Protokoll der Sitzung vom 24.01.2006

Der Erfolg dieses Projektes „Ausstiegshilfe Rechtsextremismus in Hessen“ beruht nach unserer Überzeugung ganz wesentlich auf der intensiven Zusammenarbeit von Polizei, Justiz, Schule, Jugendhilfe, Sozialämtern und den lokalen Netzwerken. Da sich das entsprechend bewährt hat und da wir glauben, dass wir auf diese Weise weiterarbeiten sollen, habe ich entschieden, dass aus diesem Modellprojekt eine Dauereinrichtung wird, damit Hessen auch in Zukunft bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus beispielhaft handeln kann.

Zusatzfrage, Herr Kollege Bender.

Herr Minister, Sie sprachen eben die präventive Arbeit an. Ich gehe davon aus, dass die Landesregierung dies ernst meint und in allen Teilen des Landes präventiv wirken will, insbesondere mit Projekten wie SMOG – „Schule machen ohne Gewalt“. Welche Maßnahmen unternehmen Sie, damit gerade diese privaten Initiativen durch die Landesregierung gefördert werden?

Herr Minister.

Herr Kollege Bender, wie Sie wissen, ist die Initiative SMOG aus der hessischen Polizei heraus entstanden. Sie wird vielfach gefördert. Ich selbst bin dort Mitglied, nicht nur Schirmherr. SMOG wäre ohne die Unterstützung der Hessischen Landesregierung undenkbar. Was wir dort leisten, ist in Deutschland beispielhaft. Unter anderem wird das durch die Auszeichnung von SMOG auf der Bundesebene als besonders herausragendes Präventionsprojekt dokumentiert.

Aber es handelt sich nicht nur um SMOG. Ich bin Ihnen dankbar für diese Frage. In Wiesbaden haben wir z. B. die Einrichtung „Jaguar“. In Gießen/Wetzlar gibt es die Arbeitsgruppe „AGGAS“, in der man sich gerade mit dem

Thema Gewalt in und um Schulen beschäftigt. Es existiert noch eine Vielzahl anderer Projekte, die Sie sicherlich kennen. Ich behaupte, dass Sie, wenn Sie einen Strich darunter ziehen und das addieren, feststellen, dass es kein anderes Land gibt, in dem – differenziert, lokal angepasst – so viel passiert und eine solch intensive Unterstützung durch die Landesregierung erfolgt wie bei uns.

Zusatzfrage, Frau Kollegin Zeimetz-Lorz.

Sie sind auf die Zahl derer eingegangen, die sich an dem Programm bisher beteiligt haben. Hat sich die Mehrzahl dieser 115 jungen Menschen von sich aus an die Hotline beim LKA gewandt, oder wurden sie gezielt angesprochen?

Herr Minister.

In der Regel bedarf es einer Ansprache. Die Kontaktaufnahme ist ganz unterschiedlich. Es gibt auch Leute, die sich melden.Aber in der Regel bedarf es erst einer mittelbaren und dann einer unmittelbaren Ansprache.Man darf auch Folgendes nicht verkennen. Vor kurzem habe ich vorgetragen, dass der Druck aus der Szene zu bedenken ist, der auf diejenigen ausgeübt wird, die aussteigen wollen. Sie werden als Verräter gebrandmarkt.

Das heißt, man muss mit großer Sensibilität und großer Sachkunde darangehen.Deshalb haben wir dieses Projekt und auch das Netzwerk gegen Gewalt beim Landeskriminalamt als Kopfstelle zentral angesiedelt. Wir werden das Stück für Stück dezentral ausbauen. Im Ergebnis sind diese Ansprachen mittelbar erfolgt. Die meisten sind dann von uns angesprochen worden.

Eine weitere Zusatzfrage, Frau Kollegin Zeimetz-Lorz.

Ich muss noch einmal nachfragen. Mit dem Programm IKARUS wird nur die Gruppe der bis zu 25-Jährigen angesprochen. Für die über 25-Jährigen gibt es ein entsprechendes Programm beim BKA. Wie sind dort die Chancen auf einen Ausstieg aus der rechtsextremistischen Szene einzuschätzen?

Herr Minister.

Ich verfüge über keine abgeschlossenen Erkenntnisse. Aber ich glaube, man kann zwei Punkte festhalten – deswegen haben wir uns auf diesen Personenkreis konzentriert –: Die Entwicklung rechtsextremistischer Verhal

tensweisen beginnt häufig schleichend.Es fängt in der Regel mit der Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen an. Dann geht es mit dem Hören entsprechender Musik, mit Unterhaltung, mit Aktionen und Ähnlichem weiter. Diese Faktoren sind insbesondere bei Jugendlichen ab dem 13. oder 14. Lebensjahr bedeutsam. Diese Bindung festigt sich, oder es bleibt nur bei einem losen Kontakt. Dort, wo sie sich festigt – das sind genau diejenigen, um die wir uns kümmern –, ist eine Gruppenstruktur entstanden.

Wer jenseits des 25. Lebensjahres noch dabei ist, ist in aller Regel unseren Angeboten gegenüber ziemlich resistent. Diejenigen von Ihnen, die schon länger dabei sind – die Mitglieder des Petitionsausschusses oder des Unterausschusses Justizvollzug –, wissen, dass es in Hessen einige gibt,die unbelehrbar sind.Die sind schon fast 60 oder 70 Jahre alt und veranstalten immer noch ihre Sonnwendfeiern und anderes mehr.An dieser Stelle ist herzlich wenig zu holen, sodass wir unseren Schwerpunkt auf die Altersgruppe der unter 25-Jährigen gesetzt haben.

Ich will aber deutlich machen, dass wir uns nie sklavisch an diese Altersbegrenzung gehalten haben.Wenn z. B. die Möglichkeit besteht, einen 31-Jährigen zum Ausstieg zu bewegen, kümmern wir uns um ihn genauso wie um einen 24-Jährigen.

Es liegen keine weiteren Zusatzfragen vor.– Wir kommen zu Frage 545. Frau Kollegin Waschke.

Ich frage die Landesregierung:

Plant sie,die Sozialpädagogikstellen in den SchuB-Klassen zu kürzen?

Frau Kultusministerin.

Frau Kollegin Waschke, die Landesregierung plant nicht, die sozialpädagogische Förderung als Bestandteil der SchuB-Klassen zu kürzen. In diesem Feld haben wir zurzeit ein Programm, das von der Landesregierung, den Staatlichen Schulämtern als Teilen der Landesregierung, den Schulträgern sowie zum Teil von den Kommunen und von sonstigen Trägern getragen wird, um die Arbeit der SchuB-Klassen zu unterstützen.Uns stehen auch die ESFMittel zur Verfügung, um den sozialpädagogischen Teil zu unterstützen, sodass das Gesamtkonzept der SchuB-Klassen darauf beruhen kann, dass wir den Unterricht in der Größenordnung von 18 Stunden,den betrieblichen Anteil und die Begleitung durch pädagogische Maßnahmen miteinander verknüpfen können.

Das ganze Konzept beruht darauf, dass sich der betriebliche Anteil über zwei Tage erstreckt, damit sich die Jugendlichen wieder stärker an regelmäßiges Arbeiten und Pünktlichkeit gewöhnen und sich zu der betrieblichen Arbeit motivieren lassen,die später auf sie zukommt.Sie sollen auch dazu motiviert werden, wieder regelmäßig den Unterricht zu besuchen.

Daran haben die Sozialpädagogen einen nicht unerheblichen Anteil; denn insbesondere vom Beginn des Schuljahres bis zu den Herbstferien ist es außerordentlich wichtig, dass zwei Personen einer Klasse zugeteilt sind und die Gruppe beim Zusammenfinden auf dem Weg der individuellen Vorbereitung auf diese SchuB-Klasse unterstützen.

Wir müssen schließlich damit rechnen, dass diese Jugendlichen, die in der 7. Klasse zum Teil bereits 16 oder 17 Jahre alt sind, unter Leistungsversagen leiden, dass sie aufgrund dieses Leistungsversagens in der Regel nicht mehr in den Unterricht kommen, mit dem Arbeits- und Sozialverhalten Probleme haben und dass ihre Noten zwischen Fünf und Sechs schwanken. Sie werden dann darin unterstützt,die SchuB-Klasse als ihre „letzte Chance“ – so die Formulierung einiger Schülerinnen und Schüler – zu begreifen. Somit werden sie wieder in die Schule zurückgeholt, bevor sie Gefahr laufen, innerhalb der beruflichen Schulformen erneut durch Sondermaßnahmen oder durch die dortigen vollzeitschulischen Bildungsgänge aufgefangen werden zu müssen.

In den Bereichen, in denen ich bisher Erfahrungen sammeln konnte – ich habe auch SchuB-Klassen besichtigt –, gelingt es durch die Kooperation von Klassenlehrern und Sozialpädagogen tatsächlich sehr gut, das diesen Jugendlichen bewusst zu machen,sie zurückzuholen und damit in die Lage zu versetzen, wieder auf den Unterricht einzugehen sowie sich auf Schule und Betrieb einzulassen. Die bisherige Erfahrung zeigt, dass es diese Kooperation ermöglicht, dass die Schülerinnen und Schüler einen Abschluss schaffen und dass ihnen zum Teil vorzeitig eine Lehrstelle zugesagt wird. Das halte ich für sehr erfreulich. So wird es weitergehen.

Es liegen keine weiteren Zusatzfragen vor. Damit beende ich diesen Tagesordnungspunkt.

(Die Fragen 546 bis 548 sollen auf Wunsch der Fra- gestellerin und der Fragesteller in der nächsten Fra- gestunde beantwortet werden.)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Regierungserklärung der Hessischen Kultusministerin betreffend „Mehr Eigenverantwortung für Hessens Schulen – Schlüssel zur Qualität“

in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 41:

Entschließungsantrag der Fraktion der CDU betreffend mehr Eigenverantwortung für Hessens Schulen – für mehr Unterrichtsqualität – Drucks. 16/5141 –

und Tagesordnungspunkt 75:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betreffend selbstständige Schule auf den Weg bringen – Drucks. 16/5202 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt 30 Minuten je Fraktion. Das Wort hat Kultusministerin Wolff. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das hessische Schulwesen ist seit 1999 auf einem konsequenten Modernisierungskurs. Auf allen Ebenen von Schule und Schulverwaltung wurde ein tief greifender

Prozess der Qualitätsverbesserung eingeleitet.Als Hessen haben wir den Anspruch, dieses Land zum Bildungsland Nummer eins zu machen. Heute können wir sagen, dass wir auf diesem Weg einen erheblichen Schritt vorangekommen sind und dass wir zielsicher weitergehen.

(Beifall bei der CDU)

In unserem Konzept der Schulreform, wie sie heute Gegenstand der Regierungserklärung ist, sind zwei Aspekte zentral: Zum einen setzen wir in unseren Schulen feste, verbindliche Ziele, etwa in Form von Bildungsstandards, zum anderen überprüfen wir regelmäßig, ob diese Ziele erreicht werden. Dies war ein wichtiger Perspektivenwechsel in der Bildungspolitik der vergangenen Jahre – nicht erst, aber vor allem seit der PISA-Studie.

Das ist der Schritt zu einer ganz konsequenten und professionellen Schul- und Qualitätsentwicklung in unserem Bildungssystem. Nur so sind ein besserer Unterricht und eine bessere Förderung erreichbar. Die Zielsteuerung, nicht die Prozesssteuerung im Detail – das ist unser Weg, was beide Bestandteile betrifft: zum einen die Vorgabe von Zielen und zum anderen die Prüfung, ob diese Ziele erreicht werden.

Dazu gehört aber unauflöslich das Pendant, nämlich die erhöhte Eigenverantwortung der Schulen als entscheidender Schritt zu mehr Qualität von Schule und Unterricht. Daher haben wir schon vor einigen Jahren begonnen, unseren Schulen mehr Eigenverantwortung in pädagogischer, personeller, organisatorischer und finanzieller Hinsicht zu geben.

Über beide Bestandteile möchte ich reden; denn sie gehören unauflöslich zusammen. Sie sind das gemeinsame Dach, unter dem sich die Reforminitiativen in unserem Land sammeln.

Wenn wir in diesem Jahr zum neuen Schuljahr den Schulen wesentliche Elemente eigenverantwortlichen Handelns in die Hand geben und ihnen damit einen erheblichen Entwicklungsschub geben, dann bauen wir auf dem auf,was wir in den letzten Jahren bereits begonnen haben, auf dem,was wir schrittweise und gezielt verändert haben. Wir haben bereits einen festen Rahmen gefügt. Jetzt sind wir in der Lage, diesen zum neuen Schuljahr zu füllen.

Meine Damen und Herren, bevor ich zu einzelnen Schritten komme, will ich eines vorwegschicken, nämlich die klare Aussage, die bei manchen nicht gehört wird, wenn über Eigenverantwortung oder, noch besser, Autonomie geredet wird:Autonomie ist kein Selbstzweck, sondern sie dient der Qualität in unseren Schulen. Wenn Sie die früheren Pläne zu Eigenverantwortung sehen, können Sie daran ablesen, dass diese nicht mit klaren Zielsetzungen und ebenso wenig mit einer Überprüfung der Zielerreichung korrespondiert haben. Entsprechend war die Eigenverantwortung. Erfolge sind nicht überprüft worden. Das hat dann dazu geführt, dass wir leidgeprüft feststellen müssen: Diese falsche Konzeption hat Hessen in ein Mittelmaß herabgewirtschaftet.

Meine Damen und Herren, seit einigen Jahren stehen wir für ein verlässliches Konzept zur Qualitätsentwicklung. Deswegen wollen wir diese zwei Seiten ganz bewusst zusammen lassen: klare Überprüfung der Vorgaben und Evaluation der Ergebnisse, nicht Beliebigkeit, sondern klare Ziele und Überprüfung. Das bedeutet, dass wir in unserem Land vergleichbare und exzellente Ergebnisse für die einzelnen Schülerinnen und Schüler wollen, vergleichbare und exzellente Ergebnisse für die einzelnen

Schulen und vergleichbare und exzellente Ergebnisse für unser Bundesland Hessen im bundesweiten Vergleich. Das ist das Ziel. Dem dienen sowohl die Vorgaben als auch die Freiheit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Deswegen ist die eine Seite die klare Zielvorgabe, über deren Erreichung regelmäßig berichtet werden muss. Noch über die KMK-Bildungsstandards hinaus, die wir schrittweise bis zum Jahr 2008 einführen werden, haben wir uns im Kultusministerium strategische Ziele gesetzt. Bis 2008 wollen wir die strategischen Ziele erreichen. Bis dahin wollen wir ein besonderes Augenmerk darauf legen, dass wir die Lesekompetenz unserer Schüler verbessern. Wir streben bis dahin eine Verminderung der Risikogruppe an. Bis dahin wollen wir die Zahl derer vermindern, die ohne einen Abschluss von der Schule entlassen werden. Dazu gehört ein umfassendes Bündel von Maßnahmen,die wir ergriffen haben,die unter diese Ziele subsumiert werden können. Meine Damen und Herren, gerade bei den ohne Schulabschluss Entlassenen können wir feststellen, dass wir mit diesen selbst gesetzten Zielen schon erste außerordentlich bedeutsame Erfolge erreicht haben.

(Beifall bei der CDU)