Von denjenigen, die dann mit großem dramatischem Tremolo auf die GRÜNEN zu sprechen kommen – Sie haben vor allem von den GRÜNEN gesprochen –, brauchen wir keine Belehrung, wo ich doch glaubhaft gemacht habe, dass wir das schon vor 15 Jahren eingebracht haben.
Ich will Ihnen noch etwas sagen. Was ist jetzt zu tun? Jetzt hat die Bundesregierung unter SPD und CDU einen Koalitionsvertrag gemacht. Das gebietet, dass wir warten, bis der Entwurf endlich Gesetzesvorlage wird. Was sollen wir in dieser Situation anderes tun, als zu sagen, dass sie es irgendwie hinkriegen? Im Innenausschuss liegt es irgendwie schon. Jetzt warten wir, was sie verabschieden. Dann werden wir es kommentieren. Wir werden es uns genau anschauen und ganz sicherlich qualitativ prüfen und uns dazu verhalten.
Es gibt in dieser Frage kein Wackeln und kein Zockeln. Wir wollen das Einwanderungsgesetz. Auf Bundesebene wird dazu etwas verhandelt. Wir schauen, was dabei herauskommt. Dann werden wir uns hier dazu verhalten, so wie es seriöse Politik ist.
Was Sie innenpolitisch gefordert haben, scheint Sie nicht wirklich zu interessieren. Wir können es abarbeiten. Es sind mehrere Kataloge von Sachen, die eingeleitet werden, um den Fachkräftemangel aktiv zu bekämpfen. Das ist seriöse Innenpolitik, wofür CDU und GRÜNE zuständig sind. Das wird hier hart Tag für Tag abgearbeitet, damit der Fachkräftemangel nicht noch stärker wird. Da sind wir in der Verantwortung.
Das, was die Bundesebene zu tun hat, soll sie endlich tun. Dann kommt dieses Land auch ein Stück weiter. – Ich danke Ihnen.
Danke, Herr Bocklet. – Für die CDU-Fraktion hat sich ihr Vorsitzender, Herr Boddenberg, zu Wort gemeldet.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe leider die Debatte nicht in Gänze verfolgen können. Aber wenn ich hier hereinkomme, als Herr Rock davon spricht, dass die CDU das Problem sei, dann will ich mich natürlich zu Wort melden. Auch wenn ich die Debatte nicht in Gänze verfolgt habe, würde ich gerne etwas zu dem grundsätzlichen Streitpunkt sagen, der heute diskutiert wird.
Ich glaube, das darf ich an alle Fraktionen im Hessischen Landtag richten und Sie auch daran erinnern: Ich meine, in den letzten zwei oder drei Jahren in dieser Gesellschaft, aber auch in allen Parteien Sätze vernommen zu haben, die dahin gingen, dass alle der Erkenntnis sind, dass wir diese Gesellschaft nicht überfordern dürfen. Ich nehme einmal die LINKEN als Beispiel, damit es deutlich wird. Sahra Wagenknecht spricht davon, es sei eine Banalität, festzustellen, dass es Grenzen einer Gesellschaft gibt, was ihre Integrationsfähigkeit anbelangt. Wir haben auch alle dem Bundespräsidenten anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der deutschen Einheit in der Paulskirche seinerzeit zugestimmt. Das ist noch nicht so lange her.
Herr Kollege Rock, in der grundsätzlichen Frage, die Sie ansprechen, dem Fachkräftemangel, müssen Sie niemanden hier überzeugen. Es ist ein Problem, das alle erkennen. Die Landesregierung in der letzten Legislaturperiode, der ich angehört habe, wie Sie wissen, hat sich 2009 bis 2011 mit einer Fachkräftekommission – ich will sagen, Hessen war das einzige Land, das eine solche Kommission hatte – mit allen Facetten dieser Frage intensiv auseinandergesetzt. Ich hatte als Vertreter von zwei Ländern im Bund auch das Vergnügen, in der Kommission der damaligen Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen zu sitzen. Ich darf für mich reklamieren, dass ich mich rauf und runter mit allen Fragen zusammen mit vielen Experten, aber auch politischen Kollegen befasst habe.
Wir haben in Hessen seinerzeit in der Fachkräftekommission gesagt: Das erste Ziel muss doch sein, dass wir diejenigen, die in Hessen leben und nicht in den Arbeitsmarkt integriert sind und die noch Potenziale sein können, in diesen Arbeitsmarkt integrieren oder es ihnen möglich machen, an diesem Arbeitsmarkt teilzunehmen. Da sind wir bei Jugendlichen ohne Schulabschluss oder ohne Berufsabschluss. Es sind deutlich über 300.000 Personen unter 30 Jahren in Hessen, die keine Abschlüsse haben, die aber Gott sei Dank in weiten Teilen in Arbeitsverhältnissen sind. Sie sind aber in, wie Sie sagen, prekären Arbeitsverhältnissen. Ich sage, sie sind in Arbeitsverhältnissen, die möglicherweise aufgrund zunehmender Digitalisierung – Digitalisierung heißt Technisierung in nahezu allen beruflichen Bereichen, die wir haben – gefährdet sind und wo wir dafür sorgen müssen, dass wir sie so nachqualifizieren, dass die Gefahr eines Arbeitsplatzverlustes geringer wird.
Wir haben uns mit der Frage der Frauenbeschäftigung befasst. Wir sind im europäischen Vergleich gar nicht so schlecht. Rund 70 % der Frauen nehmen an Arbeitsmarkt und Erwerbstätigkeit teil. Das ist aber nur die eine Frage. Die zweite Frage ist, wie lange sie das über die Woche tun. Da liegen wir deutlich unter dem europäischen Schnitt, und das hat etwas mit all den Themen zu tun, die wir hier auch diskutieren, nämlich Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Viele Frauen, die heute 20 oder weniger Stunden pro Woche arbeiten, würden gerne mehr arbeiten, bekommen es aber nicht hin – da nicken Sie zustimmend; also haben wir auch dort Konsens –, weil es durchaus Verbesserungsbedarf bei der Frage gibt: Wie kriegen vor allem die Frauen – Männer natürlich auch, aber wir wissen, in dieser Welt, in der wir leben, sind es häufig die Frauen – beides unter einen Hut?
Wir haben uns – das ist unter anderem von Herrn Bocklet angesprochen worden; das kann man alles im Bericht der Kommission nachlesen – mit Menschen mit Behinderungen beschäftigt. Auch da sind wir in der öffentlichen Verwaltung in Hessen sehr gut aufgestellt. Ich wünschte mir, dass die private Wirtschaft ähnliche Quoten erreicht. Wir haben uns damit beschäftigt – Herr Bocklet hat es ebenfalls angesprochen –, wie wir es Menschen ermöglichen können, über das übliche Erwerbsalter hinaus länger beschäftigt zu sein, und wie das so attraktiv wird, dass es möglichst viele tun, die es auch wollen.
Es ist also erst einmal eine ganze Reihe von Hausaufgaben hier vor Ort zu erledigen. Vieles ist auf gutem Weg und, ich finde, bei Sozialminister Stefan Grüttner in guten Händen.
Dann haben wir uns damals auch – es war ein langer Streit – mit der Frage des Zuzugs von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern von außerhalb Deutschlands nach Deutschland sehr intensiv auseinandergesetzt. Wir haben uns dort zunächst mit dem europäischen Arbeitsmarkt beschäftigt. Ich glaube, von Frau Bächle-Scholz ist heute das Beispiel Madrid angesprochen worden. Ich will nicht eitel sein, aber ich bin damals als der zuständige Vertreter der Landesregierung in dieser Fachkräftekommission in Madrid gewesen und habe entsprechende Vorgespräche geführt. Ich bin dann auch mit Kollegen Rentsch und auch Stefan Grüttner dort gewesen, um die Dinge auf die Schiene zu setzen.
Das Ergebnis, das man heute besichtigen kann, ist nicht so überragend, dass wir das Gefühl haben, dass wir mit solchen Projekten das ganze hier beschriebene Problem beseitigen.
Herr Präsident, ich bin fertig. – Es ist völlig in Ordnung, dass über das Thema Einwanderungsgesetz in diesem Zusammenhang gesprochen wird. Aber zu dem Zeitpunkt, als Herr Tauber, unser damaliger Generalsekretär, das Thema aufgebracht hat, habe ich gesagt: Ich halte es für den falschen Zeitpunkt, es jetzt aufzurufen, wo alle Welt in Aufregung war, wie viele noch aus anderen Gründen hierherkommen. Ich finde, das muss Teil der Debatte sein. Das ist ein legitimer Teil der Debatte. Ich habe es eingangs gesagt: Wir müssen sehen, dass es unsere Gesellschaft nicht überfordert. Damit meine ich alle, die heute hier leben. Dass es mehr Ängste auslöst, als es am Ende Probleme löst – nur darüber reden wir. Dann ist die CDU kein Problem, sondern wie immer eine Partei, die mit Besonnenheit an solche Fragen herangeht. – Vielen Dank.
Danke, Herr Boddenberg. – Die FDP-Fraktion hat noch 25 Restsekunden, die Herr Rock ausnutzen möchte.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bocklet, Sie waren am heutigen Tag wie immer nur sehr nah an der Wahrheit. Warum? – Ich habe immer, wenn mir Fragen gestellt wurden, sie auch zugelassen und auch beantwortet. Darum hätten Sie eine Frage stellen können. Ich hätte sie auch beantwortet.
Warum hat die FDP damals nicht zugestimmt? – Wir waren in der Koalition. Die Union wollte es nicht, wie immer. Wir konnten es nicht durchsetzen. Im Bundesrat gibt es die
Das wissen Sie. Damit ist es aufgeklärt. Herr Bocklet, ich werde Sie daran erinnern, wenn im Bundesrat ein Einwanderungsgesetzentwurf vorliegt, wie die hessische Koalition abstimmt.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist interessant, Herr Boddenberg, dass Sie ausgerechnet mit den Grenzen der Integrationsfähigkeit angefangen haben. Das ist ein Problem, das wir hier überhaupt nicht haben; denn die Grenzen der Integrationsfähigkeit sind bei uns überhaupt nicht erreicht.
Flucht und Asyl sind Grundrechte, und da werden wir niemals irgendwie Grenzen der Integrationsfähigkeit ausrufen können.
Der andere Punkt ist der Fachkräftebedarf. Herr Rock, die Begründung mit dem Fachkräftebedarf, 400.000 Personen in zwölf Jahren, ist aus meiner Sicht völlig übertrieben; denn man muss eine Politik machen, die diese Fachkräfte ausbildet. Dazu gehören eine ordentliche Bildung und Ausbildung. Dazu gehört auch, dass akademische und duale Ausbildungsgänge für alle möglich sind, die das irgendwie hinkriegen. Diese müssen gefördert werden; Inklusion und Integration müssen wirklich ernst genommen werden. All das gehört dazu.
Dann gibt es noch einen Bereich, dieser heißt Arbeit 4.0. Hierüber wird überhaupt nicht diskutiert. Es werden sehr viele Arbeitskräfte freigestellt werden, und es wird große soziale Verwerfungen geben. Dazu möchte ich einmal Ihre Haltung hören; dann wird es interessant. Wie werden Sie sich verhalten, um Löhne zu sichern und das Ansehen von Fachkräften bei uns so zu sichern, dass die Leute dies auch machen wollen? Das ist eine große Herausforderung, und dafür müssen die Menschen ausgebildet werden. Darüber haben wir uns in der Bildungspolitik die ganze Zeit über gestritten, und hier müssen wir ganz andere Maßstäbe anlegen.
Es kann nicht sein, dass Sie sich weiterhin damit abfinden, dass wir uns sozusagen als „Ausbluter“ anderer europäischer Länder betätigen, dass wir Fachkräfte, die dort dringend gebraucht werden, abwerben und sie dann hier zur Dequalifizierung und zum Drücken der Löhne einsetzen. Das kann nicht sein. Wir müssen dafür sorgen, dass Leute ausgebildet werden, dass diese eine gute Bezahlung bekommen und dass diese nicht so dastehen, dass sie beispielsweise in der Pflege, wo dies ja der wichtigste Punkt
ist, keine Möglichkeit haben, überhaupt bis ans Ende ihrer Berufslaufbahn tätig zu sein. Ich denke, dort liegen unsere Aufgaben, nicht in irgendeiner Begrenzung von irgendwelcher Integration und Aufnahme.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es wird mir in Anbetracht des Inhalts des FDP-Antrags insbesondere vonseiten der Koalitionsfraktionen ein bisschen zu sehr um den heißen Brei herumgeredet. Herr Rock, wenn ich das einmal interpretieren darf, dann lautet der Kernsatz Ihres Antrags, das ist Punkt 4:
sich auf Bundesebene für eine Zusammenarbeit des Bundes, der Länder und der Kommunen für ein Einwanderungsgesetz einzusetzen.
Ich erinnere daran, dass sich das Land Hessen in der letzten Integrationsministerkonferenz im März letzten Jahres gegen ein Einwanderungsgesetz ausgesprochen hat.