Frau Kollegin Dr. Kappert-Gonther hat zum Schluss ihres Beitrags etwas ganz Wichtiges, das außerhalb des Antrags steht, nämlich die UN-Behindertenrechtskonvention erwähnt. Man sollte sie nicht nur auf dem Papier gut finden, sondern man sollte danach leben und politisch handeln. Wir als Parlament können das heute hier demonstrieren und unseren Beitrag dazu leisten, dass die UN-Behindertenrechtskonvention mit Leben gefüllt wird. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Menschen, die in Ihrem Leben Unrecht, Misshandlungen oder Gewalt haben erfahren oder ertragen müssen, werden dies in aller Regel ihr Leben lang nicht wieder los. Sie tragen es mit sich, und sie haben in der Auseinandersetzung Hilfe von außen, Hilfe von uns nötig.
In den Jahren 2008 und 2009 ist erstmals im Rahmen eines runden Tisches dieses Thema sehr in die Öffentlichkeit getragen worden, und zwar auch dank derer, die sich an ganz unterschiedlichen Stellen zu Wort gemeldet haben.
Ich hatte die Gelegenheit, in einige anonymisierte Schilderungen und Berichte zu schauen. Das ist aufwühlend, und das tragen Sie auch mit sich herum und denken: Was ist mit diesen jungen Menschen, was ist mit diesen Menschen mit Behinderungen passiert? Was haben sie ertragen und erfahren müssen? Insofern war es notwendig und richtig, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Das ist zugegebenermaßen ein sehr langer Prozess gewesen.
Seinerzeit, 2008, 2009, hat Antje Vollmer die Leitung des runden Tisches „Heimkinder“ übernommen, und es war keine leichte Aufgabe. Es saßen Vertreter ganz unterschiedlicher Gruppen mit am Tisch, die ganz unterschiedliche Interessen vertreten haben, bis hin zu Anwälten, die Entschädigungszahlungen in einer exorbitanten Höhe ins Spiel gebracht haben. Die Kollegin Frau Kappert-Gonther hat es gesagt, und ich will es gern noch einmal wiederholen: Ich glaube, kein Geld der Welt kann erlebtes Unrecht oder Gewalt in irgendeiner Weise wiedergutmachen.
Trotzdem ist dann dieser Weg beschritten worden. Es ist ein Hilfsfonds eingerichtet worden, im Grunde sind es zwei, und jetzt geht es um den dritten. Es gibt zwei Fonds, die zunächst ehemalige Heimkinder betroffen haben; danach waren es die ehemaligen Heimkinder aus der ehemaligen DDR, die in einem zweiten Teil eines Hilfsfonds bedacht worden sind, und immer gab es natürlich die Auseinandersetzung, wer in diesen Hilfsfonds einzahlt, ein Drittel der Bund, ein Drittel die Länder, ein Drittel die Kirchen. In beiden Hilfsfonds finden Kinder und Jugendliche mit Behinderungen oder solche, die in der Psychiatrie untergebracht worden waren und dort Unrecht, Misshandlung und Leid erfahren haben, keine Berücksichtigung. Die UN-Behindertenrechtskonvention, 2009 von uns unterschrieben, ist uns Aufgabe und Auftrag, hier und insbesondere hier hinzuschauen.
Es kann nicht sein, dass eine besonders betroffene Gruppe schlechtergestellt wird. Es ist notwendig, dass wir hierfür schnell und unbürokratisch Lösungen finden und einen entsprechenden Hilfsfonds einrichten. Viele der betroffenen Menschen – auch das haben wir gehört – sind im Rentenalter oder im hohen Alter. Eine Anerkennung des Leids dieser Menschen mit Behinderung ist längst überfällig. Es ist ein wichtiges Zeichen, diesen Menschen vielleicht noch ein Stückchen ihrer Würde mit dieser Anerkennung zurückzugeben. Deshalb bitte ich Sie um Unterstützung des Antrags! – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn man Geschichten von Menschen hört, die das erlitten haben, wenn man das nachliest, wie Frau Rosenkötter das getan hat, dann hat man eine Idee – mehr kann man dabei gar nicht gewinnen – davon, was für einen Rucksack, was für eine Belastung diese Menschen mit sich tragen.
Man kann das Leid nicht ungeschehen machen. Man kann aber deutlich machen, dass man dieses Leid sieht, dass man dieses Leid wahrgenommen hat, und etwas tun, um deutlich zu machen, dass die Gesellschaft hier Wiedergutmachung erreichen will, dadurch vielleicht etwas aus dem Rucksack herausnehmen und etwas Gutes hineintun.
Es hat viel zu lange gedauert, bis es zu den Hilfsfonds gekommen ist. Es musste viel Zeit vergehen, bis all das Leid aufgearbeitet wurde, bis all die Traumata auch wirklich wahrgenommen wurden, die durch solche Fehlleistungen – so will ich es einmal nennen – in den Heimen passiert sind, und es ist zu Recht gesagt worden: Es ist nicht verständlich, warum hier nicht alle Menschen, die so leben mussten, gleichbehandelt werden. Wir müssen zu dieser Gleichbehandlung kommen, denn es ist nicht erklärlich, warum Behinderte oder psychisch Kranke hier außen vor bleiben sollten. Es ist eben Gleichbehandlung gefragt. Deswegen unterstützt die Fraktion der FDP diesen Antrag, weil es eben darum geht, auch diese Gruppe mit Geldern aus einem Hilfsfonds zu unterstützen, um deutlich zu machen, wie wir als Gesellschaft heute werten, welches Leid ihnen widerfahren ist.
Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren! Zuerst möchte ich mich bei Dr. Kirsten Kappert-Gonther als Initiatorin des Antrags für diese parlamentarische Initiative ganz herzlich bedanken. Ich glaube, es ist wichtig, dass dieses Parlament sich zu diesem Thema bekennt und äußert.
Die Vorrednerinnen und Vorredner haben deutlich gemacht, dass es an der Zeit ist, auch für die Heimkinder in den Einrichtungen der Behindertenhilfe und Psychiatrie aus den Jahren 1949 bis 1990 Regelungen zu treffen. Das Thema beschäftigt – Ingelore Rosenkötter hat das deutlich gemacht – jetzt schon seit einigen Jahren die Politik. Die Kernfrage ist immer: Wie kann man ein solches erlittenes Leid überhaupt finanziell abgelten? Ist ein Fonds überhaupt die richtige Antwort darauf? Dazu haben wir eben schon einiges gehört, ich teile das. Mit einem Fonds und mit Geld, das die Betroffenen in die Hand bekommen, kann man das, was passiert ist, nicht wiedergutmachen, aber ich glaube, es ist das Anerkenntnis des Staates, dass Dinge passiert sind, die nicht in Ordnung sind, dass der Staat an dieser Stelle auch versagt hat, und es ist ein kleiner Beitrag, um das erlittene Leid wiedergutzumachen.
Nun haben wir auf Ministerebene lange darum gerungen, was eigentlich das geeignete Instrument ist. Mit den Fondslösungen ist niemand auf Ebene der Ministerinnen und Minister so recht glücklich. Ich habe wiederholt die Bundesregierung aufgefordert, das Opferentschädigungsgesetz zu reformieren, und zwar nicht nur in die Zukunft, sondern auch in die Vergangenheit gerichtet. Leider konnte ich mich damit im Kreis der Kolleginnen und Kollegen und auch gegenüber der Bundesregierung nicht durchsetzen. Ich halte aber nach wie vor für richtig, dass das Opferentschädigungsgesetz grundlegend reformiert wird und auch derartige Situationen in die Entschädigungsleistungen mit aufgenommen werden.
Ich finde es auch völlig verständlich, dass die Menschen, die mit Behinderungen leben, die behindert sind in ihrem Leben, das gleiche Recht einfordern wie Menschen ohne Behinderung. Das ist eben auch deutlich geworden. Ich habe lange mit Horst Frehe zusammengearbeitet, der vier Jahre mein Staatsrat war und mir beigebracht hat, dass manchmal Menschen mit Behinderungen auch dafür streiten, genauso auch Dinge machen zu dürfen, die Menschen ohne Behinderung machen, sei es auch zu rauchen oder Drogen zu konsumieren. Es gehört auch dazu, wenn der Fonds nicht ausreichend ist, dass man als Mensch mit Behinderungen auch das Recht haben will, durch einen Fonds entschädigt zu werden.
Das habe ich auch gegenüber der Bundesregierung, gegenüber Herrn Schmachtenberg, gegenüber dem Staatssekretär, so vorgetragen. Erst haben alle gelächelt, aber am Ende wurde verstanden, dass es auch um Gleichbehandlung geht. Das ist überfällig, das ist notwendig, und deswegen bin ich froh, dass wir heute diesen Antrag hier behandeln.
Ich finde auch wichtig – es ist schon darauf hingewiesen worden –, dass sich Länder, der Bund und auch die Kirchen beteiligen, das ist richtig. Wir haben eine ganz ernsthafte Debatte mit den Kolleginnen und Kollegen aus den neuen Bundesländern, die sagen: Die Kirche war ja in den neuen Bundesländern nicht so aktiv, oder die hat da nicht so eine hervorgehobene Rolle gespielt. Ich glaube, diese Debatten muss man den Betroffenen ersparen. Es darf öffentlich kein Gezänk mehr geben. Es wird zu einer Fondslösung kommen. Wir gehen davon aus, dass wir bis Ende des Jahres Klarheit erreichen werden.
Es wird jetzt gerade prioritär ein Finanzierungsmodell diskutiert, das eine Drittelung zwischen Bund, Ländern und Kirchen vorsieht. Das Drittel der Länder wird aufgrund des Königsteiner Schlüssels berechnet werden. Er ist uns aus anderen Debatten ja gut bekannt.
Es ist noch nicht endgültig festgelegt – und das will ich hier deutlich sagen –, ob es zwischen den ostdeut
schen Ländern und den übrigen Ländern zu einer unterschiedlichen Belastung kommen wird, weil beispielsweise die Kirchen dort einen anderen Stellenwert in der Einrichtungslandschaft hatten. Es ist in der Tat so, aber das sollte nicht auf dem Rücken der Betroffenen ausgetragen werden.
Es sollte jetzt schnell eine Lösung gefunden werden. Uns schwebt vor, dass wir bis zum Ende des Jahres die Vorbereitungen abgeschlossen haben, um mit allen Beteiligten ein Fondsmodell in die Wege leiten zu können. Noch einmal: Vielen Dank für diesen Antrag! Wir haben in den letzten Jahren mit der Umsetzung des Fondsmodells Erfahrungen sammeln können. Wir arbeiten auf diesem Gebiet eng mit den Kolleginnen und Kollegen des Versorgungs- und Integrationsamtes zusammen, die dem Bereich Arbeit und Wirtschaft angegliedert sind. Wir würden diese Organisationsform fortführen wollen. Die Kolleginnen und Kollegen arbeiten dort mit großem Einfühlungsvermögen. Sie haben mich auch in einem persönlichen Gespräch über die bisherige Arbeit informiert. Ich glaube, dass wir eine gute Struktur aufbauen können, in der sich alle dann auch in guten Händen wissen. Ich werde die Diskussion auf der nächsten ASMK noch einmal fortführen. Ich hoffe allerdings, dass sie mit einem vorzeigbaren Ergebnis endet. – Danke schön!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Beratung ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, der SPD und der CDU mit der DrucksachenNummer 19/105 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen! Ich bitte um die Gegenprobe! Stimmenthaltungen? Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.
Gesetz zur Änderung des Bremischen Gaststättengesetzes Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD vom 13. Oktober 2015 (Drucksache 19/114) 1. Lesung
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren! Diskothekenbetreiber und Gaststätteninhaber haben selbstverständlich das Recht zu bestimmen, wer die Diskothek beziehungsweise die Gaststätte betreten darf und wer nicht. Sie dürfen natürlich auch extrem alkoholisierte oder aggressiv auftretende Personen abweisen, um eine gute Atmosphäre für die anderen Gäste sicherzustellen. Rassismus, meine Damen und Herren, darf bei dieser Auswahl gar keine Rolle spielen.
Meistens wird in Deutschland jüngeren Menschen wegen ihrer ethnischen Herkunft oder ihrer vermeintlichen Zugehörigkeit zu bestimmten Religionsgruppen der Einlass in Diskotheken verwehrt. Keiner kann sagen, wie häufig es zu solchen rassistischen Einlasskontrollen kommt. Es kommt aber sehr oft vor. Das ist nicht der Ausnahmefall, meine Damen und Herren, und das kann ich Ihnen aus eigener Erfahrung und aus der Erfahrung von meinen beiden großen Kindern leider nur bestätigen.
In Leipzig wurde 2011 von Studierenden die Einlasssituation getestet. Dabei wurde festgestellt, dass von elf Diskothekenbetreibern sechs den nicht deutsch aussehenden Testern der Zutritt verweigert wurde. In München wurden im Jahr 2013 25 Klubs getestet und die als nicht deutsch wahrgenommene Gruppe mit Migrationshintergrund wurde zwanzigmal abgewiesen. Sie sehen, meine Damen und Herren, dass dies leider sehr oft passiert und ein bundesweit bekanntes Problem darstellt.
Diese Praxis verstößt gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das eigentlich auch vor Benachteiligungen bei Dienstleistungen im Freizeitbereich schützen soll. Wir haben dieses Gesetz seit acht Jahren. Nach dem Gesetz können sich Bürgerinnen und Bürger, wenn sie wegen der Hautfarbe, der Herkunft oder aufgrund einer Beeinträchtigung an der Diskotür abgewiesen werden, juristisch wehren, das heißt, sie können auf Unterlassung und Schadensersatz klagen. Bedauerlicherweise ist die Anzahl der Fälle, die vor Gericht entschieden werden, bisher sehr gering, da viele Menschen zum einen nicht wissen, dass sie sich dagegen wehren können, und zum anderen nichts dagegen unternehmen, weil sie denken, dass sie damit keinen Erfolg erzielen können.
Wir haben in der Vergangenheit nach dem Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes solche Fälle in Diskotheken und in Gaststätten im Land Bremen erleben müssen. Wir wollen genau das mit unserem Antrag verändern. Es ist aber auch gleichzeitig wichtig, dass diese Rechte von den Betroffenen privatrechtlich durchgesetzt werden, ansonsten ändert sich nichts am gegenwärtigen Zustand.
Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes kann mit wenigen Änderungen im Bremischen Gaststättengesetz verankert werden. Unser Antrag sieht vor, dass das Bremische Gaststättengesetz um eine entsprechende Ordnungswidrigkeitenregelung ergänzt wird. Durch die Ergänzung des Gesetzes um eine diesbezügliche Ordnungswidrigkeit kann Diskothekenbetreibern bei Verstößen gegen diesen Antidiskriminierungsparagrafen ein Bußgeld bis zu 5 000 Euro auferlegt werden. Bei mehreren Verstößen kann sogar in letzter Konsequenz die Gewerbeerlaubnis entzogen werden.
Eine Änderung des Bremischen Gaststättengesetzes ist aus unserer Sicht erforderlich, da wir damit als Land Bremen entschieden gegen Diskriminierung jeglicher Art aktiv werden können.