Protokoll der Sitzung vom 12.07.2016

Frau Ministerin, wir sind Ihnen ja dankbar. Vielleicht gibt es demnächst auch eine Regierungserklärung dazu.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der SPD)

Aber um zu fragen: Das ist seit zweieinhalb Jahren, also seitdem Sie im Amt sind, ein Thema. Ich kenne die Briefe. Wann genau planen Sie denn die Umsetzung?

Frau Justizministerin.

Sehr geehrter Kollege Rentsch, im Haushaltsplanentwurf wird das vorgeschlagen werden, und es liegt dann am Haushaltsgesetzgeber, dem zuzustimmen.

Ich rufe jetzt die Frage 577 auf. Frau Kollegin MüllerKlepper.

Ich frage die Landesregierung:

Was bezweckt sie mit dem mit der hessischen Verbraucherzentrale entwickelten Beratungsmodul „Smartphones, Tablets und Soziale Netzwerke“?

Frau Umweltministerin Hinz.

Frau Abg. Müller-Klepper, in dem Modul „Smartphones, Tablets und Soziale Netzwerke“ geht es um Themen wie Nutzungsbedingungen bei Apps – also bei mobilen Anwendungen für Mobiltelefone –, Urheberrecht in sozialen

Netzwerken sowie Schutz vor Kostenfallen und Phishing, d. h. Versuchen, über gefälschte Webseiten an persönliche Daten Dritter zu gelangen. Nur wer weiß, wie er sich in sozialen Netzwerken verhalten muss und wo welche Gefahren lauern, kann bewusst und umsichtig agieren und so gefahrlos von den vielen Vorteilen im Internet profitieren.

Deswegen hat das hessische Verbraucherschutzministerium das neue Modul im Projekt „Alltagskompetenzen – Durchblick gehört dazu“ mit 4.000 € finanziell gefördert. Umgesetzt wird das Angebot von der Verbraucherzentrale Hessen. Das Modul „Smartphones, Tablets und Soziale Netzwerke“ soll dazu beitragen, dass vor allem junge Verbraucherinnen und Verbraucher sowie ihre Eltern bei Smartphones und Tabletcomputern nicht in Kostenfallen tappen.

Dazu bietet die Verbraucherzentrale Hessen Schulen, Familienzentren und sonstigen Bildungseinrichtungen eine interaktive Ausstellung bzw. Vorträge an; die Teilnehmenden werden dabei für den Umgang mit ihren Daten sensibilisiert, und es werden ihnen Handlungsmöglichkeiten zum Schutz vor Abzocke und Datenklau aufgezeigt.

Für Schülerinnen und Schüler ab Klassenstufe 9 und junge Erwachsene gibt es ein interaktives Angebot, das es ermöglicht, die individuellen Erfahrungen der Jugendlichen aufzugreifen und daran anzuknüpfen. Das Angebot sieht bis zu sechs Stationen vor, die vorgestellt werden und gemeinsam bearbeitet werden können. Die Stationen sind durch die Möglichkeit der Kleingruppenarbeit, Arbeitsblätter und viele Anschauungsmaterialien mit aktuellen Beispielen abwechslungsreich gestaltet. An zwei Stationen sind kurze Videos integriert, deren Inhalte weiter bearbeitet werden können.

Es zeigt sich, dass die Veranstaltungen sehr stark nachgefragt werden. Ich selbst habe eine solche Unterrichtseinheit besucht und war sehr beeindruckt, wie sich die jungen Leute damit beschäftigt haben, und vor allem, welche AhaErlebnisse sie bei der Beschäftigung mit dem Thema hatten.

Zusatzfrage, Frau Kollegin Feldmayer.

Frau Ministerin, können Sie uns eine Vorstellung davon geben, wie viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit den Modulen bzw. den Workshops bisher erreicht worden sind?

Frau Staatsministerin Hinz.

In nur zweieinhalb Monaten sind in unterschiedlichen Schulen bereits 15 solcher Unterrichtseinheiten gelaufen, wobei es 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmer gab. Zwei Anfragen von Schulen nach dem Abhalten solcher Unterrichtseinheiten konnten noch nicht entsprechend beantwortet werden.

Die Ausstellung wird gegenwärtig überarbeitet. Ab Ende August wird sie zunächst in der Beratungsstelle Darmstadt und dann in der Beratungsstelle Gießen zu sehen sein. Im zweiten Halbjahr 2016 wird es weitere Veranstaltungen in Schulen, aber auch in den Beratungsstellen selbst geben.

Mir liegen keine weiteren Zusatzfragen vor. Dann beenden wir für heute die Fragestunde.

(Die Fragen 578, 582, 583, 592, 593, 596, 600 und die Antworten der Landesregierung sind als Anlage beigefügt. Die Fragen 580, 581, 584 bis 591, 594, 595 und 597 bis 599 sollen auf Wunsch der Frage- stellerinnen und Fragesteller in der nächsten Frage- stunde beantwortet werden. – Unruhe)

Meine Damen und Herren, es wäre ganz klug, wenn es ein bisschen ruhiger würde. – Danke schön.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 2:

Regierungserklärung des Hessischen Ministerpräsidenten betreffend „Europa nach dem Brexit-Referendum – Folgen und Chancen für Hessen“

Die Redezeit beträgt 20 Minuten je Fraktion. Herr Ministerpräsident, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Vor genau 100 Jahren, im Juli 1916, tobte in Nordfrankreich die Schlacht an der Somme – über 1 Million tote, vermisste und verwundete Soldaten. Es war eine der verlustreichsten Schlachten des Ersten Weltkriegs. Es war die Zeit, die der Historiker und Bestsellerautor Christopher Clark so beschrieben hat: Europas Mächte „schlafwandelten“ in diesen Krieg. Es war die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts.

Nicht einmal 20 Jahre später standen sich Europas Mächte wieder feindlich und kriegerisch gegenüber. Es folgte der Zweite Weltkrieg. Er hinterließ Millionen von Toten, Verletzten, Verstümmelten und Vertriebenen, Not und Elend und ein total zerstörtes Europa.

Europa – das war eine einzige Abfolge von Kriegen. Jede Generation zog in den Krieg. Wenn wir uns das klarmachen, stellen wir fest, dass wir die weitsichtige und kluge Entscheidung nicht hoch genug schätzen können, dass Europa nach dem Zweiten Weltkrieg nicht so weitermachen konnte. Einen grundsätzlich anderen Weg einzuschlagen war die Überzeugung großer Persönlichkeiten: bei uns in Deutschland Konrad Adenauer, in Frankreich Robert Schuman und in Italien Alcide De Gasperi. Die Gründung der Europäischen Gemeinschaft und ihrer Vorläufer war die Antwort auf die Katastrophen des 20. Jahrhunderts.

Meine Damen und Herren, was war der Gedanke? Der Gedanke war, unterschiedliche Interessen im Innern friedlich, ohne Krieg auszugleichen und gemeinsame Interessen in einer zunehmend globalisierten Welt gemeinsam nach außen zu vertreten. Das war und ist der eigentliche Kern der Europäischen Gemeinschaft.

(Beifall bei der CDU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Diese Europäische Gemeinschaft war eine Erfolgsgeschichte. Natürlich war sie das in ökonomischer Hinsicht, aber, was mir viel wichtiger ist, sie war und ist auch eine Friedens- und Freiheitsgeschichte.

Gerade der ehemalige Ostblock hat diese Europäische Gemeinschaft immer als Sehnsuchtsziel gesehen. Das war natürlich verbunden mit der Hoffnung auf ein besseres Leben. Diese Europäische Union ist nicht das Paradies, aber es gibt keine Region auf der Welt, in der die Menschen in einer solchen Freiheit, in Frieden und nie gekanntem Wohlstand leben. Das ist die schlichte Beschreibung dessen, was die Europäische Gemeinschaft für uns bedeutet. Das ist keine kleine Münze, sondern das ist das Fundament, wenn wir heute über Europa reden.

(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Deshalb sage ich mit voller Überzeugung: 60 Jahre Frieden und Freiheit gab es noch nie. Das ist das Beste, was Europa je widerfahren ist.

(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Weil das so ist, müssen wir alles dafür tun, dass dieses Europa nicht zerfällt, dass die Nationalismen nicht überhandnehmen, dass Populisten oder gar Extremisten nicht die Zukunft Europas gestalten.

Ich denke, wir sind uns darüber einig – darauf komme ich noch einmal zurück –, dass das Herzblut und Leidenschaft erfordert, nicht gelangweilte Teilnahmslosigkeit. Hier geht es wirklich um mehr.

Auch wenn wir uns darüber, so denke ich, alle einig sind, dürfen wir natürlich nicht die Augen davor verschließen, dass Europamüdigkeit, Europaskeptizismus und auch Europaablehnung weit verbreitet sind, in den letzten Jahren ständig zugenommen haben und bei dem Volksentscheid, dem sogenannten Brexit, in Großbritannien ihren – jedenfalls vorläufig – historischen Höhepunkt erreicht haben.

Sehr deutlich und klar bedauere ich das – auch und gerade für die Hessische Landesregierung. Diese Entscheidung bedauern wir. Wir halten sie im Ergebnis und am Ende weder für Großbritannien noch für Europa für gut.

(Beifall bei der CDU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Wenn wir heute auf Großbritannien schauen, so müssen wir auch feststellen, dass nach einer – jedenfalls nach meiner Kenntnis – beispiellosen hemmungslosen Kampagne mit einer Fülle von schlicht unwahren Behauptungen – übrigens nicht zuletzt auch durch einen beachtlichen Teil der Medien – eine Stimmung befördert wurde, die dieses Ergebnis am Ende erbrachte.

Nur wenige Tage später kippte die Stimmung in Katzenjammer. Ich habe den Eindruck, dass gerade die Hauptverfechter des Austritts weder klare Vorstellungen davon hatten, wie es eigentlich weitergehen sollte, noch die Bereitschaft hatten, für ihr Tun anschließend auch die Verantwortung zu übernehmen.

(Beifall bei der CDU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Es ist zu begrüßen, dass entgegen den Erwartungen die Konservative Partei sich nun doch sehr rasch entschieden hat und mit Theresa May morgen das Vereinigte Königreich eine neue Premierministerin bekommt. Es ist gut, dass diese Phase der Unsicherheit schnell zu Ende ist. Aber eines bleibt auch festzuhalten: Wenn wir sehen, dass gerade die Hauptprotagonisten dieses Austritts sich mehr oder weniger schmählich vom Acker gemacht haben und fast spielerisch erklären, sie hätten es einmal versucht, dann verdient ein solches Verhalten keine Zustimmung, sondern es verdient wirklich ganz klare Ablehnung. Wer sich so verhält, der hat sich politisch total diskreditiert.

(Beifall bei der CDU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Die Umstände dieser Volksabstimmung – sowohl davor als auch danach – lassen mich auch einen Blick auf das Thema plebiszitäre Elemente werfen. Wir finden nicht selten große Begeisterung für dieses Thema. Ich finde, wir sollten uns genau anschauen, was dort gelaufen ist. Eine gewisse Zurückhaltung erscheint mir auf jeden Fall geboten. Auch wenn klar ist, dass das Votum zu akzeptieren ist, sollten wir trotzdem aus den Umständen lernen.

(Zuruf von der CDU: Ja!)

Niemand weiß, wie es eigentlich konkret weitergeht. Wir hören, dass die verantwortlichen Politiker im Vereinigten Königreich jetzt mitteilen, dass es mit der Austrittserklärung nicht so eile und dass man sie vielleicht erst im nächsten Jahr stellen werde, sodass der zweijährige Turnus erst im nächsten Jahr beginnt. Das ist mit großer Sicherheit eine Phase der Unsicherheit und der Unentschlossenheit. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie in irgendeiner Weise nützlich wäre.

Wie auch immer: Mir ist wichtig, zwei Dinge festzuhalten: Bei diesen Verhandlungen, die irgendwann kommen, wird es aus meiner Sicht darum gehen müssen, auch zukünftig Großbritannien eng an die Europäische Gemeinschaft zu binden. Häme, enttäuschte Liebe oder was auch immer sind mit Sicherheit fehl am Platz.