Protokoll der Sitzung vom 15.10.2014

experten und Vertretern von Organisationen, die an diesem Vertrag beteiligt waren.

Ich glaube, dass diese Ethikkommission eine wichtige Institution ist, die mit diesem Thema verantwortungsvoll und bewusst umgeht und es mit Augenmaß weiterverfolgt. Das Land Hessen vollzieht damit einen wichtigen und richtigen Schritt. Auch wir unterstützen daher diesen Gesetzentwurf.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Kollege Bocklet. – Das Wort hat der Abg. Dr. Bartelt, CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Embryonenschutzgesetz des Bundes in der Fassung von 2011 in Verbindung mit der Präimplantationsdiagnostik-Rechtsverordnung untersagt die PID bis auf wenige Ausnahmen. Einen Antrag auf eine solche Ausnahme kann die Frau, von der die Eizelle stammt, stellen. Sie muss diesen begründen mit Vorbelastungen in der Familie und Gefahren auf schwerwiegende Erkrankungen. Über den Antrag befindet eine Ethikkommission; dies ist Aufgabe der Bundesländer. Sie können gemeinsame Ethikkommissionen bilden.

Ein solcher Staatsvertrag – die Teilnehmer hat Kollege Bocklet genannt – wird heute eingebracht. Dieser wird von uns befürwortet, weil die Zusammensetzung der Kommission eine fachgerechte, ausgewogene, einzelfallbezogene Entscheidung des Antrags garantiert. Die Kommission ist an die Landesärztekammer Baden-Württemberg angegliedert, die bereits über besondere Erfahrung in Fragen der ethischen Bewertung bei beantragten Forschungsvorhaben verfügt. Die anfallenden Kosten werden vollständig durch Gebühren gedeckt, sodass der Steuerzahler nicht belastet wird. Es besteht eine Berichtspflicht gegenüber der Öffentlichkeit über die Zahl der Anträge sowie der positiven und negativen Bescheide.

Der wesentliche Vorteil einer gemeinsamen Ethikkommission für mehrere Bundesländer liegt in der Vermeidung eines Patiententourismus. Dieser hätte Rechtsunsicherheit und Rechtsungleichheit zur Folge. Es bestünde die Gefahr, dass Anträge in den Ländern unterschiedliche Erfolgsaussichten hätten. Dann hätten etwa Antragsteller, die einen erhöhten finanziellen Aufwand einer Befruchtungsbehandlung in einem anderen Bundesland tragen könnten, größere Chancen auf die Bewilligung ihrer Anträge. Dies wollen wir auf jeden Fall vermeiden.

In diesem Zusammenhang ist es erfreulich, dass die andere gemeinsame Ethikkommission der Länder Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Brandenburg einen inhaltlich nahezu gleichen Staatsvertrag zur Grundlage hat. Bayern will wohl eine eigene Kommission einrichten; wir werden das beobachten.

Bei der Erörterung eines Tourismus der künstlichen Befruchtungstherapie mit PID muss auch kurz auf internationale Aspekte eingegangen werden. Es ist sicher positiv, dass sich die gesetzlichen Regelungen innerhalb der EU so entwickelt haben, dass ähnliche Regelungen gelten. In je

dem Fall innerhalb der EU ist die Wahl des Geschlechts des Kindes bei künstlicher Befruchtung durch PID verboten. In den EU-Staaten Italien, Österreich und Irland sind die Ausnahmen enger gefasst, in Großbritannien weiter. So weit der erfreuliche Aspekt.

Dagegen ist es nicht erfreulich, ja, ich muss sagen, nahezu unerträglich, dass ein Zentrum für künstliche Befruchtung auf dem nördlichen Teil Zyperns mit einer PID-Diagnostik in westeuropäischen Medien damit wirbt, dass Eltern das Geschlecht ihres Kindes auswählen können. Schon 2011 hat etwa „Spiegel Online“ auf diesen Missstand hingewiesen. Aber noch heute kann man Informationen im Internet über diese „Dienstleistung“ ab 1.500 € erfahren. Leider gibt es derartige Angebote auch aus anderen Erdteilen; aber innerhalb Europas müssen wir auf diese – nach unserer Ansicht – Menschenverachtung besonders hinweisen.

Zurück und abschließend zum Staatsvertrag. Er ist ein Beitrag zur Rechtssicherheit. PID ist nur in wenigen Ausnahmen erlaubt. Auf die individuelle Konfliktsituation der betroffenen Frauen wird durch die Einzelfallentscheidung und durch die Zusammensetzung der Ethikkommission sensibel eingegangen. Wir befürworten den Staatsvertrag und sehen den Ausschussberatungen mit Interesse entgegen. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Vielen Dank, lieber Kollege Dr. Bartelt. – Das Wort hat der Abg. Dr. Spies, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Politik ist doch ein zähes Geschäft, manchmal sehr zäh. Am 17. November 2001 veranstaltete der Hessische Landtag auf Vorschlag der SPD-Fraktion und dann in großer Einigkeit eine Anhörung zum Themenkomplex der damals sehr lebhaften Debatte zu den Herausforderungen der Bioethik. Zwei Punkte wurden dabei seinerzeit fachlich fundiert vorgetragen und in ihren Details erläutert. Es ging um die Präimplantationsdiagnostik und – der eine oder andere wird sich erinnern – um die Forschung an menschlichen Embryonen. Beide Fragen waren in den Jahren 2001/2002 in einer heftigen öffentlichen Debatte.

Ein wesentliches Merkmal der in dieser Sitzung vorgetragenen Informationen über das Wesen der Präimplantationsdiagnostik hat meines Erachtens auch damals für viele Mitglieder des Landtags den Blickwinkel noch einmal deutlich verschärft. Der Angst, dass solche Techniken sozusagen der Manipulation, dem designten Kind, den geplant manipulierten Heerscharen blonder blauäugiger Babys Tür und Tor öffnen würden, konnte nur durch die fachliche Aufklärung völlig der Boden entzogen werden. Denn wer sich einmal den Vorlauf klargemacht hat, den eine Frau über sich ergehen lassen muss, damit überhaupt die Bedingung einer Präimplantationsdiagnostik möglich ist, nämlich eine Entnahme von Eizellen und eine künstliche Befruchtung in einem Reagenzglas, wer sich die Belastungen deutlich gemacht hat, die damit verbunden sind und die auch heute viele Frauen mit einem unerfüllten Kinderwunsch auf sich nehmen, der wird sofort zu dem Ergebnis kommen, dass jedenfalls die Annahme, aufseiten der be

troffenen Frauen würde aus Leichtfertigkeit, aus Unüberlegtheit, wegen kosmetischer Fragen des gewünschten Kindes ein solcher Vorgang auf sich genommen werden, in das Reich der Mysterien gehört und in der Wirklichkeit in keinem Fall anzunehmen ist.

2002 gab es daraufhin einen Gruppenantrag einer Reihe von Abgeordneter des Hessischen Landtags, die in der Auswertung der Ergebnisse dieser Anhörung vom 17. November 2001 versucht haben, genau den Weg zu finden, den am Ende heute, zwölf Jahre später, auch der Deutsche Bundestag gefunden hat und der die Grundlage des heute zu beratenden Gesetzes darstellt, nämlich dass die Entscheidung in beiden Fragen – aber ich will mich auf die Frage PID konzentrieren – über den angemessenen Umgang darin besteht, nicht kategorisch ein bestimmtes Verhalten auszuschließen und damit den Weg in Illegalität, ins Ausland, dahin, wo man mit genug Geld am Ende doch bekommt, was man haben will, zu versperren, sondern einen dem Gegenstand in der gebotenen Ernsthaftigkeit und Abwägung entgegentretenden Verfahrensablauf zu finden.

Genau das haben wir heute, nämlich dass wir die Durchführung einer Präimplantation für zulässig erachten, wenn wir gute Gründe dafür haben, mit einer schweren, möglicherweise schon während der Schwangerschaft tödlichen erblichen Erkrankung des Kindes zu rechnen, wenn die betroffene Mutter einen solchen Weg wünscht und wenn sich Dritte davon überzeugt haben, dass genau diese Bedingungen tatsächlich erfüllt sind. Wir wissen nämlich, dass es eine völlig absurde Idee ist, zu verlangen, dass Frauen schwanger werden und dabei riskieren, zum zweiten, zum dritten oder sogar zum vierten Mal ein aus Erbgründen schwer verändertes Kind, das möglicherweise noch während der Schwangerschaft stirbt, zur Welt zu bringen.

Da dies unzumutbar und das Ergebnis in jedem Fall das Gleiche ist, haben wir, wenn auch erst nach einem sehr langen Diskussionsprozess, diese Lösung gefunden, die der Präsident der Landesärztekammer Hessen, Herr Möhrle, der in Fragen der Bio- und Medizinethik ohne Zweifel seit jeher eine Instanz war, schon damals als besten Vorschlag in dieser Debatte begrüßt hat.

Deswegen werden wir dem heute vorliegenden Gesetzentwurf und dem Staatsvertrag, der sozusagen der letzte kleine Baustein eines Prozesses ist, der, jedenfalls für den Hessischen Landtag, am 17.11.2001 – wenn man es genau nimmt, einige Wochen davor, also vor ziemlich genau 13 Jahren – angefangen hat und nun zu einem Abschluss gebracht wird, nicht nur bereitwillig, sondern am Ende sogar mit Freude unsere Zustimmung geben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Dr. Spies, herzlichen Dank. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen.

Es ist vorgeschlagen, den Gesetzentwurf zur Vorbereitung der zweiten Lesung an den Fachausschuss zu überweisen. – Das findet allgemeine freudige Zustimmung. Dann wird das so gemacht.

Damit sind wir am Ende der Beratungen des Vormittags. Um 15 Uhr geht es weiter.

Ich möchte Sie noch auf den Fototermin für die „High Five“-Aktion in der Mittagspause hinweisen. Bitte denken

Sie daran, dass in der Mittagspause vor der Schlosspforte das Foto für die „High Five“ World Vision Aktion für Kindergesundheit aufgenommen wird. Ich würde mich freuen, wenn Sie daran teilnehmen könnten.

Jetzt ist aber Schluss.

(Unterbrechung von 13:04 bis 15:01 Uhr)

Kolleginnen und Kollegen, wir setzen die unterbrochene Sitzung fort.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 47 auf:

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Umweltschmutz statt Umweltschutz – Sechzigjahresplan der Hessischen Landesregierung zur Versalzung von Werra und Weser gefährdet Arbeitsplätze in der hessischthüringischen Kaliindustrie – Drucks. 19/964 –

Dieser wird zusammen debattiert mit Tagesordnungspunkt 53:

Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN betreffend dauerhafte und realistische Lösung für Salzabwasserentsorgung unterstützen – Süßwasserqualität und Grundwasserschutz genießen dabei höchste Priorität – Drucks. 19/972 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten. Zuerst erteile ich Frau Kollegin Schott, Fraktion DIE LINKE, das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zuerst moderiert die Landesregierung die Nordseepipeline mit einem Handstreich ab, um dann wie das Kaninchen aus dem Hut einen Plan mit Oberweserpipeline, Stapelbecken, Verpressung bis 2021 und Salzhalden bis in alle Ewigkeit zu zaubern. Mit dem Vierphasenplan des Umweltministeriums wird die Werra erst lange nach dem Ende der Kaliproduktion Süßwasserqualität erreichen. Dieser Plan führt die Wasserrahmenrichtlinie ad absurdum. Was Sie da ausgehandelt haben, Frau Ministerin, hat mit Umweltschutz und Nachhaltigkeit nichts zu tun.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Einzige, was hier von Dauer ist, ist die Zeit der Einleitung von Salzlauge in die Flüsse. Letzte Woche im Ausschuss haben die GRÜNEN den Vierphasenplan als alternativlos verteidigt. Seit Jahren werben wir für alternative Produktions- und Entsorgungsverfahren in der Kaliindustrie. Seit 2010 favorisieren wir das Eindampfen der Abwässer mit höherer Rohstoffausbeute. Die festen Abfälle müssen wieder unter Tage, um die Hohlräume zu verfüllen, was wiederum den Abbau von mehr Stützpfeilern ermöglicht. Warum nehmen Sie nicht zur Kenntnis, dass das Vakuumkristallisationsverfahren von anderen Firmen eingesetzt wird und selbst Kali + Salz den Einsatz dieses Verfahrens zur Salzgewinnung plant – nicht in Hessen, aber in Kanada. Das wird auch in Hessen so bleiben, wenn das Umweltministerium dem Konzern kostengünstigere Entsorgungswege erlaubt. Die GRÜNEN betreiben Industriepolitik aus dem letzten Jahrhundert: kein Umweltschutz, keine Ressourceneffizienz; sie gefährden unsere wichtigste

Lebensgrundlage, das Trinkwasser, und damit gefährden sie letztlich Arbeitsplätze. In der Summe ist sie also das Gegenteil von nachhaltig.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist schon schlimm genug, dass sich das Ministerium überhaupt traut, zu sagen, dass die Süßwasserqualität für die Werra erst ab 2075 erreicht werden soll. Aber noch nicht einmal das stimmt, denn 0,8 g Chlorid pro Liter Wasser sind Brackwasser. Ab einem Salzgehalt von 1 g/l spricht man von Brackwasser. Chlorid und Salzgehalt sind aber nicht das gleiche. 0,8 g Chlorid pro Liter Wasser entsprechen einem Salzgehalt von 1,5 g/l. Was die Umweltministerin in 60 Jahren anstrebt, ist Brackwasser. Auch die Wasserrahmenrichtlinien ist eindeutig. Der schlechte ökologische Zustand beginnt mit Chloridwerten über 0,8 g/l. 0,4 bis 0,8 g gelten als unbefriedigend. So wird in 60 Jahren dann auch die Situation an der Werra sein: unbefriedigend. Dazu kommt die Abdeckung der Halden; diese soll frühestens in 20 Jahren beginnen; mit welchem Verfahren, ist aber unbekannt. Die Hessische Landesregierung hat im Jahre 2011 auf eine Anfrage der LINKEN gesagt – ich zitiere, wenn ich darf –:

Die untersuchten und zum Teil in Versuchen durchgeführten Abdeckmaßnahmen … haben sich … als nicht dauerhaft erwiesen.

Uns wirft die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor, dass das Eindampfverfahren noch nicht großtechnisch erprobt und klimaschädlich sei, ungeachtet der Tatsache, dass in Spanien eine solche Anlage gebaut wird. Das grüne Ministerium setzt auf neue Erkenntnisse zur Haldenabdeckung, zu denen es aber nichts weiter sagen kann, weil es dazu nichts weiter gibt; denn es gibt seit 2011 keinen neuen Stand der Technik.

(Beifall bei der LINKEN)

Gern zitiere ich an dieser Stelle Frau Erfurth aus dem Jahre 2009:

Es geht darum, dass wir 700 Jahre lang die Halden sichern müssen – 700 Jahre, in denen sie weiterhin Lauge abgeben. … Denn wir müssen dafür sorgen, dass auch spätere Generationen noch mit dieser Umwelt zurechtkommen und dass wir ihnen nicht eine versalzene Werra und eine versalzene Weser hinterlassen. Das ist unser Auftrag.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Besser als Abdeckung!)

Deshalb wollen Sie mit einem Verfahren abdecken, das es nicht gibt. Das heißt, Sie wollen mit einer Fiktion abdecken.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Zeigen Sie einmal, mit welcher Fiktion man eine Salzlauge abdecken kann. Das möchte ich einmal sehen, möglichst noch wissenschaftlich nachgewiesen.