Protokoll der Sitzung vom 13.06.2001

Entscheidend ist, daß wir seit 1991 eine Verpackungsverordnung haben, die beim Absinken der Mehrwegquote unter 72 Prozent zu einer Bepfandung von Einwegverpackungen führen sollte.

Seit drei Jahren wissen wir, daß diese Quote erreicht werden wird. Die Industrie hat sich eine Selbstverpflichtung aufgelegt und sie in dieser Zeit nicht umgesetzt, und nun wird es so oder so eine Pfandpflicht geben, meine Damen und Herren.

Nach der Regelung des alten Gesetzes würden wir ab Januar 2002 Wasser, Bier und Wein im Einwegsystem mit

50 Pfennig Pfand belegt sehen. Die üblichen Limonaden, um hier keine Markennamen zu nennen, würden nicht unter die Pfandpflicht fallen.

Meine Damen und Herren! Soweit es Sie interessiert, wissen Sie aber auch, daß der Verpackungsmarkt sich verändert hat. Der Siegeszug der PET-Flaschen ist nicht aufzuhalten, und auch die Ökobilanz, zum Beispiel von Kartonverpackungen, hat sich verbessert. Sie hat inzwischen mit Mehrwegverpackungen gleichgezogen. Das Problem bleiben die Dosen aus Weißblech und Aluminium. Aus ökologischer Sicht sind sie nicht zukunftsfähig und ausgestattet mit einem sogenannten Effekt des Litterings, klingt ziemlich schön im Englischen, bezeichnet aber schlicht und einfach die zugedosten Liegewiesen, Strände und Grünanlagen insgesamt.

Der Bundestag hat nun mit seiner beschlossenen Novellierung reagiert. Nur ökologisch unverträgliche Verpackungen kosten Pfand, die Weinflaschen sind aufgrund der völlig anderen Marktlage ausgenommen. Jetzt stehen wir also kurz vor den Türen des Bundesrates, und es bricht ein Sturm der Entrüstung los. In Bayern erhebt sich das Parlament gegen die Regierung, die mittelständische Getränkeindustrie zieht Dosenschlangen durch die Städte, wunderbare Demonstrationsbilder ergeben sich da.

Auf der einen Seite also die Getränkegroßindustrie, deren überregionale Vermarktungsstrategien auf Dosenbasis möglichen Einbrüchen entgegenstehen, und auf der anderen Seite die mittelständische Industrie, die für den regionalen Absatz von Bier und Wasser in der Flasche endlich ihre Marktchancen stabilisiert sieht. Die Lebensmittelkonzerne berechnen den zusätzlichen Aufwand für Rücknahmeautomaten mit dreistelligen Millionenbeträgen in DM, aber am liebsten noch in Euro, reden über kartellrechtliche und EU-rechtliche Konsequenzen. Wohlgemerkt, diese Auseinandersetzung fände auch bei der Umsetzung des geltenden Rechts statt. Der Mittelstand hat sich auf die Verpackungsverordnung eingestellt, sich auf Mehrweg umgestellt und investiert. Bundesweit geht es hier eindeutig um den Erhalt dieses Wirtschaftszweiges. Um es aufgrund der Debattenlage hier in der Aktuellen Stunde nur in einem Satz anzureißen: Die hamburgische Situation ist eine sehr spezielle und natürlich davon abhängig, wie sich die Verbraucherinnen und Verbraucher verhalten werden, wird die Getränkegroßindustrie sich mittelfristig möglicherweise tatsächlich von der Dose wieder wegbewegen müssen. Die Verbraucherinnen begrüßen das Pfand in der Regel, oft mit der Begründung der Vermüllung, aber natürlich auch mit der ökologischen Unverträglichkeit der Dose an sich.

Durch die Bundestagsentscheidung, meine Damen und Herren, ist plötzlich Bewegung in einer Debatte, die jahrelang geschlafen hat. Die Großindustrie bietet noch einmal wieder Selbstverpflichtungsvorschläge und Anti-LitteringZuschläge an. Es war viele Jahre lang Zeit, der Intention der Verpackungsverordnung, nämlich Abfälle zu vermeiden, nachzukommen. Diese Chancen wurden vertan. Nun wird das Dosenpfand umgesetzt, um wenigstens ansatzweise der gigantischen Energie- und Ressourcenverschwendung Herr zu werden. Hamburg darf sich dem nicht verschließen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Dr. Schaal.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! 9 Milliarden Liter Getränke werden im Jahr abgefüllt, davon ein Drittel in die Dosen. Man kann davon ausgehen, daß 6 Milliarden Dosen und mehr pro Jahr vom Band laufen. Die landen dann nicht alle, wie vorgesehen, in den Verwertungsanlagen des DSD, sondern, wie wir alle wissen und Frau Möller schon geschildert hat, sie fliegen ins Grüne, sie überschwemmen Parks, unsere Straßen und Plätze. In Städten und Gemeinden werden Millionen dafür ausgegeben, um die Dosen aus dem Landschaftsgrün zu klauben und die Straßen zu fegen. Das ist eine wahre Sisyphusarbeit, man kommt überhaupt nicht gegenan, und vor allen Dingen, meine Damen und Herren, die Bürgerinnen und Bürger wollen die zunehmende Vermüllung durch Dosen und Blechmüll nicht länger hinnehmen. Dabei wäre und ist ein Gegenmittel längst parat, nämlich die geltende Verpackungsverordnung – Frau Möller hat bereits darauf hingewiesen.

Allerdings muß man ehrlicherweise sagen, die Bepfandung durch die geltende Verpackungsverordnung setzt eine schwerfällige Einführungsprozedur voraus und stellt eher ein Drohpotential als eine Handlungsmöglichkeit dar. Außerdem würde niemand begreifen, wenn es jetzt dazu käme, daß zum Beispiel Bierdosen bepfandet werden, aber Cola- und Limodosen ohne Pfand davonkommen und nach wie vor in den Anlagen und auf den Straßen rumliegen. Darum hat die Bundesregierung jetzt die Trennung zwischen Einweg und Mehrweg aufgehoben und vor allen Dingen auch die Trennung nach Getränkefraktionen. Jetzt sollen alle umweltschädlichen, das heißt ökologisch nachteiligen Getränkeverpackungen bepfandet werden, und das, meine Damen und Herren, ist richtig so.

Diese Regelung und nichts anderes steht am 22. Juni im Bundesrat zur Abstimmung. Aber, damit wir uns richtig verstehen, es geht nicht um Pfand oder kein Pfand, es geht darum, ob noch dieses Jahr, oder wie Frau Möller sagt, Anfang des nächsten Jahres, im Januar, eine Pfandregelung in Kraft tritt, wo nur einige der umweltschädlichen Verpackungen, wie Bierdosen und Einwegwasserflaschen, aber auch Weinflaschen ein Pfand bekommen, die anderen nachteiligen Verpackungen aber weiterhin davonkommen.

Es kann nicht sein, daß es im Bundesrat dazu kommt, daß dieses Thema weiter verschleppt wird und vielleicht eine Quote durch eine andere Quote ersetzt wird. Das kommt für Sozialdemokraten nicht in Frage. Es muß eine Lösung gefunden werden, die Schluß macht mit der Vermüllung, denn 74 Prozent der Bevölkerung sind für eine neue Pfandregelung. Da bin ich mal ganz populistisch und möchte den Hamburger Senat auffordern und bitten, sich im Bundesrat dafür einzusetzen, daß eine Pfandregelung kommt, wie die Bundesregierung sie beschlossen hat, und nicht das „Merkel-Pfand“. Das würde kein Mensch mehr verstehen. – Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Engels.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind uns in der Zielsetzung – das kann ich von vornherein sagen – selbstverständlich einig. Wir müssen erstens selbstverständlich einer Vermüllung entgegenwirken – ich komme gleich noch einmal auf den Vergleich zu unserem nordeuropäischen Nachbar

staat Schweden zu sprechen –, und wir müssen natürlich zweitens darauf achten, daß wertvolle Rohmaterialien und Grundmaterialien, insbesondere Aluminium, einem vernünftigen und ökologisch sinnvollen Kreislauf zugeführt werden.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Dennoch – klatschen Sie man nicht zu früh –

(Michael Dose SPD: Ja, wir ahnen es schon!)

möchte ich zu einigen Ihrer abwertenden Bemerkungen einige Entgegnungen setzen.

Zunächst einmal ist die Verpackungsverordnung 1991 bekanntlich unter einer CDU-geführten Regierung eingeführt worden, und Sie haben hier diverse Kritikpunkte angemerkt. Es ist zwar richtig, daß sich in der Zwischenzeit einige Entwicklungen ergeben haben – Sie haben auf die Zahlen bei den Einwegverpackungen hingewiesen –, aber, Frau Dr. Schaal, die Unterschreitung der damalig festgemachten Quote von 72 Prozent ist nicht etwa dadurch zustande gekommen, daß die Mehrwegverpackungen insgesamt gesunken sind. Die sind nämlich von 19,4 Milliarden Liter auf 22,6 Milliarden Liter gestiegen. Das heißt, daß insgesamt sogar eine Steigerung eingetreten ist, allerdings – da haben Sie recht – war die Steigerung bei der Einwegquote höher. Es hat die Verschiebung gegeben.

Im übrigen darf ich Sie daran erinnern, daß die Recyclingquote in Deutschland – und das ist einmalig auf der ganzen Erde – dank der Verpackungsverordnung von damals über 80 Prozent, nämlich genau 80,6 Prozent, beträgt. Das ist gelungen durch ein Investitionsvolumen von über einer halben Milliarde DM bei den Glascontainern und noch einmal nahezu einer halben Milliarde DM bei den Altglasaufbereitungsanlagen. Dies war ein Riesenerfolg und ist ein Gütesiegel der CDU-Regierung in der Umweltpolitik.

(Beifall bei der CDU)

Auch die CDU-geführten Länder haben dies im letzten Jahr in einer sogenannten Kaminrunde mit dem Umweltminister Trittin ausformuliert. Sie haben sich darauf geeinigt, daß bestimmte Neuerungen notwendig sind. Ich stimme da meinen Vorrednern zu, daß es insbesondere sehr problematisch ist, die Frage von Regelungen von der Art des Getränkes abhängig zu machen. Leider wird das immer noch nicht ganz beseitigt. Sie haben zu Recht von der Ausnahme Wein gesprochen. Es ist natürlich die Art der Verpackung entscheidend für die Frage der Belastung der Umwelt und nicht die Frage, welches Getränk darin ist. Wir begrüßen es sehr, daß man hier versucht, eine gemeinsame Lösung zu entwickeln.

Zweitens zur Frage der Vermüllung. Hier wird gerne der Vergleich zum Land Schweden gemacht. Aber was das Land Schweden betrifft, so sage ich Ihnen deutlich, daß ich dort die Aluminiumblech-Rückgewinnungsmethode für vorbildlich halte. Allerdings können wir uns sonst nicht unbedingt am skandinavischen Vorbild ausrichten. Nur einmal zum Vergleich: Die Mehrwegquote in Schweden bei Bier beträgt 28 Prozent, bei uns im letzten Jahr 78 Prozent, bei Erfrischungsgetränken 58 Prozent und bei uns 77 Prozent. Wir müssen uns also fragen – und damit komme ich auf das Vermüllungsthema zu sprechen –, woran die Vermüllung bei uns eigentlich liegt.

Ich sage ausdrücklich vorweg: Selbstverständlich tragen die Hersteller von Verpackungen eine Mitverantwortung, aber die Verantwortung für die Vermüllung, die liegt bei je

dem einzelnen. Und da sage ich Ihnen deutlich: In Schweden gibt es seit 30 Jahren eine „Keep Sweden Tidy Foundation“. 30 Jahre lang agiert die, veranstaltet in Schulen Unterrichtungen, gibt Informationen und Anweisungen. Das ganze Erziehungswesen ist durchsetzt von den Aktionen dieser Foundation. Nun überlegen Sie sich einmal, was in Deutschland mit den sogenannten Sekundärtugenden, nämlich im Zusammenhang mit Ordnung und Sauberkeit, in diesen drei Jahrzehnten passiert ist. Hier gab es keinen späteren Parteiführer, der seinen eigenen Bundeskanzler darauf hingewiesen hat, daß man mit solchen Sekundärtugenden auch KZs organisieren kann.

Meine Damen und Herren, die Verantwortung

(Antje Möller GAL: Das ist doch nicht das Thema!)

für die Vermüllung liegt bei jedem einzelnen von uns,

(Beifall bei der CDU)

und da muß angesetzt werden, und das ist der entscheidende Punkt. – Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Jobs.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! So ganz nachvollziehbar ist mir die regierungseigene Dosenpfand-Euphorie nicht geworden. Klar ist, daß der Vermüllung der Landschaft damit entgegengewirkt werden kann. Das beste Argument für Dosenpfand liegt bekanntlich viel zu oft im Park herum. Aber eines ist dieses Dosenpfand mit Sicherheit nicht: Es ist kein Allheilmittel gegen eine Umweltproblematik.

(Dr. Monika Schaal SPD: Das hat auch keiner be- hauptet!)

Ein Problem bei den Dosen ist sicher die Entsorgung, aber das viel, viel größere Problem ist die Produktion der Dosen.

(Antje Möller GAL: Ich habe beides benannt!)

Dabei werden wertvolle Rohstoffe mit hohem Energieaufwand und Schadstoffausstoß in völlig überflüssige Produkte umgeformt. Eine Aludose ist etwa doppelt so klimaschädlich wie eine vergleichbare kleine Pfandflasche. Weißblech und Einwegflaschen sind noch viel ungünstiger zu beurteilen, und diesen Frevel wird kein Pfand heilen. Ich fürchte, es wird eher dazu beitragen, daß er legitimiert wird. Aber ein noch so hoher Rücklauf würde die Dosen nicht umweltfreundlicher machen als Mehrwegflaschen. Ich finde nicht, daß es so sonnenklar ist, daß das Dosenpfand dazu beiträgt, Mehrwegverpackungen zu fördern und die Dosenverpackungen aus den Regalen zurückzudrängen, denn es gibt Prognosen, daß die Händler verstärkt auf andere Einwegverpackungen umsteigen werden

(Antje Möller GAL: Das stimmt doch gar nicht!)

oder aber tatsächlich die Einwegverpackungen weiter einsetzen, um das Rücknahmesystem auszulasten. Dem hat auch nicht einmal der BUND widersprochen. Dazu können wir gerne gleich noch einmal unsere Unterlagen austauschen. Wir müssen statt dessen weg von der umweltschädlichen, weil rohstoffenergieintensiven Dose, hin zum umweltfreundlichen Mehrwegsystem. Um das zu erreichen, müssen offenbar aber noch ganz andere, wirkungsvollere Maßnahmen angedacht oder auch umgesetzt werden, damit das Dosenpfand eben nicht nur das Gewissen

der Umweltpolitiker beruhigt, die Umwelt aber weiter auf der Strecke bleibt. Da, denke ich, ist es dann auch an der Zeit, über ordnungsrechtliche Möglichkeiten zu reden. Es ist möglich, den Einsatz umweltschädigender Substanzen zu verbieten. Dagegen hat in diesem Haus wirklich niemand mehr etwas. Warum sollen wir nicht offensiv ein Verbot ökologisch verwerflicher Produkte voranbringen. Erfahrungen, gerade auch wieder aus Schweden, zeigen, daß dort das Verbot der PET-Einwegflaschen tatsächlich andere Alternativen erst richtig auf den Weg gebracht hat. Hamburg kann hier im Bundesrat aktiv werden. Aber sicherlich auch auf öffentlichem Grund hat Hamburg die Möglichkeit, auf Händler Einfluß zu nehmen. Aus Sicht von Umwelt und Natur schreien Getränkedosen nämlich nicht nach Pfand, sondern nach einem Verbot. – Vielen Dank.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort bekommt Senator Porschke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vielleicht dauert meine Rede ein oder zwei Minuten länger. Ich möchte vorweg sagen, daß wir im Senat zu der Frage, wie wir uns als Senat im Bundesrat verhalten, noch nicht entschieden haben. Deswegen spreche ich jetzt aus der Position des Umweltsenators. Der Ordnung halber muß das vorweg gesagt werden. Ich bin allerdings überzeugt davon, daß wir etwas gegen das Ausufern der Wegwerfverpackungen tun müssen. Wir müssen etwas tun gegen die Vermüllung der Landschaft, Parks und Grünanlagen. Wir müssen etwas tun gegen den Vertrauensverlust industrieller Selbstverpflichtungen, und wir müssen auch etwas tun gegen das Sterben regionaler Brauereien.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Gegen all dies wird die von Jürgen Trittin vorgelegte Verpackungsverordnung einen deutlichen Fortschritt bringen. Wenn sie auch nicht alle anderen Probleme auf der Welt gleich mitlöst, soweit muß ich in der Beziehung Herrn Jobs natürlich recht geben.