Protokoll der Sitzung vom 07.06.2011

(Beifall bei der LINKEN und der FDP – Hartmut Honka (CDU): Geht doch!)

Ich weiß nicht, ob ich mich daran gewöhnen will.

(Florian Rentsch (FDP): Es ist ein weiter Weg vom Mettbrötchen zu Ihrer Rede, aber trotzdem richtig! – Heiterkeit)

Es ist unglaublich, ein elementares Recht infrage zu stellen, bloß weil es Menschen gibt, die es nicht vernünftig erfüllen.

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Niemand will es ihnen verweigern!)

Doch, natürlich. Was passiert denn, wenn ein Paar gemeinsam beschließt, ein Kind zu kriegen, ohne verheiratet zu sein – –

(Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU): Das ist Sünde! – Heiterkeit – Gegenruf des Abg. Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Aber schön!)

Jetzt wollen wir der Sache wieder mit Ernst folgen, Herr Kollege Müller. – Frau Schott, Sie haben das Wort.

Auf dem Weg dahin, in diesen neun Monaten, überlegt es sich die Mutter anders, findet den Mann plötzlich nicht mehr attraktiv, findet ihn schrecklich, findet, er ist ein Klotz am Bein. Aber er ist doch wohl wissentlich Vater geworden – mit der Absicht, Vater zu sein. Er hat ein Interesse an dem Kind. Trotzdem soll ihm die Mutter das Sorgerecht verweigern können? Das kann doch nicht angehen. Das ist doch ein völliges Unding. Wer ist da wem ein Klotz am Bein?

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Fuhrmann, zur Frage der Unterhaltsleistung. Natürlich gibt es Väter, die keinen Unterhalt leisten. Aber das sind doch zu einem ganz großen Teil geschiedene Väter. Die hatten aber auch das Sorgerecht. In der Regel haben sie es noch. Deshalb ist doch die Nichtehelichkeit oder Ehelichkeit eines Kindes nicht der Punkt. Außerdem: Wenn Unterhaltsleistungen nicht erbracht werden, dann kann vollstreckt werden, wenn der Vater in der Lage ist, Unterhalt zu leisten.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Natürlich kann vollstreckt werden. Das ist doch die leichteste Übung. Wenn ein Jugendamt das nicht tut, dann ist das doch ein Problem des Jugendamts. Wenn der Vater nicht genug Einkommen hat, als dass man die Unterhaltsleistung per Vollstreckung eintreiben könnte, dann wird die Situation für die Mutter nicht besser, und für das Jugendamt auch nicht. Das liegt dann daran, dass oft das Einkommen schlicht und ergreifend nicht reicht. Unterhaltsvorschüsse werden häufig deswegen geleistet, weil die Väter nicht in der Lage sind, zu zahlen. Natürlich gibt es auch Väter, die sich wegducken. Das sind aber oft Väter, die vorher auch das Sorgerecht hatten. Das eine hat doch mit dem anderen sehr wenig zu tun.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Schönen Dank, Frau Schott. – Für die CDU-Fraktion, Herr Honka.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach so viel Aufregung will ich zwei oder drei Fakten klarstellen.

Wenn Eltern zum Zeitpunkt der Geburt ihres Kindes verheiratet waren, dann erhalten sie grundsätzlich erst einmal beide das Sorgerecht. Von daher gesehen hat das nichts mit der jeweiligen Situation zu tun. Beide Elternteile haben erst einmal weiterhin und auf Dauer gemeinsam das Sorgerecht. Es hat nichts mit dem Unterhalt zu tun, ob ein gemeinsames Sorgerecht besteht, und es hat auch nichts mit dem Trauschein zu tun.

Zweitens. Frau Kollegin Sorge, wir müssen uns doch einmal fragen, wie wir überhaupt in diese Diskussion hineingekommen sind, dass wir über diesen Antrag bzw. über

eine Initiative reden, über die im Bundestag diskutiert worden ist. Wir kommen zu der Antwort, dass die Gesetze, die der Kollege Müller am Anfang dankenswerterweise sehr ausführlich und richtig dargelegt hat, bis vor kurzer Zeit so waren, dass bei einem unehelichen Paar, wenn es die Mutter ablehnt, dass auch der Vater das Sorgerecht erhält, dieser keine Chance hat, an ein gemeinsames Sorgerecht zu kommen.

(Zuruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist bei der Sache der ganz große Skandal. Das dürfen wir nicht unter den Teppich kehren.

Wir sind für die Widerspruchslösung. Damit kommen wir auch in den Fällen, wo die Väter – wie Sie sagen – ein „Klotz am Bein der Mutter“ sind, zu einer Lösung. Die Lösung wird künftig genau die gleiche sein wie bislang. Es wird nämlich vor das Familiengericht gehen. Dort kann die Mutter beantragen, dass sie das alleinige Sorgerecht behält. Das wäre bei der Antragslösung nicht viel anders. Auch da würde das Verfahren vor dem Familiengericht enden: In dem Fall würde der Vater einen Antrag stellen, die Mutter würde widersprechen, und die Sache wäre beim Familiengericht. Das habe ich vorhin bereits ausgeführt.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Von daher gesehen, ändert sich nichts. Es geht in der Debatte aber darum, von welchem Grundsatz wir ausgehen. Wir gehen davon aus, dass auch der Vater das Recht hat, das Sorgerecht auszuüben. Deswegen sprechen wir uns für die Widerspruchslösung aus.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Schönen Dank, Herr Honka. – Für die FDP-Fraktion hat sich Herr Blum zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war sicherlich hilfreich, dass Frau Kollegin Sorge dem Kollegen Mick Unterstützung bei der Frage angeboten hat, wie man in Frankfurt das gemeinsame Sorgerecht beantragt, und dass Kollege Müller möglicherweise seine Sünden bereut, mag an dieser Stelle nicht im Vordergrund stehen.

(Heiterkeit)

Wir haben hier relativ lange und intensiv über Detailfragen diskutiert, die sicherlich wichtig sind. Die Frage, wie viele Väter in Hessen und in der ganzen Bundesrepublik ihren Unterhaltsverpflichtungen nicht nachkommen, und die Rolle der Jugendämter und der Familiengerichte in dem Zusammenhang sind in der Tat bedenkens- und auch erörterungswert. Ich will aber in Richtung von Frau Kollegin Sorge und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ganz bewusst sagen: Die Kernfrage, um die es geht, ist, ob wir bereit sind, im Jahr 2011 eine Gesetzeslage herbeizuführen, die einem Vater das Recht zur Sorge für sein uneheliches Kind zugesteht oder nicht zugesteht.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von den GRÜNEN, bin ich enttäuscht, dass Sie – bei allen Detailfragen, bei all den Problemen, die sich bei unverheirateten Paaren in der Frage von Sorgerechtsübernahmen ergeben, bei der Frage guter Väter, guter Mütter, schlechter Väter und schlechter Mütter – nicht bereit sind, anzuerkennen, dass es das Recht eines Vaters ist, von Anfang an für sein Kind die Personensorge zu tragen, ohne dass er dafür einen Antrag stellen muss.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Dass Sie, Frau Fuhrmann, auch noch die These vertreten, man dürfe ihm das Sorgerecht nur dann geben, wenn man ihn gleichzeitig finanziell verhaftet – weil Sie anscheinend glauben, dass er das nicht freiwillig tut, weil Sie anscheinend nicht glauben, dass es Väter gibt, die das freiwillig machen möchten –,

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

ist ein gesellschaftspolitisches Armutszeugnis von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und von Ihnen, Frau Kollegin Fuhrmann.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

An dieser Kernfrage macht sich die heutige Debatte fest: Sind wir in diesem Landtag mit Mehrheit bereit, anzuerkennen, dass Väter – ob verheiratet oder unverheiratet – von Beginn an das Sorgerecht für ihre Kinder haben, ohne einen Antrag stellen zu müssen, oder sind wir das nicht?

(Heike Hofmann (SPD): Wir konzentrieren uns in der Debatte auf einen Sachverhalt! Sie machen es sich zu einfach, Herr Blum!)

Wir sind gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen der CDU klar positioniert. Die GRÜNEN sind es anscheinend nicht. Das spricht Bände in der Frage, ob die GRÜNEN die gesellschaftspolitische Realität in diesem Lande anzuerkennen bereit sind.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schönen Dank, Herr Blum. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Herr Bocklet.

Herr Blum, erst der Zuruf Ihres Vorredners Müller (Hei- denrod): „Das ist Parteipolitik!“, oder wie mir der Herr Justizminister zuraunte, es sei doch alles Parteipolitik, und dann so eine Ausfuhr zu machen – das muss natürlich eine Antwort bekommen.

Es gibt für beide Lösungen gute Gründe. Auch wir diskutieren darüber sehr konstruktiv. Wir haben uns am Ende eines langen Abwägungsprozesses, vor allem unter Beachtung der Lebensrealitäten nicht verheirateter Paare, aus gutem Grund dafür entschieden, die Antragslösung zu befürworten, und wir haben auch einen Antrag eingebracht. Da können Sie gerne nachlesen. Der sieht auch ein Verfahren vor.

Wenn Sie sagen, Sie seien von den GRÜNEN enttäuscht, dann ist das erst einmal ein Lob für uns. Es ist aber vor allem eine Klatsche für Ihre eigene Justizministerin. Nen

nen wir es doch einmal beim Namen. Frau LeutheusserSchnarrenberger hat zu Recht gesagt: Wir haben längere Zeit versucht, das zu lösen; wir haben die Widerspruchslösung – das ist die FDP-Urposition –, und wir haben die CDU-Position. – Die Bundes-CDU ist übrigens für die Antragslösung. Ich freue mich darauf, dass Sie, Herr Honka, in Berlin durchtelefonieren und sagen: Ihr seid auf dem falschen Trip. – Aber wer von der FDP von der eigenen Justizministerin sagt, sie wolle den Vätern ein Recht verwehren, der hat das alles nicht verstanden.

Die Bundesjustizministerin, Frau Leutheusser-Schnarrenberger, sagt zu Recht, sie möchte in diesem Zusammenhang einen Kompromiss vorschlagen. Der Kompromiss entspricht der Antragslösung: Das Sorgerecht liegt bei der Mutter; Männer, die der Meinung sind, sie wollen dokumentieren, dass auch sie Verantwortung übernehmen, können neben der Vaterschaftsanerkennung niedrigschwellig ganz einfach sagen: „Auch ich will das Sorgerecht.“

In dem Moment haben sie nicht nur die Rechte, sondern auch die Pflichten. Man kann sich zwar wünschen, dass die Väter, wenn sie die Rechte haben, auch die Pflichten übernehmen; leider unterscheidet sich das aber von der Realität.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben weit über 15.000 Fälle, in denen sich die Männer vom Acker gemacht haben. Es bleibt dabei – da hat Frau Leutheusser-Schnarrenberger recht –, dass das Kindeswohl im Mittelpunkt steht. Das Kindeswohl muss in die Abwägung einbezogen werden, und das heißt: Vater, wenn du dich nicht kümmerst, können wir der Mutter das Leben nicht noch schwerer machen. – Wir stehen an der Seite der Bundesjustizministerin, die der FDP angehört. – Ich danke Ihnen herzlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schönen Dank, Herr Bocklet. – Für die FDP-Fraktion hat sich Herr Sürmann gemeldet.