Protokoll der Sitzung vom 21.06.2018

Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.

Die siebte Anfrage befasst sich mit dem Thema „Pflegekammer im Land Bremen“. Die Anfrage ist unterschrieben von den Abgeordneten Dr. Buhlert, Frau Steiner und Fraktion der FDP.

Bitte, Herr Kollege Dr. Buhlert!

Wir fragen den Senat:

Erstens: Wie beurteilt der Senat Forderungen nach Einrichtung einer Pflegekammer wie derzeit beispielsweise in Schleswig-Holstein und Niedersachen?

Zweitens: Ist der Senat der Ansicht, dass eine Pflegekammer die Arbeitsbedingungen in den Pflegeberufen aufwerten kann, wenn ja, inwiefern, und wenn nein, wieso nicht?

Drittens: Welchen Stellenwert hat eine Pflegekammer aus Sicht des Senats als Institution zur Verbesserung des Pflegeberufs?

Die Anfrage wird beantwortet von Frau Senatorin Stahmann.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Für den Senat beantworte ich die Anfrage wie folgt:

Zu den Fragen eins bis drei: Die Forderungen nach Einrichtung einer Pflegekammer im Land Bremen, wie beispielsweise in Schleswig-Holstein und Niedersachsen, sind bekannt.

Bevor konkrete Überlegungen für Bremen angestellt werden, erscheint es sinnvoll, die Erfahrungen der Implementierung und Umsetzung anderer Bundesländer abzuwarten und auszuwerten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in Bremen – im Gegensatz zu den meisten anderen Bundesländern – bereits eine Arbeitnehmerkammer institutionalisiert ist, in der die professionell Pflegenden im Rahmen einer Pflichtmitgliedschaft bereits vertreten werden. Ebenso scheint eine generelle Überprüfung der Zweckmäßigkeit angebracht, etwa im Hinblick auf notwendige finanzielle Mittel und rechtliche Rahmenbedingungen.

Anhand der Erfahrungen anderer Bundesländer soll auch bewertet werden, ob eine Pflegekammer zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen

und zu einer Stärkung des Pflegeberufs führen kann. – So weit die Antwort des Senats!

Haben Sie eine Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Sie haben ja auf die Pflichtmitgliedschaft in der Arbeitnehmerkammer hingewiesen. Sind Sie denn der Auffassung, dass sich die Arbeitnehmerkammer den Aspekten, die dieser Pflegeberuf mit sich bringt, und den dortigen Notwendigkeiten in einem ausreichenden Umfang widmet und deswegen eine eigene Pflegekammer eventuell unterbleiben könnte?

Auch das Saarland hat ja eine Arbeitnehmerkammer, und es hat darauf verzichtet, eine Pflegekammer einzurichten, weil die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer alle schon mit in der Pflichtkammer vertreten sind. Ich denke, der Bremer Weg könnte so aussehen, dass wir eine Bewertung der Ländererfahrungen vornehmen, und ich denke, da liegen jetzt auch ausreichende Antworten vor, die wir miteinander abgleichen müssen. Der Weg, den unser Ressort vorgeschlagen hat und den wir auch mit dem Gesundheitsressort, ich sage einmal, schon besprechen, ist, ob wir ein Meinungsbild in Form einer qualifizierten Befragung zur Bereitschaft der Mitgliedschaft der Beschäftigten in einer Pflegekammer erstellen könnten. Ich glaube, das muss mit ausgelotet werden.

Die Arbeitnehmerkammer in Bremen berät diejenigen, die dort hingehen und Rat suchen. Ich höre viel Gutes, aber natürlich gibt es auch immer Kritik, gerade von den Befürwortern, die sich eine eigene Pflegekammer wünschen. Ich glaube, da hilft es nur, sich anzuschauen, welche Erfahrungen man in Niedersachsen gemacht hat und wie es in Rheinland-Pfalz bewertet wird, damit wir dort zu einem Bremer Ergebnis kommen können.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Eines der Motive ist ja, sozusagen auf Augenhöhe mit der Ärztekammer und der Psychotherapeutenkammer auch wahrgenommen zu werden, und es wird ja gesagt, dass das mit einer Arbeitnehmerkammer eben nicht der Fall ist, weil man dort unter vielen ist. Wie bewerten Sie das?

Ich verstehe das Argument und halte es auch, wenn es vorgetragen wird – –.

Wenn man erlebt, wie gut Ärzte durch ihre Organisationsform vertreten sind und weiß, dass ein Großteil der Arbeit im Krankenhaus eben auch durch Pflegekräfte und Pflegefachkräfte erbracht wird, die darunter leiden, dass dieser Berufsstand, ich sage einmal, nicht so einen starken Push bekommen hat wie der Beruf des Arztes in den letzten Jahren, dann kann ich verstehen, dass eingefordert wird, sich durch eine eigene Pflegekammer vertreten zu lassen.

Eine Pflegekammer wird aber nie Tarifverträge verhandeln. Wer also damit die Hoffnung verknüpft, dass dort dann über Gehälter gestritten wird, kann ich sagen, das wird nicht der Fall sein. Um aber die Anliegen des Pflegeberufs eigenständiger darzustellen, könnte eine Pflegekammer ein geeignetes Instrument sein.

Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Sind Sie mit mir der Auffassung, dass man letztendlich diesen Vergleich mit der Ärztekammer oder der Psychotherapeutenkammer schon deshalb schwer anstellen kann, weil es meistens Selbstständige sind und es bei den Pflegenden doch in der Regel um weisungsgebundene Angestellte geht?

In Teilen ja! Ich will jetzt nicht über Gebühr kritisch gegenüber den Ärzten sein, aber ich glaube, die Ärzte haben auch im Laufe der letzten Jahrzehnte für eine gute berufliche Vertretung ihres Berufsstands gesorgt, auch, weil sie ja Selbstständige sind.

(Abgeordneter Dr. Buhlert [FDP]: Aber nicht nur!)

Nicht nur! Ich glaube aber, es ist auch an der Zeit, dass in der Bundesrepublik stärker über die Wertigkeit des Pflegeberufs diskutiert wird.

Ich glaube, auch deswegen sind wir mitten in dieser Diskussion, und deswegen gibt es in fast allen Bundesländern die Diskussion über die Einrichtung von Pflegekammern, damit dieser Berufsstand auch aufgewertet wird. Ob das nun am besten mit einer Pflegekammer geht oder ohne, darüber werden wir uns hier bestimmt noch trefflich auseinandersetzen. Ich finde, man sollte dann nicht immer zu viele Hoffnungen in solche Organisationsformen setzen.

Wichtig ist, dass die Politik weiß, was in diesem Berufsfeld geleistet wird und dass sich das letztend

lich auch in Verabredungen auf Bundesebene auszahlt, wenn es um Eingruppierungen bei Tarifverhandlungen oder die Schaffung weiterer Arbeitsplätze geht.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Wenn man sich damit auseinandersetzt, welche Beiträge Pflegende in eine solche Kammer einzahlen müssten, dann kann man ja davon ausgehen, dass Vollzeitbeschäftigte zum Beispiel rund zehn bis zwölf Euro monatlich entrichten würden, Pflegekräfte in Leitungspositionen vielleicht 25 Euro im Monat. Gibt es nicht aus Ihrer Sicht dann Schwierigkeiten für ein doch nur so kleines Bundesland wie Bremen, überhaupt genügend Beiträge einzunehmen, um eine ausreichende personelle Ausstattung einer solchen Pflegekammer gewährleisten zu können?

Das ist eine wichtige Frage, die Sie ansprechen, gerade auch, weil die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Bremen schon Pflichtbeiträge an die Arbeitnehmerkammer zahlen, und da wird es auch Menschen geben, die eine Doppelmitgliedschaft ablehnen. Ich glaube, wir müssen wirklich sorgfältig, auch mit der Bremischen Bürgerschaft zusammen bewerten, welche Institutionen wir in Bremen haben und was das bedeuten würde, aber die Diskussion werden wir führen müssen. Wir sollten uns da auch nicht wegducken und das auch hier in der Bremischen Bürgerschaft noch einmal klar miteinander besprechen.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Sind Sie mit mir der Auffassung, dass es schwierig sein kann, wenn die Pflegenden praktisch ihre eigene Berufsgruppe durch eine potenzielle Pflegekammer unter anderem sanktionieren müssen, wenn sie dann zum Beispiel Weiterbildungsverpflichtungen nicht einhalten? Kann es nicht genau dort zu Konflikten kommen, die eigentlich ziemlich schwierig sind?

Ja, die Auffassung teile ich! Das kann schwierig werden.

Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Wir haben ja vor wenigen Wochen eine sehr wichtige Fachveranstaltung besucht, in der es um den primär qualifizierten Studiengang „Pflege“ ging. Dort haben Sie ja

auch die Reaktion des Landespflegerats gehört, der sehr deutlich gesagt hat, dass er eine Pflegekammer haben will. Teilen Sie mit mir die Auffassung, dass es besser wäre, die Pflegenden selbst zu fragen, ob sie diese überhaupt wollen, und nicht von der Politik ein Top-down-Prinzip anzuwenden nach dem Motto, wir sagen, ihr habt eine Pflegekammer zu haben? Wenn Sie diese Frage, wie ich hoffe, positiv beantworten, würden Sie dieses Anliegen dann auch tatkräftig mit unterstützen und auf den Weg bringen?

Herr Bensch, es gab vor Jahren schon einmal den Ansatz einer Befragung oder Sammlung von Unterschriften zu dem Thema, und dabei ist am Ende dann nichts herausgekommen, das geeignet gewesen wäre, diese Diskussion weiterzuführen. Wir haben uns dann erst einmal darauf verständigt, die Erfahrungen der anderen Bundesländer abzuwarten, und an dem Punkt sind wir heute immer noch. Wir haben gesagt, Bremen ist das kleinste Bundesland, wir haben eine Arbeitnehmervertretung und stehen jetzt nicht an der Spitze der Bewegung. Das war die Verabredung.

Beifall habe ich bei der Veranstaltung für die Forderung nach einer Pflegekammer auch gehört, das will ich gar nicht wegreden, aber ich glaube, dass man wirklich sehr sorgfältig über die Bremer Strukturen sprechen muss, über die Erwartungen derjenigen, die eine Kammer fordern und das, was am Ende für die Beschäftigten eingelöst werden kann. Ich glaube, es ist unstrittig, dass der Berufsstand der Pflegenden aufgewertet werden muss. Ob eine Kammer dafür das richtige Instrument ist, müssen wir hier diskutieren.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Es gibt also kein dogmatisches Nein, sondern ein Vielleicht, und das hängt davon ab, wie sich sowohl die Erfahrungen der Bundesländer entwickeln und darstellen als auch, wie die Lage hier in Bremen ist, ob die Pflegenden das wollen und – vielleicht noch als dritten Punkt – unter Berücksichtigung des Pflichtbeitrags der Arbeitnehmerkammer? Wenn man das alles in Einklang bringen könnte, können Sie sich durchaus vorstellen, dass es eine Pflegekammer geben könnte?

Die FDP hatte vor vielen Jahren schon einmal gefordert, alle Pflichtmitgliedschaften aufzuheben, und die Diskussion darüber haben wir auch munter geführt. Also, der Senat

wird diese Diskussion beobachten, wir werden die Erfahrungen aus anderen Bundesländern abfragen, und ich denke, dass sich die Fachdeputationen damit auch noch einmal befassen werden.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Nein, aber wir haben ja schon unseren Antrag im Parlament eingereicht. Wir werden hier darüber diskutieren, und ich freue mich auf die Debatte!

Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Sie sprachen eben im Zusammenhang mit der möglichen Aufwertung der Pflegeberufe durch eine mögliche Pflegekammer auch von der Chance darüber, das Thema Eingruppierungen – also Lohn und Gehalt/Entgelt – im Bereich der aufzuwertenden Pflegebranche zu verbessern. Können Sie mir erläutern, wie eine öffentlich-rechtliche Kammer die Frage der zwischen den Tarifvertragsparteien abgeschlossenen Eingruppierungstarifverträge, in die sie ja hoffentlich niemals eingebunden sein kann, dann wirklich zugunsten der Pflegenden beeinflussen kann, wenn wir den Grundsatz der Tarifautonomie weiter beibehalten wollen?

Ich hoffe, Sie haben mich richtig verstanden. Ich habe gesagt, eine Kammer kann nicht über Tarife verhandeln. Wir haben die Tarifautonomie, und das ist auch gut. Eine Pflegekammer kann aus meiner Sicht Öffentlichkeitsarbeit machen, das Thema Pflege nach vorn bringen, sie kann Kampagnen starten und Mitglieder informieren, und ich glaube, denjenigen, die sich eine Pflegekammer wünschen, fallen sicher noch viele Argumente ein. Das alles kann aber auch die Arbeitnehmerkammer, das ist ja sozusagen – –. Die Gegner in der Debatte sagen, wir haben eine Arbeitnehmerkammer, die sich mit dem Thema Pflege beschäftigt, und ich glaube, diesen Abwägungsprozess müssen wir hier miteinander vornehmen.

Es gibt ein Vorbild aus dem Saarland. Dort gibt es eine Arbeitnehmerkammer, und dort sagt man, man brauche keine Pflegekammer. Es steht dem Senat nicht zu, letztendlich zu beschließen, ob das die Bremer Antwort ist, sondern dem Haus liegt hier ein Antrag vor, über den miteinander debattiert werden muss, und das halte ich auch für den richtigen Weg.