Protokoll der Sitzung vom 24.01.2017

Wie beurteilt sie den Auftritt von „Gangsta-Rappern“ mit verrohenden, gewaltverherrlichenden, frauenverachtenden und homophoben Inhalten, wie dem von Kollegah, beim Hessentag 2017 in Rüsselsheim?

Herr Staatsminister Wintermeyer.

Herr Präsident! Frau Abg. Geis, die Hessische Landesregierung beurteilt die ihr vorliegenden indizierten Textpassagen als abstoßend und erniedrigend. Auch wenn der Kunstbegriff sicherlich sehr weit gefasst werden kann, so handelt es sich bei den indizierten Textpassagen nach unserer Auffassung um Formulierungen, die die Grenzen der Freiheit der Kunst zum Teil überschreiten. Sie sind abstoßend, sie sind erniedrigend, und sie sind verletzend.

Die Stadt Rüsselsheim hat nach unserer Kenntnis mit einem Musiker mit dem Künstlernamen Kollegah einen gültigen Vertrag abgeschlossen. Das haben wir zur Kenntnis zu nehmen, brauchen es aber nicht zu billigen. Die Stadt Rüsselsheim hat dies als Veranstalter in eigener Verantwortung entschieden und mitgeteilt, dass keine auf dem Index stehenden Texte vorgetragen werden. Das sei vertraglich vereinbart. Es wurde auch vertraglich vereinbart, dass der Verkauf der Tickets an Personen unter 18 Jahren untersagt ist.

Frau Kollegin Geis, es wurde durch einen von Mitgliedern aller Fraktionen getragenen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 24. November 2016 entschieden, die Rap-Night – offensichtlich mit vier Künstlern – wie geplant durchzuführen. Der Beschluss ist mit 28 Jastimmen und 13 Neinstimmen ergangen.

Der Auftritt von Kollegah war und ist umstritten. Es ist im Interesse der Hessischen Landesregierung, einen Hessentag für alle auszurichten. Die Hessische Landesregierung ist deshalb der Auffassung, dass indizierte, diskriminierende, frauenfeindliche oder ansonsten menschenverachtende Texte nicht zu dem Programm des Hessentags gehören sollten.

Die Hessische Landesregierung wird dies weiter kritisch beobachten. Wir werden die Vorgabe, die dieses Thema betrifft, auch in das Informationshandbuch für zukünftige Hessentagstädte aufnehmen. Die Hessentagstädte Korbach, 2018, und Bad Hersfeld, 2019, werden seitens der Hessischen Landesregierung in Kenntnis gesetzt, dass – nach unserem Dafürhalten – solche Künstler auf Hessentagen nicht auftreten sollten.

(Allgemeiner Beifall)

Zusatzfrage, Frau Kollegin Geis.

Herr Staatsminister, vielen Dank für diese doch sehr klare Haltung, die ich sehr gut finde.

Ich habe noch eine Nachfrage: Ist der Landesregierung bekannt, dass es eine Resolution der gesellschaftlich relevanten Gruppen der Stadt Rüsselsheim gibt – nämlich von der evangelischen und der katholischen Kirche, von den Gewerkschaften sowie von den sozialen Institutionen –, in der es heißt, dass Rüsselsheim die Europäische Charta der Vielfalt sowie die Europäische Charta für die Gleichstellung von Frauen und Männern unterschrieben und damit ein Zeichen gesetzt hat? Zudem frage ich, ob es vielleicht eine Initiative der Landesregierung gibt, darauf hinzuwirken, dass dieses Genre mit einer etwas gemäßigteren Künstlerin oder einem gemäßigteren Künstler vertreten wird.

(Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) niest.)

Herr Staatsminister Wintermeyer.

Zunächst möchte ich Frau Kollegin Wissler Gesundheit wünschen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Danke!)

Frau Kollegin Geis, diese Resolution ist uns bekannt. Uns haben auch verschiedene Briefe erreicht, die wir zur Kenntnis genommen haben. Ich darf noch einmal darauf hinweisen, dass den Gemeinden das Recht auf Selbstverwaltung verfassungsrechtlich garantiert ist. Das ergibt sich aus dem Grundgesetz und auch aus der Hessischen Verfassung.

Die Kommunen haben im Rahmen der Bundes- und Landesgesetze ebenso das Recht, alle örtlichen Angelegenheiten unter demokratischer Mitwirkung der Bürgerschaft eigenverantwortlich zu regeln. Wir haben diese Resolution weitergeleitet und darum gebeten, sie zur Kenntnis zu nehmen und daraus die entsprechenden Schlüsse zu ziehen. Wie gesagt, dass die Stadtverordnetenversammlung einen mehrheitlichen Beschluss gefasst hat, haben wir nicht zu kritisieren, sondern das ist demokratisch zu akzeptieren.

Vielen Dank. – Ich rufe die Frage 704 auf. Herr Abg. Warnecke.

Ich frage die Landesregierung:

Wann wird das Teilstück der Landesstraße 3250 auf hessischem Gebiet, das auch 27 Jahre nach der Wiedervereinigung die thüringischen Gemeinden Berka und Gerstungen verbindet, erneuert?

Herr Minister Al-Wazir.

Sehr geehrter Herr Abg. Warnecke, die fachliche Grundlage für die Sanierungsoffensive 2016 – 2022 war eine Dringlichkeitsbewertung aufgrund der Kriterien Straßenzustand, Verkehrssicherheit, Verkehrsbedeutung, Verkehrsqualität und Umfeldsituation. So wurden 540 Einzelbaumaßnahmen identifiziert, in die wir bis zum Jahr 2022 rund 385 Millionen € investieren wollen. Aus dieser Bewertung ergab sich für den benannten Streckenabschnitt der L 3250 – hessischer Abschnitt – keine vordringliche Einstufung, sodass er nicht in das Programm der Sanierungsoffensive 2016 – 2022 aufgenommen werden konnte. Sollte sich der Fahrbahnzustand des vorliegenden Abschnitts der Landesstraße in den nächsten Jahren schlechter entwickeln als angenommen, so wird dieser erneut fachlich bewertet und gegebenenfalls bei der Aufstellung des jährlichen Landesstraßenbauprogramms berücksichtigt.

Zusatzfrage, Herr Abg. Warnecke.

Herr Staatsminister Al-Wazir, erst einmal herzlichen Dank für diese Antwort. – Meine Nachfrage bezieht sich auf den Straßenzustand, von dem Sie gesprochen haben. Halten Sie es für das reiche Bundesland Hessen für angemessen, dass man es im wahrsten Sinne des Wortes spürt, dass man nach Hessen hereinfährt und aus Hessen wieder hinausfährt, weil der Straßenzustand der L 3250 sowohl in Berka als auch in Gerstungen, den thüringischen Abschnitten, deutlich besser ist?

Herr Minister Al-Wazir.

Herr Abg. Warnecke, ich muss immer aufpassen, dass ich nicht zu flapsig antworte, aber so lange spürt man das nicht; denn es geht um 600 m. Ich weiß allerdings, dass der Straßenzustand dort alles andere als eine Visitenkarte ist – so will ich es einmal sagen. Wie gesagt, wir haben den Straßenzustand im Auge. Ich sage ausdrücklich: Wenn man sich die Situation anschaut, erkennt man, dass das im wahrsten Sinne des Wortes ein hessischer Zipfel ist, der zwischen zwei thüringischen Orten liegt.

Meine erste Frage war, ob nicht das Land Thüringen diese Straße übernehmen möchte. Denn sie verbindet wirklich nur zwei thüringische Orte. Aber offensichtlich scheint es da keine großen Wünsche zu geben, diese Straße zu übernehmen. Dementsprechend schauen wir einmal, was die Zukunft so bringt. Falls die Kollegin aus Thüringen auf mich zukommen würde, könnte man darüber nachdenken. Ich muss jetzt aufpassen, weil das dann Gegenstand eines Staatsvertrages wäre. Aber schauen Sie sich das einmal an.

Ich kann allen empfehlen, einmal nach Berka und Gerstungen zu googeln. Dann sieht man dort, wo die Landesgrenze verläuft und dass es vielleicht gute Gründe gäbe, warum das alles in allem eine thüringische Straße werden sollte. Ich fürchte allerdings, dass sie wollen, dass wir sie vorher sanieren.

(Allgemeine Heiterkeit)

Herr Warnecke, Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Herr Staatsminister, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie möglicherweise darüber nachdenken, diesen schönen Teil Hessens an Thüringen abzutreten – nur wegen der L 3250 und der Frage des Fahrbahnzustandes?

(Allgemeine Heiterkeit – Zuruf von der CDU: Wenn der Preis stimmt! – Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Herr Minister Al-Wazir.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter, es gibt bisher keine Haltung der Landesregierung zu dieser Frage, sondern nur einen Gedanken. Wenn man sich das einmal auf der Satellitenaufnahme anschaut, sieht man, dass es vielleicht gute fachliche Gründe für Arrondierungen gäbe. So will ich es einmal nennen.

(Zuruf von der SPD)

Ich rufe Frage 705 des Herr Abg. Degen auf.

Ich frage die Landesregierung:

Beabsichtigt sie, anders als in der Antwort auf die Kleine Anfrage Drucks. 19/3818 geäußert, doch die Erstellung einer Handreichung zur Umsetzung des neuen Lehrplans Sexualerziehung in Auftrag zu geben?

Herr Kultusminister.

Herr Abg. Degen, seit der Veröffentlichung des Lehrplans haben die Landesregierung zahlreiche Anfragen erreicht. Aus diesen Anfragen haben wir geschlossen, dass doch ein Bedarf nach näheren Erläuterungen des Lehrplans besteht. Deshalb hat sich das Hessische Kultusministerium dazu entschlossen, eine solche Handreichung zum Lehrplan zu erstellen und in diesem Jahr zu veröffentlichen.

Zusatzfrage, Herr Degen.

Ich bedanke mich für die Antwort und auch dafür, dass diese Anregung der SPD-Fraktion aufgenommen wurde, und frage Sie, ob Sie mir sagen können, wer diese Handreichung erarbeiten wird. Wird das hausintern passieren, oder wird das extern vergeben?

Herr Staatsminister Prof. Dr. Lorz.

Herr Abgeordneter, das wird hausintern passieren. Ich habe einen entsprechenden Auftrag an die Hessische Lehrkräfteakademie erteilt.

Dann rufe ich Frage 706 auf. Frau Abg. Hartmann.

Ich frage die Landesregierung:

Wie wird begründet, dass im Anforderungsprofil für die Bewerbung als Schulleitung an beruflichen Schulen, anders als beim Anforderungsprofil z. B. für Schulleiterstellen an Gymnasien, explizit Erfahrungen im schulaufsichtlichen Bereich im Hessischen Kultusministerium oder in einem Staatlichen Schulamt gefordert werden?

Herr Kultusminister.

Frau Abg. Hartmann, diese unter den zwingend zu erfüllenden Merkmalen des Anforderungsprofils aufgeführte Qualifikation ergibt sich sachlogisch maßgeblich aus zwei Unterschieden gegenüber den allgemeinbildenden Gymnasien mit Oberstufe:

Zunächst sind berufliche Schulen besonders heterogen. Die meisten beruflichen Schulen führen fünf bis sechs Schulformen, die durch das Hessische Schulgesetz sämtlich der Sekundarstufe II zugeordnet sind. Jede dieser Schulformen basiert auf einer eigenen Verordnungsgrundlage. In einigen der Schulformen sind zusätzlich innere Differenzierungen zu beachten, beispielsweise bei den Fachschulen. Die Leiterinnen und Leiter der beruflichen Schulen müssen diese Verordnungen im Schulalltag anwenden können. Hierauf müssen sie vorbereitet werden.

Bis zu einer hessenweiten Implementation der verpflichtenden Schulleiterqualifikation, die derzeit im Bereich Mittelhessen pilotiert wird, kann nur eine Abordnung in den schulaufsichtlichen Bereich dafür hinreichend Gewähr bieten. Eine Abordnung in Bereiche mit primär pädagogischem Schwerpunkt erscheint hier nicht zielführend.