“ – das ist in diesem Bundesland zum Synonym für Nichtliefern geworden. Das ist der Punkt!

(Beifall DIE LINKE, ALFA, Abg. Tassis [AfD])

Frau Dehne, Entschuldigung! Aber Sie können sich doch nicht hier hinstellen und sagen, Sie seien so geschickt gewesen, dass Sie in den Koalitionsvertrag nur geschrieben haben, dass Sie den Einstieg in die Schulgeldfreiheit wollen. Das ist skandalös, und das ist auch blamabel! Wenn man die Schulgeldfreiheit für die Fachberufe will, weil man die Notwendigkeit dafür erkannt hat, dann muss man sich wirklich dafür einsetzen und muss irgendwann auch liefern.

(Beifall DIE LINKE)

Wir hören die ganze Zeit, dass Sie in den Jahren 2017 oder 2019 zur Schulgeldfreiheit irgendetwas in den Haushalt schreiben wollen. Schon heute hören wir ständig, wo es in diesem Haushalt kracht und knirscht. Sie aber machen trotzdem so weiter, als ob nichts passiert wäre, wenn Sie sagen, wir seien auf einem guten Weg. Nein, wir sind nicht auf einem guten Weg! – Vielen Dank!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Buhlert.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ja, das Ziel von uns allen ist es, Gesundheit zu schaffen. Um Gesundheit zu schaffen, braucht es weit mehr als Ärztinnen und Ärzte. In einem Sprichwort heißt es so schön, es brauche ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen. So braucht es auch zahlreiche Menschen, die für die Gesundheit von anderen Menschen sorgen. Ärztinnen und Ärzte sind nur ein Teil davon. Physiotherapeuten, Logopäden, Ergotherapeuten, Heilerziehungspfleger und noch viele andere Menschen aus diesem Bereich sind nötig, um Gesundheit zu schaffen. In einer älter werdenden Bevölkerung ist es keine Frage, dass der Bedarf steigt.

Wir würden gern wissen, wie hoch der Bedarf ist, damit wir auch wissen, welche Ausbildungskapazi täten gebraucht werden. Es muss klar sein, wie viele Menschen hier ausgebildet werden müssen, damit wir die Bedarfe hier und darüber hinaus – wir sind schließlich Oberzentrum – decken können.

(Beifall FDP)

Ohne Frage braucht es dieses Monitoring, denn wir müssen, wie gesagt, wissen, wie hoch der Bedarf ist.

Die Diskussion über das Schulgeld ist notwendig. Es wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass die gegenwärtige Regelung ungerecht ist. Dies zeigt ein Vergleich mit anderen Ausbildungsgängen, aber vor allem mit Studiengängen. Auf der anderen Seite haben

wir zu bedenken, dass es häufig private Schulen sind, die solche Ausbildungen anbieten. Insofern gibt es mit der Schulgeldfreiheit ein Problem. Ich bin sehr gespannt, wie die Koalition es lösen will. Ich sehe keine triviale Lösung. Aber wir zahlen auch für Aus bildungen an anderen privaten Schulen dem einen oder anderen so etwas wie BAfög. Auf die Lösung, die vorgeschlagen wird, bin ich sehr gespannt. Ich wünsche mir, dass eine Lösung gefunden wird, weil es in der Tat eine Gerechtigkeitsfrage ist.

(Präsident Weber übernimmt wieder den Vorsitz.)

Es gilt aber auch die Ausbildungswege insgesamt zu überdenken. Dabei ist zu schauen, wie hoch der schulische Anteil sein muss, wie viel Praxisbezug notwendig ist, welche Bereiche dualisiert werden können und was sonst verbessert werden kann. Wir führen bereits zu Recht die Diskussion über die Notwendigkeit der Akademisierung. Ich jedenfalls finde es gut, dass die Hochschule Bremen die schon genannten Studiengänge anbietet.

(Beifall FDP, Bündnis 90/Die Grünen)

Ich könnte mir gut vorstellen, dass ein Studiengang für Ergotherapie hinzukommt. Dadurch würden wir vielen Menschen weitere Perspektiven und Chan cen eröffnen. Es gibt durchaus noch Möglichkeiten, weitere qualifizierte Menschen in diesem Bereich einzusetzen, weil der Bedarf da ist. Diese Bedarfe zu decken ist richtig. Daher ist der Ansatz der Hochschu le Bremen, neue Studiengänge auf diesem Gebiet anzubieten, zu begrüßen. Ich finde es auch gut, dass sich die Hochschule modern aufstellt. Wir hatten vorhin eine Debatte darüber, dass dort Studiengänge geschlossen werden. Einzelne, singuläre Studien gänge werden zu Recht geschlossen. Es ist gut, dass auf dem Gebiet der Gesundheitsberufe etwas Neues passiert. Wir begrüßen es, dass die Hochschule sich auf den Weg macht, in den Bereichen auszubilden beziehungsweise akademische Bildung anzubieten, wo die Bedarfe sind.

(Beifall FDP, Bündnis 90/Die Grünen)

Das Heilpraktikerwesen und die Zulassung von Heil praktikern sind in der Debatte ebenfalls angespro chen worden. An der Stelle möchte ich mir nur den Hinweis erlauben, dass sich alle Bundesländer und der Bund noch einmal zusammensetzen müssen, um zu überlegen, ob das Heilpraktikergesetz zu ändern ist. Ich glaube, dort gilt es anzusetzen. Es ist genau zu überlegen, welche Zulassungskriterien für wen gelten sollen, und darauf hinzuwirken, dass in den Bundesländern ähnliche, wenn nicht gleiche Voraus setzungen zu erfüllen sind.

Herr Erlanson hat zu Recht darauf hingewiesen, dass diese Debatte schon eine ganze Zeit lang geführt wird.

Frau Dr. Kappert-Gonther hat an die Kleine Anfrage erinnert, die im Oktober 2014 beantwortet wurde. In der Antwort heißt es: „Diesen Veränderungen im Gesundheitswesen und in der Bevölkerung ist aus Sicht des Senats durch Neuentwicklungen in Form von zukunftsorientierten Versorgungsstrukturen und Konzepten zu begegnen.“ Ich frage mich, war die Fußnote im Koalitionsvertrag alles, was an Konzepten aufgelegt worden ist?

(Zuruf SPD)

Wenn nicht übertreibt, schildert nicht anschaulich! – Wir brauchen mehr Wissen über den Inhalt dieser Konzepte. Wenn wir die Ausbildung in diesen Berufen in die richtige Richtung lenken wollen, müssen wir wissen, wohin die Reise geht, damit wir nicht Leute ausbilden, die wir nicht auf diese Reise mitnehmen können. Da der Senat schon im Oktober 2014 eine solche Antwort auf die Anfrage gegeben hat, bitte ich die Koalition, endlich in dem gewünschten Sinne tätig zu. – Herzlichen Dank!

(Beifall FDP)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Dehne.

Sehr geehrter Herr Präsi dent, meine Damen und Herren! Herr Erlanson, ich kann verstehen, dass Sie sagen, es ärgere Sie, dass wir den Einstieg in die Schulgeldfreiheit bisher nicht hinbekommen haben. Ich kann auch verstehen, dass Sie sagen, der Einstieg sei Ihnen nicht genug, Sie möchten sofort die komplette Schulgeldfreiheit er reichen. Dann sollten Sie auch eine Antwort auf die Frage geben, woher Sie die rund 1,2 Millionen pro Jahr bekommen wollen. So viel kostet die Schulgeld freiheit. Das muss man wissen, wenn man in einem Haushaltsnotlageland wie Bremen, wo man über die kleinsten Beträge streitet, eine solche Forderung aufstellt. – Danke!

(Beifall SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Professor Dr. Quante-Brandt.

Sehr ge ehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich begrüße es sehr, dass wir über dieses Thema heute hier debattieren. Ich fange mit dem Thema Schulgeldfreiheit an. Den Einstieg schaffen! – Diese Formulierung hat einen realistischen Kern. Das schätze ich an unserer Politik. Ich möchte darauf etwas genauer eingehen.

Herr Erlanson, es sind Schulen, die nicht nach dem Berufsbildungsgesetz strukturiert sind. Berufsbil dungsgesetz – das wäre für mich das Allerschönste,

da es sich dann um eine duale Ausbildung handeln würde. Es gäbe einen Anstellungsträger, der – analog einem Betrieb – eine Ausbildungsvergütung zahlen würde. Das ist mein Verständnis von beruflicher Bildung. Leider ist es im Gesundheitswesen nicht so.

Dann gibt es vollschulische Ausbildungsgänge. In diesen zahlt das jeweilige Land die Ausbildung. Der Mensch, der dort lernt, hat keine Kosten zu tragen.

Im vorliegenden Fall haben wir es mit Schulen des Gesundheitswesens mit einer Berufszulassung zu tun. Das sind im Wesentlichen Schulen in privater Trägerschaft. Damit haben wir ein völlig anderes Konstrukt.

Wenn wir jetzt den Weg in Richtung Schulgeldfreiheit gehen wollen, dann können wir dies nur gemeinsam tun – erstens mit den Kostenträgern, zweitens mit den Betreibern der Schulen, drittens mit denjenigen, in denen Praktika beziehungsweise Praxiszeiten statt finden. Wir können also nicht einfach so entscheiden, in die Schulgeldfreiheit einzusteigen. Wir müssen das vielmehr gemeinsam mit den Genannten durchdekli nieren, das heißt, wir müssen uns verständigen. Wir handeln durchaus nicht nach dem Motto: „Bilde einen Arbeitskreis, wenn du nicht mehr weiter weißt!“, wie Sie es zusammengefasst haben, Herr Erlanson. Wir müssen einen praktikablen Weg zum Einstieg in die Schulgeldfreiheit finden.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP)

Genau das tun wir. Die Schulen müssen offenlegen, wofür sie das Geld ausgeben. Die Kostenträger müssen sagen, wofür sie bereit sind, Geld auszugeben. Das Land muss sich die Karten legen, wie viel Geld es aufbringen kann, um hier die Ausbildung in Schu len in freier Trägerschaft – so bezeichne ich sie jetzt einmal – zu finanzieren. Vor dieser Frage, die nicht trivial ist, stehen wir. Ich bin guter Dinge, dass wir das Problem lösen werden. Das zum Ersten.

Zum Zweiten! Bei den therapeutischen Gesund heitsfachberufen haben wir das Problem, dass die Prüfungsordnungen sehr alt sind. Sie stammen aus den 80er-Jahren. Das BMG ist schon häufig dazu aufgefordert worden, sie anzupassen. Das ist erneut nicht geschehen. Insofern setzen die Länder jetzt noch deutlicher als bisher nach. Man kann sicherlich sagen, dass die Länder eher darauf hätten hinwirken sollen. Das ist vermutlich richtig. Ich betone aber, dass das Bundesministerium für Gesundheit erneut aufgefordert worden ist, diese Ausbildungs- und Prü fungsordnungen zu verändern. Sie folgen noch nicht dem handlungsorientierten und kompetenzbasierten Ausbildungsansatz. Das finde ich im Jahr 2016 relativ bedauerlich. Aber der Weg ist geebnet.

Ich komme zu der Frage nach der Akademisierung der Primärausbildung in den Gesundheitsberufen. Diesen Weg kann man gehen. Dieser Weg, das hat ein Evaluationsbericht des Gesundheitsministeriums

ergeben, ist ein guter Weg. Es gibt die Modellklau sel. Auf dieser Grundlage wird an der Hochschule Bremen der neue Studiengang angeboten. Man hat herausgefunden, dass die Kombination aus reflek tierter akademischer und handlungsorientierter Ausbildung die Absolventen in die Lage versetzt, ihrer Profession nachzugehen und immer weiter zu lernen. Das ist der Ansatz dieser Studiengänge an den Hochschulen. In der Logopädie hätten wir eine Alternative, den Sprachheiltherapeuten. Das werden die Logopädie-Fachschulen nicht gern hören, denn eine akademische Ausbildung ist schon etwas anderes. Die Praxisanteile unterscheiden sich und so weiter, und so fort. All diese Fragen muss man in diesem Zusammenhang immer im Blick haben.

Wenn wir aber in den Bereich der Akademisierung eintreten, brauchen wir – wir haben entsprechend votiert – eine mindestens fünfjährige Übergangszeit, weil man die schulische Ausbildung und die Ausbil dung an der Hochschule oder Universität zueinander führen muss. Sonst steht es irgendwann alternativ. Ob wir wollen, dass es alternativ steht, dafür haben wir uns die Karten noch nicht gelegt.

Wir haben uns also mit der Anpassung der Prüfungs ordnungen für die schulische Ausbildung und mit der Frage der Weiterführung im akademischen Feld zu beschäftigen. An diesen Themen sind wir dran, das alles wird gegenwärtig erörtert. An diesen Themen wollen wir auch dran sein, weil wir den gesundheits wissenschaftlichen Bereich im Wissenschaftssystem unseres Landes weiter stärken und profilieren wollen. Das soll aber im Miteinander und nicht im Gegenei nander geschehen.