Herr Al-Wazir hat zutreffende Ausführungen zu der HDISpende an die Kommunalpolitische Vereinigung der CDU Hessen gemacht, deren Vorsitzender Herr Wagner ist. Das rechtfertigt nach meiner Meinung vollkommen den Zuruf „Schwarzgeld-Wagner“.
Meine Damen und Herren, ich bitte um Ruhe. – Herr Schmitt, ich rufe Sie ausdrücklich zur Ordnung, wie das die Geschäftsordnung für derartige Fälle vorsieht.
Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 45, die Beschlussempfehlung des Hauptausschusses zu dem Dringlichen Antrag der Fraktion der FDP betreffend Beteiligungen von politischen Parteien an periodischen Druckwerken. Wer der Beschlussempfehlung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Damit ist die Beschlussempfehlung einstimmig angenommen.
Ich darf Ihnen mitteilen, dass zwei Dringliche Anträge und ein Dringlicher Entschließungsantrag eingegangen sind.Es handelt sich um den Dringlichen Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Standortschließungen der Bundeswehr, Drucks. 16/3432, um den Dringlichen Antrag der Fraktionen der CDU und der
FDP betreffend Einrichtung einer Härtefallkommission, Drucks.16/3433,und um den Dringlichen Entschließungsantrag der Fraktion der SDP betreffend keine Subvention im Grundgesetz festschreiben, Drucks. 16/3434. – Die Dringlichkeit wird bejaht. Damit werden die beiden Dringlichen Anträge und der Dringliche Entschließungsantrag die Tagesordnungspunkt 104 bis 106.
Wir könnten Tagesordnungspunkt 104 zusammen mit den Tagesordnungspunkten 34 und 35 und Tagesordnungspunkt 105 zusammen mit Tagesordnungspunkt 59 aufrufen. Der Dringliche Entschließungsantrag, Tagesordnungspunkt 106, könnte nach dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend eine Aktuelle Stunde, Tagesordnungspunkt 73 b, aufgerufen werden. – Herr Kollege Kaufmann.
Herr Präsident, ich bitte um Nachsicht, aber der Tagesordnungspunkt 106 hat mit der Aktuellen Stunde inhaltlich nichts zu tun. Insoweit kann man ihn nicht danach aufrufen, weil sonst keine Redezeit festgesetzt werden dürfte. Daher müssen wir diesen Tagesordnungspunkt separat behandeln. Wie wir ihn platzieren, darüber müsste gesprochen werden.
Herr Präsident, meine Fraktion hat den Wunsch, dass der Dringliche Entschließungsantrag noch in diesem Plenum behandelt wird, denn es geht um die Föderalismuskommission, die am Freitag ihre abschließende Entscheidung trifft. Deshalb möchte ich jetzt zwar nicht dafür plädieren, dass der Entschließungsantrag nach der Aktuellen Stunde aufgerufen wird, aber ich würde darum bitten, dass sich die Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer auf eine Platzierung dieser Initiative einigen.
Das ist der Wunsch der SPD-Fraktion. Ich bitte darum, dass sich die Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer besprechen, wie das im Einzelnen zu machen ist.Wir nehmen den Dringlichen Entschließungsantrag jedenfalls auf die Tagesordnung, und Sie sehen zu, wie Sie einig werden.
Antrag der Fraktion der FDP betreffend Konsequenzen aus PISA II: Bildung muss früher beginnen, und Schülerinnen und Schüler müssen individueller gefördert werden – Drucks. 16/3328 –
Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Konsequenzen aus PISA 2003 – Bildungspotenziale ausschöpfen – Drucks. 16/3316 –
Antrag der Fraktion der SPD betreffend aus PISA 2003 umgehend Konsequenzen ziehen – Drucks. 16/3322 –
Dringlicher Antrag der Fraktion der CDU betreffend Hessische Landesregierung zieht die richtigen Konsequenzen aus PISA – Drucks. 16/3371 –
Es wird eine gemeinsame Debatte geführt. Alle wollen Konsequenzen ziehen. Die Redezeit beträgt 15 Minuten pro Fraktion. Erste Wortmeldung, Frau Kollegin Henzler, FDP-Fraktion.
(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dreimal werden Konsequenzen gezogen, aber nur eine Fraktion weiß schon jetzt, welche Konsequenzen die richtigen sind!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bundesweit herrscht mittlerweile parteiübergreifend Einigkeit darüber, dass internationale und nationale Vergleichstests der Bildungssysteme sinnvoll sind und kontinuierlich durchgeführt werden sollten, um daraus Rückschlüsse auf notwendige Qualitätsverbesserungen des eigenen Systems zu ziehen.
Dass wir uns bundesweit darüber einig sind, dass Vergleichstests sinnvoll und notwendig sind und dass auch deren Veröffentlichung wichtig ist, war nicht immer so. Das ist ein großer Fortschritt. Früher hieß es, Vergleichstests seien sinnlos, und ihre Ergebnisse dürften schon gar nicht veröffentlicht werden. Da wir uns doch mittlerweile einig sind, ist die regelmäßig panikartige Reaktion bei dem Bekanntwerden der Testergebnisse in Deutschland umso unverständlicher. Kein anderes Land nimmt diese Ergebnisse dermaßen wichtig. In Frankreich lässt man sich weder davon beeinflussen, noch lässt man sich in irgendeiner Form in das Schulsystem hineinreden. In Frankreich sagt man: Wir machen es so, wie wir es für richtig halten, ihr könnt testen, so viel ihr wollt.
In Deutschland beginnt die Hysterie bereits vor der Veröffentlichung der Ergebnisse. So ist es wieder einmal bei PISA II geschehen. Obwohl erst zum 7. Dezember angekündigt, waren einzelne Ergebnisse schon einige Wochen vorher durchgesickert, sodass sich bereits im Vorfeld Bildungspolitiker des Bundes und der Länder zur Abgabe von Kommentaren berufen gefühlt haben und die Debatte bis zur eigentlichen Veröffentlichung der Ergebnisse richtig angeheizt wurde.
Bedauerlicherweise hat auch diese PISA-Diskussion zu keinen konstruktiven Vorschlägen geführt. Vielmehr ist Rot-Grün stärker als je zuvor in eine allgemeine ideologische Schulformdebatte abgeglitten, und die Forderung nach der Einführung einer Einheitsschule wird jetzt auch noch als „große Schulreform“ deklariert.
Allen voran war natürlich Bundesbildungsministerin Bulmahn mit ihrer kategorischen Forderung,die Hauptschule abzuschaffen. Schon allein die Tatsache, dass sie sich geäußert hat,zeigt,dass wir keine Bundesbildungsministerin brauchen. Aber die Art, wie sie sich geäußert hat, zeigt, dass wir auf jeden Fall diese Bundesbildungsministerin überhaupt nicht brauchen.
Die SPD-Fraktion hätte sie lieber zu der Anhörung zum Hessischen Schulgesetz einladen sollen, als Prof. Duncker aus Gießen sehr deutlich gesagt hat, dass die Hauptschüler in integrierten Schulsystemen untergehen, dass man
sogar die Ausbildung der Lehrer für die Haupt- und die Realschulen trennen sollte, weil die Hauptschüler ein eigenes Lerngefühl und Lernziel brauchen.
Auch Prof. Baumert, dem man wirklich nicht nachsagen kann,dass er irgendeine Ideologie vertritt – anders,als das bei manchen Professoren der Fall ist, die sich mit der PISA-Studie befasst haben –,sagt das sehr deutlich.Ich zitiere:
Von Schulstrukturänderungen hält Baumert wenig: Mit dem Umstülpen der gesamten Schulstruktur sind keine Leistungsverbesserungen zu erzielen. Vielmehr geht es jetzt darum, die vorhandenen Schulsysteme intelligent zu nutzen.
Da dem Kollegen Irmer meine Rede bislang gefallen hat, muss ich mich jetzt der CDU-Fraktion zuwenden. Sie fühlen sich natürlich von vornherein auf der sicheren Seite. Sie haben bisher immer alles richtig gemacht,und Sie meinen, Sie machen auch weiterhin alles richtig. Kritik- und Innovationsfähigkeit sind Ihnen von der Fraktion der CDU in Hessen leider abhanden gekommen.
Sie schreiben sich die geringfügigen Verbesserungen beim Abschneiden der deutschen Schüler im Fach Mathematik auf die Fahnen. Das SINUS-Programm zeigt angeblich erste Auswirkungen. Sie sehen Ihre Trippelschrittchen in Richtung Qualitätsverbesserungen bestätigt. Ich sage Ihnen ganz ehrlich, liebe Freunde von der CDU-Fraktion: Wir brauchen keine Trippelschrittchen, sondern wir brauchen jetzt Siebenmeilenstiefel zur Verbesserung der Schule.
Erfreulich an den Ergebnissen ist, dass sich Deutschland in drei Kompetenzbereichen – in Mathematik um vier Plätze, bei den Naturwissenschaften um fünf Plätze und bei der Lesekompetenz um drei Plätze – leicht verbessert hat. Nach drei Jahren Reformanstrengungen kann man natürlich keine Quantensprünge erwarten. Allerdings wiegt inhaltlich doch sehr schwer, was die PISA-Studie II noch einmal verdeutlicht und herausgebracht hat: Die deutschen Schüler sind beim Wissensstand finnländischen Schülern über ein Schuljahr hinterher. – Das hat mit der Einheitsschule, die es in Finnland angeblich gibt, überhaupt nichts zu tun. Es geht alleine darum, wie dort der Unterricht durchgeführt und wie die Lerninhalte vermittelt werden.
Bei der Lesekompetenz liegen die deutschen Schüler mit 491 Punkten immer noch unter dem Mittelwert von 500 Punkten.
Die Finnen sehen das nicht anders, Herr Quanz. Sie sagen sehr eindeutig: Unsere Kinder können wunderbar lesen, weil bei uns ausländische Fernsehfilme grundsätzlich nicht synchronisiert werden.Das heißt,die Kinder müssen die Untertitel in Finnisch lesen; sonst verstehen sie keinen Film und können nicht fernsehen. Das ist bereits einer der ersten Anreize für kleine Kinder, zu lesen.
Deutsche Schüler haben eine hohe Problemlösungskompetenz. Diese wird im Unterricht allerdings überhaupt nicht genutzt. Wir haben bei den Projektprüfungen in Haupt- und Realschulen gesehen,wie gut Kinder arbeiten können, wenn man ihnen mehr Freiraum gibt, wenn man ihnen Projekte gibt und wenn sie sich Themen auch selbst aussuchen können.
Über 50 % der türkischen Jugendlichen in Deutschland erreichen nicht die unterste Kompetenzstufe, und das ist etwas, was kaum zum Alltagsleben befähigt. Damit haben die hier geborenen Migrantenkinder schlechter abgeschnitten als die eingewanderten Kinder, von denen nur etwa 30 % die unterste Kompetenzstufe erreichen. Ich denke, uns sollte sehr zu denken geben, dass die Kinder, die hier geboren werden, deutlich schlechter abschneiden als die Kinder, die erst später hierher zuwandern.
Der Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungserfolg ist in Deutschland nach wie vor am stärksten. Da kann ich nur sagen: Wir sollten dringend schnell mehr Ganztagsangebote ausbauen; denn gerade die Kinder, die aus bildungsfernen Elternhäusern kommen und nachmittags zu Hause vor der Playstation sitzen, kann man mit Ganztagsangeboten am Nachmittag an die Bildung heranführen.