Protokoll der Sitzung vom 20.09.2000

Dann wird immer gesagt, wenn Leute zuziehen, müssen die logischerweise zu 100 Prozent Paragraph-5-Scheinbeziehungsweise sozialwohnungsberechtigt sein. Das steht im alten und im neuen Programm. Auch hier werden die Leute älter. Es bestehen ja gewisse menschliche Bindungen derartiger Gruppen, und neue Leute kommen hinzu. Hier verstehe ich nicht, daß auch hier gesagt wird, wir gucken im Prinzip überhaupt nicht, was eigentlich in

zehn, 20 Jahren passiert. In der Evaluation heißt es dazu, daß es vorgesehen ist, daß bei Nachbelegung Nachrücker und Nachrückerinnen ausnahmslos einen Paragraph-5Schein haben müssen. Dies wird intern von den jeweiligen Gruppen geregelt. Es erfolgt derzeit keine Überprüfung durch die Träger oder eine andere Instanz oder über die Behörde. In der neuen Drucksache steht auch der Satz, Nachrücker müssen natürlich einen Paragraph-5-Schein haben, aber angesichts der Tatsache, daß sich im Grunde niemand gekümmert hat, wen dann zukünftige Leute reinholen, reicht es nicht zu sagen, das wollen wir machen.Das geht nicht.

Die Fluktuation ist hoch, und zwar bis zu 80 Prozent. Das heißt, im Jahre X fördere ich solch ein Objekt – nach zehn Jahren 80 Prozent neu –, da muß ich schon gucken, daß die, die dort neu reinkommen, profitieren. Das ist in Kürze die Kritik, ohne jetzt die Zahlen hin und her zu rechnen, ob nun der Rechnungshof mit 2300 DM pro Quadratmeter oder der Senat mit 1700 DM recht hat. Das schaffen wir nicht, aber das können wir im Ausschuß erörtern, wenn wir die Drucksache dort möglicherweise noch diskutieren.

Was macht man jetzt? Trotz der Kritik des Rechnungshofs sagt der Senat, wir wollen das Programm ausweiten. Das lehnen wir ab.

Erstens ist wenig erkennbar, daß dieses Programm effizienter wird, unabhängig davon, ob wir nun die Ziele teilen.

Zweitens ist im Grunde der Marktbedarf so nicht mehr da. Wenn man sagt, nach ungefähr 15 Jahren ist der Bedarf relativ gedeckt, wenn ich mir die Gruppen zum Beispiel der Hausbesetzer angucke und wie viele alte Häuser es noch gibt. Das sagt der Senat im Prinzip auch. Die Konsequenz ist jetzt, dies Programm mit den technischen Mängeln nicht etwa zu reduzieren oder einzustellen, sondern da sagt man, prima, dann müssen wir etwas anderes machen.Jetzt machen wir Neubaugebiete und sonstiges.Das halte ich für falsch.

Sie sagen jetzt, wir machen Neubauobjekte auf diese Art und Weise. Dann wollen Sie noch Gewerbeobjekte und soziale Einrichtungen wie Kindergärten und so weiter fördern.

In Kürze: Ein technisch schlechtes Programm einfach auf neue Projekte anzuwenden ist schlecht. Die drei Elemente sind auf den ersten Blick keineswegs überzeugend. Das Spezifische des Programmes, sozial schwache Gruppen in bestimmten Stadtteilen zu fördern, haut da nicht hin.

Zweitens: Selbsthilfeanteile bei Neubauobjekten funktionieren im Prinzip relativ schlecht. Wenn man sich die Evaluation durchsieht, kann man natürlich einen Altbau entmüllen – das macht schon viel Selbsthilfe aus –, wenn ich einen Neubau hochziehe, haben wir da sehr große Probleme, wie man das da machen soll.Hinzu kommt auch die Konkurrenz zu Handwerkern.

Nächster Punkt: Soziale Einrichtungen. Das klingt auch gut. Das will jeder fördern. Nur, wir fördern sie ja. Man kann jetzt den Bezirken sagen, Landesjugendplan kürze ich wieder und andere Geschichten auch und dann mache ich hier etwas Tolles. Dann muß man schon sagen, will ich für Jugendeinrichtungen, Schulen Geld ausgeben. Dafür gibt es Schulbehörde oder den Landesjugendplan. Wo will ich als Senat insgesamt steuern und sagen, das Ziel will ich so erreichen? Aber nur, weil es hier keinen Bedarf gibt, haue ich das hier noch rein, halte ich für wenig sinnvoll.

Problematisch ist Gewerbe. Sosehr wir Ansätze Krausestraße und so etwas gut finden, aber die Grundidee ist pro

(Dr. Stefan Schulz CDU)

blematisch, denn das wird denen ja nicht geschenkt, sondern man fördert Selbsthilfe.

(Ingrid Cords SPD: Das ist doch toll!)

Die Drucksache ist schwierig. Lesen Sie sie erst einmal durch.

Herr Maier, bei Gewerbe kommt ja etwas hinzu. Da kommt hinzu, daß es Gewinn oder Verlust gibt. Wie soll das eigentlich sein? Das heißt, mit staatlichen Mitteln wird der kleine Laden im Einkaufszentrum gefördert. Welcher Laden? Nach welchen Kriterien? Es sind nicht alle Gewerbetreibenden gleich. Der Laden macht einen Riesengewinn. Wer profitiert? Soll das nach dem Münchener Modell abgeschöpft werden? Oder, wenn er dann reich wird, ist es nicht ungerecht gegenüber anderen Gewerbetreibenden? Wäre es dann nicht gerechter zu sagen, ich fördere eines der SAGA-Einkaufszentren, die ein bißchen abgängig sind durch ein einheitliches Konzept? Was ist, wenn der Laden pleite geht?

Letztendlich: Das Programm hat technische Mängel, und es bietet sich daher überhaupt nicht an, andere Ziele, die wünschenswert sind, zu steuern durch hohe Reibungsverluste. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Frau Cords.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das war die soundsovielte Pflichtübung der CDU. Ich wundere mich nur, was sie dazu veranlaßt hat.

(Dr. Stefan Schulz CDU: Ich habe das durchgele- sen! – Gegenruf von Holger Kahlbohm SPD: Mußte das gerade jetzt und hier sein? – Heiterkeit bei der SPD und der GAL)

Zwischen Lesen und Verstehen gibt es einen Unterschied. Deshalb wäre es seriöser gewesen, Sie hätten die Chance ergriffen, dieses Thema im Ausschuß ausführlich zu diskutieren. Dann hätten Sie das vielleicht auch verstanden. Als Sie das Thema angemeldet haben, war mir schon klar, daß sie es sowieso grundsätzlich ablehnen. Also hätten Sie sich Ihren Beitrag ganz sparen können. Ich bin gespannt, was Herr Tants noch dazu sagen wird.

(Antje Blumenthal CDU: Bis jetzt haben Sie noch nichts gesagt!)

Ich möchte aus Sicht des Haushaltsausschusses etwas dazu sagen, damit alle ein bißchen mitkoppeln können.Der Senat hat der Bürgerschaft mit Drucksache 16/4403 – um die geht es nämlich – die aktualisierten Förderkriterien für das Alternative Bauprogramm vorgelegt.

(Dr. Stefan Schulz CDU: Formal!)

Die Bürgerschaft hat die Fortschreibung der Förderkriterien zuletzt im Rahmen der Haushaltsberatung zum Haushalt 2000 dringlich angemahnt. Um der Sache Nachdruck zu verleihen, hat sie eine Haushaltssperre verfügt. Das machen wir nicht umsonst.

Mit Vorlage der Drucksache 16/4403 ist den Forderungen der Bürgerschaft jetzt Rechnung getragen worden. Der Haushaltsausschuß hat in seiner Sitzung am 11. Juli 2000 gegen die Stimmen der CDU empfohlen, die Haushaltssperre für diesen Titel aufzuheben.

Einige Anmerkungen zum Hintergrund des Ablaufs: Schon 1995 wurde das ABB-Programm vom Rechnungshof kri

tisch geprüft und eine Überarbeitung beziehungsweise Anpassung der Programminhalte an geänderte gesellschaftspolitische Ausgangsformen für die Stadtentwicklung gefordert. Parallel hat die Stadtentwicklungsbehörde 1995 auch ein Gutachten zur Evaluation des ABB-Programms in Auftrag gegeben. Dieses Gutachterergebnis liegt seit 1997 vor. Es ist zwar kein umfangreiches Gutachten, aber eine interessante Lektüre. Herr Schulz hat schon etwas daraus vorgetragen, aber er hat sich nur das herausgepickt, was er lesen wollte. Einige Details am Rande: Von Bayern über das Saarland bis Berlin – also über die ganze Bundesrepublik – werden alternative Wohnprojekte aus unterschiedlichen Landesfördertöpfen finanziert. Die Aufregung der CDU ist für Hamburg unerklärlich, das Programm ist nämlich keine Hamburger Erfindung. Aber nur Hamburg und Berlin haben umfassende Förderkriterien festgelegt, denn diese können eine transparente Begleitung der alternativen Baubetreuungsprojekte ermöglichen. Darum geht es auch der SPD.

Daß erst heute die aktualisierten Förderkriterien durch die federführende Fachbehörde vorgelegt werden, sagt etwas über die inhaltlich kleinteiligen, sensiblen und zu verzahnenden Faktoren aus, die zwischen mehreren Fachbehörden verhandelt und festgelegt werden mußten. Der Stadtentwicklungsausschuß wird sich nach dem Haushaltsbeschluß noch im einzelnen mit den neuen Rahmenbedingungen des ABB-Programms befassen.

Aus Sicht des Haushaltsausschusses ist für die SPD schon heute folgendes anzumerken: Mit diesen neuen Förderrichtlinien für das ABB-Programm kann Controlling im besten Sinne stattfinden.Das heißt unter anderem, eine ständige Evaluation wird das ABB-Programm begleiten. Eine behördenübergreifende Koordinierungsrunde soll gegebenenfalls Ergebnisse und damit die Förderrichtlinien fortschreiben.Weiter ist vorzumerken, daß das Programm zum Haushalt 2003 wieder auf dem Prüfstand steht. Ein Senatsbericht an die Bürgerschaft ist zugesagt. Für das Parlament ist damit noch mehr Transparenz über die Gestaltung und die Ergebnisse des ABB-Programms möglich.Die Instrumente sind für die neuen Förderrichtlinien installiert; an uns, dem Parlament, ist es, sie zu benutzen.– Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD, bei Manfred Mahr und Sabine Steffen, beide GAL)

Meine Damen und Herren! Bevor ich Frau Möller das Wort gebe, möchte ich noch einmal darauf hinweisen, daß diese Anlage relativ sensibel ist.Sie funktioniert vor allen Dingen dann nicht gut, wenn der Lärmpegel im Raum hoch ist. Deswegen bitte ich Sie, den Rednerinnen und Rednern zu lauschen und Ihre Gespräche zu dämpfen oder draußen zu führen.

Das Wort hat jetzt Frau Möller.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mir fällt es ein bißchen schwer, jetzt in die Debatte einzusteigen. Herr Schulz, ich gebe zu, daß ich Probleme mit Ihrer Rede zum Bericht des Haushaltsausschusses habe. Ich habe dem Bericht entnommen, daß die CDU sich mehrheitlich gegen das Aufheben der Haushaltssperre ausgesprochen hat.Sie haben aber zugestimmt, die Drucksache nachträglich im Stadtentwicklungsausschuß zu beraten. Das ist der richtige Ort, um all die Punkte, die Sie unter uns gestreut haben, im einzelnen durchzugehen. Dann können wir uns darüber klarwerden, was von Ihrer Kritik

(Dr. Stefan Schulz CDU)

möglicherweise Hand und Fuß hat. Das hat sich mir aber aus Ihrer Rede nicht erschlossen.

(Vizepräsident Berndt Röder übernimmt den Vor- sitz.)

Mir fehlt vor allem eine Auseinandersetzung damit, warum wir das Programm der baulichen Selbsthilfe brauchen. Warum ist es so dringend nötig, daß das Programm fortgeschrieben wird? Das ist die grundlegende politische Entscheidung, die hier vom Senat gefällt worden ist. Darüber bin ich sehr froh. Vielleicht teilt die Opposition oder in diesem Fall nur die CDU – davon gehe ich aus – nicht die Ansicht, daß es dringend notwendig ist, in dieser Stadt ein schlagkräftiges Instrument zu haben, das im Quartier die Initiative zur Unterstützung aller anderen Förderprogramme und aller anderen Projekte im Bereich der sozialen Stadtteilentwicklung fördert und voranbringt. Sie kritisieren – ich greife einen Aspekt auf –, es sei nicht nachvollziehbar oder sogar falsch, daß dieses Programm neben den Altbauten in Neubaugebieten oder sogar bei Gewerbeprojekten greifen soll.Ich verstehe nicht, warum Sie nicht aufjauchzen und sagen, da wird Eigeninitiative im Bezirk unterstützt, die sagt, wir wollen auch einen gewerblichen Betrieb gründen, ein Projekt, das Arbeitsplätze abseits der Norm schafft und nicht nach dem Motto, wenn schon ein Gewerbebetrieb gefördert wird, müssen alle gefördert werden. Das ist nicht das Thema.

(Beifall bei Andrea Franken GAL)

Es ist der Ansatz der selbstbestimmten Wohn- und Lebensform und der selbstbestimmten Schaffung von Arbeitsplätzen. Ich gebe zu, daß das etwas überspitzt gesagt ist, aber es ist vermutlich klar, was ich meine. Wir fördern etwas, was es bisher so nicht gab, und ich bin auf die Ergebnisse gespannt. Es ist wichtig, daß wir das auch in Hamburg endlich einmal ausprobieren.Wir brauchen diese Impulse für die Quartiere und für die ganze Stadt. Die Programme, die uns die Wirtschaftsbehörde dazu liefert, sind der eine Weg. Aber aus den Quartieren heraus muß die Lust kommen, damit die Initiative gestützt und gefördert wird. Darum ist die Ausweitung und die Veränderung der Zielsetzung genau die richtige Reaktion des Senats.

Daß die Haushaltssperre aufgehoben wurde, hat eben schon meine Vorrednerin begrüßt. Auch wir begrüßen es. Das Zerreden eines Projekts, bevor es begonnen hat, ist nicht hilfreich. Warten wir ab, welche Ideen sich aufgrund dieser neugeschaffenen Basis für die Quartiere ergeben. Reden wir vorab im Stadtentwicklungsausschuß über die Details und treffen uns anschließend wieder hier. Dann ist vielleicht auch Ihr Fazit ein anderes. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und bei Ingrid Cords und Rolf Polle, beide SPD)

Das Wort hat die Abgeordnete Sudmann.

Der Haushaltsausschuß hat eine sehr weise Entscheidung getroffen. Er hat nämlich festgestellt, daß der Umfang dieser Drucksache und der fachliche Inhalt unbedingt eine ausdauernde Beratung im Fachausschuß erfordern. Dem möchte ich nicht vorgreifen. Der Haushaltsausschuß hat aber auch erkannt, daß es sehr wichtig ist, jetzt die Mittel zu entsperren. Das ist richtig und muß passieren. Im Fachausschuß werden wir sehr viele Fragen klären. Da wir das alte ABB-Programm immer sehr unterstützt haben, inter

essiert uns unter anderem brennend die Frage, wie der Senat dafür Sorge tragen wird, daß der Koalitionsvertrag umgesetzt wird, daß nämlich jährlich 200 neue Wohneinheiten gefördert werden. Ich habe nicht verstanden, warum heute so lange über dieses Thema gesprochen wird, wo wir doch alle einstimmig überweisen werden. Aber Herr Schulz wird seine Rede bis zum nächsten Mal perfektionieren, und wir werden alle wissen, was los ist. – Danke.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und bei Sabine Steffen GAL)

Das Wort bekommt Senator Dr. Maier.

Herr Schulz, ich habe mich auch ein bißchen über die technische Kritik gewundert, die Sie geäußert haben. Wenn Sie sagen, dieses Programm gefällt uns prinzipiell, weil Leute dazu aufgefordert werden, ihre eigene Kraft im Hinblick auf ihre eigenen Interessen einzusetzen, aber bisher damit Probleme hatten, dann müßten Sie sich ein bißchen mehr in die Konsequenz des Programms hineindenken. Wenn der Rechnungshof gesagt hat, das ist zu teuer, dann ist er zu diesem Ergebnis gekommen, weil er zu den normalen Baukosten die Betreuungskosten gerechnet hat.