Protokoll der Sitzung vom 21.09.2016

(Beifall DIE LINKE)

Wenn man sich die Liste anschaut – das war immer hin ein Ansatz von Erkenntnis –, gibt es eine Menge Kürzungsvorschläge beziehungsweise Mehreinnah menvorschläge, die mir Sorgen machen, beispielsweise die situative Anpassung der Gruppengrößen im U3Bereich. Wir können doch nicht eben allen Ernstes über Armut und Kinderarmut diskutieren und dann auf der anderen Seite die Gruppengrößen erhöhen. Das passt nicht zusammen.

(Beifall DIE LINKE)

Das sind Maßnahmen, die zur Verfestigung von Kin derarmut beitragen, und wenn wir dadurch Geld sparen und kurzfristig Ausgaben senken, dann kommt das doch auf der anderen Seite wieder zu uns zurück. Es ist eine Investition in diese Kinder, dass die Grup pengrößen hinreichend klein sind, und es ist keine gute Idee, sie zu erhöhen. Ich verstehe das nicht. Die Grünen haben einen Begriff von Nachhaltigkeit geprägt, als es um den Wald ging. Da hat man ge sagt, wir dürfen nur so viele Bäume fällen, wie auch wieder nachwachsen können.

(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Das waren schon Forstwirte im 18. Jahrhundert! Aber macht nichts!)

Ich finde, es gibt auch so etwas wie eine soziale Nachhaltigkeit. Wenn wir heute die Gruppengrößen

in den Kitas um ein oder zwei Kinder erhöhen, dann hat das Auswirkungen in der Zukunft, was die Bildung betrifft, was Arbeitslosigkeit und was Kinderarmut betrifft, darin bin ich mir völlig sicher, deshalb ist es keine gute Idee.

(Beifall DIE LINKE)

An der Hochschule Bremen sollen Studiengänge geschlossen werden, Organisationsprojekte, es sollen Dienststellenleiter abgebaut werden. Die Hochschulen sollen also ebenfalls einen Sanierungsbeitrag leisten. Auch dabei stellt sich die Frage: Ist das eigentlich eine gute Idee? Bremen ist eine Hochschulstadt. Bremen hat das Potenzial, mehr Studentinnen und Studen ten auszubilden. Bremen hat das Potenzial und die Hochschulen, eine hochwertige Hochschulbildung zu liefern. Und wir kürzen die Stellen und schließen Studiengänge? Ist das in die Zukunft gerichtet? Ich halte das für nicht intelligent.

(Beifall DIE LINKE)

Das sind Maßnahmen, die dafür sorgen, dass die Situation schlimmer wird.

Abschließend: Wir hatten eben die Debatte um Kin derarmut und Armut, und der Kollege Möhle hat gesagt, mit Geld könne man nicht alles erreichen, Geld sei nicht alles. – Ich habe gerade gelernt – ers tens: Es gibt kein Erkenntnisproblem. Zweitens: Es gibt 88 Vorschläge, was man gegen Kinderarmut in Bremen tun könnte. Soweit ich das beurteile, fehlt es zur Umsetzung dieser Projekte an Geld. Geld ist nicht alles, aber ohne Geld ist eben alles nichts. Deshalb ist intelligente Haushaltssanierung das eine, aber klar ist auch: Haushaltssanierung durch Kürzung kann man auf Kosten von Armut und gesellschaftlicher Spaltung in diesem Land erreichen – sonst nicht!

(Beifall DIE LINKE)

Wenn man das nicht will – und diese Erkenntnis lässt sich durch Untersuchungen, durch Fakten un termauern –, wenn man in diesem Land aufhören will, Armut zu stabilisieren und Armutssituationen zu erzeugen – –.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Das ist Ideologie!)

Das ist keine Ideologie.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Haushaltssanierung und Armut gegeneinander auszuspielen, das ist Ideologie!)

Entschuldigung, Herr vom Bruch! Wenn wir ungefähr 8 000 bis 9 000 alleinerziehende Mütter in Bremen haben, und sie finden keine Arbeit, weil sie keinen Kindergartenplatz haben, und finden keinen Kinder

gartenplatz, weil sie keine Arbeit haben, dann sage ich Ihnen: Das kann man lösen.

(Beifall DIE LINKE – Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Das eine Politikziel gegen das andere auszuspielen, ist Ideologie!)

Was ist daran, bitte schön, ist Ideologie, wenn ich fordere, dass für diese Alleinerziehenden etwas getan werden muss, ganz konkret in Form von Arbeitsplätzen und Kindergartenplätzen? Das ist keine Ideologie, das sind die nackten Tatsachen, das ist das konkrete Leben in Bremen. Dafür hat diese Sanierungspo litik die Grundlage geschaffen, und wenn wir sie weiterführen, werden wir uns genau wie vor neun Jahren, als ich hier angefangen habe, in neun Jahren wieder von Herrn Möhle anhören müssen, dass das alles ein Problem ist, dass die Statistik vielleicht ein bisschen komisch ist und dass wir auf einem guten Weg sind, aber leider nichts machen können, weil wir kein Geld haben. Das ist die Situation vor neun Jahren gewesen, es ist die Situation heute, und ich wette, wenn wir nicht anfangen, anders zu denken als in Haushaltskürzungssanierung, dann werden wir keinen Schritt weiterkommen in diesem Land. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall DIE LINKE)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Fecker.

Sehr ge ehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Land Bremen ist der Aufforderung des Stabilitätsrats nachgekommen und plant weitere Maßnahmen zur Konsolidierung des Haushaltes. Der Senat hat nun ein Maßnahmenpaket in einem Umfang von 116 Millionen Euro beschlossen und nach Berlin gemeldet. Dieses Paket beinhaltet so wohl eine Steigerung der Einnahmen als auch eine Absenkung der Ausgaben.

Bei der Absenkung der Ausgaben hält der Senat sein Wort, die Kosten für Flüchtlinge separat auszuweisen, und kann jetzt entsprechend auf die niedrigere Zu wanderung nach Deutschland reagieren. Fiskalisch ist die eine Betrachtung, die angestrengt wird – die menschliche Tragödie, die dahintersteckt an der einen oder anderen Außengrenze, ist die andere Betrach tungsweise. Diese gesonderte Ausweisung ist eben kein Blankoscheck fürs Geldausgeben gewesen, sondern ein notwendiges Steuerinstrument. Ohne diese Mehrkosten für Flüchtlinge – dieser Hinweis sei gestattet – würde Bremen den notwendigen Abstand zur erlaubten Kreditaufnahme einhalten. Dass diese Kosten für Flüchtlinge in Bremen nicht einsam an der Spitze liegen – wie auch gern von der Opposition be hauptet –, sondern unter dem Bundesdurchschnitt, mit dieser Mär können wir in Zukunft endlich aufhören.

Die FDP kritisiert die Erhöhung der Gebühren. Das wird man sich im Detail noch einmal in den Deputa tionen ansehen. Fakt ist aber auch, dass Gebühren in Bremen teilweise über Jahrzehnte nicht angefasst wurden. Die Kunst wird jetzt sein, diese Gebühren so anzupassen, dass sie den dahinterstehenden Ver waltungsaufwand abdecken und gleichzeitig eine maßvolle Erhöhung darstellen.

Es war von vornherein klar, dass mit dieser Meldung nach Berlin nicht mit einem Schlag die Haushalts probleme Bremens gelöst werden würden. So ist die Vorschlagsliste auch eine ehrliche Bestandsaufnah me, welche Maßnahmen überhaupt noch möglich sind, auch wenn sie teilweise höchst umstritten sein werden. Die Frage der Grunderwerbsteuer werden wir diskutieren müssen. Diese Diskussionen machen zumeist keinen großen Spaß, aber es gehört zur Verantwortung, auch über solche Projekte zu dis kutieren und sie am Ende zu entscheiden. Auch die Frage, Investitionen zu schieben, macht aus unserer Sicht dort Sinn, wo sie ohnehin in der nächsten Zeit nicht realisiert werden können. Die Zuschüsse an die Sondervermögen herunterzufahren halten auch wir für den richtigen Weg in dieser Haushaltssituation.

Man kann nun, wie es die FDP in den Haushalts beratungen getan hat, Luftschlösser aufbauen. Die Diskussion über Einsparungsmöglichkeiten beim Personal haben wir in den Haushaltsberatungen bereits geführt. Ich hatte mir damals erlaubt, den Kollegen Buchholz zu zitieren, der offensichtlich eine Minderheitenmeinung in Ihrer Fraktion vertreten hat. Fakt ist aber, dass die von Ihnen gemachten Vorschläge in diesem Bereich absolut unrealistisch waren. Der Tenor der FDP ist es – genau andersherum –, den öffentlichen Haushalten Geld zu entziehen, sei es bei der Zukunft des Solidaritätszuschlages oder bei der Erbschaftsteuer. Sie möchten dem Staat die Handlungsmöglichkeiten nehmen, meine Damen und Herren von der FDP.

(Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Der Staat hat doch genug Einnahmen!)

Wir haben gerade gelernt, Sie haben auch etwas gegen Einschränkungen bei Betrugsmöglichkeiten. Das nehmen wir interessiert zur Kenntnis. Das sind solche Diskussionen wie vor Kurzem jene über die Registrierkassen, als die FDP auch gesagt hat, über all, wo der Staat etwas genauer hinsehen will, ist es sofort immer gleich ein Generalverdacht. Schaut der Staat aber in bestimmten Bereichen nicht richtig hin, macht er seine Arbeit nicht. Meine Damen und Herren von der FDP, diese Logik müssen Sie uns erst einmal erklären.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Im Kern ist das, was wir hier heute erleben, so etwas wie die „Haushaltsberatungen reloaded“. Uns geht

es als rot-grüne Koalition darum, die Handlungs fähigkeit des Staates herzustellen und zu sichern. Gerade in der Debatte um die Kinderarmut ist doch deutlich geworden, dass es unser Ziel sein muss, genau diesen handlungsfähigen Staat zu haben, damit wir gemeinsam Projekte auflegen können, die auch ihre Wirkung erzielen, damit wir gemein sam Maßnahmen finanzieren können und nicht von Entscheidungen anderer abhängig sind. Als positi ves Beispiel sei hierzu das Programm „Öffentlich geförderte Beschäftigung“ genannt, bei dem wir ganz bewusst den Schritt gehen, Langzeitarbeitslose mit Landesmitteln zu unterstützen. Solche Projekte funktionieren aber nur, wenn wir einen handlungs fähigen Staat haben. Dafür werden wir uns auch weiterhin einsetzen. – Herzlichen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Eckhoff.

(Abg. Tschöpe [SPD]: Das ist aber eine gewichtige Debatte!)

Herr Präsident, meine sehr ver ehrten Damen und Herren! Herr Tschöpe, es fehlt nur noch, dass Sie sich zu Wort melden, um zur gewichtigen Debatte beizutragen. Ich bin gespannt!

(Abg. Tschöpe [SPD]: Aber dann passt Hauke Hilz da nicht mehr rein!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Prä sident! Ich war voller Vorfreude, als ich in der letz ten Woche die Senatspressemitteilung las. Dort war nämlich der erste Satz:

„‚Bremen hat geliefert!‘ – mit diesen Worten stellten Bürgermeister Carsten Sieling und Bürgermeisterin Karoline Linnert den heute vom Senat beschlosse nen Bericht für den Stabilitätsrat zur Umsetzung des Sanierungsprogramms vor.“

Wenn man sich die Zahlen genauer anschaut, muss man feststellen, von den 116 Millionen Euro sind 65 Millionen die Reduzierung der Flüchtlingsausgaben. Dies ist in erster Linie durch eine Vereinbarung, ein Abkommen zwischen Deutschland und der Türkei erreicht worden, welches von einigen Fraktionen in diesem Hause massiv kritisiert wurde. Erste Feststel lung ist also: Einen Großteil dieser Maßnahmen hat nicht der Senat geliefert, sondern die Bundeskanzlerin und die Bundesregierung, was nämlich die Reduzie rung der Flüchtlingszahlen betrifft.

(Beifall CDU)

Dann freute ich mich auf den zweiten Betrag: 40 Millionen Euro sollen eingespart werden bei Investi

tionen, bei Zuweisungen an Sondervermögen, durch Verschiebung von Maßnahmen. Bis heute wissen wir nicht genau, was das bedeutet.

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Herr Dr. Güldner hat doch etwas dazu gesagt!)

Auf der Pressekonferenz wurde die Frage wohl auch gestellt, und es wurde ein bisschen von möglicher Kajensanierung erzählt, die verschoben wird, und dass sich der Ausbau der Straßenbahn nun auch verschiebt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sind 105 der 116 Millionen Euro. – Dann haben wir noch einmal 4 Millionen Euro an Sondereffekten aufgrund einer Strafgebühr, die bezahlt werden muss. Da sind wir dann bei 109 von 116 Millionen Euro. Dazu kommt noch ein wenig Gebührenerhöhung, sodass der Senat tatsächlich acht Wochen getagt hat, um in diesem Haushalt ein Einsparvolumen von 6 Millionen Euro zu definieren. Meine Damen und Herren, das ist beim besten Willen nicht das, was der Stabilitätsrat von uns erwartet.

(Beifall CDU)

Das macht auch deutlich, dass dem Senat im End effekt, was die Haushaltssanierung betrifft, kaum noch etwas einfällt. Ich will zwei, drei Beispiele nennen: Natürlich müssen wir zum Beispiel über das Personalvertretungsgesetz diskutieren. Das hat die Fraktionsvorsitzende der Grünen in der letzten Bürgerschaftssitzung richtigerweise angesprochen. Reflexartig kam von der SPD: Wir dürfen in Bremen über alles diskutieren, nur nicht über das Personal vertretungsgesetz. Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich müssen wir auch über diese Themen diskutieren. Wenn man zum Beispiel in den Kindertagesgruppen punktuell durch Maßnahmen Gruppengrößen erhöhen will, können wir nicht alles unter das Mitbestimmungsrecht des Personalrats packen. An solche Fragestellungen müssen wir ran.

(Beifall CDU, FDP)

Natürlich müssen wir auch ran – wenn ich eine Debatte von heute Morgen aufgreifen darf ‑, was die Arbeits marktförderung betrifft, lieber Klaus Möhle. So muss man sich in erster Linie bei jeder Maßnahme genau anschauen, wo sie welche Ergebnisse hat. Man muss in erster Linie das Ergebnis entsprechend honorieren und nicht zum Beispiel Förderstrukturen aufrechter halten, die es in diesem Land schon sehr lange gibt. Es gibt eine ganze Reihe von grundsätzlichen Punk ten, an die wir herangehen müssen, übrigens auch in der Bildungspolitik; auch das hat heute Morgen eine Rolle gespielt. Da gibt es Schulen, die mit sehr geringen Maßnahmen hervorragende Arbeit machen, und in anderen Schulen wird viel Geld ausgegeben und das Ergebnis ist unbefriedigend.

Insofern müssen wir doch viel grundsätzlicher heran gehen, als es der Senat in den letzten acht Wochen geleistet hat und als man uns hier verkaufen will. Ein Popanz! Man hat 116 Millionen Euro geliefert, und im Endeffekt hat man darin einen Eigenbeitrag von 5 bis 6 Millionen Euro. Frau Senatorin, das er zeugt keine Glaubwürdigkeit in Berlin, und damit werden Sie beim Stabilitätsrat beim besten Willen nicht ankommen.